[20.05.2008] Es scheint zu wirken (Teil II)

"Keines, was jetzt noch auf hat. Klingt gut! Wäre bloß gut, wenn ich danach noch etwas Schlaf abbekomme."

Es war deutlich nach Mitternacht und sie näherten sich der Zeit, zu der auch viele Bars so langsam die Stühle hochstellten. Nicht, dass wir dann vor verschlossenen Türen stehen. Martas Zeitplan beinhaltete deutlich vor Sonnenaufgang in ihrer Zuflucht zu sein. Und vorher hoffentlich noch einen kurzen Stop im Jagdgebiet.
 
Nun, wenn sie sich von Ricco führen lassen würde, würden sie schnell zu einem kleinen niedlich gemachten Cafe kommen, das Frühstück ab Mitternacht anbot und auch einigermassen gut besucht war, aber dann doch nicht so voll war, daß sie keinen Platz mehr finden würden.
 
Da waren sie also. Und es gab sogar noch etliche andere Besucher. Sieht ganz nett aus. Ricco hatte wohl Geschmack und durfte sie an den Platz seiner Wahl führen.
 
Ricco geleitete Marta zu einen, kleinen Zweiertisch am Fenster und kaum hatten sie sich gesetzt erschien eine adrette Bedienung und brachte ihnen die Karte. Es gab nicht die ganz grosse Auswahl aber einige Frühstücksangebote und eine ganze Reihe verschiedener Kaffeespezialitäten.

"Möchtest du nur Kaffee oder ein Frühstück?" erkundigte sich der Mann als die Bedienung wieder weg war.
 
Marta ließ sich auf dem zugewiesenen Platz nieder. Die Beine überschlagen studierte sie die Karte.

"Was nimmst du denn?"

Sie sah herüber, schien ihn über den Rand zu beobachten. Einige Momente später legte das Papier beiseite und lehnte sich zurück. Unabhängig davon, was er sagte, ihre Antwort würde die selbe sein.

"Ich denke ich nehme einen Latte macchiato."

Möglicherweise fiel ihm die italienische Aussprache gar nicht auf, oder sie bestellte das Getränk einfach häufiger.
 
"Ich nehme einen Expresso und magst du Tiramisu, die machen das hier ganz klasse", schlug Ricco vor.
 
"Klingt zwar gut, aber nein. Nicht vor dem Schlafengehen."

Marta war zwar weit von Figurproblemen entfernt, doch einige Gewohnheiten starben langsam. Sie hatte sich nie besonders Sorgen machen müssen, doch wenn sie doch einmal etwas zugelegt haben sollte, machten sich die Kilos vor allem auf den Hüften bemerkbar. Und diese waren schon relativ ausladend, zumindest für wine schlanke und sportliche junge Frau. Heutzutage ging es aber eher darum, dass alles was hinein kam auch irgendwann wieder hinaus musste. Und ein Vampir erlebte diese Tatsache weitaus bewusster.
 
"Na schön, dann eine Latte für dich und einen Expresso für mich", meinte Ricco, der dann auch alleine keine Lust auf Süßkram hatte und rief die Bedienung um die Bestellung in Auftrag zu geben.
"Bei welcher Firma bist du denn beschäftigt, verrätst du mir das und nein, ich komme nicht unangemeldet vorbei, das gehört sich nicht."
 
"Das sagst du jetzt und dann stehst du doch vor der Tür!"

Die Entrüstung war gespielt, sie grinste ihn über den Tisch hinweg an. Nicht das sie es gutheißen würde, wenn er bei ihr auf Arbeit auftauchte...

"Würde dir aber nichts nutzen, wenn du ich gerade unterwegs bin. Ich kann dir meine Karte geben, wenn du willst."

Sie kramte eine der noch recht frischen Karten hervor, die daraufhin auf dem Tisch landete. Neben den ihm bereits bekannten Daten - Name und Nummer - befand sich darauf auch der Name der Firma und deren Betätigungsfeld. Was allerdings fehlte war die Adresse - hier war lediglich der Hauptsitz grob ausgewiesen. Aber da er ja sowieso nicht unangemeldet vorbei kommen wollte, war das sicherlich kein Problem.
 
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"Danke!" Er nahm die Karte entgegen und steckte sie ein ohne draufzuschauen. "Sehe ich aus wie einer der Deppen, die nicht gerade ausschauen können und sich im Hafen von der Mafia einspannen lassen?"

Die Getränke kamen.

"Einer meiner Bekannten hat da ein Ohr am Puls der Zeit und wenn da keiner einschreitet, könnte uns da bald ein blutiger Krieg ins Haus stehen. Dann ist es vorbei mit unseren nächtlichen Treffen."
 
Das Grinsen verschwand. Was soll das jetzt! Der Themensprung kam ziemlich abrupt. Hatte sie ihn irgendwie verärgert? Für einige Momente sah sie ihn einfach nur verwirrt an. Die Bedienung kam und brachte ihre Getränke. Erst als sie wieder verschwunden war, wandte sich Marta wieder an Ricco.

"Nein, ich denke nicht. Was meinst du?"

Seine Wort ließen auf nichts Gutes schließen.
 
"Also, also wenn ich sage ich mache das nicht, dann ist das so, sonst hätte ich dir nicht meine nummer gegeben ohne deine zu wollen", meinte Ricco. "Ich habe da leider einen Doppelgänger und einige scheinen mich da zu verwechseln, von daher wenn dir da einer auffällt, dann bin das nicht ich."
 
Das klang jetzt aber nicht ganz überzeugend. Marta warf einen skeptischen Blick hinüber. Doch sie schien sich mit der Aussage zufrieden zu gebe.

"Ist okay! Also wenn ich irgendwann einmal bei der Mafia jemanden sehe, der aussieht wie du und sich verhält wie du, dann bist das nicht du sondern dein böser Zwilling."

Das Grinsen war wieder da, hielt sich aber bereit sofort wieder in Deckung zu gehen, sollte das notwendig werden. Mit leicht unterdückter Belustigung fuhr sie fort.

"Wie kommst du eigentlich auf die Idee, dass mir jemand bei der Mafia auffallen könnte?"
 
"Weil im Moment viele Firmen damit konfrontiert werden, selbst der Pizzadienst und daher weiss ich auch, daß da jemand ist, der mir ähnlich sieht", meinte er.
 
"Achso, dein böser Zwilling geht zu den Firmen und erpresst Schutzgeld?"

So langsam hatte sich das Bild vervollständigt. Bislang war das wohl an ihr vorbei gegangen, daher auch die Verwirrung. Ich werde aufpassen. Das süße Grinsen wagte sich wieder vollständig heraus.

"Tja, dann siehst du wohl doch aus wie einer der Deppen!"

Marta lachte, aber nur kurz. Sie beugte sich herüber und nahm eine Schluck. Lecker! Unwillkürlich sah sie auf, ihm direkt in die Augen, hielt den Blick. Ihr Gesicht wurde etwas ernster.

"Wie lange geht das denn schon so? Macht denn niemand was dagegen?"
 
"Wie lange das schon geht, weiss ich nicht, bei der Pizzaria waren sie letzte Woche, aber ich habe gehört, es soll schon etwas länger gehen und ob nur er es macht, sondern auch andere, weiss ich natürlich nicht", erwiderte Ricco und trank einen Schluck. "Du solltest halt aufpassen und da mein Bekannter nachgeforscht hat, wissen wir halt, daß es nicht nur die Italiener sind, die aufmucken und bislang scheint keiner was zu tun."
 
"Und besser scheint es auch nicht zu werden, wenn man an die Schießerei letztlich denkt. Vielleicht..."

Sie spielte ein wenig mit ihrem Glas, beinahe als wäre sie mit den Gedanken ganz woanders. Schließlich setzte sie das Gefäß dann doch ab.

"...ist es Zeit, dass jemand aufräumt."

Marta lehnte sich nach vorne, ohne die Augen von ihm zu lassen. Die Arme lagen nun auf dem Tisch.

"Und ich werde aufpassen. Tu bitte das Gleiche, okay?"
 
"Auf jeden Fall, wir wollen doch nicht, daß einem von uns etwas zustößt, nicht wahr." Ricco lächelte sie an und würde ihr wohl die Initiative überlassen.
 
Das war dann wohl seine Entscheidung. Marta saß jedenfalls mit überschlagenen Beinen auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches. Und der Latte macchiato trank sich auch nicht von alleine. Die junge Frau nahm das Glas wieder zur Hand und lehnte sich zurück.

"Das wäre eine Schande. Also..."

Sie senkte den Blick, um das Getränk auch zielsicher an den Mund zu führen. Kurz schlossen sich die braunen Augen, bevor sie ihn wieder ins Visier nahm.

"..wenn du könntest, was würdest du ändern?"
 
"Da anscheinend die Polizei nichts macht, sollte man eine Art Bürgerwehr bilden, die versucht dagegen vorzugehen", meinte er. "Manches Mal, wenn ich Zeit habe bin ich draußen am Hovel, ich weiß illigal und nicht die beste Gesellschaft, aber dort könnte ich Hilfe und verbündete finden."

Er sah sie an.

"Ich hoffe, du bist jetzt nicht enttäsucht von mir"
 
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