[30.4.04] Erster Besuch im Gestüt Lutz

Khalam al Saiir

Acrobatiker®
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17. Mai 2003
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Nikolai hatte gehört das es irgendwo im Noden der Stadt ein Gestüt geben solle. An diesem Abend verspürte er die Lust und auch die Laune wieder einmal nach langer Zeit reiten zu gehen, zumindestens aber Pferde zu sehen. Der kosakische Anteil seiner Seele wollte drang nach so langer Zeit wieder in den Vordergrund. Vielleicht war der Anlass dafür, dass sie Nikolai bisher sehr unwohl fühlte in dieser Stadt. Es war ein Chaos und soviele Pläne er auch schmiedete und sosehr er auch versuchen würde diese durchzusetzen, es gab immer Unsicherheitsfaktoren. Es gab immer jemanden der schlauer war und es gab immer den Zufall. Nicht zu vergessen, dass mit Sicherheit irgendwann der Prinz wieder auftauchen würde, oder jemand anderer der ebensoviel Macht inne hatte. Bis dahin musste Nikolai sicher im Sattel sitzen! War das der Grund warum er reiten wollte?

Pläne, Intriegen, List und Spiele. Wie sehr er das alles doch hasste! Sein inneres Wesen konnte diesen Dingen nicht abgewinnen und in den Stunden die er alleine verbrchte, fluchte er immer vor sich hin. Wieso war er bloss Ventrue? Wieso musste er um etwas im Unleben zu erreichen ein "Ventrue" sein. Mit all diesen Kleinigkeiten auf die er zu achten hatte, diese ewigen Wortspiele, diese versteckten Beleidigungen...

Wie einfach war es doch gewesen! Früher, als er noch le....
Damals hätte er jede Beleidigung, egal ob direkt oder indirekt, mit einem Schlag beantwortet - entweder in einem Duell oder aber wenn es sein musste auf der Stelle. Doch nun? Nun musste er böse Miene zum guten Spiel machen. Jedes Wort drehen und wenden, jede Aussage nach einem versteckten Sinn überprüfen und jeden Blick deuten. Eine Beleidigung musste ungesühnt bleiben, wenn es seinen Plänen entgegen gestellt war. Die Liste der Personen denen er irgendwann einmal eine Beleidigung zurückzuzahlen hatte, war schon so lange, dass selbst ein Methusalem sie in der Dauer seiner Existenz nicht abarbeiten könnte.

Was waren das doch für tolle Zeiten gewesen, als er um alles spielte! Sein Leben, seinen Besitz und seine Gesundheit. Jeden Tag aufs Neue! Die Sonne und die Wärme auf der Haut spürend, hatte er alles getan wozu er Lust hatte. Gesoffen, Karten gespielt, herumgehurt. Er war mit seinen Freunden durch die Strassen und Paläste Moskaus gezogen und im Sommer durch die Alleen und und Häuser St. Petersburgs. Was war das doch für ein Leben gewesen - voller Kameradschaft und Glück.

Und dann dieses verhängnissvolle Duell. Die Narbe! Die Zeit der Selbstaufgabe! Aber selbst diese Zeit war besser gewesen als alles was danach kam.

Pah!! Sein Kuss. Wie sehr er nun doch seinen Erzeuger hasste! Wieso hatte er Nikolai nicht einfach sterben lassen? Wieso hatte er ihn zu dieser unwürdigen Existenz verflucht?

Wenn ich doch nur die Wahl gehabt hätte...

Doch wenn und aber war nur Schall und Rauch. Nun war er der Seneschall, ein Ventrue Ahn und nur noch bedingt Nikolai. Alles was er Tat tat er aus Pflichtbewusstsein seinem Clan gegenüber, seiner Abstammung gegenüber und seines Blutes wegen. Es war das emutionslos Abarbeiten einer Pflicht, einer Pflicht die bis an das Ende der Tage reichen würde. Verdammtes Unleben!

Die wenigen Dinge die er genoss waren Spielereien. Kleigkeiten erfreuten ihn und erinnerten ihn daran was er einmal war. Jemandem einen Streich spielen, einen wirklichen Streich ohne böse Absichten, sondern nur der Freude willen. Das bedeutete ihm noch etwas. Alles andere war doch nur Selbstzweck.

Wie sehr er doch das Vampirtum hasste, seine Regeln und seine Unbeweglichkeit! Doch das er so empfand durfte er niemals zugeben, niemals jemandem zeigen. Er musste Ventrue sein! Durch und durch!

Als er endlich am Gestüt angekommen war, atmete er tief ein. Er wollte den Geruch der Pferde in sich einziehen lassen und den Erinnerungen der Vergangenheit schwelgen.

Wie würde er jetzt wohl am besten einen Reitausflug organisieren können? Ob wohl noch jemand im Gestüt war? Er wollte mal nachsehen.

Nikolai betrat das Gelände des Gestütes und rief mit lauter Stimme:
Guten Abend! Ist vielleicht noch jemand anwesend?

Der Geruch erinnerte ihn an seine ehemalige Lieblingsbeschäftigung:
Ein Ausritt am Sonnenaufgang um nach einer durchzechten Nacht wieder zu Sinnen zu kommen.
 
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