Kowalski
Rollenspiel ist kulturelle Appropriation
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Den großen Unterschied zwischen Monotheismus und Polytheismus für die Ausprägung des europäischen Mittelalters würde ich nicht so ernst nehmen. Für eine RPG-Fantasiewelt ist nicht wichtig wie es hier war sondern wie es hätte sein können.
Als (wahrscheinlich nicht optimales) Beispiel: Die Stabilität des mittelalterlichen europäischen Feudalismus beruhte soweit ich weiß zu weiten Teilen auf der Weltsicht die Stellung in der Hierarchie sei vom christlichen Gott gegeben.
Nein.
Gerade die politische Instabilität mit konstanten Fehden, Wikingerraubzügen, Kriegszügen der kleinen und großen Fürsten hat dem Feudalismus vorschub geleistet.
Das gibt es auch im Japan mit Shintoismus und Buddhismus. Die Lehen waren dazu da diese Knechte (Knight=Knecht) des Herren mit genug Überschuß zu versorgen das er sich ein Kriegsross, eine Rüstung und ein Schwert leisten kann. Vielleicht auch ein paar weitere berittene Bewaffnete.
Der christliche Glaube hat hier vielleicht mehr zum erdulden der Leibeigenschaft der Bauern gedient, aber es gab für das Gros der Gesellschaft ja auch keine Alternativen.
Aufkommende Schusswaffen und die Aufstellung von Söldnerheeren hat dann den Feudalismus obsolet gemacht und eher dem Absolutismus Vorschub geleistet.
Da sehe ich kein Problem zu sagen die Weltsicht meiner Fantasywelt beruht darauf, dass die Stellung im Feudalsystem von Zeus gegeben wurde. Oder von Praios. Da der Christengott eh für alles zuständig ist, polytheistische Götter aber nur bestimmte Bereiche abdecken, kann man die Berufung für den Bereich doch einfach auf den entsprechenden Gott übertragen. Ob mein SC dann glaubt dem Adligen den Hals durch zu schneiden und für Demokratie auf die Straße zu gehen ist gegen Christengottes Gesetz und er wird mich strafen oder gegen Praios' Gesetz und der wird mich strafen ... macht das aus Sicht meines SC der Angst vor einem übermächtigen Wesen hat denn viel Unterschied?
Hätte das in der Realität gut geklappt? Ist vollkommen egal, wichtig ist es hätte klappen können wenn man davon ausgeht, dass die "Verlierer" des Feudalismus es geglaubt hätten. Und die Annahme ist deutlich weniger unrealistisch als viele Aufweichungen die Rpg-Welten im Bereich Alltagsleben, Medizin usw machen, vor allem wenn man die Aufweichungen dazu nimmt, die Spieler machen die mit mangel an Ahnung und Interesse jeden Reenactor zur Weißglut treiben können. Aber meist ist es eben ein Rollenspiel, keine Rollensimulation mit Fantasieelementen.
Der Vergleich mit vorchristianisierten Nordmännern, Slawen und Germane ist passend, da könnte man sich einiges Abschauen, ja.
Bei den Wikingern hätte man halt mehr freie Bauern und Krieger aber auch Sklaven und eine Glorifizierung von Stärke und Kampf.
Auch emanzipiertere Frauen.
Was man aber weniger hätte, wäre die einende Wirkung einer Staatskirche und, soweit ich das beurteilen kann, auch ein gewisses Fehlen des weltverbesserischen Missionierens das die Kirche an sich hat.
Der christliche Glauben ist ja deswegen so bestechend weil er sich mit den Schwachen der Gesellschaft solidarisiert (also eben Kirche von unten).
Was dann die Institution Kirche draus macht als sie Macht erringt, das steht auf einem anderen Blatt.
Sicher sähe Europa ohne Christentum anders aus. Oft ähnlich. Aber oft auch deutlich anders.
Wo mich das tatsächlich gestört hat war bei der oWoD, vor allem bei Mage. Da die Spieler hier zum Teil existente Religionen vertreten haben, von denen sie schlicht keine Ahnung hatten. Ich denke zB an erklärte Asatru-Verbena die nicht mal als bessere Hippies durchgegangen wären usw - da stört mich das weil das lesen von 5 Wikipediaartikeln schon enorm geholfen hätte und es für die Spieler die sich mit Asatru auskennen verwirrend war. Bei einer Fantasiewelt dagegen sage ich man legt fast wie es sein soll, saugt sich eine einigermaßen glaubwürdige Begründung aus den Fingern (oder lässt sie in mythischer Unwissenheit wenn keiner danach fragt) und fertig.
Ja. Kann man machen. Oder, wenn man es mittelalterähnlich machen möchte auch lassen und gleich die europäischen Religionen dieser Ära nehmen.
Ist es von der Erde und von irdischer Geschichte unbeeinflußt dann geht alles.
Aber dann muss man auch alles mögliche auch ANDERS machen, nicht nur die Religion.
Deswegen ist z.B. Dark Sun stimmig.
Und World of Greyhawk und die Forgotten Realms eher Grütze.
Krynn geht dann wieder, nícht super aber anders genug um interessant zu sein.
Über die Stimmigkeit von Midgard und der Welt des Schwarzen Auges schweig ich mal lieber ganz.