[18.05.2008] - Prinzenweihe und Krönungs Geschenke

Eldrige

Zombie-Survival Experte
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Wie fühlten sich die ersten Nächte einer neuen Zeitrechnung an? Waren die Früchte plötzlich praller und saftiger an den Bäumen? Summten die Insekten fröhlicher? Tatsächlich strafte die Welt alle Geschehnisse der letzten Nächte mit völliger Missachtung. Beinahe so als wollte sie all den Kreaturen der Nacht dort draußen, die so fleißig ihre Strippen zogen, dass es für sie vielleicht der Beginn einer neuen Ära sein mochte, aber für die Zeit und für Finstertal, war es einfach nur Sonntag.

Trotzdem fühlte sich Lurker wie die sprichwörtliche Made im Speck. Er saß auf einer Bank im Park der Kunstakademie und genoss die Gicht des andauernden, leichten Regens und die warme Luft unter der dunklen, wolkenverhangenen Kuppel des Himmels über seiner Stadt. Alles glänzte dunstig und feucht, ganz so als hätte sich die wabernde Nässe des unterirdischen Reiches der Nosferatu an die Oberfläche ausgebreitet.
Das hier und jetzt war durch einen Vorhang aus Regen verhangen und die ganze Realität schien gedämpft und verschwommen. In Nächten wie diesen war es für den Verborgenen noch viel leichter als sonst sich überall hin zu begeben, ohne das jemand ihn bemerkte. Die Sicht war ohnehin eingeschränkt, alle Geräusche waren dumpf und gingen im Rauschen des Wassers unter und die Menschen zogen sich ohnehin lieber zurück oder schlugen die Krägen ihrer Mäntel hoch und zogen die Hüte tiefer.

Mehr als einige Minuten gönnte sich der Erstgeborene des Clans der Kanalratten allerdings nicht, hatte er doch noch etwas wichtiges zu erledigen. So wichtig, das es sogar das Erste sein musste das er heute erledigen musste. Also erhob sich die seltsam verkrümmte Gestalt aus ihrem eigenem, kleinem Thron, packte sich das große Bündel das neben ihm auf der Bank gesessen hatte und wuchtete es sich auf die Schulter. Obwohl seine Last, beinahe zwei Schritt lang und locker vom Umfang eines Medizinballes war, bereitete das Tragen dem Nosferatu keine rechte Mühe. Durch die regenverhangene Dunstglocke mochte man an einen Teppich denken den Lurker in Richtung des Büro des Prinzen schleppte.

Vermutlich war es auch dem Wetter und der schlechten Sicht geschuldet, dass der Verborgene erst einige Meter vor dem gut verstecktem Eingang bemerkte, das die Türe sperrangelweit offen stand. Noch bevor er verdutzt stehen bleiben konnte, sprangen die Reflexe seine Blutes an und er machte einen Schritt in Richtung der Schatten eines Baumes. Beinahe ohne das er es merkte strömten Heimlichkeit und Desinteresse aus ihm hinaus, durch ihn hindurch und bildeten eine unsichtbare Brücke zwischen ihm und der Türe. Es war beinahe so als würde vor Lurker innerem Auge ein Pfad aufleuchten und eine Schrittfolge wie eine leise Melodie in seinem Verstand entstehen, der er nur folgen musste um unbemerkt vor der Wahrnehmung der Welt das Büro zu betreten.

Sicher, er hatte blitzschnell gesehen das die Türe absichtlich offen gehalten wurde und wenn sich gerade ein Überfallkommando, eine Horde Monster oder die verdammten Reiter der Apocalypse dort trafen um den Vampiren in dieser Nacht ein für alle Mal den Garaus zu machen, dann würden sie vermutlich nicht die Türe einfach arretieren, aber der paranoide Feigling in Lurkers Kopf machte beharrlich darauf aufmerksam, dass es für ein endgültiges Ende des Nosferatu völlig ausreichte, wenn dieser einmal nicht auf diese Stimme hörte und sie hinterher Recht behielt.

Natürlich war es abseits jedes Protokolls und jeder Etikette das man sich heimlich in das Büro des Prinzen schlich und vermutlich war der Strafenkatalog für so etwas dick wie das Telefonbuch einer Großstadt, aber der Nosferatu hatte zu lange auf und unter den Straßen Finstertals überlebt um ein mögliches Gefahrensignal zu übergehen, nur aus Angst davor das er einen Fauxpas beging. Seine eigene Erziehung war unerbittlich und streng gewesen und natürlich hatte auch der Umgang mit den Offiziellen dazu gehört, aber seine Mentoren hatten schließlich auch nicht gewusst, dass er später einen permanenten Einsatz vor den Toren der Hölle leiten sollte. Also würde der Nosferatu einen großen Haufen auf Benimm und Anstand setzen und auf Nummer sicher gehen, während er, verborgen vor möglichen Anwesenden, mit seiner Last die heiligen Hallen betrat und auf der Suche nach möglichen Gefahren jeden Winkel im Auge zu behalten versuchte.
 
Die Gefahr daran, sich ungesehen in die Gefilde eines anderen zu begeben, lag darin dass man Dinge sah die man vielleicht gar nicht wissen wollte. Als Lurker den Vorraum durchschritten hatte und durch die letzte Tür ins Sekretariat des Prinzentraktes trat, erblickte er eine in sich gekehrte und äußerst nachdenkliche Frau, die so verloren und verletzlich wirkte, dass es einem das Herz zusammenziehen konnte.

Da saß die Prinz also, mit auf dem Schoß verschränkten Händen vor ihrem Schreibtisch und starrte auf dessen vollkommen freigräumte Oberfläche. Auch wenn der Nosferatu sich nicht vor der Umwelt verborgen gehalten und sich stattdessen einfach leise bewegt hätte, wäre er von der Toreador unbemerkt geblieben.

Lurkers Problem in dieser Sekunde war, wie er sich weiterhin zu verhalten gedachte. Egal was er auch tat, er würde den Prinzen der Stadt Finstertal zu Tode erschrecken und sie gleichzeitig nur allezudeutlich daran erinnern, wie verletzlich sie in dieser Sekunde war.

Wenn Lurker danach trachtete, könnte er die Frau sogar problemlos mit einer kurzen und gut gezielten Attacke für immer in die endlose Dunkelheit beförden. Fast schien es, bedachte man die einladend offene Tür und ihr gesamtes Verhalten aus einem anderen Blickwinkel, als erhoffe sich die Frau jemanden, der sie für ihren Verrat bestrafen wollte...
 
Beim Anblick der Prinz, ehmaligen Seneschall, einstigen Guhl und seiner Verbündeten die offensichtlich ungefährdet herumsaß beschwichtigen sich seine alarmierten Sinne. Offensichtlich drohte hier keine unmittelbare Gefahr. Tatsächlich war die erste Reaktion des monströsen Besuchers Mitleid. Wer hätte dies im verdorrtem Herzen des Nosferatu erwarten wollen? Er, der den legendären Zieglowski in einer grausamen Todesfalle gefangen hielt, von dem man munkelte das er Kontakte zum Sabbat unterhielt und dieser Bande sogar einmal gefolgt war. Er, der einen Tzimisce seinen Verbündeten hieß und in das Herz des Territoriums der Unholde gereist war und gesehen hatte zu welch abartigen Dingen seine Art fähig war, konnte nicht anders als für einen Moment auf dieses Geschöpf zu blicken das dort so einsam und verloren hockte. Beinahe elend, gerade wegen seines einstigen Glanzes.

Doch wer den Nosferatu wirklich kannte, den hätte es vermutlich gar nicht so sehr gewundert. Nicht das ihn das Leiden an sich berührte, wenn es einem seiner Feinde widerfuhr, aber das Leid eines Schwächeren, eines Einsamen und Verlorenem, war etwas das eine Saite in ihm zum Schwingen brachte die nur seine Vertrauten wirklich kannten. So wie Brenda Mc Millan, sein Kind Raphael, seine Tochter und so viele andere Schutzbefohlene derer er sich im Laufe der Zeit angenommen hatte. Derselbe Instinkt, der ihn veranlasst hatte ein instabiles Häuflein Blutsklave aus einem Loch zu bergen und gegen den Widerstand eines wahnsinnigen Gespenstes und eines Toreador Archonten vor dem endgültigen Tod oder unendlichen Qualen zu retten.
Möglich das es ein Widerspruch war gleichzeitig ein psychopathischer Mörder und ein besorgter Adoptivvater zu sein, aber er war schließlich auch ein Toter der immer noch durch die Nacht wandelte, auf der Suche nach Blut. Was scherte so ein Ding logische Kategorien?

Er hatte geholfen diese Frau zu dem zu machen was sie heute war, hatte die neue Prinz dieser Stadt mit erschaffen und darum war er jetzt auch für sie verantwortlich, so wie für jeden anderen seiner Schützlinge. Natürlich würde sich das bei einer Herrscherin ein wenig schwieriger gestalten als bei seinen anderen Schutzbefohlenen, aber der Nosferatu hatte sich bislang als einfallsreich, anpassungsfähig und zäh genug erwiesen um bis hier her zu gelangen, also würde er nun nicht plötzlich aufhören. Er kehrte praktisch auf dem Absatz um, ging wieder auf die Türschwelle zurück und klopfte zwei Mal gegen die geöffnete Türe.

Ist hier jemand?

Hörte man daraufhin das heisere Krähen aus dem geschundenen Stimmapparat durch die Flure hallen.

Damit würde Magdalena Cruiz genug Zeit bleiben sich zu sammeln und dann den Auftritt hinzulegen den sie selber brauchte um zu dem zu werden was diese Stadt brauchte.
Der Versuchung das Büro zu durchsuchen, oder das Prinzenbüro, widerstand Lurker mühelos. Wenn er es wollte, konnte er diese Orte jederzeit aufsuchen. Wer sollte ihn schon daran hindern? Alleine, es gab an diesem Ort kein Geheimnis das ihn reizte. Alles was er hier erfahren konnte, konnte er genauso gut auch dort draußen in seiner Stadt erfahren.
 
Und hier kam das unglaubliche schauspielerische Talent der Toreador zum tragen. Lurker hatte die ersten Worte nicht ganz ausgesprochen, innerhalb des Bruchteils einer Sekunde, wurde aus einem verlorenen Häufchen Elend mit Todeswunsch, eine charismatische Anführerin, mit leuchtendem Feuer in den Augen und einem fast greifbarem Selbstbewusstsein. Nun stand ein Mensch in diesem Büro, dessen Ausstrahlung dem eines Prinzen mehr als nur gerecht wurde. Nichts an ihr erinnerte mehr an die eben noch so deutlich zu erkennende Schwäche, nicht einmal ein Hauch Überraschung für das plötzliche Auftauchen des Nosferatu war an ihr zu erkennen. Jeder Gesichtsmuskel dieser Frau, gehorchte aufs Wort und versah seinen Dienst mit beinahe hingebungsvollem Eifer. Man musste kein Toreador sein, um zu erkennen warum Oliver Buchet diese Frau vor gut einhundert Jahren zu seiner Sklavin gemacht hatte. Sie beherrschte die Kunst des Schauspiels mit einer angeborenen Genialität, der nur wenige andere Talente weltweit gerecht wurden.

"Lurker, wie schön dich zu sehen! Komm doch bitte herein und setz dich zu mir."

Als Geste der Höflichkeit hatte sich die Prinz von ihrem Stuhl erhoben, ihre Hand wies auf einen freien Platz.

"Was ka...", sie entdeckte das Bündel. Ein Hauch Überraschung glitt über ihr Gesicht, perfekt getimt und gerade so deutlich, dass Lurker es erkennen konnte. Natürlich wusste Lena sofort, wen Lurker dort bei sich hatte. "Ich nehme an, dass du nicht vor hast mir Marty Zieglowski zu präsentieren? Ich nehme eher an, dass es Toni Romero ist, den du nach Hause zurück bringen willst..."

Langsam ließ sich die Toreador in ihren Stuhl zurückgleiten.

"Hilf mir, Freund! Was soll ich mit ihm machen? Er ist auf meinen Mann eingeschworen und wird sich kaum auf unsere Seite stellen...."

Hättest du ihn doch behalten... irgendwo tief unter der Erde...
 
Hätte es genutzt, wäre er versucht gewesen die Augen zusammen zukneifen oder sie sich zu reiben, als die Anwesenheit der Prinz plötzlich den Raum durchflutete. So blieb es aber beim mentalen Äquivalent dieser Handlungen, als der Nosferatu sich wappnete und schließlich den Raum betrat.

Guten Abend Lena.

Eigentlich hätte er die Andere mit dem Titel des Gegenübers eingeleitet, aber so wie er es gerade einschätzte war ein 'Prinz Cruiz' gerade etwas das die Frau schwer ertragen würde. Zumindest von ihm.

Als er sie so sah wie sie nun vor ihm stand, fiel es ihm schwer zu glauben was er vor wenigen Sekunden noch selber gesehen hatte. Sie schien derartig anwesend und bereit zu sein, dass er viel eher glauben wollte das dies die wahre Magdalena Cruiz sein sollte. Möglich das sie es auch wirklich war? Wenn er die Andere in der Villa ihres Mannes, nun vermutlich ihre Villa, besucht hatte, dann war dies stets von ihr bemerkt worden, selbst wenn er sich nicht bemerkbar gemacht hatte. Seltsam also das sie seine Annäherung nun nicht bemerkt haben wollte? Gut möglich das es einfach daran lag das die Villa ihre Domäne, ihr absolutes Reich und Zuhause darstellte. Vielleicht hatte er sie auch nur überraschen können weil sie gerade abgelenkt war, oder überfordert? Möglich. Allerdings bestand auch die Variabel, dass sie ihm das Häufchen Elend nur vorgegaukelt hatte, damit sie prüfen konnte was er tat, wenn er sich unbemerkt wähnte?

Es war wie mit der Frage ob diese Person wirklich Magdalena, die gute alte Magdalena, war, oder doch die portugiesische Witwe. Für den Nosferatu waren das einfach nur Möglichkeiten mit denen er zu jonglieren bereit war. Alles bedenken, für alles einen Plan haben und dann mit dem arbeiten was tatsächlich geschah. Das könnte glatt sein Familien Motto werden.

Es ist Romero, richtig. Wenn du meinst das du ihn nicht gefahrlos hier behalten kannst, kann ich ihn verwahren. Allerdings kann ich ihn nicht permanent in diesem Zustand lassen. Er steht im Augenblick unter starken Beruhigungsmitteln. Für seine Genesung und weil er so leichter zu beherbergen und transportieren war, aber ich bin nicht darauf eingerichtet ihn für länger so zu halten. Wenn ich ihn bei uns verwahre, wird das bei Bewusstsein sein müssen und wenn er dann versucht zu fliehen und es aus seiner Verwahrung heraus schafft, dann wird er ganz sicher umkommen.

Es war schön zu sehen das der Verstand der Anderen immer noch so wach war und sie die Situation sofort richtig einschätzte. Er hatte nicht vor gehabt den Menschen erst zu retten, nur um ihn danach auszuquetschen oder gegen seine Herren zu benutzen. Die armen Teufel waren übel genug damit gestraft von einem Untoten Blutsauger abhängig gemacht und geknechtet zu werden. Genauso ungerne würde er es sehen das Romero bei einem Fluchtversuch sein Leben aushauchen würde. Er überließ es einfach mal Lenas Phantasie was dem Prinzenguhl dann drohen mochte. Von erbärmlichem verhungern und verdursten oder schlichtem Erschöpfungstod, weil er den Weg hinaus nicht fand, über Wachguhle die gegen eine zusätzliche Mahlzeit sicher nichts einzuwenden hatten, über Fallen die mit einem Schlag, oder langsam töteten, war alles drin.
 
Was machte man mit einem Ghul, von dem man sicher wusste dass er einen verriet? Romero war seit Jahrzehnten auf Buchet eingeschworen und hatte es, ganz im Gegensatz zu Lena, nie geschafft sich aus dem Bann des Blutes zu lösen. Und damit kamen sie schon zum zweiten Problem. Woher sollte Romero seine regelmäßigen Dosen Prinzenblut bekommen? Konnte, durfte, man einfach so den Spender wechseln? Würde sich der Ghul nicht trotz aller Versuche irgendwann aufmachen um wieder in den Genuss der uralten Vitae zu kommen, die ihn über eine so lange Zeit hinweg mit Kraft erfüllt hatte?

Lena bot Lurker einen Sitzplatz an und lehnte sich in ihrem Bürostuhl zurück. Lange sagte sie kein einziges Wort, dann fingen ihre Blicke die Kapuze des Nosferatu ein.

"Wir werden ihn töten müssen, fürchte ich! Jeder andere Weg, den wir einschlagen könnten, würde früher oder später unweigerlich zur Katastrophe führen. Es bricht mit das Herz, Toni war über so viele Jahre hinweg ein guter Freund..."

Ein Seufzen unterbrach den Satz.

"Für Alternativen wäre ich ausgesprochen dankbar, Lurker!?"
 
Mit einem Nicken ließ Lurker das Paket, Toni Romero, von seiner Schulter auf den Boden gleiten. Er war dabei tatsächlich vorsichtig, so dass der Sedierte nicht nur keine Verletzungen erlitt, sondern auch keine Schmerzen hierbei gehabt hätte. Auf der Jagd hatte er schon sehr abscheuliche Dinge mit seinen Opfern getan, aber hier ging es nicht um Nahrung. Dann ruckte er in seiner typischen Gangart hinüber zu dem angebotenem Stuhl und ließ sich darin nieder. Wie immer fehlten den Bewegungen der Fluss und jede Eleganz. Er ließ der Anderen die benötigten Augenblicke um nachzudenken. Gut das der Blutsklave nicht hören konnte wie hier über sein Schicksal entschieden werden sollte.

Der Pragmatiker in ihm wollte auch sogleich mit der Schulter zucken und dem Männlein den Hals nach hinten drehen. Ein feuchtes Knirschen und das Thema wäre erledigt. Dennoch war da ein Widerwille in ihm, den er noch nicht ganz erfassen konnte. Er hatte nichts gegen den Guhl. Aus seiner Sicht hatte das versklavte Geschöpf nur hier in diesem Büro gesessen und getan was er musste. Es hatte keine Gelegenheit gegeben zu der Toni Romero ihm wirklich positiv oder negativ aufgefallen wäre. War es dasselbe Mitleid das ihn bereits dazu gebracht hatte den Blut-Junkie nicht in dem dreckigem Loch verrecken zu lassen in dem er ihn gefunden hatte? War es überhaupt Mitleid?

Er hatte das Menschlein jetzt nun einmal gerettet und wenn er ihn jetzt einfach ausknipste wäre alles zuvor vergebene Liebesmüh gewesen. Man könnte also argumentieren das es aus der Sicht des Nosferatu unwirtschaftlich wäre ihn zu töten. Außerdem war der Guhl eine wertvolle Ressource, sonst wäre er nicht derjenige gewesen zu dem Buchet ihn gemacht hatte.

Oh bitte. Suchst du jetzt eine verdammte Entschuldigung vor dir selber, warum du ihn nicht töten willst. Warum so viele andere und ihn nicht? Das ist doch Heuchelei.

Eigentlich war es aber auch egal ob es nur 'das Richtige' war und er den ehemaligen Sekretär deshalb nicht töten wollte, oder ob es einen echten Grund gab. Am Ende würde er so oder Kapital aus der Sache schlagen. Das würde er müssen, denn Gnadenbrot gab es in der Welt der Untoten nicht. Zumindest nicht in der Welt oberhalb. Also zuckte die Gestalt schließlich nur mit den Schultern.

Ich kann ihn mitnehmen und ich weiß einen Weg finden in gefügig zu machen. Aber nur wenn er selber sich dafür entscheidet weiter zu leben. Ich werde ihn nicht in die Sklaverei zwingen, er muss sie wählen. Wenn er das tut, kann er bei uns bleiben und in einigen Jahren könnte er sogar wieder einigermaßen frei durch die Gegend laufen.

Der Verborgene versuchte beiläufig zu klingen. Eigentlich hatte er gedacht das man den Mann einfach wieder hier her zurückbringen konnte und dieser dann seinen Dienst hier verrichten und sein altes Leben wieder aufnehmen konnte. Anscheinend durfte sogar ein Nosferatu Ahn sich ab und an ein gewisses Maß an Naivität leisten. Jetzt brauchte es aber einen Ersatzplan und in Lurkers Verstand hatte sich blitzschnell alles neu formiert. Es gab einen Weg, aber er würde hoch pokern und die Sache gut verkaufen müssen.
Möglich aber das Toni Romero ihm einen Strich durch die Rechnung machen würde und den Tod wählte. Natürlich war es eigentlich totaler Unsinn und jemand den man vor die Wahl stellte ob er sterben oder versklavt werden wollte, dem ließ man eigentlich keine wirkliche Wahl, aber aufgrund seiner eigenen Vergangenheit würde er dem Guhl das nicht antun, wenn er lieber sterben wollte.
 
"Wie gesagt ist, Toni einer meiner ältesten und vertrautesten Freunde. Wenn du eine Möglichkeit siehst, ihn zu retten bin ich die letzte, die etwas dagegen einzuwenden hätte. Wie lautet dein Plan?"

Hoffnung klang aus der Stimme der Prinz. Eine ungewollte Täuschung, eine Lüge, geboren aus dem unbedingten Willen selbst irgendwie daran glauben zu können. Tief in ihrem Inneren wusste Lena jedoch, dass Romero sich niemals gegen Oliver Buchet stellen würde. Eines seiner heraustechendsten Eigenschaften war unbedingte Loyalität. Hinzu kam, dass der gestürzte Prinz seinen Sekretär über viele Jahre hinweg eingeschworen hatte. Durch kostbares Ahnenblut, aber natürlich auch durch geschickte Manipulation und andauernde Konditionierung.

Für einen Moment war die Toreador versucht die Angelegenheit jetzt und hier zu beenden. Ein manifestierter Schatten, geformt in eine sich windende Tentakel, eine schnelle Bewegung und das Problem wäre vom Tisch. Wenn es etwas gab, dass sie nicht ertragen könnte, dann wäre es der anklagende und vorwurfsvolle Blick des besten Freundes. Niemals würde er ihr den Verrat an Buchet verzeihen, nie die Hintergründe ihrer Taten verstehen und kein Wort der Entschuldigung akzeptieren. Um wieviel einfacher wäre es, ihn einfach zu töten. Schnell, schmerzlos sauber.

Irgendwo an einer der nahen Wände zuckte es gefährlich in der Dunkelheit...

Nicht!

Der Verzweifelung nahe schlug Lena die Hände vor's Gesicht.

"Es wird nicht funktionieren Lurker! Toni wird seinen Herrn nicht verraten. Weck ihn auf und er wird sofort alles daran setzen zu entkommen. Ohne Umschweife wird er sich aufmachen und seinen Herrn suchen. Wahrscheinlich weiß er sogar als einziger wo Oliver sich befindet, Kiera einmal ausgenommen, und welche Pläne mein Mann genau verfolgt. Hätte es auch nur ansatzweise Sinn, würde ich ein Verhör vorschlagen, aber auch das wäre sinnlos. Egal was wir ihm auch immer antun könnten, er würde nicht reden. Niemals...."

Abgesehen davon konnte Lena ihrem Freund das nicht antun, sie konnte ihn, in diesem Moment, ja nicht einmal von seinen Qualen erlösen...
 
Die Prinz durchlief ein ziemliches Spektrum, was es dem Verborgenem tatsächlich ein wenig erschwerte ihr zu folgen. Schien sie zunächst beinahe begeistert das es einen Weg geben sollte, schlug die Stimmung beinahe so schnell herum wie der Wind drehte. Er hatte das Gefühl eines dunklen Wirbel hinter sich, fast wie ein Prickeln seitlich an seinem Hinterkopf. Sofort mischte sich eine urtümliche Angst mit einer Faszination, eine Neugierde, ähnlich der, die Motten in das Licht zog. Wann immer dieser Teil von Magdalena sich regte konnte Lurker kaum anders als gleichzeitig furchtsam und entzückt zu sein.

Dann folgte aber auch schon der Kollaps und die Prinz war wieder dem Häufchen Elend nahe, dass er beim ersten sondieren des Büros vorgefunden hatte. Diese Frau war eine gute Wahl für Finstertal, davon war der Nosferatu überzeugt. Aber sie musste in diese Rolle, das Amt, ihren Platz in dieser Welt noch hineinwachsen. Im Augenblick fühlte sie sich sicher noch zu klein dafür. Lurker kannte das gut, immerhin hatte man ihn in diesem Kriegsgebiet von einer Stadt als noch recht unerfahrenen Untoten zum Erstgeborenen seines Clans gemacht. Ein Amt das vor ihm durchweg beeindruckendere Gestalten als er selber bekleidet hatten. Er sah in dieser Toreador, die nicht mehr einfach nur eine Toreador war, dasselbe Potential aus allem das Beste machen zu wollen.

Ich denke es ist besser wenn du guten Gewissens behaupten kannst das du von meinen Plänen nichts weißt und auf die Frage nach dem Guhl einfach antworten kannst, dass die bösen Nosferatu ihn geschnappt haben. Wir scheinen ja so eine Art Sammelleidenschaft für Blutsklaven zu haben, nicht wahr? Wenn dein Freund sich entscheidet weiter zu leben, dann werden wir das Problem um seinen ehemaligen Herrn lösen. Es wird dauern, wahrscheinlich lange, aber wir brechen das Blutsband und wir brechen auch seine Konditionierung.

Tatsächlich schien es so, als wäre der Verborgene im Augenblick der zuversichtlichere. Ausgerechnet er hatte in dieser Sache Selbstvertrauen? Aber gut, schließlich war es auch vor ihm niemandem gelungen Martin Zieglowski zu brechen und zu verhören.
Toni Romero würde einfach nur eine weitere Nuss zu knacken sein, wenn der Mensch sich entscheiden würde weiter zu leben.
 
Langsam fiel der Groschen!
Lurker bot ihr gerade an das Problem vollständig zu übernehmen und Romero einfach mit zu sich in die Tiefe zu nehmen. Dort würde Romero verschwinden, für alle Zeiten möglicherweise? Wahrscheinlich würde er dort unten sterben... vielleicht, wenn sich alles zum Guten wenden sollte, -eventuell also- tauchte er irgendwann ja doch wieder auf... Geheilt, wie der Nosferatu versprach. Das alles war viel zu verlockend und zu einfach um wahr zu sein. Und umsonst würde es Lurker ebenfalls nicht machen. Sie war ihm auch ohne diese Hilfe einiges schuldig...

Moment, nein... das war sie nicht!?
Sie war der Prinz der Stadt. Der Prinz befiehlt zum Wohle aller und zahlt den Preis mit einer friedlichen und möglichst sicheren Umgebung. Alles was sich Lurker erkaufte, war eine gesicherte und anerkannte Stellung für sich und seinen Clan. Lena war nur allzugern bereit diesen Preis zu bezahlen. Verdient hatte es der Nosferatu, sogar mehr noch, er hatte sich in den letzten Nächten als Freund erwiesen. Wenn es so etwas unter den Untoten gab, aber Lena war noch jung und idealistisch genug um so etwas für möglich zu halten.

Ihre Gedanken wandten sich Romero zu. Durfte sie ihn einfach so den Nosferatu überlassen? Ohne jede Ahnung, was sie dort unter der Erde mit ihm anstellen würden? Es gab Gerüchte, dass sich ganz weit unterhalb der Stadt noch ganz andere Kaliber als Lurker herumtrieben. Uralte Ahnen, jahrhunderte alt und so mißgestalltet wie mächtig...

Was wäre denn die Alternative? Wenn du diesen Weg ausschlägst, wirst du selbst Toni töten müssen. Nicht morgen, nicht nächste Woche, sondern augenblicklich. Eine weitere Sünde, ein weiterer Verrat, ein Freund mehr den du in den Abgrund stößst. Auch wenn das oberste Ziel in der Rettung dieser Stadt besteht, wie weit darf man gehen?

Ein leiser Seufzer entglitt der Kehle der Toreador, eine weitere ungeplante Regung.

"Einverstanden! Ich übergebe dir hiermit Toni Romero! Tu, was immer du für nötig hältst, doch hab Gnade mit dieser gequälten Seele. Nur eines verlange ich, bevor du ihn irgendwann in die Freiheit entlässt wirst du dich mit ihm zusammen hier bei mir vorstellen. Er verlässt das Grab deiner Heimstatt nicht ohne mein Einverständnis!"
 
Der Verborgene war ganz sicher zu klug um irgendwelche Gefallen oder einen Preis zu benennen für das was er anbot. Er hatte ihr seinen Preis bereits genannt. Sie musste Prinz sein in Finstertal und diese Stadt stabilisieren. Er würde hierbei alles tun ihm sie dabei zu unterstützen und sie im Amt zu halten. Nicht nur weil vielleicht der Clan Nosferatu in der Geschichte dieser Stadt noch nie so nah an der Herrschaft der Stadt war, oder weil dies seine Aufgabe war, sondern weil er hier sein wollte. In diesem Höllenloch. Wie eine Bakterie die im infernalischem Umfeld eines broddelden Unterwasser Schwefel Geysirs prächtig gedieh und davon profitierte, dass ihr Umfeld so feindlich war, dass es die anderen Lebewesen fern hielt.

Er war außerdem auch so klug sich mit seiner Position im Schatten zufrieden zu geben. Er brauchte kein öffentliches Lob und würde von Lena nicht verlangen, dass sie überall herum erzählte wie nützlich und wertvoll der Clan der Kanalratten doch war. Er musste nicht mit am Tisch sitzen und von goldenen Löffelchen und Tellerchen speisen, denn egal wie heftig man den Froschkönig Lurker vor die Wand werfen würde, es würde kein hübscher Prinz aus ihm werden.
Er würde es ihr möglich machen mit ihm zusammen zu arbeiten und dafür Informationen aus der Führungsriege der Stadt bekommen. Sogar daran beteiligt sein und dafür sorge tragen können das die Interessen seiner Schutzbefohlenen vertreten werden würden. Diese Chance war eine zarte, kleine Pflanze und er würde sie nicht kaputt machen, indem er jetzt den großen Zampano gab und Forderungen stellte. Lena Cruiz war Prinz, nicht er.

So wie ich das sehe gehört Romero ohnehin.....zu dir.

Er hatte sagen wollen 'gehört Romero ohnehin dir', aber für den Fall das die Prinz wirklich freundschaftliche Gefühle für den Blutsklaven hegte wollte er nicht unnötig grausam sein. Er wusste wie es war, wenn man aus seiner Welt gerissen und in den Schmutz gestoßen wurde und von ihrer Welt war im Augenblick erschreckend wenig übrig geblieben. Ein wenig Feingefühl würde ihn schließlich nicht umbringen.

Also, ja natürlich und wenn du ihn zwischendurch sehen willst, bringe ich dich zu ihm.
 
Bitte behandle ihn gut...

Wollte sie sagen, brachte die Worte aber nicht über die Lippen. Im Inneren der Prinz fochten Pflichtgefühl und Gewissen einen energischen Kampf gegeneinander aus, wobei die Pflicht ihren Gegner aber bereits soweit in die Enge getrieben hatte, dass diesem einzig blieb sich als kurzes, verzweifeltes Funkeln in den Blicken der Toreador zu zeigen.

So war das also, wenn man Prinz war. Noch keinen Tag im Amt und schon hatte sie zwei Mitglieder der eignen Familie ans Messer gelieftert. Zum Wohle der Stadt natürlich, um die Verhältnisse zu ordnen und für Stabilität zu sorgen. So redete sie es sich ein... Wie leicht würde es einem Ankläger fallen die Fakten zu nehmen und gegen die neue Herrscherin Finstertals zu wenden. Sie musste nur einen kleinen Fehler machen und den Rückhalt ihrer Unterstützer verlieren. Prinz von Finstertal zu sein, hieß auf einem sehr schmalen Grad zu balancieren. Oliver hatte dies zur Perfektion beherrscht und war doch gescheitert.

Lena verdrängte die Gedanken, denn sie waren weder hilfreich noch sonderlich angenehm.

"Ich danke dir, Lurker!"

Aus Sicht der Prinz war das Gespräch beendet, trotzdem wollte sie den Nosferatu nicht drängen. Immerhin war es gut möglich, dass er noch das ein oder andere Thema mit ihr besprechen wollte...
 
Ganz sicher würde die Behandlung die nötig sein würde nicht angenehm für Romero werden. Einen Junkie an ein Bett zu fesseln bis er den ganzen Dreck ausgeschieden hatte den er sich jahrelang in die Venen gejagt hatte, bis die abgenutzten Adern glühten, war niemals ein angenehmer Prozess und genau das stand dem Blutsklaven bevor. Allerdings würde es kein waschechter Entzug werden können, denn wenn das Blut einfach ausblieb mochte das durchaus der Tod des Mannes sein. Möglich das er schon länger der Diener Buchets gewesen war als er eigentlich zu leben gehabt hätte.

Aber Lurker hatte nicht vor Grausamkeiten an Toni Romero zu verüben, oder ihn absichtlich zu quälen. Natürlich konnte die Prinz sich nun mit den Gedanken martern welch furchtbares Unheil sie über ihre ehemaligen Freunde und Verbündeten brachte, allerdings war die Alternative einfach nur den Sterblichen umzubringen. Man konnte sicher darüber diskutieren was nun unmenschlicher war, ein simples Töten oder die Blutsklaverei, aber wenn es wirklich ans eingemachte ging, wählte kaum jemand den endgültigen Tod. Wenn es keine richtige Entscheidung gab, dann war der eingeschlagene Weg zumindest von der Gnade geprägt den Guhl nicht einfach zu töten wie einen herrenlosen Hund, dessen Herrchen ihn nicht mehr halten wollte.

Da die Rückgabe des Dieners tatsächlich der Hauptgrund für den Besuch des Nosferatu war würde dieser sich dann auch tatsächlich bereit machen Lena wieder in Ruhe zu lassen.

Keine Ursache.

Schnarrte es also heiser unter der Kapuze hervor und Lurker meinte es tatsächlich so. Wenn die Zeiten Oliver Buchets vorbei waren und hier etwas neues entstehen würde, dann würde er auch daran mitarbeiten. So hatte er es zugesagt und solange niemand ein falsches Spiel mit seinem Clan treiben wollte gab es keinen Grund wegen kleinlichen Gewinnaussichten wortbrüchig zu werden. Nach seiner Ansicht waren genug Vampire über ihre eigene Gier gefallen. Für die nächsten Jahrzehnte sollte ihm das als Mahnmal genügen.
Leider war seine Kooperation im Augenblick auch der einzige Trost den er der neuen Prinz anbieten konnte. Zumindest hier, in der Öffentlichkeit. Also legte er die Hände auf seine dürren Oberschenkel und verlagerte sein Gewicht nach vorne, wobei er den Schatten seiner Vermummung in Lenas Richtung drehte um zu sehen ob diese ihn mit einer Geste oder einer simplen Verabschiedung zu entlassen.

Es war noch gar nicht lange her, da hatte er keinen blassen Schimmer davon wie man aus so einem Prinzen Büro heraus kam und dabei der Etikette genügte und es war ihm auch herzlich gewesen.
Im Augenblick aber, so wusste der Nosferatu mittlerweile, war die Etikette wichtig. Nicht damit sich irgendwelche alten Pfeffersäcke darin suhlen konnten, sondern damit alles seinen Gang ging. Es war wichtig für die neue Prinz. Es war ein Zeichen das sie die Sache hier im Griff hatte und es war Zeichen seiner Unterstützung. Er hoffte das sie davon mehr hatte, als wenn er beschwichtigend ihre Hand halten und sie trösten würde das er ihr auch immer zu helfen gedachte. Lippenbekenntnisse waren nicht seines und er würde keine abliefern, wenn er einfach Taten für sich sprechen lassen konnte.

Wer hätte gedacht das ausgerechnet die Politik und Etikette Knallcharge Lurker einmal so etwas lernen und anwenden würde.
 
Lena nickte dem Nosferatu zu.
Sowohl ihr Blick, als auch ihr Lächeln zeigten ihre Dankbarkeit. Lurker hatte ihr soeben eine schwere Last von den Schultern genommen. Romeros Zukunft war ersteinmal gesichert und das ohne weitere Probleme oder Sorgen zu verursachen. Kurz überlegte die Toreador ob sie sich zum Abschied kurz erheben sollte, sozusagen als Geste des Respekte. Sie entschied sich jedoch dagegen, Sie war Prinz und konnte sich solch gefühlsduseligen Schwächen nicht länger erlauben.

Also blieb sie wo sie war, bis der Nosferatu wieder gegangen war.
Kaum das sie wieder alleine war, rannen ihr einige Tränen über die Wangen. Tonis Schicksal ging ihr wesentlich näher, als sie sich selbst hatte eingestehen wollen. Der Italiener war trotz allem ein sehr guter Mensch gewesen, ein Freund und langjähriger Wegbegleiter...

Trotzdem! Es ist richtig was du tust!

Ein schwacher Trost!
 
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