Die Sache mit dem Kloster ist tatsächlich in manchen Teilaspekten merkwürdig. Es begann alles mit einer unscheinbaren Zeitungsmeldung, die besagte, dass das Kloster ‚Aar des Mott’ renoviert bzw. Instand gesetzt werden soll. Bis dahin nichts ungewöhnliches. Sei es aus touristischen Gründen oder nur zur allgemeinen Denkmalpflege. Und da die Architektur, vor allem die des frühen Mittelalters, eigentlich nicht mein Spezialgebiet ist, hätte ich diesen Artikel eigentlich schnell übergangen.
Dann allerdings hat mich etwas stutzig gemacht. Die Gelder, welche für so ein Vorhaben natürlich in großer Menge notwendig sind, kommen aus einer ominösen, nicht näher erläuterten Quelle. Auch das ist nicht unbedingt etwas ungewöhnliches, wenn man an die uns Kainiten auferlegte Maskerade denkt. Aber dann wurde erwähnt, das der Leiter der hiesigen Kunstakademie, für Eingeweihte: unser Prinz Oliver Buchet, erst in späterer Instanz befragt wurde und auch nur kurz dazu sagte: ,Wir beratschlagen gerade darüber ob es nicht möglich ist, einige unserer besten Studenten an diesem Projekt zu beteiligen. Uns liegt seit gestern ein Gesuch der Kirche vor. Näheres kann ich aber erst sagen, wenn es soweit ist.’. Und das war das Erste, was mich stutzen ließ. Ich ging bisher davon aus, das Buchet, als Prinz dieser Stadt und damit mit einem eigenen Interesse an der Stadt, ihren historischen Bauwerken und deren Pflege, als erster solch ein Unternehmen veranlassen würde. Zudem wurde daraus ersichtlich, das nicht Buchet oder ein ihm nahestehender ‚Gönner’, ich meine damit einer der Ahnen der Stadt, denn nur wenige verfügen über die notwendigen Ressourcen für solch ein Projekt, diese Geldmittel zur Verfügung stellte, denn dann würde Buchet schon lange in diese Vorgänge involviert gewesen sein. Es muss also ein Unbekannter von Außerhalb der Initiator gewesen sein.
Folglich fragte ich mich, welches Interesse jemand an diesem Kloster haben könnte, das er so viel Geld ‚lockermachen’ würde. Einfache, sakrale Liebhaberei wird es wohl nicht sein, denn dann würde eine Spende für den Dom in der Stadt viel naheliegender sein. Warum also ausgerechnet dieses alte, fast vergessene Kloster?
Zunächst versuchte ich, etwas über die Geschichte dieses Klosters herauszufinden. Allerdings erwies sich die Stadtbibliothek dafür als nicht sonderlich aufschlussreich. Es gab kaum hinweise auf diese Kloster, und die, die ich fand, stellten mich eher vor weitere Rätsel.
Ich fand heraus, dass das Kloster im 11. Jahrhundert erbaut wurde. In dieser Zeit wurde vornehmlich im romanischen Stil gebaut, dass heißt die Kennzeichen sind der halbkreisförmige Rundbogen, große ebene Flächen, dicke, wehrhafte Mauern und massive, blockartige Formen. In dieser Bauweise wurden große Kreuzganggewölbe entworfen, welche die Vorlage für die gigantischen Innenraumgestaltung in der sich anschließenden Gotik lieferten. Ein schönes Beispiel für große Romanikarchitektur ist zum Beispiel der Dom zu Speyer. Auch in den erhaltenen Abbildungen des Klosters spiegeln sich diese Merkmale wieder. Allerdings mit einigen eklatanten Abweichungen. Die Romanik in Deutschland leitete sich vom ottomanischen Baustil ab, die Architektur des Klosters aber zeigt aber einen eher osteuropäischen Baustil. Des weiteren ist das Baumaterial auch aus Osteuropa geliefert worden, obwohl die Transportkosten für damalige Zeiten utopisch hoch gewesen sein müssten, und auch sehr viel billiger in der näheren Umgebung erworben werden konnten.
Aber abgesehen von der Architektur dieses Gebäudes gibt es auch noch einige andere Ungereimtheiten. So ist dieses Kloster zum Beispiel nie offiziell geweiht worden. Während andere Sakralbauten stets einem Heiligen gewidmet wurden, ist für das Kloster ‚Aar des Mott’ nichts in dieser Richtung erwähnt. Auch konnte ich nicht herausfinden, welcher Orden das Kloster bewirtschaftet hat. Auch eine äußerst seltsame Angelegenheit, da gerade Klöster sonst stets mit ihren bewohnenden Orden fest verbunden sind.
Die letzte Auffälligkeit, die ich gefunden habe, war der Name des überlieferten Erbauers. Er soll ‚Zacharii’ genannt worden sein. Ein sonst nur in osteuropäischen Gegenden verwendeter Adelsname. Doch das wirklich seltsame war das dazugehörige Familienwappen. Es zeigt einen großen Drachen. Und meine Recherchen im Bereich der Heraldik haben kein Wappen ergeben, in dem ein Drache im ganzen im Wappen geführt wurde.
Und was dem ‚Geheimnis’ die Krone aufsetzt, ist, das es mir nicht möglich war, den Namen ‚Aar des Mott’ zu übersetzen. Denn obwohl ich aufgrund der Präposition ‚des’ auf Französisch getippt hatte, scheint der Name irgendwie verschlüsselt zu sein....
Nach diesen Ausführungen macht der Maler eine kurze Pause, bevor er verschwörerisch fortfährt:
Diese vielen, mysteriösen Hinweise auf Osteuropa und vor allem das Wappen lassen für mich nur einen Rückschluss zu: Es waren Tzimisce, die beim Bau des Klosters ihre Hände im Spiel hatten! Es gibt einige Dinge, die dafür sprechen: der osteuropäische Baustil, der sich von dem typisch deutschen der damaligen Zeit abhebt. Das Baumaterial, das von weit her herangeschafft wurde. In diesem Zusammenhang fällt mir die alte ‚Clansschwäche’ der Tzimisce ein, die eine sehr besondere Beziehung zu ihrer Heimat pflegen, und stets etwas ‚Heimaterde’ für ein erholsames Übertagen benötigen. Und zuletzt das Wappen mit dem Drachen, das von Mitgliedern des Clans der Tzimiscen gerne und häufig benutzt wird. Für mich sind diese Hinweise stark genug, Den Clan der Unholde in Betracht zu ziehen. Fragt sich nur, wer hinter den neusten Entwicklungen um das Kloster steckt....