AW: Wer entscheidet zwischen Würfeln und Ausspielen?
Ich habe geschrieben wie es von mir in meinen Spielrunden gehandhabt wird, nicht mehr und nicht weniger.
Ich auch.
Wenn ein Spieler das Spiel spielt, dann legt er SELBST im Rahmen der Regeln und der gemeinsam gebräuchlichen Anwendung derselben fest, was er ausspielt und was nicht.
Da ein Spieler bei sich selbst auch Stärken und Schwächen wahrnimmt, spielt ein guter Spieler seine Stärken aus und seine Schwächen herunter. - Das sieht bei einem eloquenten Spieler so aus, daß er gerne den Spielleiter (und seine Mitspieler) durch sein Reden dazu bewegt FAKTEN in der Spielwelt zu schaffen, weil er damit am ehesten Erfolg hat und - sehr wahrscheinlich - weil ihm das Beeinflussen anderer durch sein Reden auch Spaß macht.
Beim taktisch versierten Spieler sieht das so aus, daß er gerne den Spielleiter mit "unschlagbaren" Plänen in Verlegenheit bringt und aufgrund seiner taktischen Kompetenz und ggf. "Dominanz" die anderen Spieler in Kampfszenen oder bei Einbrüchen oder sonstigen planerisch-taktischen Aktionen steuert. Seine Regelkenntnis und seine Findigkeit lassen ihn in diesen Situationen am ehesten Erfolg haben und das macht ihm - sehr wahrscheinlich - auch Spaß im Spiel.
Beim stimmungsorientierten Spieler ist die Plausibilität der dargestellten, mitgestalteten Spielwelt wichtig. Und dazu gehört, daß man Anreden, Verhaltensweisen, Aberglauben usw., wie in den Quellenbänden zur Spielwelt geschildert, auch ERLEBEN will. Da tut er seinen Teil dazu, indem er solche für andere Spieler nebensächlichen Dinge auch ausspielen mag, weil es ihm eben Freude macht die fremdartig-phantastischen Verhaltensweisen seiner Charaktere auszuleben.
Jeder Spieler (und die obigen seien nur Beispiele einer enormen Vielfalt an Vorlieben) schätzt im Spiel andere Dinge und sucht sich seinen Spaß da, wo er SELBST Wert darauf legt.
Wem die "Stimmung" schnuppe ist, Hauptsache sein G.E.N.I.A.L.E.R. Plan zum Einstieg in die geheime Forschungsanlage klappt wie am Schnürchen zieht seinen Spaß aus anderen Elementen des Rollenspiels als der Face-Man-Charakter, der - passenderweise - bei "genialen Plan" die Aufgabe hat sich als Inspekteur von "Der Zentrale" in die Anlage reinzulabern, und der dabei voll auf seine Kosten kommt, da er belabern und improvisieren wie ein Weltmeister muß und soll, um das gemeinsame Ziel zu erreichen.
Alle Spieler spielen das Spiel. Jeder zieht SEINEN EIGENEN Spaß daraus. Auch der Spielleiter (den man bei solchen Fragestellungen auch oft vergißt).
Als Spielleiter möchte ich auch manchmal ausprobieren, wie es denn so ankommt, wenn ich einen schmierigen chinesischen Triaden-Gangster-NSC oder einen integeren, in Würden ergrauten Marshal spiele. - Das sind Interessen, die ich nicht einmal bewußt vor dem Spiel "zurechtgelegt" habe, sondern ich sehe, daß die SCs zum Marshal gehen und habe einfach GERADE JETZT Lust darauf die Nachfrage nach neuen Steckbriefen ein klein wenig auszuschmücken. - Und in demselben Szenario, vielleicht eine Stunden später, würde es mich schlichtweg aus Gründen des anziehenden Tempos der Geschichte stören, wenn jetzt, wo es langsam hektischer und gefährlicher wird, alle SCs plötzlich ihre halbe Stunde beim Gemüsehändler labern müssen.
Wer entscheidet?
Immer der Spieler, der gerade dran ist, bestimmt, wie sehr er die darstellerische Komponente ausspielen möchte.
Der Spielleiter nimmt darauf mit seiner "Macht" des Tempo-Setzens Einfluß, indem er die Zeit entsprechend schneller vergehen läßt und so das Augenmerk auf die (seiner Meinung nach und seinem WISSEN um die Gesamtgeschichte nach) wichtigeren und interessanteren Szenen der Geschichte lenkt.
Der Spieler kann aber nur die Intensität und Breite der Darstellung entscheiden. Ob und was gewürfelt wird, das geben die REGELN vor.
Wenn die Regeln nicht eindeutig vorgeben, wann was zu würfeln ist, dann ist es der Spielleiter bzw. in kurzer Abstimmung die gesamte Gruppe, die einen Wurf für angebracht erklärt oder darauf verzichtet.
Regelsysteme, die Dinge klar regeln wie "Sag Ja oder würfele.", sind hier sehr eindeutig anzuwenden. Da "Ja"-Sagen kann natürlich auch ausgedehnt und breit ausgespielt werden. Wird aber ein Konflikt gesehen, dann legt man eh fest, worum es in dem Konflikt geht und dann wird gewürfelt, wie es das Regelwerk vorgibt.
Andere Regelsysteme sind da schwammiger. - Daher hat man ja die Entscheiderrolle "Spielleiter" und die "basisdemokratische" Einspruchsmacht der gesamten Spielergruppe. Solche Fragen, wie "Soll ich dafür auf 'Informanten abklappern' würfeln?" sind in der Praxis SCHNELL entschieden und das Spiel geht sofort weiter.
Dogmatisch "nur Ausspielen" oder "alles Ausspielen" ist ebenso unsinnig und spaßfrei wie dogmatisch "immer Würfeln" und "alles Würfeln" unstimmig und spielflußhemmend sein kann.
Netterweise ist Rollenspiel eine Spielform, wo man BEIDES (und noch ganz andere Dinge) im Spiel haben kann, und zwar zu Anteilen, die dem individuellen Wohlfühlen und dem individuellen Spielspaß gerecht werden. - Und wie jede Gruppe so "rüttelt" sich die Balance in jeder Spielgruppe auch ganz von selbst so zurecht, daß es allen Spaß (genug) bereitet.
Ich spiele so, wie ich mich gerade fühle. - Meine Mitspieler genauso.
Die Dogmatiker sollen halt Scheißen gehen.