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Tremere
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Out of CharacterDer Teil ist jetzt erst mal sehr lang. Aus Ökonomiegründen haben Azra und ich zusammen geschrieben. Der Text von Caitlin erscheint grün. Immerhin sollte die Regentin wissen, was die Adeptin ihr erzählt hat, während sie bei der Prinz sitzt. und das WE ist schon fast da
Die Tremere hatte gehörigen Bammel.
Sie war nicht ganz gehorsam gewesen. Sie hatte noch eine Stippvisite im Bahnhof auf dem Weg nach Hause eingelegt. Die Haare hatte sie sich dafür zum Pferdeschwanz gebunden. Dies und ihre andere Kleidung sollten ausreichen um sie nicht auffällig wirken zu lassen für irgendwelche Beobachter der Kameras. Immerhin hatte die Frau hier einen ganz anderen Kleidungsstil als zuvor am Abend, als sie diese unglückselige Tat begangen hatte. Trotzdem verzichtete sie auch den Abstecher zum Bäcker, der tiefer im Bahnhof lag, sondern ging nur in den Supermarkt am Rand desselben.
Blond? Schwarz? Sie mit blonden Haaren... außerdem funktionierte das Blondieren nur mit Aufhellern, veränderte die Struktur des Haares. Schwarz.. sie war eh schon sehr blass. Sie entschied sich für schlichtes braun. 'nussbraun' und 'dunkelbraun' um genau zu sein. Von beiden Sorten packte sie die jeweils vorrätigen drei Packungen ein. Beides war zwar von der Helligkeit her für ihren Geschmack zu dicht an ihrer normalen Haarfarbe, sollte aber wenigstens das auffälligere Rot dämpfen können. An einem Brillenständer stockte sie. Sie verzichtete dann doch darauf, eine Lesebrille mit geringer Dioptrinstärke. Nur eine Sonnenbrille mit stark verdunkelten Gläsern wanderte mit. Ob ihr das Ding stand? Keine Ahnung, sie hatte einfach das Modell mit den größten Gläsern genommen. Wenn sie doch irgendwie in die Öffentlichkeit musste, war das besser als irgendein komischer Verband. Sie würde sich auch noch einen Stock besorgen müssen. Der half ihr bestimmt nicht so gut weiter wie einem geübten Blinden, aber er konnte ihr helfen, Stolperfallen zu erkennen und zu bewältigen.
Viel zu schnell war Anna bei ihrer Regentin. Sie hatte sie in ihrem Büro gefunden und war auf ihr Klopfen hin hinein gebeten worden. Eine Reisetasche wurde abgestellt, die mit irgendetwas Länglichem gefüllt war und sonst nichts. Dieses Mal erhob sie sich nicht selbständig sondern verharrte in dem Knicks, bis die Regentin sie aus der Haltung erlöste. Es war ein erster Hinweis, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war. Auch dieses Mal bat sie darum zu nächst stehen bleiben zu dürfen und das Angebot des Sitzplatzes erst anzunehmen, wenn es nach ihrem Bericht noch bestand.
Die Regentin erhielt zu nächst fast den gleichen Bericht wie die Prinz. Ergänzt wurde er um die Bitte der Vergebung, weil Anna die Regentin übergangen hatte und auf Grund der Möglichkeit einer schnellen Reaktion darauf verzichtet hatte sich entsprechend der Etikette zu nächst bei ihr zu melden Auch das Strafmaß teilte Anna der Regentin in ihrer gewohnt emotionslosen Art mit und auch den aus ihrer Sicht ungünstigen Abgang. Sie schloss ihre Ausführungen vorläufig mit der Bitte, der Prinz ihren Dank für ihre Gnade und ihren Schutz zu übermitteln. In der Tasche befand sich nach den Worten von Anna das Gewehr.Caitlin musterte die Tremere nachdenklich. Die Katastrophen in ihrem Haus schienen kein Ende zu nehmen. Wenn ein Feuer gelöscht war, schlug der Blitz bereits in den nächsten Strohballen. Es war zum Haare raufen, aber alles Zetern nützte nichts. Und die pragmatische Caitlin war sowieso niemand, der sich lang damit aufhielt, über das in den Brunnen gefallene Kind zu klagen. Es wurde Zeit, dass sie sich näher mit ihrer Adeptin auseinander setzte und tiefer nach forschte.
„Was haben sie sich dabei gedacht?“ Es war eine fast rhetorische Frage, eher ein ausgesprochener Gedanke, doch die Regentin ließ sie so stehen und wartete erst einmal ab.
Und Anna kam nicht umhin antworten zu müssen, da die Regentin nicht weiter redete. Nur was genau meinte die Regentin? Worauf spielte sie an? Die Tat an sich oder den Gang zur Prinz? Eine offene Frage. Es blieb ihr nichts andere übrig als auf beides zu antworten.
So begann Anna bei Adam.
„Im ersten Moment habe ich gar nicht viel gedacht, sondern hauptsächlich reagiert und gewarnt. Ich wusste nicht, wie ich mit der Situation umgehen sollte. Ich hatte noch keine ähnliche Erfahrung gemacht. Um mich herum starben Menschen und wurden verletzt. Die Schüsse hörten nicht auf und mindestens einer traf mich, während ich am Boden lag. Ich sagte mir immer wieder, dass ich keine Kriegerin bin und liegen bleiben soll. Die Männer in dem Lokal haben mich freundlich bei sich aufgenommen, als ich in ihren kleinen, Frauen freien Abschnitt der Welt hinein gestolpert bin. Ich habe nur mit wenigen von ihnen bisher gesprochen, aber abgesehen vom aller ersten Moment bin ich trotz meiner anderen Herkunft und trotz meines Geschlechtes an dem Ort akzeptiert worden und war wohl gelitten.
Als der Beschuss anhielt, kroch mir der Geruch ihres Blutes in die Nase. Ich hatte bereits die Magie gerufen um mein Blut zu verdicken und habe mein Blut dann genutzt um meine Haut widerstandsfähiger zu machen. Obwohl ich satt hin ging, wuchs so mein Hunger und das Tier zupfte an seinen Ketten. Mir wurde bewusst, dass die Angreifer nicht aufhören würden. Sie wollten jeden dort drinnen töten und hatten doch nur ein Ziel, auf das sie es abgesehen haben konnten: Herrn Kameniev. Die anderen dürften kaum Berührung mit dem Kartell gehabt haben, wenn überhaupt dann in Form von Schutzgeldzahlungen oder ähnlichem. Es war keiner dabei, der den Kampf aufnahm, offensichtlich keiner, der ihn überhaupt aufnehmen konnte abgesehen von dem Greis. Die Männer wurden einfach abgeschlachtet. Wenn ich liegen blieb, würden noch mehr sterben und wie sollte ich der Polizei die Löcher in meiner Kleidung erklären? Wenn ich durch die Tür floh oder einen unbekannten Hinterausgang suchte, würden mich Kugeln treffen. Wie sollte ich mein weiter laufen erklären? Der Bruch der Maskerade selbst war zu diesem Zeitpunkt bereits unausweichlich. Ich spürte, wie das Blut zu mir sang, bereit war, auf mich zu reagieren. Ich war so wütend. Da entschied ich mich zum Angriff. Mit Waffen kenne ich mich kaum aus und so nutzte ich, was mir zur Verfügung stand.
Als Herr Kameniev mir zur Flucht verhalf.... er war dankbar. Ohne mich wäre er heute Nacht gestorben Ich konnte ihn nicht töten. Nicht, nachdem ich gerade zwei Leben auf mein Gewissen geladen hatte, selbst wenn sie die Angreifer gewesen waren. Ich war einfach nicht dazu in der Lage. Mir fehlt die Fähigkeit, sein Gedächtnis zu manipulieren. Er hatte schon Schlüsse gezogen, bevor er auf mich getroffen war. Herr Zieglowsky war sehr offen mit seinen Fähigkeiten gewesen und es scheint Gerüchte in der Stadt zu geben, die vor seinen Ohren nicht halt gemacht hatten.“ Welche das waren, hatte Anna schon erzählt. „Er wird auf meinen Anruf reagieren, doch ich denke, dass er kein großes Problem in Bezug auf die Maskerade dar stellt.“ Anna begründete ihre Einschätzung nicht. Sie stellte sie nur in den Raum. Immerhin sollte sie sagen, was sie sich gedacht hatte und nun, so alt der Mann auch war: Anna wollte ihn schützen.
„Er gab mir seinen Mantel, damit meine zerfetzte Kleidung für andere nicht offensichtlich war. Ich verabschiedete mich und ging zu meinem Auto. Als erstes wechselte ich lediglich rasch meine Kleidung um nicht weiter auf zu fallen. Ich wusste, dass ihr beschäftigt seid und derzeit viel zu erledigen habt. Gleichzeitig seid ihr noch nicht lang in der Stadt und dürftet nur einen Bruchteil der Kontakte besitzen, die zu einer Verschleierung meiner Tat notwendig sind. Senora Cruiz ist neu im Amt und wird in ihrem Status sehr kritisch beäugt werden. So fatal mein Verhalten für mich persönlich sein mag, es wäre ein größerer Schaden für sie gewesen, wenn etwas an die Öffentlichkeit sickert, vor allem in ihrer besonderen Position. Deshalb war es um so mehr meine Pflicht mich zügig zu stellen. Sie haben heute Abend bereits gesagt, dass sie unser Wunschkandidat war. Sie verfügt über die notwendigen Kontakte. Zusätzlich wollte ich vermeiden, dass sie unnötig unter Druck geraten und Zugeständnisse machen müssen, falls sie sich dazu entschieden hättet mich zu schützen. Dem Clan sollte durch mein Handeln möglichst wenig Schaden entstehen. Mein Unverzügliches Erscheinen vor der Prinz war die einzige Möglichkeit, dieser Option wenigstens eine kleine Chance ein zu räumen. Ich hoffte darauf, dass die Prinz mein Verhalten nicht als Impertinenz wahr nahm. Als solches war es nicht gedacht. Es ging mir darum, meine Pflicht zu erfüllen, euch und sie zu schützen. Auch, wenn ich vermeintlich irrig hoffte, rechnete ich nicht mit einem nicht tödlichen Urteil. Ich hoffte, mir die Gnade eines schnellen Todes durch mein zügiges Handeln erbitten zu können. Dadurch, dass ich ohne sie vor der Prinz erschienen bin, habe ich es ihr ermöglicht, ein Urteil zu fällen, dass für sie selbst am nützlichsten ist. Sie hat sich dazu entschieden, meine persönliche Degradierung und damit primär auf mich begrenzten Schaden für den Clan zu wählen. Dieses Urteil wird ihr Probleme mit Frau Färber bereiten, wenn es bekannt wird. Sie wird aufbegehren, weil jemand eines etablierten Clans für so eine Tat nicht mit dem Leben bezahlen muss.. Ich bedauere zu tiefst, die Prinz in diese Lage gebracht zu haben und hätte insbesondere im Hinblick auf Frau Färber ein anderes Vorgehen vor gezogen. Doch es lag nicht an mir das Urteil zu fällen oder Vorschläge zu machen.“
Caitlin hielt ihre persönliche Meinung zur Tat und zum Strafmaß zurück. Lena hatte bereits geurteilt und Caitlin würde das garantiert nicht in Frage stellen. Was HuC draus machte war eh offengehalten. Wäre schließlich auch eher seltsam wenn die Täterin ihr eigenes Strafmaß festlegen dürfte. Es interessierte trotzdem, was Anna für sich selbst als angemessen empfunden hätte. Das gab ihr Einblick in den Charakter der jüngeren Tremere. Diese war für Caitlin schließlich noch immer recht neu und so fragte sie einfach nach: „Vorschläge? Woran hätten sie konkret gedacht?“
„Wäre ich an ihrer Stelle gewesen, ich wäre nicht auf diese Art von Strafe gekommen. Ich hätte Dienst für die Gesellschaft gefordert und, falls Frau Färber Vorwürfe vor bringt, ihr das Recht eingeräumt, den Täter zu sich zu rufen und ihr für eine Nacht das Recht zu gestanden den Tod zu voll strecken.“
Oh… Das war ungewöhnlich. Der Umgang mit dieser Adeptin war nicht einfach. Das hatte Caitlin schon früher gemerkt. Anna berichtete detailliert und wenn man noch einmal nach fragte, kam noch sehr viel hinter her. Bei einer offenen Frage. Bisher hatte sie immer wenig Zeit für Anna gehabt. Ein rares Luxusgut, wie ihr wieder einmal klar wurde. Immer drängelten andere Termine. Und dieses Mal hatte die Adeptin einen Fehler gemacht.Es bestand nicht mehr die Notwendigkeit einer schnellen Reaktion. Die Gegenmaßnahmen waren wahrscheinlich bereits eingeleitet. Die Regentin hatte zwar noch sehr viel auf ihrem To do Zettel, doch es schien ihr an der Zeit Anna etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Sie wusste, wenn sie fragte, würde sie Antworten bekommen. Ausführliche und ehrliche, aber – irgendetwas nagte an der Psychologin in ihr. Anna war bei Tremere aufgewachsen. Viele waren im Auspex und der Gedankenkontrolle bewandert und ihre offene Frage war eben länger beantwortet worden, als sie erwartet hatte. Fast hatte sie die Adeptin schon unterbrechen wollen, sich dann aber doch alles angehört. Konnte es möglich sein? Lügen konnte ihr Clan häufig gut durchschauen.
Plötzlich wurde ihr etwas klar und Caitlin hatte Mühe ein Schmunzeln zu unterlassen und ihre nachdenkliche, aber neutral-freundliche Miene beizubehalten. Oh dieses kleine, gewitzte Biest. Natürlich! Sie hatte einen missgünstigen Erzeuger gehabt. So viel war aus ihrer Ankündigung hervor gegangen. Aber heute würde sie ihr nicht so leicht davon kommen. Sie schien einen Sinn für Ehre entwickelt zu haben, der heute nicht mehr häufig vor kam. Er stammte eher aus ihrer eigenen Zeit und fand durchaus Anklang in ihrem schottischen Gemüt. Mal sehen, was wirklich dahinter steckte. Wie viel Intelligenz steckte in der Frau vor ihr? Wie weit ging ihr Ehrgefühl? Was würde sie alles tun, oder viel mehr sagen? Oh ja, Caitlin war neben aller Sorge und Irritation über das Geschehene, was einfach nicht zu Anna passen wollte, neugierig geworden. Und sie hatte eine Ahnung, auf welchem Weg sie zu ihren Antworten kommen würde. Ja, es war hinterhältig und nutze Annas eigenen Charakter gegen sie, aber wenn Caitlin richtig lag, war dies ein sehr bequemer Weg, vielleicht sogar der einzige Weg an die Wahrheit hinter der Wahrheit zu kommen.
Sie sah Anna weiterhin genau an. Ihre Miene war forschend und seltsam sanft. Nicht wütend oder von oben herab, wie Anna sich den Verlauf dieses Gesprächs vielleicht ausmalen würde. Und ihre nachfolgende Bitte, nein ihr Befehl, würde die Adeptin wohl überrumpeln.
„Nennen Sie mir die Fragen, die ich Ihrer Ansicht nach stellen sollte. Ich werde Ihnen bedeuten, wenn ich die Antwort hören möchte.“ Dann folgte die Regentin noch einer weiteren Eingebung. „Nennen Sie auch die Fragen, von denen Sie hoffen, dass ich sie nicht stelle, Anna.“
Tja. Vampire wurden nicht blass. Schlucken und andere menschliche Regungen hatte sich Anna schon lang abgewöhnt. Sie stand steif da. Das tat die Regentin doch jetzt nicht wirklich, oder? Bitte nicht. Nicht das. Das ließ ihr keine Schlupflöcher mehr. Wie sollte sie das umgehen?
So fing Anna an.
„Ist zwischen ihnen und Herrn Kameniev noch irgend etwas vor gefallen?“ Die Aufforderung für die Tremere, die Frage zu beantworten, lag lediglich in dem Blick der Regentin. Mehr brauchte es nicht. „Ich verstärkte bei Herrn Kameniev den Eindruck einsam zu sein. Er strich mir über die Wange und zum Abschied nannte er mich Schwester und küsste mich auf Stirn und Wangen. In dem Mantel befand sich ein Umschlag mit 10 000 Euro.
Wie empfinden sie das verhängte Strafmaß? Ich empfinde es als milde. Der Statusverlust ist beschämend für mich und den Clan, aber etwas, was ich mir wieder erarbeiten kann. Ich verspüre Angst vor der Prozedur des Blendens und hoffe es würdig hinter mich zu bringen. Die Tage der Blindheit und des schlichten Aushalten des Schmerzes werden mir wahrscheinlich verhältnismäßig leicht fallen.
Wie kommt es, dass sie den Schmerz selbst nicht so sehr fürchten, sehr wohl aber die Prozedur des Blendens?
Herr Gülden wählte in der Vergangenheit häufig schmerzhafte körperliche Bestrafungen. Er beschränkte sich dabei auf Dinge, die ich mit ausreichend Blut heilen konnte und die keine bleibenden Schäden hinterließen. Primär fügte er mir Brüche an den Händen zu, peitschte mich oder entfernte Teile meiner Haut. Die Wunden wurden mit Salzwasser gewaschen. Eine Blendung hat er nie vor genommen.
Weshalb hielt Herr Gülden diese Strafen für notwendig und angemessen?
Mein Lernforstschritt in unserer Magie war lange Zeit schlecht. Auf Grund meiner Ernährungsgewohnheiten konnte ich nicht auf die normalen Vorräte des Gildenhauses zurück greifen. Ich erhielt einmal pro Woche die Erlaubnis jagen zu gehen. Mein Lernfortschritt verbesserte sich erst, als der Bibliothekar den Ritus der Vitae Infusion offen liegen ließ, während ich auf ihn wartete.“ Auch ohne, dass Anna es explizit erwähnte, war klar, dass sie mit nur einer Jagd pro Woche kaum ausreichend Blut in sich hatte um die Magie des Clans zu praktizieren. Ihre Magie kostete immer. Wie viele Versuche mochte sie pro Woche gehabt haben, bevor der Hunger zu riskant wurde? Irgend etwas zwischen einem und drei, je nachdem wie viel die Adeptin sich getraut hatte. Mehr konnte es kaum gewesen sein.
"Die Hände brach er mir vorwiegend, wenn er mit Abschriften nicht zufrieden war. Insgesamt hoffte er durch die Strafen meine Disziplin zu steigern.
Wusste ihr Sire nichts von ihrer Schwäche?
Ich habe es ihm nie offen gestanden. Ich nehme an, dass er bescheid wusste. Die Jagden der anderen Kücken waren nicht so reglementiert wie meine.
Abgesehen von ihren langsamen Fortschritten – können sie sich einen Grund vor stellen, warum ihr Sire so handelte?
Ich war nicht sein Wunschkind. Er hatte jemand anderen gewollt, den er für fähiger hielt. Unser Clan hat ihm mich aufgezwungen. Mein Versagen würde ihn in seiner Meinung über mich bestätigen. Er wird über die neueste Entwicklung nicht unglücklich sein – abgesehen davon, dass er meinen Tod als einzige angemessene Strafe ansehen würde.
Gibt es noch etwas aus ihrer Vergangenheit, dass für mich von Interesse sein könnte?
Vor dem heutigen Abend und vor dem Erlernen des Riutals der Vitae Infusion habe ich bereits fünf Mal getötet um an Blut zu kommen. Die Leichen habe in frischen Gräbern entsorgt. Es handelte sich um Männer, die mich für leichte Beute hielten.
Ist ihnen vor ihrer Wandlung etwas geschehen, dass sie als größeres psychisches Trauma bezeichnen könnten?
Meine Eltern verstarben beide während eines Autounfalls kurz nachdem ich mein Abitur bestanden hatte. Ich verarbeitete ihren Tod durch verstärktes Lernen."
Die Adeptin hielt inne, schwieg. Der Blick der Regentin lag ruhig auf ihr, fordernd, auffordernd. War es denn immer noch nicht genug? Brauchte sie immer noch mehr Details? Hatte sie die Regentin noch nicht lang genug mit eher nichtigen Details und Fragen abgelenkt? Konnte sie noch irgend etwas aus ihrer Vergangenheit anbringen, dem sie eine Wichtigkeit bei Maß? Bisher hatte sie bei keiner einzigen Frage zu erkennen gegeben, dass sie die Antwort nicht wünschte. Langsam... wurde es unangenehm.
„Was ist bei der Vorstellung bei der Archontin geschehen?
Herr Grimm hatte mich aufgefordert, Herrn Aetherius auch zur Seneschall nicht allein zu lassen sondern zu begleiten um gegebenenfalls sein Verhalten zu bezeugen. Ich sollte keinesfalls eingreifen. Nachdem Herr Aetherius sich zu nächst korrekt, höchstens übertrieben höflich verhalten hatte, ließ er sich von Madame d'Auvernge provozieren, verabschiedete sich selbständig und verließ ohne Erlaubnis den Raum. Ich blieb, bis ich die Erlaubnis zum Gehen erhielt statt Herrn Aetherius als Ranghöhrem zu folgen.“
Nein, bitte nicht, nicht weiter.... Doch der Blick der Regentin blieb unerbittlich. Er forderte weiter.
Wie hat sich ihr Verhältnis zu Herrn Aetherius entwickelt?
Zunächst freundschaftlich. In seinen Krisen und ausfällen schien er auf Freundlichkeit, Zuwendung und körperlichen Kontakt zu reagieren. Ich ließ Geschlechtsverkehr zu, weil es ihn zu beruhigen und zu besänftigen schien. In der folge geriet ich durch Bluthunger in Raserei, die Herr Aetherius unter Kontrolle brachte. Er bot mir einen Bund als mein Beschützer an. Gestern Nacht vor dem Brand entzog er mir das 'Du', weil ich versuchte, mäßigend auf ihn ein zu wirken. Er empfand mein Verhalten als anmaßend. Als ich ihn später im Hof fand, war er verwirrt, unklar. Er sagte, er brauchte unbedingt Zeit um mit ihnen allein zu reden und bat mich um Hilfe. Ich sagte ihm, er solle abwarten, hoffen und schweigen. Schon da brachte er erste Beschuldigungen gegen sie vor, die später am Tatort deutlicher wurden, wenn auch nicht klar benannt. Ich warnte ihn davor, Anschuldigungen ohne klaren Beweis vor zu bringen. Als sie und Herr Grimm eintrafen, versuchte ich Herrn Aetherius deutlich zu machen, dass er mich reden lassen soll, um ihnen nach Möglichkeit Zeit zu verschaffen. Ich weiss nicht, ob es mir gelungen wäre, aber er ging zu spät darauf ein und hatte Herrn Grimm bereits durch seine Art der Berichterstattung verärgert. Er klang immer danach, als würde er sie schützen wollen“.
Reichte es denn nicht? War das nicht widerwärtig genug, dass die Regentin nicht mehr weiter bohrte? Bitte... bitte... Sie fand keine Gnade-
„Haben sie an dem Abend noch weiteres wahr genommen?
Als wir sie und Maria nach unten brachten, haben sie Herrn Aetherius den Befehl zu ihrer temporären Freilassung gegeben. Ich nehme an, sie haben sie dazu genutzt, so wohl sein Gedächtnis als auch das von Maria zu verändern. Der Pflock saß lose, ihre Augenbinde musste gelockert sein.
Warum haben sie den Pflock nicht wieder versenkt, als sie die Fesseln kontrolliert haben und warum haben sie heute Abend nichts gesagt?
Herr Grimm ist trotz seines unwirschen Auftretens ein gerechter, fähiger Ahn. Es war klar, dass er Finstertal wieder verlassen wird und nach Wien zurück kehren. Ich habe sie als ebenfalls freundliche Frau kennen gelernt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie absichtlich einen so großen Brand provoziert haben. Zusätzlich stand immer noch dieser angekündigte Angriff im Raum. Ich nehme an, sie hatten ihre Gründe für ihr Verhalten, auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass sie es gewagt hätten, Herrn Grimm über offen zu sein. Als ich ihm wegen dem Ritual Fragen stellte, hat er schlussendlich meine Hand genommen und meine Hand bei der Zeichnung geführt. Er war in keinster Weise hart. Ich denke, er hätte ihnen Verständnis entgegen gebracht, wenn sie es gewagt hätten, offen zu sein – auch wenn er den Umstand sicherlich für sich genutzt hätte.
Ich habe mich für sie entschieden, weil ich nicht glaube, dass sie aus Bösartigkeit gehandelt haben oder um dem Clan absichtlich zu schaden. Und weil sie diejenige sind, unter der ich hier in Finstertal zu leben hätte.“
Die letzten drei Fragen waren die schmerzlichsten für Anna. Die, die sie am liebsten nicht berührt hätte. Zu denen sie nichts hätte sagen wollen. Deshalb hatten sie am Schluss gestanden in der wagen Hoffnung noch irgend wie darum herum zu kommen.
Caitlin hatte schweigend zugehört. Das Ergebnis ihres Frageweges übertraf alle Erwartungen und die Beantwortung der eigenen Fragen sagte viel über Anna aus. Darüber, wie die Regentin sie nutzen konnte und wie mit ihr umgehen war. Da hielt irgendjemand offensichtlich viel - zu viel? - von so etwas wie Ehre. Erschreckend war auch, wie viel Anna über die Geschehnisse der letzten Nacht wusste. Das hatte Caitlin nicht geahnt und es hätte ihr Todesurteil werden können. Caitlins freundliche Mine fror ein und sie musste sich zwingen ihren Gesichtsausdruck nicht zu verändern. Doch sie glaubte Anna. Es gefiel ihr nicht im mindesten eine Mitwisserin zu haben, so loyal sie auch sein möge, aber sie hatte Hemmungen wieder ihre Kraft zu rufen und die letzte Zeugin zu beseitigen, bzw. die letzen Beweise zu vernichten. Was brachte es auch schon. Grimm hatte Finstertal verlassen, sie war von der Anklage befreit und reingewaschen und vor ihr stand eine Anna, die sich darauf verlies in Caitlin eine Regentin gefunden zu haben, die ihrer Loyalität wert war. Ihr Lächeln taute merklich auf, als sie eine Entscheidung traf und sie schob ihre Sorge erst einmal beiseite. Jetzt galt es sich mit Anna und ihrem Problem zu befassen. Schon seltsam wie die Wege waren, aber Caitlin verspürte den heftigen Drang für Anna da zu sein und sie zu beschützen. Ein Todesurteil gab es zwar nicht, aber die Degradierung zu Kind. Hm…Ob die Anna die Degradierung in der kainitischen Gesellschaft letztendlich wirklich als Strafe empfand, stand wohl zu bezweifeln. Nachdem nichts mehr von der Adeptin kam, außer einem: 'Ich habe keine Fragen mehr.' hatte die Psychologin aber doch noch eine eigene Frage.
„Wie haben Sie Ihre Zeit in Hamburg verbracht und wie viel sozialen Kontakt hatten Sie?“ Ein abrupter Themawechsel vielleicht, aber es war schlichte Neugier und sollte ihren Verdacht bestätigen. Eigentlich wusste sie es schon, aber sie wollte es noch einmal hören.
„Ich habe meine Zeit mit Lernen und dem Übersetzen von Büchern verbracht. Abgesehen von Herrn Gülden und seinem Ghul waren meine Kontakte zu Menschen und unsereins spärlich.“
Wenn Caitlin richtig lag und daran zweifelte sie nicht, dann bedeutete für die Adeptin der Verlust ihres Status Entspannung. Sie hatte keine Verantwortung mehr und musste sich nicht mehr mit ungewohnten Situationen auseinander setzen. Eines war noch seltsam. Anna hatte in ihrem Bericht nahezu beiläufig erwähnt, dass sie ohne es vorher zu können jetzt Blut rufen konnte. Es klang so, als sei sie sich dessen vorher nicht bewusst gewesen. Wien hatte in seinem Bericht doch sogar geschrieben, dass sie noch eine Stufe weiter war, oder nicht? Und auch das Ritual, was sie von ihr erhalten hatte, zielte eindeutig darauf ab. Konnte es sein, dass die Adeptin sich ihres eigenen Lernfortschrittes noch nicht richtig bewusst war, den sie hier in der neuen Umgebung und der für sie wahrscheinlichen Reizüberflutung gemacht hatte? Sehr interessant. Caitlin hatte heute Nacht tatsächlich eine Menge über Anna gelernt, aber auch über sich selbst. Vielleicht sollte sie tatsächlich mehr Kontakt zu den Adeptinnen halten. Es war Caitlins erste Regentschaft und sie machte tatsächlich die Erfahrung, dass nicht alles gesteuert werden konnte und unter Kontrolle war. Dass sie einfach hautnah dabei sein sollte und ihren Leuten das Gefühl geben musste, zu ihr kommen zu können. Nicht nur wenn es bereits zu spät für alles war.
Noch eine Frage spuckte Caitlin nun im Kopf herum. Eigentlich war es fast gemein, die Frage jetzt noch so zu formulieren, aber sie konnte, nein, wollte nicht widerstehen.
"Wie stellen sie sich vor, soll die Blendung durch geführt werden und wem soll die Durchführung der Prozedur auferlegt werden?" Die Frage war mehr als berechtigt, dürfte es doch kaum jemanden leicht fallen, diese Order des Prinzen um zu setzen.
Nun senkte Anna den Kopf. Es dauerte etwas, bevor sie ihn wieder hob und die Regentin anblickte. Der Entschluß war schon in ihr gereift gewesen, ohne dass sie sich dessen vollkommen bewusst gewesen war. Und doch...
"Ich hatte gehofft am Ende der Nacht vom 19. auf den 20. Mai genügend Mut zu finden, die Blendung selbst durch zu führen. Mein mögliches Scheitern wollte ich verbergen. Niemand sollte diesen Dienst für mich tun müssen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich die nötige Kraft aufbringen werde." Eine Art Skalpell hatte Anna benutzen wollen einen so genannten scharfen Löffel. Der war unten bei der Laborausrüstung.
Das war bewundernswert. Caitlin zweifelte, dass sie selbst in der Lage wäre, sich ihre Augen zu entfernen. War für eine Willensstärke dafür notwendig war und was für ein ungeheures Pflichbewusstsein. Sie hätte es sich fast denken können, wie Annas Antwort ausfallen würde. Sie stand auf und trat auf Anna zu. Mit dem Zeigefinger hob sie ihren Kopf an und blickte sanft in die starren, aber wunderschönen Augen der Tremere. Das sprach sie leise: „Niemand hat gesagt herausschneiden. Was halten Sie davon, wenn wir Dr. Katharina Zimmermann am 20. bitten, sie erst lokal zu betäuben und schließlich das Urteil schmerzfrei mit einer Säure vollstrecken? Am Blenden selbst werden wir nicht herum kommen, aber ich stehe Ihnen zu Seite Anna. Damit lasse ich Sie nicht allein.“