Little Indian #5
Bewahrer arkanen Wissens
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- 11. Juni 2007
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Ich bin mir dessen bewusst, dass bei Savage Worlds die einzelnen Regelelemente deutlich enger mieinander verzahnt sind als bei anderen Systemen und deshalb die Einführung von Alternativ- oder „Haus“-Regeln besonders zurückhaltend gehandhabt werden sollte.
Trotzdem erlaubt auch Savage Worlds Veränderungen der Regeln, ohne das System, das Spielgefühl oder die Spielbalance (soweit vorhanden) zu zerstören.
Das sehen offensichtlich auch die Savage Worlds-Macher so, denn immerhin haben sich ja im Laufe der Jahre und der verschiedenen Regelversionen zentrale Elemente der Regeln (wie etwa die Schadenswürfe, die Außer Gefecht-Tabelle und die Verfolgungsjagd-Regeln) wesentlich geändert.
Auch die „Gentleman’s Edition“ bietet ja ganz neue „Alternativregeln“, etwa zur Umsetzung der Schablonen ohne Verwendung von Miniaturen.
Und da auch die geplante „Deluxe“-Version von Savage Worlds wohl neue Regeln enthalten wird, dachte ich, dass dies vielleicht ein günstiger Zeitpunkt sei, um sich eine Alternative für eines der Savage Worlds-Regelelemente zu überlegen, das ich für am wenigsten gelungen halte:
die spielkartenbasierte Initiative.
Bei dem in den Regeln vorgesehenen Ermitteln der Initiativereihenfolge im Kampf durch das Ziehen von Pokerkarten sehe ich vor allem folgende Probleme:
1. Es passt in vielen Setting nicht zur Stimmung
Savage Worlds hat sich ja aus dem Western-Rollenspiel Deadlands und dem Western-Tabletop Great Rail Wars entwickelt. Bei einem Spiel vor einem Wildwest-Hintergrund ist die Verwendung von Pokerkarten als Spielelement sehr schön stimmig und trägt sicher einiges dazu bei, die entsprechende Atmosphäre zu transportieren.
Mittlerweile sind die (offiziellen und inoffiziellen) Savage Worlds-Settings aber sehr vielseitig. In einem Superhelden-Setting wie Necessary Evil passt das Ziehen von Pokerkarten schon kaum noch zum Hintergrund und in einem Fantasy-Setting wie Sundered Skies (gibt es in den Geborstenen Himmeln überhaupt Poker?) und erst Recht in einem düster-militären Endzeit-Setting wie Necropolis (was sagt eigentlich die Kirche zum Glücksspiel?) wirkt das fröhliche Kartenziehen irgendwie fehl am Platze.
2. Es ist umständlich in der Handhabung
Damit meine ich nicht, dass die entsprechenden Regeln kompliziert seien, die sind ja nun wirklich einfach und eindeutig.
Aber das Ziehen oder Verteilen von Spielkarten als physischer Akt kann zu Problemen führen: Bei Spielrunden, die nicht gemeinsam an einem Tisch sitzen, ist es so gut wie unmöglich. Selbst bei einer „klassischen“ Gruppe wie der an der ich teilnehme und die sich um einen einzelnen Tisch versammelt, habe ich aufgrund der Länge des Tisches als Spielleiter Probleme, dem mir gegenüber sitzenden Spieler seine Initiativekarte zu geben. Die Karten in die Tischmitte zu stellen und die Spieler jeweils ziehen zu lassen würde auch nicht funktionieren, da der Tisch meist mit Knabberkram und Teebechern vollgestellt ist und ich als Spielleiter außerdem über meinen Sichtschirm greifen müsste, um die Karten zu erreichen.
Außerdem hält eine kartenbasierte Initiative den Spielfluss im Kampf doch ziemlich auf, da jede Runde neue Karen gezogen werden müssen. Wenn dann noch einer der Charaktere ein Talent wie Schnell hat und man ihm deshalb nacheinander mehrere Karten austeilen muss (das kommt in unserer Runde, obwohl nur ein Charakter dieses Talent besitzt, ständig vor), hält das noch mehr auf. Vom regelmäßigen Mischen des Spiels nach Ziehen eines Jokers will ich jetzt gar nicht mehr anfangen.
Schließlich gibt es vielleicht immer noch (gerade in Deutschland) Haushalte, in denen gar keine Pokerkarten vorhanden sind – Skatkarten sind hierzulande ja wohl immer noch gebräuchlicher.
3. Es macht die Kämpfe noch unberechenbarer
Etwas, das ja häufig als ein "Problem" von Savage Worlds angesehen wird ist die Tatsache, dass aufgrund der "nach oben offenen" Fertigkeits- und Schadenswürfe und der Tatsache, dass auch erfahrene Wildcards nur drei Wunden "einstecken" können, bleibt wirklich jeder Kampf potenziell tödlich. So etwas wie "Aufwärmmonster" gibt es bei Savage Worlds nicht. Auch ein altersschwacher Goblin, der nur mit einem rostigen Buttermesser bewaffnet ist, kann meinen legendären Helden mit einem einzigen Stich töten, wenn er nur gut genug würfelt. Diese Gefahr kann ich zwar durch einige Talente und die Steigerung von Parade und Zähigkeit (insb. durch Verwendung von Rüstungen und/oder Mächten) verringern, aber sie besteht immer. Als alter Windows-Nutzer vermute ich zwar, dass das vielleicht keinen "Bug", sondern ein "Feature" des Systems darstellt, aber trotzdem kann es sehr frustrierend sein.
Dieser Effekt kann durch eine kartenbasierte Initiative noch verstärkt werden, denn wegen ihr besteht die Chance, dass mich der Rentner-Goblin mit seinem Todesstich erwischt, bevor ich auf ihn überhaupt reagieren kann (und das, obwohl ich nicht einmal überrascht bin). Und wenn der Goblin bei der Initiativeermittlung einen Joker zieht, dann erhält er sogar einen Bonus auf seinen Kämpfen- und Schadenswurf.
Auf der anderen Seite ist es sehr schwer, mit der kartenbasierten Initiative „langsame“ Monster wie Zombies, Gallertwürfel usw. darzustellen. Wenn die in jeder Runde Asse und Joker ziehen, dann lassen sie auch den flinksten Elfen ganz schön alt aussehen.
Daher würde ich es begrüßen, eine Alternativregel zu Initiativeermittlung zu haben.
Als „Arbeitsgrundlage“ stelle ich mal folgende Variante in den Raum (die d20-Spieler vielleicht bekannt vorkommt):
Vor der ersten regulären Kampfrunde wirf jede Wildcard und jede Gruppe von Extras zur Ermittlung des Initiativewertes 1W20 (Initiative-Wurf). In den einzelnen Kampfrunden handeln die Beteiligten dann jeweils in der Reihenfolge der gewürfelten Ergebnisse, wobei die höhere Zahl vor der niedrigeren handelt.
Das geht schnell, eliminiert die Karten - und führt dazu, das ich auch bei Savage Worlds endlich meinen Lieblings-W20 benutzen kann.
Na gut, der Rentner-Goblin kann dann natürlich immer noch vor dem legendären Helden handeln und diesen mit seinem Buttermesser aufschlitzten. Dann ist das wohl doch ein "Feature" von Savage Worlds…
Diese Neuregelung führt zu folgenden Problemen:
1. Einige Talente müssen geändert werden
Talente wie Kühler Kopf, Kühlerer Kopf und Schnell, die von einer kartenbasierten Initiative ausgehen, müssen modifiziert werden. Das ist allerdings nicht sehr schwierig.
Ich könnte mir folgende Regelung vorstellen:
Kühler Kopf: Der Charakter erhält einen Bonus von +4 auf seinen Initiativewurf.
Kühlerer Kopf: Der Charakter erhält einen Bonus von +8 auf seinen Initiativewurf.
Schnell: Der Initiativewurf des Charakters beträgt immer mindestens 7. Sollte der Wurf eine niedrigere Zahl ergeben, gilt für die Initiative stattdessen ein Wert von 7.
Für langsame Monster wie Zombies könnte ein Handicap eingeführt werden wie:
Langsam: Der Charakter erhält einen Abzug von -4 auf seinen Initiativewurf.
Da es nunmehr Talente (und Handicaps) gibt, die einen festen Bonus (oder Abzug) auf den Initiativewurf gewähren, wäre es sinnvoll, den Charakterbogen um ein Feld für Initiative (vergleichbar zu dem Feld für Charisma) zu erweitern.
2. Gleiche Initiativewerte sind möglich
Ein großer Vorteil der kartenbasierte Initiative liegt darin, dass es hier fast ausgeschlossen ist, dass zwei der am Kampf Beteiligten in der Initiativefolge an gleicher Stelle stehen (außer bei zwei gleichzeitig gezogenen Jokern, ws aber kaum jemals vorkommt).
Bei einer ausgewürfelten Initiative können und werden allerdings gleiche Ergebnisse häufiger vorkommen.
Sinnvoll ist es dann wohl, die Regel zum gleichzeitigen Ziehen von zwei Jokern entsprechend anzuwenden und eine vergleichende Geschicklichkeits-Probe durchzuführen. Derjenige mit dem höheren Ergebnis darf dann während des folgenden Kampfes bei dem entsprechenden Initiativewert zuerst handeln.
3. Es gibt keine Joker mehr bei der Initiativeermittlung
Deshalb fällt auch die Chance weg, durch das Ziehen eines Jokers dem +2-Bonus auf alle Eigenschafts- und Schadens-Würfe in dieser Runde zu erhalten. Damit fehlt ein Element, das einem am Kampf Beteiligten einen Vorteil verschaffen könnte.
Mich würde das allerdings nicht stören, da es sich hier um ein völlig zufälliges Element handelt, das einen beliebigen Beteiligten grundlos begünstigt, ohne dass dieser sich taktisch klug verhalten hat oder ein besonderes Talent besitzt. Die Spielbalance dürfte dadurch nicht sehr erschüttert werden, denn immerhin gilt dieser Vorteil ja für die Spielercharaktere ebenso wie für NSCs. Die Joker-Regel erweist sich sowieso als ziemlich unfair, wenn eine Gruppe von Extras nur eine Karte für die Initiative zieht und es sich hierbei um einen Joker handelt, da dann ja alle Extras den entsprechenden Bonus erhalten. Das heißt, das die Extras den Wildcards dann richtig heftig zusetzen können..
Mit dem Wegfall des Jokers fallen allerdings auch ein paar Wildcard-Talente weg (nämlich Energieschub, Mächtiger Hieb und Volltreffer), oder sie müssen zumindest geändert werden.
Ich könnte mir da folgende Anpassung vorstellen, z.B.:
Volltreffer: Würfelt der Charakter beim Initiativewurf eine 20, so kann er während einer der folgenden Kampfrunden den Gesamtschaden nach einem erfolgreichen Schießen- oder Werfen-Angriff. Der Charakter muss dies zu Beginn seiner Handlung in der Kampfrunde ansagen, also bevor er den entsprechenden Angriffswurf ausführt.
Energieschub und Mächtiger Hieb könnten dann entsprechend angepasst werden.
4. Die Regel für Tricks müssen geändert werden
Meiner Meinung nach das größte Problem.
Ein erfolgreicher Trick führt nach den Standard-Regeln dazu, dass der Ausgetrickste bis zu seiner nächsten Aktion einen Abzug von -2 auf seine Parade erhält und bei einer Steigerung angeschlagen ist.
Bei einer kartenbasierten Initiative kann der Anwender eines erfolgreichen Tricks somit hoffen, in der nächsten Runde eine bessere Aktionskarte zu ziehen als der Ausgetrickste, sodass er vor diesem handeln und dessen gesenkte Parade ausnutzen kann bevor der Ausgetrickste wieder handeln kann (und die Wirkung des Tricks verfliegt). Bei einer festen (ausgewürfelten) Initiative ist es allerdings ausgeschlossen, dass der Anwender des Tricks vor seinem "Opfer" handeln kann. Deshalb muss die Trick-Regel angepasst werden.
Am Einfachsten wäre es wohl, die Wirkung des Tricks an die eines geistigen Duells anzugleichen und den Abzug auf die Parade bis einschließlich der nächsten Handlung des Trickanwenders (und nicht des Ausgetricksten) zu gewährend. Damit werden auch Verbündete durch einen Trick noch besser unterstützt als bisher, da diese garantiert einmal handeln können, bevor die Wirkung des Tricks verfliegt.
Denkbar wäre es auch, Tricks noch eine größere taktische Bedeutung zu verleihen, indem der Charakter nach erfolgreicher Anwendung eines Tricks drei mögliche Wirkungen hat, von denen er sich eine aussuchen kann:
a. die Parade des Ausgetricksten sinkt und 2 bis zur nächsten Handlung des Trickanwenders oder
b. der Initiativewert des Trickanwenders wird für alle folgenden Kampfrunden um 2 erhöht oder
c. der Initiativewert des Ausgetricksten sinkt für alle folgenden Kampfrunden um 2.
Bei einer Steigerung ist das "Opfer" des Tricks natürlich immer noch angeschlagen. So können mehrere Charaktere noch besser zusammenarbeiten und Tricks kombinieren, sodass der Initiativewert des Gegners so weit sinkt, dass dieser in zukünftigen Runden erst nach ihnen handeln kann.
5. Eine Initiativeliste isterforderlich empfehlenswert
Um die Übersicht zu behalten, sollte der Spielleiter eine Initiativeliste führen.
Da sich – insbesondere wenn man die erweiterten Möglichkeiten für Tricks anwendete (s.o.) – der Initiativewert noch nachträglich ändern kann, kann es vorteilhaft sein, eine solche Liste mit verschiebbaren Markern zu benutzen (paizo hat sowas, glaube ich, mit magnetischen Pins für D&D/Pathfinder herausgebracht).
Ich denke, damit dürfte die Auswirkung der neuen Initiativeregel auf die anderen Savage Worlds-Elemente hinreichend geregelt sein.
Eigentlich eine interessante Alternative, oder?
Trotzdem erlaubt auch Savage Worlds Veränderungen der Regeln, ohne das System, das Spielgefühl oder die Spielbalance (soweit vorhanden) zu zerstören.
Das sehen offensichtlich auch die Savage Worlds-Macher so, denn immerhin haben sich ja im Laufe der Jahre und der verschiedenen Regelversionen zentrale Elemente der Regeln (wie etwa die Schadenswürfe, die Außer Gefecht-Tabelle und die Verfolgungsjagd-Regeln) wesentlich geändert.
Auch die „Gentleman’s Edition“ bietet ja ganz neue „Alternativregeln“, etwa zur Umsetzung der Schablonen ohne Verwendung von Miniaturen.
Und da auch die geplante „Deluxe“-Version von Savage Worlds wohl neue Regeln enthalten wird, dachte ich, dass dies vielleicht ein günstiger Zeitpunkt sei, um sich eine Alternative für eines der Savage Worlds-Regelelemente zu überlegen, das ich für am wenigsten gelungen halte:
die spielkartenbasierte Initiative.
Bei dem in den Regeln vorgesehenen Ermitteln der Initiativereihenfolge im Kampf durch das Ziehen von Pokerkarten sehe ich vor allem folgende Probleme:
1. Es passt in vielen Setting nicht zur Stimmung
Savage Worlds hat sich ja aus dem Western-Rollenspiel Deadlands und dem Western-Tabletop Great Rail Wars entwickelt. Bei einem Spiel vor einem Wildwest-Hintergrund ist die Verwendung von Pokerkarten als Spielelement sehr schön stimmig und trägt sicher einiges dazu bei, die entsprechende Atmosphäre zu transportieren.
Mittlerweile sind die (offiziellen und inoffiziellen) Savage Worlds-Settings aber sehr vielseitig. In einem Superhelden-Setting wie Necessary Evil passt das Ziehen von Pokerkarten schon kaum noch zum Hintergrund und in einem Fantasy-Setting wie Sundered Skies (gibt es in den Geborstenen Himmeln überhaupt Poker?) und erst Recht in einem düster-militären Endzeit-Setting wie Necropolis (was sagt eigentlich die Kirche zum Glücksspiel?) wirkt das fröhliche Kartenziehen irgendwie fehl am Platze.
2. Es ist umständlich in der Handhabung
Damit meine ich nicht, dass die entsprechenden Regeln kompliziert seien, die sind ja nun wirklich einfach und eindeutig.
Aber das Ziehen oder Verteilen von Spielkarten als physischer Akt kann zu Problemen führen: Bei Spielrunden, die nicht gemeinsam an einem Tisch sitzen, ist es so gut wie unmöglich. Selbst bei einer „klassischen“ Gruppe wie der an der ich teilnehme und die sich um einen einzelnen Tisch versammelt, habe ich aufgrund der Länge des Tisches als Spielleiter Probleme, dem mir gegenüber sitzenden Spieler seine Initiativekarte zu geben. Die Karten in die Tischmitte zu stellen und die Spieler jeweils ziehen zu lassen würde auch nicht funktionieren, da der Tisch meist mit Knabberkram und Teebechern vollgestellt ist und ich als Spielleiter außerdem über meinen Sichtschirm greifen müsste, um die Karten zu erreichen.
Außerdem hält eine kartenbasierte Initiative den Spielfluss im Kampf doch ziemlich auf, da jede Runde neue Karen gezogen werden müssen. Wenn dann noch einer der Charaktere ein Talent wie Schnell hat und man ihm deshalb nacheinander mehrere Karten austeilen muss (das kommt in unserer Runde, obwohl nur ein Charakter dieses Talent besitzt, ständig vor), hält das noch mehr auf. Vom regelmäßigen Mischen des Spiels nach Ziehen eines Jokers will ich jetzt gar nicht mehr anfangen.
Schließlich gibt es vielleicht immer noch (gerade in Deutschland) Haushalte, in denen gar keine Pokerkarten vorhanden sind – Skatkarten sind hierzulande ja wohl immer noch gebräuchlicher.
3. Es macht die Kämpfe noch unberechenbarer
Etwas, das ja häufig als ein "Problem" von Savage Worlds angesehen wird ist die Tatsache, dass aufgrund der "nach oben offenen" Fertigkeits- und Schadenswürfe und der Tatsache, dass auch erfahrene Wildcards nur drei Wunden "einstecken" können, bleibt wirklich jeder Kampf potenziell tödlich. So etwas wie "Aufwärmmonster" gibt es bei Savage Worlds nicht. Auch ein altersschwacher Goblin, der nur mit einem rostigen Buttermesser bewaffnet ist, kann meinen legendären Helden mit einem einzigen Stich töten, wenn er nur gut genug würfelt. Diese Gefahr kann ich zwar durch einige Talente und die Steigerung von Parade und Zähigkeit (insb. durch Verwendung von Rüstungen und/oder Mächten) verringern, aber sie besteht immer. Als alter Windows-Nutzer vermute ich zwar, dass das vielleicht keinen "Bug", sondern ein "Feature" des Systems darstellt, aber trotzdem kann es sehr frustrierend sein.
Dieser Effekt kann durch eine kartenbasierte Initiative noch verstärkt werden, denn wegen ihr besteht die Chance, dass mich der Rentner-Goblin mit seinem Todesstich erwischt, bevor ich auf ihn überhaupt reagieren kann (und das, obwohl ich nicht einmal überrascht bin). Und wenn der Goblin bei der Initiativeermittlung einen Joker zieht, dann erhält er sogar einen Bonus auf seinen Kämpfen- und Schadenswurf.
Auf der anderen Seite ist es sehr schwer, mit der kartenbasierten Initiative „langsame“ Monster wie Zombies, Gallertwürfel usw. darzustellen. Wenn die in jeder Runde Asse und Joker ziehen, dann lassen sie auch den flinksten Elfen ganz schön alt aussehen.
Daher würde ich es begrüßen, eine Alternativregel zu Initiativeermittlung zu haben.
Als „Arbeitsgrundlage“ stelle ich mal folgende Variante in den Raum (die d20-Spieler vielleicht bekannt vorkommt):
Vor der ersten regulären Kampfrunde wirf jede Wildcard und jede Gruppe von Extras zur Ermittlung des Initiativewertes 1W20 (Initiative-Wurf). In den einzelnen Kampfrunden handeln die Beteiligten dann jeweils in der Reihenfolge der gewürfelten Ergebnisse, wobei die höhere Zahl vor der niedrigeren handelt.
Das geht schnell, eliminiert die Karten - und führt dazu, das ich auch bei Savage Worlds endlich meinen Lieblings-W20 benutzen kann.
Na gut, der Rentner-Goblin kann dann natürlich immer noch vor dem legendären Helden handeln und diesen mit seinem Buttermesser aufschlitzten. Dann ist das wohl doch ein "Feature" von Savage Worlds…
Diese Neuregelung führt zu folgenden Problemen:
1. Einige Talente müssen geändert werden
Talente wie Kühler Kopf, Kühlerer Kopf und Schnell, die von einer kartenbasierten Initiative ausgehen, müssen modifiziert werden. Das ist allerdings nicht sehr schwierig.
Ich könnte mir folgende Regelung vorstellen:
Kühler Kopf: Der Charakter erhält einen Bonus von +4 auf seinen Initiativewurf.
Kühlerer Kopf: Der Charakter erhält einen Bonus von +8 auf seinen Initiativewurf.
Schnell: Der Initiativewurf des Charakters beträgt immer mindestens 7. Sollte der Wurf eine niedrigere Zahl ergeben, gilt für die Initiative stattdessen ein Wert von 7.
Für langsame Monster wie Zombies könnte ein Handicap eingeführt werden wie:
Langsam: Der Charakter erhält einen Abzug von -4 auf seinen Initiativewurf.
Da es nunmehr Talente (und Handicaps) gibt, die einen festen Bonus (oder Abzug) auf den Initiativewurf gewähren, wäre es sinnvoll, den Charakterbogen um ein Feld für Initiative (vergleichbar zu dem Feld für Charisma) zu erweitern.
2. Gleiche Initiativewerte sind möglich
Ein großer Vorteil der kartenbasierte Initiative liegt darin, dass es hier fast ausgeschlossen ist, dass zwei der am Kampf Beteiligten in der Initiativefolge an gleicher Stelle stehen (außer bei zwei gleichzeitig gezogenen Jokern, ws aber kaum jemals vorkommt).
Bei einer ausgewürfelten Initiative können und werden allerdings gleiche Ergebnisse häufiger vorkommen.
Sinnvoll ist es dann wohl, die Regel zum gleichzeitigen Ziehen von zwei Jokern entsprechend anzuwenden und eine vergleichende Geschicklichkeits-Probe durchzuführen. Derjenige mit dem höheren Ergebnis darf dann während des folgenden Kampfes bei dem entsprechenden Initiativewert zuerst handeln.
3. Es gibt keine Joker mehr bei der Initiativeermittlung
Deshalb fällt auch die Chance weg, durch das Ziehen eines Jokers dem +2-Bonus auf alle Eigenschafts- und Schadens-Würfe in dieser Runde zu erhalten. Damit fehlt ein Element, das einem am Kampf Beteiligten einen Vorteil verschaffen könnte.
Mich würde das allerdings nicht stören, da es sich hier um ein völlig zufälliges Element handelt, das einen beliebigen Beteiligten grundlos begünstigt, ohne dass dieser sich taktisch klug verhalten hat oder ein besonderes Talent besitzt. Die Spielbalance dürfte dadurch nicht sehr erschüttert werden, denn immerhin gilt dieser Vorteil ja für die Spielercharaktere ebenso wie für NSCs. Die Joker-Regel erweist sich sowieso als ziemlich unfair, wenn eine Gruppe von Extras nur eine Karte für die Initiative zieht und es sich hierbei um einen Joker handelt, da dann ja alle Extras den entsprechenden Bonus erhalten. Das heißt, das die Extras den Wildcards dann richtig heftig zusetzen können..
Mit dem Wegfall des Jokers fallen allerdings auch ein paar Wildcard-Talente weg (nämlich Energieschub, Mächtiger Hieb und Volltreffer), oder sie müssen zumindest geändert werden.
Ich könnte mir da folgende Anpassung vorstellen, z.B.:
Volltreffer: Würfelt der Charakter beim Initiativewurf eine 20, so kann er während einer der folgenden Kampfrunden den Gesamtschaden nach einem erfolgreichen Schießen- oder Werfen-Angriff. Der Charakter muss dies zu Beginn seiner Handlung in der Kampfrunde ansagen, also bevor er den entsprechenden Angriffswurf ausführt.
Energieschub und Mächtiger Hieb könnten dann entsprechend angepasst werden.
4. Die Regel für Tricks müssen geändert werden
Meiner Meinung nach das größte Problem.
Ein erfolgreicher Trick führt nach den Standard-Regeln dazu, dass der Ausgetrickste bis zu seiner nächsten Aktion einen Abzug von -2 auf seine Parade erhält und bei einer Steigerung angeschlagen ist.
Bei einer kartenbasierten Initiative kann der Anwender eines erfolgreichen Tricks somit hoffen, in der nächsten Runde eine bessere Aktionskarte zu ziehen als der Ausgetrickste, sodass er vor diesem handeln und dessen gesenkte Parade ausnutzen kann bevor der Ausgetrickste wieder handeln kann (und die Wirkung des Tricks verfliegt). Bei einer festen (ausgewürfelten) Initiative ist es allerdings ausgeschlossen, dass der Anwender des Tricks vor seinem "Opfer" handeln kann. Deshalb muss die Trick-Regel angepasst werden.
Am Einfachsten wäre es wohl, die Wirkung des Tricks an die eines geistigen Duells anzugleichen und den Abzug auf die Parade bis einschließlich der nächsten Handlung des Trickanwenders (und nicht des Ausgetricksten) zu gewährend. Damit werden auch Verbündete durch einen Trick noch besser unterstützt als bisher, da diese garantiert einmal handeln können, bevor die Wirkung des Tricks verfliegt.
Denkbar wäre es auch, Tricks noch eine größere taktische Bedeutung zu verleihen, indem der Charakter nach erfolgreicher Anwendung eines Tricks drei mögliche Wirkungen hat, von denen er sich eine aussuchen kann:
a. die Parade des Ausgetricksten sinkt und 2 bis zur nächsten Handlung des Trickanwenders oder
b. der Initiativewert des Trickanwenders wird für alle folgenden Kampfrunden um 2 erhöht oder
c. der Initiativewert des Ausgetricksten sinkt für alle folgenden Kampfrunden um 2.
Bei einer Steigerung ist das "Opfer" des Tricks natürlich immer noch angeschlagen. So können mehrere Charaktere noch besser zusammenarbeiten und Tricks kombinieren, sodass der Initiativewert des Gegners so weit sinkt, dass dieser in zukünftigen Runden erst nach ihnen handeln kann.
5. Eine Initiativeliste ist
Um die Übersicht zu behalten, sollte der Spielleiter eine Initiativeliste führen.
Da sich – insbesondere wenn man die erweiterten Möglichkeiten für Tricks anwendete (s.o.) – der Initiativewert noch nachträglich ändern kann, kann es vorteilhaft sein, eine solche Liste mit verschiebbaren Markern zu benutzen (paizo hat sowas, glaube ich, mit magnetischen Pins für D&D/Pathfinder herausgebracht).
Ich denke, damit dürfte die Auswirkung der neuen Initiativeregel auf die anderen Savage Worlds-Elemente hinreichend geregelt sein.
Eigentlich eine interessante Alternative, oder?