Am liebsten hätte sie natürlich gewartet und wäre dann verschwunden, aber ein Blick auf die Uhr zeigte, daß das wohl nicht mehr drin war. Also mußte sie dann wohl den direkteren Weg wählen. Dazu brauchte sie allerdings Zeit und einen Ort, an dem sie nicht gestört werden konnte. Das Bad wäre da wohl am besten... So suchte sie ein paar Sachen zusammen, um das Bad zu verbarrikadieren, wenn sie ihn finden konnte auch den Schlüssel. Dort angekommen sah sie sich nach einem Taschen- oder Rasierspiegel um, fand aber keinen... Wenn sie nicht den Spiegelschrank opfern wollte (und das wollte sie ganz klar nicht), mußte wohl ihr eigener Taschenspiegel dran glauben. So stellte sie den Badezimmerhocker auf ihren aufgeklappten Spiegel und erhöhte das Gewicht solange, bis das Glas mit einem leisen Knacken splitterte. Dann stellte sie den Hocker wieder an seinen Platz, fischte vorsichtig eine Scherbe aus dem kaputten Spiegel, legte sie vor sie ab und steckte den zusammengeklappten Spiegel wieder ein. Wenigstens hatte sie jetzt einen kleinen Vorrat, schonmal etwas.
Auf das Brimborium für Zuschauer konnte sie hier zum Glück verzichten. So fixierte Katharina ihr Abbild in dem kleinen Stück Glas, wandte sich nach Osten und begann leise die Formeln zu rezitieren, die sämtliche Elemente ihres Körpers zu Luft transformieren sollten. Von der Anrufung des Hermes Trismagestos bis zum finalen Akt, der Umwandlung in Luft mit Hilfe der passenden systemischen Entsprechung - Blut eben - verging einiges an Zeit, und in Konzentration versunken wie sie war würde sie einen Störer wohl eher später als früher bemerken. Schließlich wurde es ernst: Als sie sich eine kleine Wunde zufügte, um den nötigen Blutzoll zu zahlen, mußte sich zeigen, ob sie das Ritual erfolgreich hinter sich gebracht hatte. Unendlich langsam folgte das dunkle Blut der Schwerkraft, landete jedoch nicht auf dem Boden sondern bildete einen dunkelroten Nebel, der die Gestalt der Hexe einhüllte und ihr ein Gefühl der Leichtigkeit verlieh, das darauf hinwies, daß alles funktioniert hatte. Den Spiegelsplitter in der Hand, trat sie vorsichtig an die Wand heran und streckte den Arm aus. Die Spitzen ihrer durchscheinenden Finger verschwanden in der Wand. Es hatte funktioniert, wie erwartet !
So steckte sie dann auch den Kopf durch die Wand und spähte vorsichtig nach beiden Seiten, bevor sie in einem geeigneten Moment durch die Wand in die Seitenstraße glitt und von dort aus d Weg in die Kanäle nahm, falls sie es nicht mehr rechtzeitig zum Gildenhaus schaffen sollte. Noch bevor sie unten wieder greifbare Gestalt annahm, schwor sie sich, die beiden Schwachköpfe für diese Nummer da eben teuer bezahlen zu lassen ! Ein weiterer Blick auf die Uhr bestätigte ihren Verdacht. Zum Gildenhaus würde sie es kaum noch rechtzeitig schaffen, nicht mit ihrer Ortskenntnis... Blieb nur noch, sich einen möglichst sicheren Ort zum Übertagen zu suchen.