Ich sags mal mit meinen eigenen Worten, auch wenn Saint schon einiges vorgegriffen hat. Ich bin aber kein Anwalt - deswegen geh ich da nochmal anders ran.
Ioelet schrieb:
Ich versteh die Aufregung nicht. Warum sollte man jemanden auch noch dafür "in Grund und Boden klagen", dass der sein Projekt nicht verwirklicht bekommt?
Um ein Exempel zu statuieren. Auch um vielleicht potentielle Kackbratzen abzuschrecken, die einfach nur betteln und nie den Anspruch hatten zu liefern. Um ehrlich zu sein: Wer sagt denn, dass es in dem Fall nicht so gelaufen ist? Wen zum Geier interessiert diese herzzerreißende Geschichte über ne gescheiterte Ehe? Der Typ ist nicht hingegangen und bankrott oder verlassen worden, weil er aufopferungsvoll der Allgemeinheit dienlich sein wollte. Der hat mit fremden Kapital gewirtschaftet ... Etwas mehr Verantwortungsbewusstsein darf der Backer da schon erwarten.
Kickstarter ist kein Online-Shop, sondern eine Förderungs- bzw. Investitionsplattform. Mal zahlt sich's aus und ein anderes Mal eben nicht.
Die [die Investitionsplattform] darauf basiert, dass zielgerichtet Versprechungen eines Produkts an Privatpersonen gemacht werden, die sich für genau diesen Ansatz interessieren. Ich investiere kein kleines Geld und erfahre hinterher, wenns denn läuft, wer weiß welche Boni. Am Ende krieg ich das Produkt und allerlei Gedöns, welches in der Regel nicht im Verhältnis zu dem steht, was ich gegebenenfalls investiert habe.
Das Mindeste als Standard muss in meinen Augen ein Realisierungsplan mit vernünftigen Verträgen sein, falls dann doch outgesourced wird.
Das Problem ist, dass Projekte wie diese zeigen, dass zig Versprechungen gemacht werden, wesentlich mehr Geld eingenommen wird, als ursprünglich veranschlagt und am Ende nicht nur nicht geliefert wird, sondern eben auch Stories als Wahrheit verkauft werden, die in der harten Geschäftswelt keine Sau interessieren. Wir reden nicht davon, dass ArchangelGabriel ne Ich-AG aufmachen will und sich Gelder vom Staat und von seinen Freunden holt, scheitert und dann in der Bredouille steht, dass das irgendwie nicht geklappt hat.
Wenn ich mein Studium in den Sand setze, obwohl mir der Staat mit Bafög unter die Arme gegriffen hat, werde ich ja auch nicht von der Bafög-Stelle "in Grund und Boden geklagt" nur um mal mal allen zukünftigen Studenten "auch das Gefühl zu geben, dass sie rechtlich belangt werden können, wenn sie Kohlen einsacken, Versprechungen machen und hinterher nicht liefern."
Das ist doch etwas völlig anderes. Und zumindest die Hälfte muss der Student zurückzahlen ... da kommt er nicht drumrum. Das ist mehr, als so ein gescheitertes Crowdfunding Projekt leisten muss, bei dem die Entwickler sagen können "Whoops ... naja, aber wir müssen ja nicht gerade stehen!"
Ich seh daran nichts zynisches. Kickstarter hat eben Vor- und Nachteile. Einer der Nachteile ist eben "Wenn das Projekt nicht klappt, ist das Geld weg.".
Das ist nunmal die Idee eines Kickstarters. Wo ist das Problem?
Die Missbrauchsgefahr ist unendlich hoch - nur weil Leute sagen, dass sie sich verkalkuliert haben und Ehen zusammengebrochen sind und und und, heißt das nicht, dass das auch wirklich so passiert ist.
Und Backer werden speziell mit Gedöns gelockt, von denen der Entwickler meint zu wissen, dass er die Leute damit an Bord kriegt und sie so richtig heiß drauf machen kann. Leute finden das Produkt und den Zusatzkram geil und backen, vielleicht sogar nicht wenig. Und dann wird am Ende nicht geliefert und man steht mit nichts da ...
Stell dir mal vor Shadowrun Returns wäre den Bach runtergegangen, so wie in diesem Fall hier. Und derjenige, der die 10.000$ hat springen lassen, nur damit Mike Mulvihill zu ihm nach Hause kommt (mit Bier und Brezeln) und mit ihm und seinen Leuten SR spielt kriegt auf einmal gesagt: "Tja, schade ... verkalkuliert, wird nix. Aber danke für die Kohle! Hier haste n Steamkey zur Wiedergutmachung!" Ich mein, verstehst du das Ausmaß des Ganzen? Da müssen Richtlinien und Sicherungsnetze für die Backer her, eben dass die am Ende nicht ohne alles dastehen. Insbesondere eben jene, die wirklich viel investiert haben. Scheiße: Genau für diesen Zweck werden doch auch Pledge-Goals installiert. Wir brauchen Summe X, mehr wäre besser, aber Summe X muss sein, sonst geht nix. Aha, wir haben Summe X und sogar einen Mehrbetrag Y ... herzlichen Glückwunsch und jetzt machen wir uns an die Arbeit. Sobald das Projekt läuft, weil es erfolgreich gebacked wurde haben die zu liefern und zwar das was sie im Vorfeld besprochen haben. Und da interessiert mich nicht wer welche Eheprobleme hat oder wie er sich mal eben um 9 Monate Programmierzeit verschätzt hat oder meinetwegen auch das Budget völlig verkalkuliert hat. Der oder die Person sagt dass sie dieses und jenes für diesen und jenen Geldbetrag möglich machen: Dann seht zu!
Scheitern auf solchem Niveau ist in keiner anderen Branche dieser Welt möglich, nur bei Kickstarter scheint's irgendwie okay zu sein - und das finde ich zumindest grundlegend überdenkenswert.