Mit geruzelter Stirn und mit einem Zeigefingernagel gegen seine verlängerten Schneidezähne tippend, laß Lurker die Zeilen.
In seinem Geist setzten sich die Zahnräder und Hebel in Bewegung. Ravnos, der Clan der Wanderer, Zigeunerblut.
Den Worten entnahm er, das es sich bei dieser Person sehr wahrscheinlich um den unscheinbaren, bärtigen Mann handeln mußte, der damals im Hotel von Tiberius zu ihnen gestoßen war. Aus irgendeinem Grunde hatte er sich der Gruppe angeschlossen und war bei dem Kampf gegen Zacharii dabei gewesen. Als er und Dimitri zu Boden gingen, waren er und der Hexenprofessor eingesprungen um den Geist des Untoten von Viktor abzulenken.
Dieser Kerl war der einzige vom Zigeunervolk gewesen den er jemals zu Gesicht bekommen hatte. Was veranlasste Herrn Jäger nun sich nach so langer Zeit an ihn zu wenden ?
Lurker spürte das Kratzen der Neugierde an seinem Bewußtsein. Das träge, dunkle Blut in seinen Adern machte einen kleinen Satz.
Nun, es war im Grunde ganz einfach. Er würde hingehen und herrausfinden um was es ging. Er sah hoch zu Georg.
Es geht mir ausgezeichnet. Allerdings habe ich in letzter Zeit so viele Bälle in der Luft, das ich für das Buch immer weniger Zeit finde. Es gibt sovieles das ich neu überdenken muß...
Er lächelte versonnen, ein Lächeln das Georg nicht sehen, aber in Lurkers Stimme mitschwingen hören konnte.
Aber wie sagt man bei den Schirftstellern ? `writting is re-writting´. Ich bin gerne bereit alles im Licht neuer Erfahrungen zu überarbeiten. Wie geht es denn mit deinen eigenen Projekten ?
Lurker wußte das sein menschlicher Protege sich niemals mit der offiziellen Erklärung, die verlautet worden war um die schrecklichen Auswirkungen des Fluches zu verschleiern, abgefunden.
Er hatte mit Lurker viele Briefe gewechselt und zwischen den Zeilen hatte Lurker immer wieder die Triebfeder des Jungen gespürt. Er war auf der Suche nach seiner Mutter und viel wichtiger, er war auf der Suche nach der Wahrheit, denn seine Mutter würde erst Ruhe finden wenn er die Wahrheit kannte. Dabei verließ sich der Junge einzig und alleine auf sein Gefühl, das irgendetwas an der Sache faul war.
Natürlich konnte er mit niemandem über so etwas sprechen, denn alle anderen Sterblichen taten seine Spuren als Hirngespinste ab. Für die war er nur ein Spinner, ein Verschwörungstheoretiker, ein Paranoider. Aber ihm, Lurker, hatte er alles geschrieben und immer wieder hatte er ihn mit interessanten Fragen und Quellenverweisen auf andere Vorkommnisse vorran getrieben.
Lurker kannte das Verlangen das Georg vorrantrieb. Er fragte sich ob der Junge an den Punkt kommen würde wo er für die Wahrheit seine Seele verkaufen würde, so wie das ein sterblicher Mann, an den sich Lurker immer weniger erinnerte, vor langer Zeit getan hatte.
Wenn dem so war, dann würde er Georg erwarten und empfangen, so wie man ihn erwartet und empfangen hatte.
Doch sein Schützling kam nicht dazu ihm zu antworten. Sie hörten plötzlich den Türsummer des Hauteinganges. Lurkers Fokus sprang sofort hinüber zu der Gestalt die soeben die Wärmeschleuse betreten hatte und nun auf die Tür zuging die in die Bibliothek führen würde.
Georg sah kurz zu Lurker hinüber, zuckte dann mit den Achseln und betättigte den Schalter, der dem späten Gast Zugang gewähren würde.
Dann spürte Lurker ein Prickeln seinen Rücken hinablaufen. Der Man stützte sich beim Gehen auf einen Stock.
Kann ER das sein ? Was tut er zu dieser späten Stunde hier ? Er war noch niemals hier.
Dann trat der Mann an den Thresen und damit in den Lichtkreis der diesen erhellte. Lurker erkannte Chemoi und unwillkürlich zuckte ein kurzes Lächeln durch sein Gesicht. Etwas in ihm, freute sich den Alten zu sehen.
Was sollte ein anderer Vampir schon hier in der Bibliothek anderes suchen als ihn, Lurker. Alle die etwas von den Nosferatu wollten kamen hier her, zu ihm.
Normalerweise hätte er jetzt das alte Spiel gespielt sich in die weit entfernte Sitzgruppe in der Nähe der Stadtchroniken zurückzuziehen, wo nur eine einzige, Altersschwache Stehlampe die Ecke in schummriges Zwiellicht tauchte, und Georg vor zu schicken, damit dieser den Besuch zu der `Audienz´ bei Lurker führte.
Aber Lurker hob die Hand um Georg aufzuhalten. Diesen dort, würde er selber empfangen. Leise und mit gemeßenen Schritten näherte er sich Ignatius Chemoi. Im Schatten eines Regales blieb er stehen. Fahl schimmerten seine Augen im Schatten der Kapuze.
Guten Abend Doktor Chemoi, es freut mich sie wiederzusehen. Wie ist es ihnen und unserer kleinen Brenda ergangen ?
Seine Stimme war ein leises, schmeichelndes Zischen. Obwohl er es eigentlich nicht wollte, hatte seine Stimme etwas linkisches. Aber der Andere würde den amüsierten Tonfall und die Situation sicher zu deuten wissen. Lurker spottete nicht über das Mondkind. Die Häme seiner Worte galt ihm selber, den neuen `Gegebenheiten´und der Erinnerung an die `gute alte Zeit´, aus der sie sich kannten.