AW: (09.05.) Eine Zuflucht zu finden, die zweite...
Auf der anderen Seite des Bauzaunes erwartete ihn die verwesend, süßliche Wärme aus Bergen von verrottendem Unrat. Überall um ihn herum türmte sich, wie Dünen, der Müll. Es gab nichts, das man hier nicht finden konnte. Neben unzähligen, riesigen Haufen aus leeren Verpackungen gab es auch überquellende Container voller ausrangierter Elektrogeräte. Zwischen einer regelrechten Wand aus zerbrochenen Tassen, fauligen, nassen Kartons und einer aufgeplatzen Katzentoilette, deren Inhalt, einem stinkendem Gletscher aus Granulat gleich, ins Tal strömte, steckte ein ungesund gebogener, alter Gartenstuhl aus weißen Metallrohren.
Überall waren breite Wege oder auch nur schmale Pfade angelegt, über die man, einem Labyrinth gleich, das gesamte Areal durchwandern konnte. Dem geschultem Auge eines Nosferatu aber, eröffneten sich noch ganz andere Möglichkeiten. Alte, verwaschene Markierungen an einer umgestürzten, ausrangierten Kunststoff Chemie Toilette sahen verdächtig nach einem Hinweis auf eine Passage auf. Tatsächlich, wenn man die Türe öffnete, war dahinter ein Kriechpfad zu erkennen. Wenn man sich nicht scheute auf alle Viere hinab in den Abfall zu gehen und durch den widerwärtigen Tunnel zu klettern, konnte man auf ein zweites System aus Gängen und Wegen stoßen. Es erforderte einiges an Arbeit bergauf und bergab diese weniger offensichtlichen Wege durch die Mülldeponie zu nehmen, aber gleichzeitig vermittelten sie einem Verborgenem auch das angenehme Gefühl von Heimat. Die Familie war hier gewesen und hatte dies hier angelegt, soviel war sicher.
Unglücklicherweise verstärkte die verwinkelte, dunkle Örtlichkeit auch das Problem der Bewegungen aus dem Augenwinkeln, welche die Bewohner der Stadt seit einigen Tagen heimsuchte. Waren das schon seine Clansgeschwister, die den Neuankömmling neugierig umkreisten und beobachteten, wie er durch ihr Reich schlich? Oder woher kam das gelegentliche Rascheln hinter ihm? War es ein natürlicher Prozess, dass sich ab und an leere Dosen aus den Müllbergen lösten und scheppernd zu Boden krachten? Oder bildete er sich die huschenden Schatten nur ein? Er hätte schwören können glühende Augen in der Dunkelheit um ihn herum spüren zu können. Es war hier stärker als sonst irgendwo in der Stadt.
Alle Orte an denen sich Nosferatu versammelten waren unheimlich. Gleichzeitig aber war er hier, genau wie unter der Stadt, wo er seine Suche begonnen hatte, so gut aufgehoben wie sonst nirgends. Es wimmelte hier von verlassenen Containern, Nischen und Einstiegen zu unterirdischen Wartungs und Aufbewahrungsräumen, die allesamt als Wohnstätte taugen würden. Vergessen und Verlassen war auch eine ganze Zeile alter Garagen, vollgestopft mit ausrangierten Autoreifen, halb begraben unter einem großem Schuttberg. Von der anderen Seite war es einfach nur ein weiterer Müllberg, aber auf dieser Seite wären diese Garagen zugänglich und mit wenig Arbeit einzurichten. Die Möglichkeiten waren zahlreich, wenn man denn mit der besonderen Umgebung leben konnte.
Hinter Ihm war ein leises Raunen zu hören, aber als er sich umwandte, erhaschte er wieder nur eine Blick auf einen blitzschnellen Schatten. Krachend stürzte plötzlich ein alter Staubsauger um, der an eine rostige Tonne voller schlammigen Wassers gelehnt gestanden hatte. Er fiel genau in einen Berg aus zerborstenen Spiegelscherben und ein Teil davon rutschte wie eine Lawine unter Getöse zu Boden.