AW: Wird Realms of Cthulhu etwas ändern?
Die großen Alten auf einer Battlemat moschen ist einfach nicht mein Ding und passt in meinen Augen auch nicht wirklich zum literarischen Hintergrund.
Und so etwas wird natürlich auch NICHT in Realms of Cthulhu möglich sein. Anders als z.B. bei BRP Call of Cthulhu, wo man jede Menge Spielwerte geboten bekommt und zu dem es ja auch die entsprechenden MINIATUREN für die Battlemap gibt, bietet RoC bei den mächtigeren Mythos-Gestalten nur die Terror-Werte und den seelischen Schadenswert, den jemand erleidet, der diese Wesen/Götter/was auch immer wahrnimmt. Stirbt er nicht gleich vor Schrecken, so ist der Wahnsinn des "glücklichen Überlebenden" von außerordentlich heftiger Ausprägung.
Gerade die Hoffnungslosigkeit und der Horror sind die typischen Eigentschaften der Mythos Geschichten.
Genau. Und das macht RoC VERDAMMT GUT! - RoC ist eine auch für mich überraschend ADÄQUATE SW-Umsetzung amerikanischen Call-of-Cthulhu-Rollenspiels.
Da muss einfach zu viel gedreht werden damit Cthulhu gesavaged werden kann.
Eigentlich kann nur das schwurbelige "Autoren"-Cthulhu deutscher "Leseratten im Gemäuer"-Prägung nicht gut umgesetzt werden, weil da NIE ETWAS PASSIERT und die SCs NICHTS TUN KÖNNEN, sondern man als Spieler halt in die Eisenbahn im Cthulhu-Land-Themenpark einsteigen darf.
Ich hatte Anfang der 80er Call of Cthulhu kennengelernt. Wir haben damals die US-CoC-Szenarien gespielt, und NATÜRLICH mit Bodenplan und Miniaturen (sonst wären manche Szenarien auch nie so tragisch knapp und für unsere SCs so vernichtend ausgegangen!).
Die ersten deutschen Gehversuche von CoC in Übersetzung waren noch dem US-CoC entsprechend. - Erst das spätere, mehr auf "Style over Substance" ausgerichtete deutsche Cthulhu hatte etwas EIGENES geboten: Die ersten LANGWEILIGEN Cthulhu-Szenarien, die mir je untergekommen sind!
So etwas könnte es nicht geben, dachte ich bis ich deutsche Schwafeligkeit gepaart mit Bildgewalt und Layout-Blitzkrieg erlebt hatte. Nach Wegfiltern all dessen, was nur "Verpackungsmüll" ist, blieb an Substanz nicht einmal ein Senfkorn, wo US-Szenarien mit gehaltvollem Spielinhalt aufzuwarten wußten.
Realms of Cthulhu ist AMERIKANISCHES Cthulhu im BESTEN SINNE. - Das dürfte ein "Kulturschock" für die deutschen Schlafmützen-Cthulhu-Taschenlampenfallenlasser-Spieler sein.
Ich glaube NICHT, daß RoC auf Deutsch oder auch nur "in Deutschland" ein nennenswerter Erfolg beschieden sein wird.
Zu sehr ist die "Biedermeier-Cthulhu"-Denke des deutschen Cthulhus prägend für die ERWARTUNGEN deutscher Cthulhu-Spieler, "wie man Cthulhu zu spielen hat".
Da wird ja gerne mit dem Unwillen zur Regelanwendung kokettiert ("Wir haben den ganzen Spielabend vielleicht zwei mal auf irgendwas gewürfelt. Das war endlich mal so richtig Gutes Rollenspiel!"). Das ist bei dem BRP-CoC, wie ICH es kennengelernt habe, einfach UNDENKBAR gewesen! Aber es ist "deutsche Gute Rollenspielpraxis (tm)" für die "Besserspieler", die mit klarer Einhaltung von Spielregeln einfach sozial überfordert wären.
Savage Worlds ist ein Regelsystem, das im Hintergrund bleibt und sich NICHT vor die Story drängt. Aber es ist ein Regelsystem, welches ANGEWANDT werden muß, wenn man tatsächlich die EXZELLENTEN Umsetzungen der psychischen Zerrüttung der Charaktere in RoC im Spiel erleben möchte, statt eben nur mit weinerlichen Luschen-Spielern und Taschenlampenfallenlasser-Gruppenterrorisierern zu spielen.
RoC ist eines der am BESTEN umgesetzten SW-Settingbücher.
Und es wird im Deutschland des "Autoren-Vorlesestunde-Cthulhus" KEINE CHANCE auf auch nur achtbare Abverkäufe haben. - Dazu ist das Heer der deutschen Cthulhu-Spieler schon viel zu versaut, als daß sie ein funktionstüchtiges Regelsystem auch nur erkennen, oder gar es zu schätzen wüßten, und als daß sie in der Lage oder auch nur willens wären, mal zur Abwechslung NACH DEN REGELN zu spielen.
Klar, das ist MEINE undifferenzierte Einschätzung als globale Beurteilung "der deutschen Cthulhu-Spieler" und KEINE "wissenschaftlich fundierte, unanfechtbare Faktendarstellung". - Es ist MEIN Eindruck, den ich bei eigenen Rundenteilnahmen an deutschem Cthulhu über die letzten Jahre gewonnen habe. Da waren aber praktisch ausnahmslos "Regelanwendungsverhinderer" am Werke - bei den Spielern und natürlich der "erzählende Spielleiter" sowieso.
Da setze ich mich doch lieber gleich in eine Sesselecke und mache eine Vorlese-Runde, wo jeder seine Lieblings HPL-Kurzgeschichten vorlesen darf. Das ist dann wenigstens noch spannend und befriedigend.
Deutsches Cthulhu hat einen EIGENEN Weg eingeschlagen. Ein Weg, der mehr "HPL meets Hedwig Courths-Mahler" darstellt, und weniger "Pulp-Investigators discover worldshattering truths and go insane".
Schon das auf seine Weise exzellente Trail of Cthulhu ging ja an der hiesigen "Maglite-Dropping"-Fraktion vorbei - wobei sowohl die Umsetzung als auch das gelieferte Szenarienmaterial von bester Qualität sind. Nur geht ToC auch davon aus, daß man NACH DEN REGELN spielt. Problematische Sicht für die "Spielleiter nach Gutsherren-Art" hierzulande.
Der Versuch Cthulhu mit dem Hexer zu mehr Action und Leichtigkeit zu verhelfen, ist an dem morschen Gebälk des uralten BRP-Regelskeletts und der minderbegeisternden Vorlage des Hexers gescheitert. - Wobei: Viele Gruppen, die ich kenne, WOLLEN Cthulhu mal mit ein wenig kompetenteren, weniger "Fallobst" darstellenden Charakteren spielen. Die Spieler haben die Schnauze voll davon, daß sie schon SICHER WISSEN, daß ihre SCs alle sterben WERDEN. Das ist ja auch unspannend ohne Ende! - Wenn die Spieler sich noch eine CHANCE ausrechnen können, doch noch irgendwie durchzukommen, dann kommt erst Spannung auf. Das UNVERMEIDLICHE ist dann nur noch eine Übung in "Style", aber ohne Substanz.
Interessant: Viele dieser derart auf "Contra" gebürsteten Cthulhu-Spieler finden eine wahre FREUDE daran Deadlands Classic zu spielen. Da haben sie beides: Horror UND eine "Fighting Chance"! If it bleeds, you can kill it.
RoC bietet VIER verschiedene Spielmodi an, die auch vor Beginn der ersten Sitzung gewählt werden müssen, da sie die Settingregel-"Schalter" für die jeweilige Kampagne setzen. Man kann darüber hinaus noch weitere "Härten" einbauen, so daß man 4+ "Härtegrade" im Spiel hat:
- Hart im Nehmen und im Geben UND psychisch Hart im Nehmen.
- Hart im Nehmen und im Geben UND psychisch die zerbrechliche Eierschale
- Gewalt ist brutal und tödlich UND psychisch Hart im Nehmen
- Gewalt ist brutal und tödlich UND psychisch die zerbrechliche Eierschale.
Die erste Schalterstellung ist pulpiges Action-Kino-Cthulhu, wie man es sich wünscht, wenn mal Indiana Jones in einem Cthulhu-Abenteuer auftaucht und nicht "Indianer Jonas", das ungeschickte, schnell versterbende Indy-Body-Double.
Die letzte Schalterstellung ist "normales BRP-Cthulhu" mit schneller physischer Abwärtsspirale UND schneller psychischer Abwärtsspirale. - SEHR HART. - Außerordentlich HART! - Härter als Tour of Darkness, Weird Wars II und andere, eh schon Sanity verwendende Settings!
Es ist schade, daß die blühenden deutschen Lande für Cthulhu geradezu schlafmohngesättigt sind, denn Realms of Cthulhu ist ein WIRKLICH BEEINDRUCKEND umgesetztes Savage-Settingbuch, das ich JEDEM empfehlen kann, der die Rote Pille nehmen will.