Was Waters Gartenfachgeschäft und „cozy fantasy“ gemein haben

Es ist schon ein paar Jahre her, dass ich am Lektorat für die „grottenschlechten Abenteuer“ gearbeitet habe, etwa zweite Jahreshälfte 2021. Ein Aufsatz, der mir dabei besonders in Erinnerung blieb, stammt von Jean Rabe. Es geht um „Sinn-volle Abenteuer“ (ab Seite 147 im Sammelband) und darum, wie man alle Sinne im Rollenspiel anspricht, um eine dichte Geschichte für die Spielenden zu weben. An den Aufsatz schließt sich eine kleine Szene an, bei der die Charaktere die Arbeit in einem magischen Gartenfachgeschäft übernehmen sollen, während der Besitzer etwas anders zu tun hat.

Etwa ein Jahr nach meiner Korrektur – ich habe die Szene um das Gartenfachgeschäft immer wieder im Kopf – erscheint bei dtv ein Roman, der bei Fantasyfans sehr positiv aufgenommen wird: Magie und Milchschaum von Travis Baldree. Es geht darin um eine Ork, die sich nach einer Abenteurerinnenkarriere niederlässt und ein kleines Kaffeehaus eröffnet. Sie lernt allerlei Stadtbewohner\*innen kennen (inkl. potenzieller Partnerin), es gibt kleine Herausforderungen zu bestehen und ein alter Widersacher tritt auch auf den Plan. Aber der eigentliche Kern der Geschichte ist, passend zur Genrebezeichnung „cozy fantasy“, die Eröffnung des Kaffeehauses: Lesende riechen förmlich den frisch zubereiteten Kaffee, sitzen am abgeschleiften Holztisch und schmecken das Gebäck, das gereicht wird, während im Hintergrund die anderen Gäste leise plaudern. Eine gemütliche, heimelige und entspannte (aber nicht unspannende) Atmosphäre zieht sich durch den gesamten Roman.

Zurück zu Jean Rabes Beitrag: Ihr Gartenfachgeschäft schlägt ziemlich genau in diese Kerbe. Es geht ihr um ein „unbeschwertes Intermezzo“ (Seite 149) zwischen den Dungeonbesuchen, bei dem die SC zwischen Gartenmöbeln und Aquarien einiges entdecken und liebenswerte, schräge oder auch aufdringliche Charaktere kennenlernen. Ein Highlight ist der Frosch Buddy, ein Vertrauter im Ruhestand, der gerne mit den Charakteren plaudert und der im Zentrum des Interesses zahlreicher Käufer\*innen steht. Ich sehe meine Gruppe förmlich vor mir, wie sie den Laden durchstöbert, mit Buddy plaudert und Verkaufsgespräche führt.

Die Tipps von Jean Rabe sind super und sicherlich auch in anderen Situationen im Rollenspiel, wie dem klassischen Dungeoncrawl, eine Bereicherung. Aber vielleicht ist es genau dieses charmante Gartenfachgeschäft, das meiner Montags-Abends-Bier-und-Bretzel-Runde zusagt. Eben „cozy fantasy“ nach einem langen Arbeitstag.



Simon Harrich: Lektorat für Wie man Abenteuer schreibt, die nicht grottenschlecht sind


Der Beitrag Was Waters Gartenfachgeschäft und „cozy fantasy“ gemein haben erschien zuerst auf .

weiterlesen...
 
Zurück
Oben Unten