AW: Verlage und Professionalität
Bücherwurm schrieb:
Wenn die Rechtschreibung besser wird, wird man eventuell auch als Kritiker von Übersetzungen ernster genommen.
Nicht nur als Kritiker von Übersetzungen, sondern generell.
Bücherwurm schrieb:
Wobei da F&S zugegebenermaßen auch ganz schön viel Unsinn gemacht hat (böse Zungen würden vielleicht sogar von Sch**** sprechen), mich stört da vor allem die Verallgemeinerung, denn beileibe nicht alle Übersetzungen von F&S sind schlecht.
Ich kenne ja von F&S fast ausschließlich die deutschsprachigen (Engel-)Publikationen. Somit gibt es da für mich das Übersetzungsproblem nicht.
Ich hatte mal das "Vergnügen" in einem kleinen Team an der Übersetzung eines Rollenspiel(hilfs)produktes teilzuhaben. Da wurde mir so richtig klar, wie SCHEIßE das ganze Übersetzungsthema eigentlich ist.
Die Amis schreiben in der Regel kurz, knackig, mit peppigen Begriffen, die sich einem amerikanisierten Nachkriegsdeutschen schnell einprägen. - Jetzt übersetze man mal "schlagende" Begriffe aus dem Englischen ins Deutsche unter Beibehaltung derselben oder zumindest einer gleichartigen Wirkung auf den Leser/Spieler. Das ist schon einmal ziemlich schwer (und wenn man dann noch mit Schweizern und Österreichern, die jeweils ihre eigene Vorstellung, was deutschsprachigen Ausdruck anbetrifft, haben, zusammenarbeiten darf, dann weiß man, was hinter dem Begriff "Abstimmungsaufwände" steckt).
Dann ist die Länge ein Problem. Deutsche, einem US-Originaltext inhaltsgleiche Texte sind deutlich länger (ca. 30%) als Englische (diesen Erfahrungswert habe ich aus dem IT-Umfeld, wo wir z.B. Spezifikationen oft zweisprachig abliefern müssen). - Soll das übersetzte Werk gleichviele Seiten haben, wie das US-Original, so wird man an der Schriftgröße, am Layout, an was auch immer tricksen müssen, damit es paßt. Wenn dann noch Tabellen durch die deutlich(!) längeren deutschen Begriffe jeden Layoutrahmen zu sprengen drohen, dann weiß man, wie sehr man sich beim Versuch das Ganze unter einen so ähnlich wie das Original ausschauenden Hut zu bekommen die Haare raufen kann.
Was hat das mit Professionalität zu tun?
Sehr viel.
Man sollte als Übersetzer von fremdsprachlichen Werken WISSEN, worauf man sich da einläßt. - Und das ist ja nun wirklich kein Geheimnis. Technische Dokumentare lernen so etwas ohnehin. Im Internet gibt es Quellen, Erfahrungsberichte und natürlich auch kostenpflichtige Kurse, die man zu einer professionelleren Übersetzungsqualität belegen könnte, BEVOR man sprachlich holperige, unausgegorene Texte abliefert.
Ich erwarte von einer kostenlosen(!) Fan-Produktion nicht diesen Qualitätsstandard. Da darf es gerne mit dem Schulwörterbuch und Internet-Nachschlagewerken an das eigene Lieblingsrollenspiel herangegangen sein. Das Ergebnis ist dann (oft) lobenswert, aber eben unprofessionell und (erwartet) von niederer Qualität.
Sobald ein Fan meint mein Geld verlangen zu müssen, dafür, daß er mir erspart mein Schulenglisch am Original-Produkt auszutoben, dann KANN ich eine GESICHERTE Qualität erwarten. Denn dann ist es ein Produkt, in dessen Kalkulation seriöserweise auch entsprechende Qualitätssicherungsaufwände einkalkuliert worden sind (das wäre zumindest professionell dies zu tun - dies zu lassen ist schlichtweg fahrlässig).
Zu professionellen Übersetzungen kann man vor allem im Bereich der Unterhaltungsliteratur viel abschauen, wie man das machen kann, was gute und was schlechte Übersetzungen sind, wie lange es dauert, wie aufwendig eine solche Übersetzung sein kann. - Vor dem Eingang eines wirtschaftlichen Risikos, wie es eine Herausgabe einer Übersetzung auf einem recht geringvolumigen Markt, wie dem der Rollenspiele, darstellt, gehört eine Risikoabschätzung. Wichtige Risiken bezüglich einer Übersetzung erscheinen mir als Nichtfachmann folgende zu sein: Zum einen könnte die Übersetzung zu schlecht sein. So schlecht, daß also die Kundenzufriedenheit derart gering ist, daß sich die Kunden lieber das Original kaufen, als mit der ungelenken deutschen Version vorlieb zu nehmen. Zum anderen könnte sie zu teuer werden - sowohl in den Übersetzungskosten, als auch in der Seitenzahl des Endproduktes. Desweiteren könnte sie zu lange dauern bis zur Fertigstellung (was gerade bei Original-Verlagen, die schnellen Ausstoß und reichlichen Ausstoß an Neuprodukten haben, ein Problem darstellt, da man so die Kauflust der Kunden garnicht schnell genug befriedigen kann und man somit Publikationsverschleppungsfrust erzeugt, was zur Abwendung von der Übersetzung und zur Hinwendung zum US-Original führen kann - somit eine Einbuße in den Verkaufszahlen für den Übersetzer-Verlag darstellt).
Eine Übersetzung ist m.E. IMMER ein Risiko.
Klar, es gibt hochmotivierte Fans eines fremdsprachlichen Produktes, die dieses Produkt gerne auf dem deutschen, schon lange als fremdsprachenfaul festzustellenden Rollenspielmarkt prominenter plaziert sehen würden. - Und der Erfolg von solchen Übersetzungen wie Cthulhu, welches ja nicht mehr nur Übersetzungen, sondern inzwischen vornehmlich eigenständig deutschsprachige Produkte umfaßt, läßt einen ja auch hoffen, daß es beim eigenen Favoriten auch so toll klappen mag.
Nur ist Cthulhu eine Ausnahme. Es gibt viele Rollenspiele, bei denen auch die Lizenzbedingungen so eng gehalten sind, daß der Übersetzer ein enges Korsett statt übersetzerische Freiheit hat. Und freies Produzieren eigener, neuer, deutscher Produkte ist offenbar auch oft nicht im Lizenzumfang enthalten. - Somit würde ich nicht darauf bauen.
Wer ein Übersetzungsunterfangen blauäugig beginnt, miese Qualität husch-husch produziert, keine adäquate Qualitätssicherung betreibt (und: Nein, das ganze Ding dem besten Freund zum Querlesen zu geben ist KEINE Qualitätssicherung.), der darf sich nicht wundern, wenn er damit wirtschaftlich (aber das wird der Übersetzer-Enthusiast ja eh erwartet haben) und auch von der Fan-/Kunden-Seite her Schiffbruch erleidet.
Ich erinnere mich an die allererste deutschsprachige Fassung des AD&D (1st Ed.) Spielerhandbuchs, in welcher solche Überraschungen wie Taschenlampen (ja da wurde "torch" für ein Fantasy-Rollenspiel krass falsch übersetzt) enthalten waren. Wir haben uns schief gelacht über das eine (erste und letzte!) Exemplar unseres Spielleiters und dann freilich weiterhin mit den englischen Regeln gespielt.
Für mich entscheidet die "gefühlte" Qualität eines Rollenspielproduktes, über den Eindruck ein professionelles Produkt in Händen zu halten, oder hingeschlamptes Rollenspielgammelfleisch.
Ein positives Beispiel: Sorcerer. Hier hat man ein aussagekräftiges Inhaltsverzeichnis, einen brauchbaren Index, ein übersichtliches Layout (und kein Bilderbuch!), Illustrationen, die das jeweilige Kapitel vom Inhalt her unterstützen ohne meine Aufmerksamkeit vom Text wegzureißen (siehe Bilderbücher wie DeGenesis), und einen Text, der mir das Erlernen der Mechanismen so portioniert nahebringt, daß ich nach dem Lesen den Eindruck habe, daß ich es spielen kann (und nicht, daß ich es noch zwanzig Mal lesen muß, bevor ich mir zutraue einen Charakter probehalber zu basteln). - Sorcerer ist auch als Ein-Mann-Projekt gestartet. Es wurde anfangs als PDF abgegeben, dann als Kauf-PDF, und erst als sich über den Verkauf der PDFs und aufgrund der anhaltenden Nachfrage(!) abzeichnete, daß sich eine Druckausgabe finanzieren läßt, wurde es als (kleinformatiger) Hardcover herausgegeben. - Ich finde, davon könnten auch so manche deutschen Do-It-Yourself-Rollenspielautoren/-verlage etwas lernen.