AW: Was könnte RPG von WOW lernen?
Bringt mich gerade auf eine Idee ob ich nichtmal mit einem Diaprojekter (Neo Ludditen Disclaimer: Ich HABE keinen Beamer, wäre mir auch lieber
) ein paar Landschaftsbilder an die Wand werfen sollte, für mehr Immersion.
Wie? Das machst du noch nicht? Gerade von dir als Stimmenversteller und Sitzkissenunterleger-beim-Riesenspielen hätte ich das erwartet.
Im Kern dreht sich die ganze Diskussion doch in ihrer letzten Phase jetzt um die alte Aussage: Rollenspiele sind nicht an ihr Spielmaterial gebunden, sondern wachsen darüber hinaus.
Daraus lässt sich nun sicherlich ableiten: Rollenspiele "müssen" mit minimalem Spielmaterial (Papier und Bleistift) betrieben werden, um diese Eigenschaft voll auszuschöpfen (sich vom Material lösen um Etwas aus dem Nichts zu erschaffen).
Aber diese Auslegung läuft meiner Meinung nach dem eigentlichen Kerngedanken zu wider. Dieser lautet nämlich: Rollenspiel kennt keine Beschränkungen.
Das Spielmaterial aber trotz vorhandener Möglichkeiten quasi nur der Reduzierung halber zu reduzieren, das
ist eine Beschränkung.
Die Aussage ist doch nicht, "Rollenspiel kann aus Papier und Bleistift mehr machen" sondern "Rollenspiel kann aus
Allem mehr machen".
Rollenspiel ist dadurch gekennzeichnet, dass es die Grenzen seines Spielmaterials überwindet. Das beinhaltet keinerlei Beschreibung dieses Spielmaterials selbst. Rollenspiel überwindet die Grenzen von Landschaftsdias ebenso wie die von Papier, und die von Multitouchdisplayoberflächen ebenso wie die von Bleistiften.
Battlemaps, Weltkarten, Counter, Miniaturen, Handouts, Verkleidungen, Musik, Kerzen, Skype, Wave, Würfel, Beamer, Soundeffekte, Requisiten, Möblierung, Lego, Spielkarten, Foren, Hexpapier, Bildbände, Videos, Lavalampen, Namensschilder, Stimmverzerrer, Rotwein, Blutflecken, Würfelbecher, Hörspiele, Vorlesetexte, Gallerieseiten, Tabellenverwaltung, Charaktergeneratoren, Cocktails, Ananas, PDAs sind allesamt keine Fremdkörper im Rollenspiel.
Rollenspiel definiert sich nicht durch sein Spielmaterial, sondern dadurch, dass es immer
mehr ist als sein Spielmaterial.
Rollenspiel nur mit Papier und Bleistift ist
mehr als nur Papier und Bleistift.
Rollenspiel mit Paier, Bleistift und Battlemap ist
mehr als nur Papier, Bleistift und Battlemap.
Rollenspiel mit Papier, Bleistift, Battlemap und Landschaftsdias ist
mehr als nur Papier, Bleistift, Battlemap und Landschaftsdias.
(Den Rest von ich-packe-meinen-Rollenspielkoffer könnt ihr alleine spielen.)
Und da liegt übrigens auch ein Punkt, den Rollenspiel - in Anerkennung dieser seiner Eigenschaft in Bezug auf Spielmaterial - von World of Warcraft oder beliebigen anderen Computerspielen "lernen" kann: Spielmaterialien. Gestaltung derselben. Technische Entwicklung.
"Mit bunten Bildern ist es aber gar kein Rollenspiel mehr!" stimmt nämlich eben nicht. Die Abwesenheit von bunten Bildern ist bestimmt alles mögliche, aber sie ist
kein grundlegendes Merkmal von Rollenspielen.
Hier würde nämlich wieder die Aussage, dass Rollenspiel sein Spielmaterial übersteigt, verdreht und aus der Verneinung von Beschränkungen deren zwingende Einhaltung konstruiert.
(Das andere, was sich lernen lässt, ist übrigens die Nutzung etablierter Spielwelten und Marken. Das machen Rollenspiele zwar bereits mal mehr mal weniger erfolgreich, aber eine genauere Betrachtung kann hier gewiss nicht schaden. Das fängt ja schon bei der Feststellung an, dass World of Warcraft eine sehr naheliegende Übertragung zu Grunde gelegt hat (von einem Computerspielgenre zu einem anderen), und dabei auf eine Hausmarke zurückgegriffen wurde. Wiedererkennbarkeit, affine Zielgruppe, geringe Kosten.
Wiedererkennbarkeit ist wohl ohnehin gegeben (schreckliche Verstümmelungen der Vorlage einmal außen vor), aber bei Zielgruppe und Kosten lässt sich vermutlich arbeiten. Wen will ich denn mit meiner Rollenspielvariante irgendeiner Hintergrundwelt abholen? Deren Fans, ja, klar. Aber sind die überhaupt Rollenspielen zugänglich? Kann ich mir einfach den nächsten großen Fantasyfilmerfolg greifen, ein Spiel dazu machen, und erwarten, dass jeder der den Film gesehen hat nun auch mein Spiel spielen wird? Nein, kann ich nicht. Also sollte ich vielleicht - so wie sich World of Warcraft erst einmal andere Computerspieler abholen konnte - nach denen Ausschau halten, die die richtige "Veranlagung" mitbringen. Andere Rollenspieler? Möglich, aber begrenzt. Also vielleicht Tabletop-, Trading Card-, und Brettspieler? Schon besser. Im Außenfeld vielleicht auch noch Buch- und Comicleser? Immerhin besser als Film- und Serienfans, da die Medien (bei aktueller Rollenspieltechnik) näher aneinanderliegen.
Kosten dürften selbsterklärend sein. Leider auch - mit Ausnahmen - hinfällig, da die Rollenspielverlage nicht über die relevanten IPs verfügen (oder sie bereits mal recht mal schlecht ausgeschlachtet haben).
Das alles ist aber auch eher nebensächlich. Wobei es eben definitiv etwas ist, das sich "lernen" lässt.)
mfG
ggb