AW: Vorlesung - Trivia, Videos und anderer Rollenspielstuff gesucht!
Sooo... Die Umstände haben sich durch meine defekte Grafikkarte, die ständig Videos abgebrochen hat, und durch die grausame Belüftung des Raumes ausgezeichnet. Aber in Anbetracht dieser Voraussetzungen wars ein klasse Vortrag.
Feedback durchweg positiv. Nächstes Mal sollte ich das Ganze zumindestens einmal testen, dann schaff ich es auch in 45min, nicht in zwei Stunden. xD''
Ich kopier euch mal meine Punkte rein und formuliere sie etwas aus, falls jemand Lust hast, selbst mal sowas zu machen. Zumindestens das Zusammentragen des Materials in der Zip-Datei hat gedauert, wär schade, wenn das nie wieder benutzt wird.
Dateien:
Crashkurs Dateien (Ich hoffe, sie gehen, komme mit Ubuntu noch nicht so gut klar)
Crashkurs: Rollenspiele
Ausgelegt für... 90 min.
Fokus auf Rollenspiel in Deutschland (daher fehlen so wichtige Sachen wie die nWoD).
Zielgruppe: Alles zwischen blutigen Anfängern und fortgeschrittenen DSA-only-Spielern, deren Horizont man etwas erweitern möchte.
Das Material ist aus den Weiten des Netzes zusammengetragen, vielen Dank an alle, die geholfen haben!
Hinweis: Im Vortrag fehlt eine 5-Minuten Sektion DSA. Müsste ergänzt werden, ich hatte einen Gastredner.
Zur Vorbereitung werden benötigt: Vielleicht einige Würfel, Regelwerke und Charakterbögen als Anschauungsmaterial, zudem 5 Papierstreifen mit den folgenden Aufschriften...
- egoistisch & aufmerksamkeitsgeil
- geduldig & kalkulierend
- temperamentvoll & rachsüchtig
- schüchtern & kriecherisch
- optimistisch & locker
Nun kommen die Stichpunkte für den Vortrag. ^^''
Wo hat es begonnen? - und was ist es eigentlich?! Die Anfänge
1971 Chainmail, Kriegsspiel (->Tabletop), später mit Fantasyregeln, ein Schreiberling war Gary Gygax (rip 2008)
1974 D&D
Grundidee Rollenspiel?
Improvisationstheater + Briefmarken sammeln + Cowboy & Indianer + Brett- & Strategiespiele
Auf gut deutsch:
Spielleiter (Welt) + Spieler (Charaktere)
Geschichte, die die Spieler beeinflussen können →
Improvisationstheater
Prinzpiell jede beliebige Welt, jedes Genre! →
Cowboy & Indianer
Entdeckerdrang, neue Fähigkeiten, Charakter wird besser →
Briefmarken
Eingeschränkt durch den Spielleiter (Machtkomplexe!) und durch Regeln →
Brett-&Strategiespiele
Wie funktioniert das Ganze denn nun?
SPIEL!
Die 5 Papierstreifen (siehe oben) beschreiben Charaktere und werden an Freiwillige ausgeteilt. Dann werden Situationen geschildert, auf die jene Freiwilligen reagieren können.
Situationen
* Wie erziehst du deine Kinder? (Was sagst du ihnen fürs Leben?)
* Du findest eine Brieftasche - mit Ausweis, abgegriffenem Familienfoto und 100€. Was nun?
* Dein Boss eröffnet dir, dass er seit 30 Jahren mit deiner Frau schläft und der Vater „deiner“ Kinder ist. Und du bist gefeuert. Deine Kollegen lachen dich aus. Auf dem Weg hinaus siehst du folgende Dinge: Einen Feueralarmknopf, einen Feuerlöscher, eine Feueraxt und den Chihuhaha deines Chefs. Was nun?
Sozusagen, das ist Rollenspiel, stark vereinfacht. „Du stirbst!“ (Spielleiter) und „ich treffe ihn!“ (Spieler) sind aber weder besonders fair, noch großartig spannend. Also gibt es Regeln.
→ Systeme
Charakterbögen mit Attributen, Fähigkeiten, Ausrüstung (Eklärung mit den Charas des Publikums)
→ P'n'P; Manche Spiele: Miniaturen (gott.s.d.nicht immer nötig...)
→ Grundregelwerke, Quellenbücher, Abenteuer
→ Wozu das Ganze? Nicht nur "Rolle", sondern auch "Spiel"
Und deshalb: Zufallsfaktor! allermeistens mit → Würfeln! (Erklärung mit den Charas des Publikums)
Würfel!
griech. Spiel der Götter, Hermes brachte die Würfel zu den Menschen - ähnliche Mythen anderer Völker
(Man hat also nie so völlig an den Zufall geglaubt.)
* Rituale: Feuerzeug drohen, Eigene Würfel nutzen, Zuflüstern, gut durchschütteln, ?Frage ans Publikum?
* Definition: Würfel sind Polyeder, ihre Seiten sind kongruent, also deckungsgleich, zueinander und sie sollten möglichst nah an die Eigenschaft eines Laplace-Experiments heranreichen (absolut gleiche Wahrscheinlichkeiten für die möglichen Ergebnisse). Bei einem normalen 6seitigen Würfel entspricht die Wahrscheinlichkeit einer bestimmten Zahl 1/6 = 16,66... %. Gegenüberliegende Zahlen ergeben 7
* Auch im Rollenspiel? Bekanntlich nicht. D&D hat die Spezialwürfel gleich zu Beginn eingeführt (Bild).
* ABER auch keine neue Idee → Bild römischer d20: 2jhd - verkauft für 17.925$
* Da hört die Variation noch nicht auf... Bild w10000 → Wikipedia-Artikel
Rollenspiel-Siegeszug in Amerika
* In den 80ern, durch D&D, hunderte Rollenspiele entstehen. Und wie das immer mit neuen Medien ist...
* Suizid- und Aggressionsvorwürfe, "loosing touch with reality", Satanismus
Damals noch jüngere Zielgruppe, +christliche Skepsis → „Scapegoating“ (Jack Chick Comic kurz zeigen und auf deutsch zusammenfassen) → Vergleich zu heute (Videospiele), in D allerdings weniger rabiater Widerstand
* Aber realer Hintergrund! → Nicht mal „Realitätsverlust“, sondern... D&D Commercial Video
→ Zielgruppe Nerds! Rollenspiele sollten also Sozialisierungsinstrumente sein, wie alles andere mit Freunden auch. → D&D Werbebild (basement elf)
Trotz allem, Rollenspiele habens ich mit der Zeit etabliert, Rock Musik bekanntlich auch
* Final Fantasy war stark von D&D inspiriert → Lodoss (Sword World, wichtigstes japanisches Rollenspiel, erschienen 89) → japanische Rückwirkung bis heute (Exalted)
Rollenspiel in Deutschland
Ulrich Kiesow! D&D-Spieler, Midgard (Eigenverlag 1981, erfolglos)
* Übersetzt 83 "Tunnels & Trolls" (Satire! Schwerter & Dämonen) das erste kommerzielle Rollenspiel überhaupt in Deutschland → Kein Erfolg
* Übersetzt kurz darauf D&D → Erfolg, neuer Trend bahnt sich an
* Schmidt Spiele wollte nicht das teure D&D, aber trotzdem einsteigen → 1984 Kiesows „Aventuria“
Nicht "cool" genug, also "Das Schwarze Auge", Kiesow fügt im Nachhinein die besagten Objekte ein. DSA wird 1x überarbeitet (Zensur!), Hardcorerollenspieler lehnen es ab (zu D&D, zu kindisch) Zielgruppe 8-12 (Reimende Zaubersprüche aus Tunnels & Trolls, „Maske des Meisters“)
→ Trotzdem Erfolg, Gründe: Brettspiele (gilt auch für D&D, Erklärung der Szene), vorbildlicher Kundenservice (Adresslisten!), Bücher mit guten Autoren, und... deutsche Mentalität!
* Ulrich Kiesow stirbt 1997 zwei Tage nach der Fertigstellung von "Das zerbrochene Rad"
* Siegeszug PnP inDeutschland, ab Mitte 90er Jahre Fast-Monopol DSAs durch die Einstellung von AD&D
„Die fünf Großen in Deutschland“
Sinn ist, nicht nur die 5 kommerziell erfolgreichsten Rollenspiele vorzustellen, sondern auch die Entwicklung und interessante Aspekte des PnP zu zeigen. Bei allen gilt: Rollenspiele sind offen. Was hier gesagt wird, ist nur so gedacht, man muss es nicht so machen.
Vampire the Masquerade; World of Darkness (White Wolf 1991)
Unsterbliche Vampire, die Fäden der Welt, ewiger Machtkampf der Clans und Bünde → Game Video
→ Philosophie, Konflikt zwischen den Spielern war die Norm, nicht mehr schwarz & weiß, aber grau
→ Storytelling! Rolle > Spiel; Epische, emotionale Geschichten, Psychologie & Schauspiel
→ Revolution des Genres, alle „großen“ Rollenspiele werden ergriffen
+Vampire = Neue Zielgruppen (Goths & Emos) → Nachwirkung bis heute (Im Fantasy Genre)
Larp! → Video (Verallgemeinern) „Eigenwahrnehmung“ der Szene(n!), Realitätsverlust
→ WoD (durch Erfolg) Werwolf, Mage, Wraith, Mummy, Demon, Changeling, usw...
2004 hat White Wolf genug von Epik & Zielgruppe und beendet die World of Darkness
→ Neuauflage „new World of Darkness“, mit dem Ziel, richtigen Personal Horror zu machen
In Deutschland leider erfolglos, Zielgruppen blieben lieber bei Emo und Epik
Allgemeines Larp Video (Drachenfest)
Shadowrun (1989)
Bilder, Geschichte mit Musik vorlesen (Siehe ganz unten, oder Shaodwruntimeline?), Bilder
Crossover – Alte „Genres“ waren versorgt, also Crossing. Deadlands, Spelljammer, Rifts
Metaplot, reiche Hintergrundgeschichte, die sich weiterentwickelt, 2040 bis 2060; D mag Metaplot!
Romane, die den Metaplot weiter geführt haben, eigene Reihe in (und über) Deutschland bzw. ADL
→ Deutsche Quellenbücher; Videospiele, die sich mehr oder minder an die Vorlage gehalten haben
Sozialkritik! Punks, Kapitalismuskritik, Ökoansätze (Toxische Schamanen), Rassismus - immer ins Spiel gebunden, wenn man also mit roten Fähnchen gewunken hat, dann war das in der Spielwelt genau so.
Dungeons & Dragons
Inhaltlich uninteressant (Fantasy eben), also ein kleiner Abstecher in Systemkunde und in Klischees
* Dungeons, Monster, Schätze → (Dungeoncrawler) Obskurität: Randoms (Pferdebild)
* Klassen & Stufen, Erklärung an Beispiel mit den Publikumscharakteren → Probleme (Multiclassbild)
→ Vergleich Punkte-Charaktersystem; Heute meist Mischungen (außer Cthulhu, Shadowrun4)
* PnP Sprache (Bilder!) ist englisch, vieles auch übersetzt - Dilemma mit neuem Kram, D&D in Deutschland leidet bspw. darunter
* Kampagnenwelten (Verallgemeinern), Modularität (d20 & Verallgemeinern → Gurps)
* 4 Editionen (Auf PnP verallgemeinern! Konservativismus), +Gesinnungen, Fertigkeiten, Talente
→ D&D hat alle Trends mitgemacht, am Ende aber immer noch ein Abenteuerspiel (Keine Zuckerbäcker in 4e!)
→ Gut für Videospiele (Action)! Baldurs Gate, Neverwinter Nights (Video), usw.
Cthulhu (Als "Lizenzrollenspiel")
Überlieferungen!! Nach Howard Philips Lovecrafts (Kurz)geschichten (1890-1937), u.a. Call of Cthulhu
Storytelling-Horrorspiel um außerirdische, gottähnliche Wesen, Charaktere überleben selten mehrere Spiele, seltener mit klarem Verstand. „Arkham“, Ort der Geschichten → heute Synonym für Irrenhaus
Interpretation vorlesen, Wirkung auf Menschen
→ Filmtrailer → Poster; Rollenspiel nutzt also eine direkte Vorlage → Diebstahl als Methode
→ Rollenspiele auf direkten Vorlagen basierend (Star Wars, Herr der Ringe, Arthur-Sage, Anime), manchmal sogar offizieller Kanon
→ „Systemdiebstahl“ ist seit Beginn sehr beliebt, Fertigkeiten, Klassen, Stufen, Exp.
Beispiel: Shadowrun ↔ Vampire (WoD) und Rückwirkung
→ Fanfiction und „Nachspielen“ von Handlungssträngen, Parodien (Munchkin! Und später mehr)
→ Eigene Spiele und deren „Sinn“ im Anbetracht der riesigen existenten Auswahl.
Das Schwarze Auge
Ich hatte einen Gastreder. Sucht euch euer eigenes Zeug über Aventurien und Co.
Diese 5 sind natürlich nicht ausschöpfend!! Nur die erfolgreichsten, wohl nicht mal die besten... also nur ein kleiner Rundblick.
Trivia & Rollenspielkiste
* Tausende Rollenspiele. Sammeln, alles wissen, sich auskennen? Nicht nötig. Spaß haben, offen für neues sein
* Regelwerke, Würfel, Quellenbücher, Romane? Selten ist mehr als das GRW nötig
→ Rollenspiele wollen gespielt werden, 1000e Bücher bringen nichts, wenn sie nur im Schrank stehen.
→ Spielersuche (Freunde, Familie (!), Internet, Conventions)
* Psychologischer Part (Why we play Bild, Dorp Bild), vielleicht bei Charas mal über „Wannabe“ hinausgehen.
Kritisch sein - Aufmerksamkeit oder Spaß, was will ich? (Schurken, Elfen, Lustige Verrückte)
Selbst ein ernstes Spiel nicht so ernst nehmen, ist immer noch ein Spiel - und am Ende Spaß haben.
* Aktuelles → Abwanderung, Briefmarkensyndrom? WoW (Cthulhu 50% Einbruch)
→ Gegenideen (WoD-MMo, Verschmelzung von Medien, Back to the roots, Indie) → kostenlose Downloads
* Spielen wie man will. Regeln, Psychologie, Hintergrundfakten (!!) → scheiß drauf
Das Schöne am Rollenspiel: Absolute Freiheit (Vergleich Video- & Brettspiele), Unterhaltung!
→ Checkliste fürs Rollenspiel
Rollenspielkiste
In diesem Part kommen alle mögliche unterhaltsamen Randrollenspiele. Have fun.
Das wars! ^_^
Folgende hingeschmierte Geschichte hab ich im entsprechenden Teil oben benutzt, um die Shadowrun-Welt etwas zu illustrieren. Stattdessen kann man natürlich auch jede andere repräsentative Kurzgeschichte verwenden oder sogar einfach ein paar interessante Eckpunkte aus der Timeline des Spiels näher beleuchten.
Dröhnender Metal scheint das einzige zu sein, das den Rauch hier durchdringen kann, jedes überflüssige Wort ist eine Knochenmühle für den Rachen. Ich spucke meinen Straßennamen so nebensächlich wie nur möglich auf den Tresen der kleinen Hamburger Kneipe, denn ungewollte Aufmerksamkeit ist das letzte, was ich jetzt gebrauchen könnte. Vergleichen sie mich am besten mit dem kleinen Angestellten, der niemals auf die Idee kommen würde, die Karriereleiter auch nur schief anzugucken. Am unteren Ende ist jede Hierarchie am sichersten.
„Der Hacker“, ergänze ich, um sämtliche Unklarheiten im Keim zu ersticken. Die Elfe auf dem Hocker neben mir nickt teilnahmslos und bearbeitet weiter ihren Kaugummi, mit einem Ausdruck auf den karmesinroten Lippen, den ich nicht wirklich einordnen kann. Hin und wieder blitzen ihre silbernen Zähne durch, weiß die Hölle, welcher Trend das nun wieder ist. Als ob es nicht reicht, dass sie ihre verchromten Fingernägel über das Metallbrett kratzen lässt. Offensichtlich ist jemand hier nervös, also noch jemand, außer mir.
Die Vorhänge des Etablissements werden bei Seite geschoben, eine große Gestalt tritt ein und kämpft sich durch die schwitzende, saufende und grölende Menge bis zur Bar. Die Hauer, die ihren Unterkiefer zieren, identifizieren die Frau als Schweinebacke, und davon abgesehen auch als unsere Auftraggeberin. Kein vom Konzern bezahlter Johnson diesmal, nur eine kleine private Unternehmung, und danach ein gut datierter Credstick für jeden von uns.
„Hey“, fragt sie mit einer Stimme, die ihre orkige Erscheinung Lügen straft, „Ich nehme an, ihr seid die beiden?“
Wir nicken, die Elfe schaut etwas abwertend über ihre Metallic-Nägel und steht dann auf. Ihre Stimme ist zu leise, um die Musik durchdringen zu können, aber irgendwie bezweifle ich, dass sie es überhaupt darauf anlegt.
„Los geht’s. Mein Rücken juckt, und ihr habt nicht das Zeug, mich zu kratzen.“
Eine Woche vorher blinkt das verschlüsselte Chat-Fenster in der Iris meines Auges auf.
„Brauche Matrixjunkie für einen Job. Nichts im Vorraus, 50 000 Nuyen stehen auf dem Spiel, geteilt durch drei.“
Einen Moment lang analysiere ich das gehackte Profil der Orkin, von der die Nachricht kommt. Ein kleiner Fisch, die Daten im Anhang klingen jedoch vielversprechend. Aber sie ist naiv. So naiv, dass sie nach 3 Sekunden in meinem Kommlink immer noch versucht, ihre Personalien zu verschleiern.
„Wen nehmen wir da aus, Große?“
„Keine Ahnung, scheiß drauf.“
„Kein Bruch, wenn ich nicht weiß, auf wessen Kosten.“
„Irgendein Konzernsklave.“
Ich schweige sie einige Augenblicke lang an, zu kurz, als dass sie es merken würde.
„Bin dabei.“, schicke ich ihr, zusammen mit einem freundlichen Trojaner für ihr Kommlink.
Der Job stinkt bis zum Himmel.
Der Security-Mann geht zu Boden, nicht wie in „Liegestütz“, eher wie in „Beerdigung“. Betz schnallt sich das Präzisionsgewehr wieder auf den Rücken, etwas sanfter als nötig, und ich höre den Kaugummi durch ihr Headset.
„Cleared“ meint sie ruhig, während sie sich wie eine Eidechse von der Mauer gleiten lässt. Einige Augenblicke vorher habe ich ihr die Programmierung der Kameras durchgegeben, und in diesem Moment sehe ich die Elfe bereits nicht mehr. Nur über den offenen Audiokanal höre ich das leise Surren der Überwachungsgeräte, an denen sie vorbeikommt. Ich traue mich noch nicht, an der Funktion der technischen Augen herumzuschrauben, im Moment wäre es schon leichtsinnig, überhaupt tiefer in das Matrix-System einzudringen. Aber für einen guten Ritt mit den funktionierenden Anlagen reichen meine Programme alle mal, ob ich dort bin oder nicht.
So sehe ich auch die Orkin, die ihren Teil des Planes in die Tat umsetzt.
Sie legt die Hände zusammen und sagt leise ihren Spruch auf. Mein Übersetzungsprogramm bearbeitet die gälischen Worte, die leise mein Kommlink erreichen, etwas gestört durch die WhiteNoise-Generatoren der Konzernsicherheit.
Stimme der lauen Winde, streichelt sanft eure Häupter,
Wort der Sidhe, lässt die tiefste Lichtung erbeben,
Schrei der Todesfee, durch keine Tür aufzuhalten ist,
Erklinge, Geist der Gipfel.
Ich sehe nichts von dieser Beschwörung, keine Ahnung, was sie gemacht hat. Meine Sensoren sind am Ende immer noch mundan. Die Orkin schreitet voran, wirkt einen weiteren Zauber. Die einzelnen Bilder, die von den Kameras aufgezeichnet werden, werden ebenso getäuscht wie jedes Auge in der näheren Umgebung. Von einem Moment auf den nächsten beschränkt sich meine Verbindung auch hier auf den Audiokanal. Einmal noch sehe ich, wie ein Kieselstein vibriert, aber sonst nichts. Ich weiß, dass sie in diesem Moment einige Wachen passiert, die wir nicht einfach so ausknipsen können, und ich weiß, dass sie in wenigen Augenblicken ihren Zielort erreichen wird, ohne dass sie irgendjemand bemerkt hätte. Eine Stahltür, mit einem richtigen Schlüssel. So etwas ist immer verdächtig. Viel verdächtiger geht es eigentlich gar nicht mehr.
Drei Tage vorher gebe ich meine Recherche auf. Ich weiß, dass unsere Auftraggeberin nichts zu verbergen hat, außer vielleicht einem Bisschen Magie und einem Rekordmaß an Naivität. Betz, die andere Runnerin, ist gefährlich. Nicht nur, weil ihre Todesliste länger als die Programmierung meines Weckers ist, sondern auch, weil sie seit Jahren keine Aufträge mehr annimmt. Ich frage nicht, warum sie diesen Spaziergang mitmacht. Ich frage niemals, wenn ich weiß, dass die Antwort gefährlich sein kann. Aber ich rechne damit. Während des Runs wird mich Betz nicht zu Gesicht bekommen. Und natürlich konnte ich auch nicht herausfinden, wem wir mit diesem Run auf die Füße treten. Das wäre ja auch zu einfach gewesen.
Mein Signal.
Noch höre ich die Regengeräusche von der Straße, das Gejohle der Ganger, die Werbebotschaften, die am Spamfilter meines Kommlinks abprallen, vor denen ich meine Ohren aber nicht verschließen möchte. Noch nehmen meine Augen die überfüllten Mülltonnen wahr, noch rieche ich die Pisse und den Alkohol. Noch bin ich nur in den Headsets der Runner, sehe den Run nur in Fenstern, durch die geriggten Kameras des Konzerns.
Es wird Zeit. Ich sinke zwischen den stinkenden Tonnen zusammen, wie ein Penner, und schließe die Augen. Im ersten Moment erschlaffen die Glieder, jegliche Motorik erstirbt. Dann verblassen auch die Sinne.
Meine Gedanken verbinden sich über die Cyberware mit dem Kommlink, Gehirn und Schaltkreise verschmelzen, dann kommen die Sinne wieder. Anders, irgendwie perfekt, und irgendwie auch steril. Meine Persona erscheint und ist dreieinhalb Bruchteile einer Sekunde später in dem Netzknoten, den ich suche. Von hier aus ist es weniger bequem. Der Konzernrigger scannt mich, und im nächsten Moment arbeiten unsere Programme gegeneinander. Als Ritter in goldene Rüstung zeigt sich sein Avatar, wie romantisch. Ich lasse seinen Schild mit meiner völlig merkmalslosen Angriffsdatei zerspringen, kapsle ihn vom Überachwungsnetz ab, werfe ihn aus der Matrix und isoliere seinen menschlichen Körper. Ein kleiner Befehl an das Schloss der Tür reicht dafür aus. Ich revidiere mich: Seinen Zwergenkörper. Meine Sensoren zeigen 120 ausgestöpselte Zentimeter, die gegen die Tür hämmern. Vielleicht hätte er ein paar Nuyen mehr ins Fitnessstudio stecken sollen, statt in neue Hardware. Ich schließe die digitalen Augen und spreche.
„Überwachung ist tot. Los geht’s, Chummer.“
Irgendwie war es zu leicht. Betz und die Orkin quotieren das gesagte, dann höre ich eine weitere Beschwörung der Magierin. Ich sehe durch eine Kamera, wie sich das Stahl der Tür wellt, fast als hätte man ein Stück Papier in den Ofen geworfen. Meine Auftraggeberin nimmt ihre qualmende Hand herab, die Luftspiegelungen geben eine ungefähre Vorstellung davon, wie heiß ihre Krallen in diesem Moment sind. Betz hechtet durch das entstandene Loch und entsichert ihre schwere Pistole. Zu schwer für zarte Elfenglieder, analysiere ich. Aber leicht genug für einen Cyberarm, Knochen aus Stahl, Haut aus Chrom. Die Schritte der Sicherheitsmannschaft hallen durch die Gänge, aber kurz darauf gehen sie unter. Es gibt nur wenige Dinge in dieser Welt, die lauter als Maschinengewehrfeuer sind. Ich sehe, wie Betz durch die Schussbahn wirbelt, beinahe schneller als ich es ohne meine Hardware wahrnehmen könnte. Die Übermacht ist trotz allem fatal. Dann ersterben die Schusslaute abermals, und die Kameras beschlagen von einer Sekunde auf die nächste. Zuerst erreicht eine Störung meinen Input, denke ich jedenfalls. Dann realisiere ich. Die Laute, die in jenem Korridor wüten, sind echt. Das Kreischen eines Stormes, das Kratzen von Metall, die Schreie von Menschen.
...lässt die tiefste Lichtung erbeben, erinnere ich mich, Schrei der Todesfee, durch keine Tür aufzuhalten ist.
Betz schickt ein Bildsignal an mein Kommlink, offenbar sind ihre Augen auch nicht mehr das, was damals aus dem Bauch ihrer Mutter gekommen ist, sondern eher ein weiterer Klumpen Technik. Ich höre ihren Kaugummi, und ich höre Wind - Sturm! - mitten im Gebäude. Ich sehe Wachmänner, die gegen Wände geschleudert worden sind, herumliegende Waffen, und ich sehe die Urmacht. Wie ein kleiner Wirbelsturm hat sich das Elementar materialisiert, die orkische Magierin lehnt hechelnd an der Wand. Naiv. Kaum jemand würde heute noch sagen, dass Magie sinnlos ist, aber niemand würde behaupten, dass es sie kostenlos gibt. Trotz allem schleppt sich die Orkfrau weiter, dafür hat sie meinen Respekt. Kurze Zeit später erreichen die beiden den Tresor, den wir suchen. Die Auftraggeberin legt die Hand auf die metallene Tür und sagt irgendetwas zu Betz. Dann schließt sie die Augen und wirkt abermals einen Zauber, um das letzte Hindernis zu entfernen.
Mein Herz bleibt einen Moment lang stehen. Ich sehe durch die Programme im Hintergrund, und nur dadurch, wie Betz ihren Kaugummi zwischen den silbernen Zähnen zerdrückt. Dann zieht sie die Waffe und schießt unserer Auftraggeberin in den Nacken. Der Orkkörper fällt um. Jeder dramatische Ausdruck wäre unangebracht. Die verchromte Elfe lädt ihre Waffe nach und gibt den leblosen Überresten einen Tritt.
Meine Gedanken rasen. Wieso? Will sie die Beute für sich allein? Warum hat sie dann nicht gewartet, bis die Orkin den Safe geöffnet hat? Etwas Persönliches? Unwahrscheinlich.
Sie dreht sich um. Einen Moment lang sehe ich ihr gelangweiltes Gesicht in meinen Sensoren, sehe die Kaubewegung ihrer karmesinroten Lippen. Dann verstehe ich, warum die Matrixsicherheit so lächerlich war, ich verstehe, warum Betz mir Bilder geschickt hat, obwohl sie alles unter Kontrolle hatte, und warum sie überhaupt hier war. Ein Exempel. Hier wurde ein Exempel statuiert, eine Abschreckung. Selbst wenn ihr gut seid und perfekt plant, wir sind euch immer noch einen Schritt voraus. Meine Überlebensinstinkte greifen. Ich speichere die Aufnahmen meines Kommlinks auf den Konzernmaschinen, als kleine Bitte um mein Leben an Betz' Auftragsgeber, wer auch immer das sein mag. Dann verlasse ich die Matrix, sitze wieder zwischen den Mülltonnen, höre wieder die Straßen des Hamburger Sprawls und den Regen, der meine Klamotten durchweicht. Ein Köter hat mir gegen das Bein gepisst, während ich weg war. Einen scheiß Tag nennt man das.
Eine Projektion, die ich vor meinem Auge aufrecht gehalten habe, zeigt Betz. Sie kaut, und dann haucht sie etwas, das ihr meine Programme von ihren Lippen ablesen: „Ihr wisst doch, Chummer... Spart Munition. Haltet euch den Rücken frei.“
Ihre Augen werden zu Schlitzen, und mein Herz rutscht mir in die Hose.
„Und legt euch niemals, niemals mit einem Drachen an.“
Ich atme einmal tief durch, dann schließe ich meinen Mantel, kapsle die letzten Datenbahnen ab und verschwinde im Neondschungel der Stadt.
Sola. Kann sein, dass es etwas verwirrend ist, sind am Ende halt meine Notizen. Wo ihr die Bilder und das restliche Material einsetzt, müsst ihr selbst sehen.
Kritik ist natürlich gern gesehen.