Johnny freute sich, dass Katharina noch mit ihm weitertanzen wollte.
Das andere Paar hörte auf zu Tanzen, die Frau kam jedoch mit einem neuen Tanzpartner zurück. Ein weiteres Tanzpaar gesellte sich hinzu.
Der Mann im Smoking, die Frau sah Billie relativ ähnlich und hatte ein ebenso unschuldig wirkendes Gesicht. Was bei Kainiten aber noch nichts heißen musste...
Der Brujah schnappte ein paar Worte des Pinguins auf. Die Erwähnung des Namens Zacharii ließ ihn aufhorchen. Tzimisce? Zacharii war ein Tzimisce? Wenn Johnny doch bloß auch den Rest noch verstanden hätte. Aber dann hörte Johnny noch "Zusammenarbeit" und "Klüngel".
Dann sah er kurz einen leicht ungepflegt wirkenden Typen, der in Richtung Konferenzraum ging. Ein Primogen, der sich verspätet hatte?
Seltsam...aber wenig später war Johnnys Aufmerksamkeit von etwas ganz anderem gefesselt, wobei ihm nicht im geringsten klar war, dass das mit dem komischen Typen zusammenhing.
Verrat und Intrigen? Nein, das hatte es bei Johnny nicht gegeben, in seinem Leben und auch in seinem Unleben nicht.
Aber es gab da viele Diebstähle, Raubüberfälle und Gewalttaten...
Sein erster Diebstahl, ein Auto...
Johnny sah plötzlich seinen Vaters vor sich und hörte seine Stimme:
"Was soll nur aus dir werden, Junge?"
Sein gutmütiger Vater, der nie die Hand gegen Johnny erhoben hatte, ja noch nicht einmal oft geschimpft hatte obwohl es bei Johnny Grund genug dafür gegeben hätte.
Wie sehr sich doch sein Vater um ihn gesorgt hatte und sich darum bemüht hatte zu verhindern, dass Johnny weiter auf die schiefe Bahn geriet. Zweimal hatte er die Polizei bestochen um einen Gerichtsprozess zu verhindern, doch nach Johnnys erstem Raubüberfall konnte der Vater nichts mehr tun und Johnny wurde zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt.
Johnny sah das traurige Gesicht seines Vaters vor sich als er den Sohn im Gefängnis besuchte.
Es tut mir so leid, Dad...
Wieso kam ihm all das ausgerechnet jetzt in den Sinn? Weil er vorhin seinen Vater erwähnt hatte? Sein Vater war immer so anständig gewesen, verabscheute Verbrechen, und doch hatte er bis zum Schluss zu Johnny gehalten, doch es hatte ihm das Herz gebrochen erleben zu müssen wie aus Johnny ein Schwerverbrecher wurde.
"Polizist stirbt im Kugelhagel der Steinberg Gang" sah Johnny die Schlagzeile vor sich.
Hatte er nie daran gedacht wie es für seinen Vater gewesen war solche Schlagzeilen zu lesen?
Und im Zeitungstext folgte: "Er hinterlässt eine Frau und zwei Kinder."
Verdammt, Johnny, du hast Kinder zu Halbwaisen gemacht...
Dabei wusste er doch nur zu gut wie schlimm es für ihn gewesen war im Alter von 9 Jahren die Mutter zu verlieren.
Dann hatte Johnny seine Kumpanen aus dem Gefängnis befreit, auch dabei kam ein Polizist ums Leben. Aber er konnte doch nicht seine Kumpel im Stich lassen...
Aber am Ende waren seine Gangmitglieder wegen ihm gestorben.
Je berüchtigter sie wurden, je besessener die Polizei und schließlich auch der FBI sie jagte, desto mehr befreundete Gangs wandten sich von ihnen ab, da sie nicht damit reingezogen werden und zu viele Bullen auf dem Hals haben wollten. Verdammte Angsthasen!
Und ausgerechnet Frankie, einst auch sehr berüchtigt, war plötzlich seriös geworden und hatte eine Telefongesellschaft gegründet. Telefone sind jetzt groß im Kommen, hatte er Johnny vorgeschwärmt und ihm die große Halle gezeigt wo lauter Telefonistinnen saßen.
"Damit lässt sich doch viel mehr Geld machen als mit Gaunereien, warum sollte ich also Gangster bleiben?"
Als ob es beim Gangsterdasein nur ums Geld ging!
Am Ende hatte Johnny und seine Gang völlig allein dagestanden. Als Johnny einen weiteren großen Coup plante und er eine Unterkunft suchte wo sie direkt nach dem Überfall unterkommen konnten, wollte sie niemand verstecken. Und da empfahl ihm Frankie dieses abgelegene Waldhotel.
Sonst waren sie immer von irgendwelchen befreundeten Gangstern versteckt worden, aber damit war´s vorbei.
Hätte ihm das nicht eine Warnung sein sollen? Hätte er den ganzen verdammten Banküberfall nicht besser lassen sollen?
Stattdessen hatte er zuversichtlich getönt: "Wir schaffen das schon."
Und seine Gangmitglieder hatten sich davon mitreißen lassen. Sie waren ihm gefolgt. Er hatte sie ihn den Tod geführt.
Der Banküberfall hatte ja geklappt, und sie waren problemlos zu dem Waldhotel gelangt. Aber dann musste sie irgendwer verpfiffen haben. Frankie etwa? Auf jeden Fall kreuzten am späten Abend die Bullen bei dem Hotel auf. Die waren allerdings so blöd einfach auf die erstbesten Gäste drauflos zu ballern, die vorne aus der Tür kamen.
Vielleicht hatte Johnny dem Tod dieser Unschuldigen sogar sein eigenes Leben zu verdanken.
Kaum hatten die Bullen angefangen zu ballern war Johnny und seine Gang natürlich gewarnt. Zunächst blieben sie und schossen von oben auf die Bullen, die waren ja draußen. Die schossen auch, Fensterglas zersplitterte, lautes Maschinengewehrfeuer zerriss die Stille der Nacht. Sie schossen und schossen, und die Gang schoss zurück, bis Babyface schließlich tödlich verletzt wurde.
Johnny beschloss dann, dass es das Beste war abzuhauen. Sie teilten sich auf in zwei Zweiergruppen, damit die Bullen nicht alle auf einmal verfolgen konnten. Johnny war eigentlich immer noch auf der Tanzfläche, aber er war nun so sehr im Geschehen des Films drin, der vor seinen Augen ablief, dass es ihm vorkam als würde er wieder die kalte Nachtluft spüren, und den beißenden Schmerz der Schusswunde am linken Oberarm. Er rannte mit Peter durch den Wald, die Bullen direkt auf den Fersen. Immer wieder blieben sie stehen und schossen, und die beiden schossen zurück.
Peter wurde schwer getroffen und brach zusammen.
"Lass mich liegen und lauf weiter", sagte Peter schwach, aber das hätte Johnny nie getan, seinen Kumpel einfach da liegenzulassen. Er stützte Peter und half ihm weiterzukommen. Sie mussten es einfach schaffen, Johnny war nicht bereit aufzugeben.
Sie erreichten die Straße, und da kam gerade ein Auto. Paul und Harry saßen darin, sie hatten ja einen anderen Fluchtweg genommen, und als sie die Straße erreicht hatten, da war gerade ein Auto gekommen, sie hatten die Insassen erschossen und ihnen das Auto abgenommen. Noch zwei Tote, die indirekt auf Johnnys Konto gingen.
Johnny zerrte Peter auf die Rückbank, Paul fuhr los. Peter starb während der Fahrt in Johnnys Armen.
Jetzt waren sie also nur noch zu dritt. Auf der weiteren Flucht durch mehrere Bundesstaaten wurden schließlich auch Paul und Harry von den verfluchten Bullen erschossen.
Aber verdammt! Ich wollte doch nicht, dass sie sterben! Ich kann´s nicht mehr rückgängig machen!
Und Johnny hatte danach immer noch nicht genug gehabt, er kehrte ausgerechnet nach Chicago zurück, wo der verdammte FBI schon auf ihn lauerte. Er war am Ende, und dennoch plante er unverdrossen einen weiteren Coup, für den er erst neue Gangmitglieder finden müsste.
Und er wollte unbedingt zu Billie...und hatte damit ihr Leben gefährdet. Es gelang ihm sogar sie unbemerkt zu treffen, doch direkt danach wurde sie aufgegriffen und verhört und gefoltert.
Sein Erzeuger war es, der ihn davon abhielt in den sicheren Tod zu laufen. Die Bullen hätten auch Johnny abgeknallt, wenn Simon ihn nicht kurz vorher erschaffen hätte.
Aber dann, scheiß was auf die Kugeln, die ihn trafen, die konnten ihm kaum noch was. Zu zweit mit Simon stürmte er die Polizeistation wo man Billie gefangenhielt, sie schossen drauflos auf alle Bullen, die ihnen dort über den Weg liefen.
Billie saß im Verhörraum. Man hatte sie nicht einmal auf Toilette gehen lassen, und so hatte sie ihr Kleid naßgepinkelt. Johnny schoß umso wütender um sich. Doch Hauptsache er hatte seine Billie zurück. Er trug sie hinaus und Simon gab ihm Feuerschutz.
Die hätten Billie doch nicht freiwillig rausgerückt, also hatte er sich den Weg zu ihr freischießen müssen, und er würde es wieder tun...
Dann sah Johnny die Angst in den Augen der Bankangestellten, die er und seine Gang mit Waffen bedroht hatten.
Die Angst in den Augen der Geiseln, die sie in den Banken genommen hatten.
Todesangst.
Das hatte er damals völlig abgeblockt, er hatte es nicht sehen wollen. Doch jetzt quälte es ihn.
Was soll der Scheiß??! Schluss damit!
Aber davon würde er sich jetzt doch wohl nicht kleinkriegen lassen, dass da irgendwas in seinem Hirn plötzlich verrückt spielte und er diese Bilder vor sich sah.
Das Bilderkarussell schien sich immer schneller zu drehen.
Waffenlager der Polizei ausgeraubt.
Auf Nazis geschossen, Waffenlager der Nazis ausgeraubt.
Johnny sah die von ihm niedergemetzelten Sabatties, zusammengeschlagene Menschen, etliche zusammengeschlagene Kainskinder...
Knirschende, brechende Knochen...
Skinhead zum Krüppel geschlagen...
Prügelndem Ehemann den Rücken und die Arme zertrümmert, sitzt nun im Rollstuhl.
Der schlug nun niemanden mehr...
Der Brujah stand das Ganze stoisch durch, er biss die Zähne zusammen, stand regungslos da bis die Bilder endlich abgeflaut waren.
Da merkte er, dass seine Tanzpartnerin am Boden lag. Er ging in die Hocke.
"Katharina...ist alles in Ordnung mit Ihnen?"
Seine Stimme klang besorgt. Er würde ihr aufhelfen, und falls sie zu schwach war um stehen zu bleiben würde er sie festhalten, sodass sie nicht nochmal hinfiel.