Sofia betrachtete den Fremden vor sich und ihr Gesichtsausdruck transportierte die Ungläubigkeit, zeigte eine kurze Irritation als er nekromantische Inhalte anschnitt und gegen Ende war doch deutlich ein Widerwille zu erkennen. Eine Mischung aus schock und entsetzen.
"Wie wäre es mit 'weltfremder Hippie'?"
Die Worte waren vorgeschnappt gekommen, sie presste reflexmäßig die Zähne aufeinander. Von der Betonung, Tonlage und dem Tonfall war abzulesen das sie ganz und gar keine hohe Meinung von den Blumenkindern hatte. Es eine deutliche Herabsetzung war. Zwar deutlich netter als das was ihr aktuell durch den Kopf ging und dennoch direkter als es Vicente formuliert hätte.
Sie versuchte kurz die Themen zu sortieren. Die ihrer Ansicht nach unerträglich verantwortungslose, unmenschliche Rede von der Verantwortung. Die Unkenntnis der Bedeutung von Namen und Titeln. Der Aspekt der Familie. Die Sache mit den Dienern. Sofia verspürte eine Spur von Mitleid gegenüber den Kreaturen welche Michael zu diensten sein mussten und nicht entsprechend behandelt wurden. Die Italienerin wusste auf welches Thema sie zuerst angesprungen wäre, dennoch ging es nicht um sie. Die Frage nun was Vicente am ehsten Treffen würde war leicht beantwortet.
"Ich weise dich daraufhin das Vicente dir mitgeteilt hat das ein Mitglied der Familie ermordet wurde, das es Vicente mitgenommen hat und das Vicente die Familie respektiert, über alles schätzt. Ich habe dir verdammt nochmal Beispiele gegeben wen er als Familie betrachtet. Was fällt dir dazu ein?
Zu Fragen ob es seine 'direkte Familie' war? Mich zu fragen was geschehen ist? Hörst du mir eigentlich überhaupt zu?"
Die energische Frau fixierte Michael. "Nehmen wir sein Studium aussen vor dann ist, lebt und existiert Vicente durch die Familie.
Im konservativen, klassischen Sinn. Familie ist sein Blut. Familie sind alle an die er sein Blut weitergegeben hat. Familie sind alle jene die sein Blut teilen. Unabhängig ob im Namen oder durch das Blut des Ältesten, sie sind Familie. Familie sind die ehrenwerten Männern mit denen er sich umgibt. Familie sind selbst jene Caitiff die seine neue Familie darstellen. Es wurde ihm von der wahren Familie geheißen, er wurde als einer der ihren empfangen. Es ist so.
Sieht man von den Studien ab ist er ein einfacher Mann. Traditionsbewusst, konservativ, tief in der Familie verwurzelt und bis aufs Blut loyal."
Die Gestik ging lebhaft mit. Betrachtete man es genauer konnte es sein das der Hinweis zur Kirche wörtlich zu nehmen war. Würde es doch zu dem konservativen, wertbewussten Bild passen das der Italiener von sich zeichnete und in Stücken zu dem was er vertrat.
Sofia zog das Smartphone ihres Herren hervor und begann zügig etwas zu suchen.
"Man könnte es sogar, in einer gewissen Art und Weise, als einen menschlichen Zug an ihm sehen."
Es dauerte einen Moment, dann hellte sich ihr Gesichts ausdruck auf.
"Ah da,.. ich habe doch den Spruch erwähnt. Wem die Stunde schlägt? Vielleicht fehlt dir der Kontext,.. es heißt im Original:
Niemand ist eine Insel, in sich ganz; jeder Mensch ist ein Stück des Kontinents, ein Teil des Festlandes. Wenn eine Scholle ins Meer gespült wird, wird Europa weniger, genauso als wenn’s eine Landzunge wäre, oder ein Landgut deines Freundes oder dein eigenes. Jedes Menschen Tod ist mein Verlust, denn ich bin Teil der Menschheit; und darum verlange nie zu wissen, wem die Stunde schlägt; sie schlägt dir selbst."
Sie ließ eine kurze Pause die Worte wirken und tippte kurz auf dem Smartphone etwas und steckte es wieder ein. Einen weiteren Atemzug. "Wir wissen beide das Vicente der Tod eines Mensch nicht trifft. Er stuft auch bei der Familie ab. Wenn es ein Mitglied des Clan geht, sich um den Clan dreht, stehen Italiener oder Russen außen vor. Wenn es um das Studium geht stehen sie zurück. Und natürlich unterscheidet er zwischen seinem Blut und dem Blut in Finstertal. Dennoch ersetzte Mensch durch Familienmitglied und es beschreibt seine Einstellung sehr gut."
Sofia stoppte kurz, der Blick glitt umher, in die Richtung in der Vicentes Zimmer lag. "Er ist ein beherrschter Mann. Gewöhnliche Emotionen sind ihm zu wider. Ein Kontrollverlust,... ist für ihn ähnlich inakzeptabel wie für andere ein Mord. Dennoch als er davon erfuhr" ein kurzes stocken, ein Stoßgebet das er ihr Herr nicht falsch verstehen würde "Nachdem er vom Mord erfuhr, er verlor sich an die Bestie."
Sie machte eine Pause, ob es der deutsche noch für relevant hielt? "Es ging wohl um unseren, euren Vorgänger, auch dessen Begleitung. Ich zweifele daran das er aus der direkten sterblichen Blutlinie meines Manns entstammte. Es fiel nichtmal sein Name."
Sie hob die Schultern. Seufzte, ein ganzer Berg von Themen war aufgeschüttet worden.
"Vicente Verhältnis zu seinen Dienern kann man mit dem zur Familie vergleichen. Der Unterschied ist wohl das es persönlicher ist, direkter. Die Rechte und die Pflichten sind deutlicher. Du magst vielleicht annehmen das du der Familie nichts schuldest, für die Erziehung, für das Blut das du erhalten hast, für die Lehren und die Freiheiten. Es ist vermutlich einige Jahre fern und Leute neigen zum vergessen."
Sie setzte kurz ab. Tatsächlich zeigte sich Michael überaus undankbar. Nach den Werten die man ihr beigebracht hatte.
Vicente wäre wohl sogar der Ansicht das Michael die Familie aus eigener Profitsucht hinterging. Sofia nahm dann den Faden wieder auf.
"Ich wurde von der Familie Vicentes zugewiesen. Er nahm mich auf, teilte sein Blut mit mir.
Es macht mich stärker, verleiht mir Macht über gewöhnliche Menschen, es heilt Wunden und verhindert das ich am Alter vergehe.
Er gab mir nicht nur Blut, sondern auch einen Platz an seiner Seite, Aufgaben, Wissen, die Möglichkeit mich würdig zu zeigen.
Dennoch, er ist nicht nur mein Ehemann. Er ist mein Herr. Ich vergehe nicht nur ohne Sein Blut. Das Blut das in seinen Adern fließt macht Menschen, macht mich, süchtig. Es raubt einen Teil meiner selbst. Ersetzt es durch Treue, Liebe, Ergebenheit. Ein Zerrbild dessen. Letztlich bedingungslose Folgsamkeit. Durchsetzt den Verstand. Vernichtet das Ich - wenn ich den Kampf verliere."
Sie pausierte kurz, dachte nach. "Natürlich ist es ein Geschenk der Familie, ein persönliches Geschenk von ihm, er ist ein guter, großzügiger, rücksichtsvoller Herr.
Dennoch sieht er eine Pflicht auf die Beziehung einzugehen. Nimmt es als Beziehung war. Ich bin durch sein Blut und ich bin mit seinem Blut. Ein untrennbarer Teil von ihm.
Du wirst nicht mich angreifen können ohne ihn anzugreifen. Du wirst nicht mich schlagen können ohne ihn zu schlagen. Du wirst mich nicht töten können ohne ihm ein Stück aus dem eigenen Leib zu schneiden, ihn weniger zu machen. Umgekehrt kann ich nicht sprechen, nicht handeln ohne das er die Verantwortung trägt, die Verantwortung dafür annimmt."
Sie überlegte. "Ich weiß das er en Geistern kein Blut gibt. Allerdings weiß ich ebenso das er sie beherrscht. Gerade Nicolo." Man konnte ein leichtes zittern bemerken. Als hätte sie den Spectre bereits gesehen. Würde damit mehr verbinden als einen einfachen Namen und Beschreibungen. "Sie wurden nicht von der Familie geschickt, er hat sie selbst gebunden. Er spricht mit ihnen, unterweist sie. Fordert von ihnen und bei den seltenen Gelegenheiten bringt er sie in die Familiengesellschaft, wie Trophäen."
Sie hob leicht die Schultern. "Ich weiß nicht genau was vorgefallen ist. Daher werde ich dazu nichts sagen. Außer das du mit dem Angriff auf Nicolo auch ihn angegriffen hast. Mit allen was nach der physischen Gewaltatgefallen ist.
Auch was Nekromantie betrifft kenne ich mich nicht wirklich aus. Es war nur mein Eindruck das weit mehr als ein Name benötigt wird um einen Geist zu zwingen."
Ein erneutes durchatmen. "Was den Rest betrifft. Nur meine persönliche Meinung. Aber du verkohlst deine Leute ganz schön. Angestellte, Assistenten,.. aber mich aus dem Wagen schicken wenn es darum geht das ich ein Blutsäufer bin?" Sie grinste frech. "Vicente mag nicht so perfekt sein wie mir's Blut zuflüstert. Aber er ist recht grad heraus. Ehrlich zu mir. Er würde auch nicht mit deinem Ghul reden um mehr über dich rauszukriegen." Sie griff sich kurz in den Nacken. "Und ehrlich gesagt tun mir deine irgendwo Leid. Es ist doch Bullshit das jeder für sein Leid verantwortlich ist. Dank dem Blut sind wir kaum noch für unser eigenes Verhalten richtig verantwortlich und was das Leid angeht,... verdammt ich hab einige der Studien meines Manns zugesehen, sie begleitet und das ganze,.. Die Bastarde sind vielleicht an vielen Schuld, wenn überhaupt an etwas. Aber bestimmt nicht an dem was dort passiert. Es ist auch feige sich der Verantwortung zu entziehen in dem man aus der Reaktion des Opfers eine Teilschuld ableitet"
Damit war der Punkt raus den sie wohl als erstes gebracht hätte. "Oh und das mit dem 'Aber Doktor ist doch eine Tätigkeitsbeschreibung. Michael.
Vicente und ich waren der Ansicht das du mitgeschickt wurdest weil du dich nicht mit Toten, Krypten, Forschung und noch mehr Toten und Sterbenden beschäftigst. Eh?
Du solltest sozial echt was drauf haben. Zumindest genug um zu kapieren das Doktor ein Titel ist. Sowohl der Dottore in meiner Sprache, als auch der Doktor in deiner.
Schonmal den Sketch gesehen,.. wie ging der noch gleich "Oh, Hallo Herr Professor Dr. Dr. Lüdenscheidt".
Es ist nicht nur eine Aufgaben Beschreibung. Es ist ein verdammter Status. Es wird hier selbst auf den Perso gepackt. Vermutlich kannste hier sogar wenn verklagen wenn er dich nur Herr Köning nennt. Es gibt den Ausdruck der 'Götter in Weiß'. Nun und Marius,... der ist noch nichtmal ein Doktor. Der ist hops, Tod,... zumindest toter als ich oder ihr. Wenn alle mit Vornamen vorgestellt werden aber einer mit Von und Zu und Titek,..
Jeder normale Mensch hätte deine Vorstellung vorhin als Prollerei verstanden.
Nimm einmal da dazu das sich Vicente wenn er schonmal unter Menschen geht sich in konservativen Kreise bewegt. Weder die Italiener noch die Russen mit denen er verkehrt zeichnen sich durch eine besondere Offenheit gegenüber Hippie-Ideen aus. Es gibt dort Ränge, Status, klare Hierarchien. Namen und Titel bedeuten etwas."