AW: Alltags-Nekromantie
Wenn wir mal den stilistischen Teil aussen vor lassen (und ich bin mal so dreisst), dann soll der Text wohl unseren Umgang mit dem Alter in einer für Rollenspieler zugeschittenen Parabel verdeutlichen.
Die Frage ist nur: Zu welchen Zweck?
"Einfach" um eine ernste Diskussion zu initiieren? Aufzeigen, dass unsere Kultur sich schon lange in eine Richtung entwickelt, die dem Individuum kaum noch "Hilfe beim sterben" gibt?(1) Oder das Bedürfnis "markige Sprüche" loszuwerden, wie mein Vorredner vermutet?
1) Damit meine ich vor allem Hilfe sich mit dem Gedanken an den Tod auseinander zu setzen, nichts, was mit Handlungen zu tun hat.
Ich nehme dies mal als Anlass um die von mir hineininterpretierte Quintessenz aus dieser Parabel zu ziehen:
Wir - die Mitglieder der heutigen westlichen Kultur - haben ein Problem mit dem Sterben. Es ist ja nicht so, dass die Menschen vor der Aufklärung oder in anderen Ländern gerne sterben würden, aber der Jugendwahn und die Verdrängung des Todes bis zur "Schmach des krepierens" ist ein Problem und treibt sehr perverse Blüten. Nicht nur diejenigen, die schon mal ein paar Tage Menschen auf der Intensivstation eines Krankenhauses beobachten konnten, sollten wissen, wovon ich rede.
Dies hat aber nichts mit dem medizinischen Fortschritt zu tun. Das Gegenteil von unserem jetzigen Umgang mit Medizin, Körper und Tod ist nicht zurück in die Steinzeit. Natürlich gibt aber die moderne Wissenschaft unserer Angst viel mehr Seil, um uns daran zu verstricken, aber das eigentliche Problem bleibt unsere Wahrnehmung des Sterbens, vollkommen losgelöst von den Fähigkeiten und dem Wissen der Ärzte.
Der von der Werbung getragene Feldzug gegen erschlaffende Vitalität deute ich nur als ein kleines Symptom einer viel tiefer sitzenden Unsicherheit.
Ich vertrete die These, dass nach der Aufklärung die Stabilität einer religiös verankerten Gesellschaft wegfiel und es nicht gelungen ist, die große Funktion der Religion, diese Grundängste zu kompensieren, aufzufangen.
Wir sind seit Jahrhunderten in einer spirituellen Krise.
Dazu will ich betonen, dass ich ein großer Fan von Aufklärung, Vernunft und so Sachen bin und dies vielen, vielen Menschen die Möglichkeit zu ... stopp ... ich breche diesen Gedankengang hier ab, da Vor- und Nachteile von Religiosität in diesem Forum schon zu genüge diskutiert wurden. Es geht mir um den Nachteil, den Nicht-Religiösität mit sich bringt.
Ich sehe nicht, wie sich das in nächster Zeit (ein paar Jahrhunderte) ändern kann.
Nachdem wir - pauschal gesagt - unsere Welt eher auf Vernunft als auf Glauben aufbauten, konnten wir vieles neues Erreichen, aber leider liefert Vernunft keine simplen Antworten auf nicht simple Fragen. Das kann nur Glauben.
Gern würde ich hoffen (glauben?), dass dieses Problem lösbar ist, aber realistisch gesehen wird wohl dieses erst von denjenigen unserer Nachfahren gelöst, die keine Homo sapiens sapiens mehr sind. Wir werden wohl unsere Abhängigkeit von Spiritualität nicht los werden.
Ich bin gespannt auf eure Antworten, liebe grüße, lou