Verblendung - Lohnt es sich

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Kaffeebecher

Guest
Hi Leute!

Wenn man schon die schwedische Fassung gesehen hat, lohnt es sich dann, sich den amerikanischen Teil nochmal anzuschauen?

Inwiefern unterscheiden sich beide?
 
Nicht zwingend. Die Filme sind recht ähnlich. Es unterscheiden sich Details, das Ende wurde leicht verändert und es ist eben... "amerikanischer" (teilweise unnötig amerikanischer). Der Film ist in der Amifassung übrigens ca. 45 zu lang. Nach der Enttarnung des Killers kommt nämlich noch ein Handlungsbürzel hintendran, dass sich in der schwedischen Fassung auf eine Szene "Mikael Blonquist im Gefängnis" beschränkt hat, von David Fincher allerdings unerträglich aufgeblasen wurde. Wobei er nichtmal ins Gefängnis gehen muss (das hat man komplett gestrichen).

Ich war ganz gut unterhalten von dem Film, meine Begleitung hat gemosert. An den Kernkonzepten, der Atmossphäre und der Optik des Films ändert sich wenig. Ich mag Daniel Craig sehr, das war für mich das Argument.
 
Ich fand das Original ganz gut. Bisschen zäh zwischendurch, aber es hat mich zum Rapace-Fan gemacht.
Nun am Donnerstag das Remake gesehen. Ich stimme The Saint zu bei den Aspekten "amerikanischer", Ende und "hintendran noch was". Gerade der erwähnte Bürzel ist völlig unnötig.
Aber es gibt auch Posititves:
Das Intro ist großartig. Das wird ja selten bei Filmen gemacht, eher noch bei den Bond-Filmen. Sehr passend zum Thema und eigentlich schon eine abstrakte Zusammenfassung des Films.
Rooney Mara interpretiert Lisbeth Salander anders als Noomi Rapace. Während Rapace sehr Badass, physisch stark und ruppig rüberkommt, Verletzlichkeit tief unterdrückt und es scheint, als habe sie ihre Außenseitersituation bewusst gewählt, wirkt Mara deutlich zerbrechlicher, entrückter. Mich beeindruckte jedenfalls das sehr facettenreiche Spiel von Rooney Mara und ich tendiere dazu, Maras Salander besser zu finden als Rapace'.

Ich hatte außerdem den Eindruck, als fasse das Original offensichtliche Dinge in Dialoge, was albern wirkt, wobei andersrum das Remake Szenen unnötig ausbreitet. Zu erähnen sind da die Beschaffung der Tattoomaschine (im Original gar nicht zu sehen, da auch unnötig) und die Betrugsszene am Ende, die sich im Original auf ein Bild per Überwachungskamera beschränkt. Ist doch latte, wie Lisbeth das hinkriegt, man weiß zu dem Zeitpunkt doch schon, was sie drauf hat und es spielt für den Handlungsbogen des Kriminalfalls keine Rolle sondern nur für die Rahmenhandlung.

Trotz unnötiger Szenen fand ich das Remake spannender umgesetzt.
Ich würde dem Original eine 6/10 und dem Remake eine 7/10 geben, wobei das +1 durch Ronney Mara zustande kommt.
 
Ich bin da eher Noomi Rapace Fan - Rooney Mara war jetzt nicht schlecht, aber deutlich attraktiver und weniger bewusst "hässlich" als Noomi Rapace. Ausserdem spielt Fincher in seinem Film wieder mit alten Geschlechterklischees, das arme, verletzliche Ding das natürlich am Ende von dem alten Mann in den sie sich verguckt hat sitzen gelassen wird. Ich bin ja eigentlich überhaupt nicht empfänglich für diese ganze Genderklamotte, aber ganz extrem ist mir das bei der Sexszene zwischen den Protagonisten aufgefallen. Im schwedischen Film klettert sie einmal über den Herrn Blomquist drüber, steht dann auf und geht, während der ihr völlig verstört nachschaut. In der Amiversion zieht sie sich aus, bleibt verführerisch vor ihm stehen, klettert auf ihn, wird dann quasi SOFORT auf den Rücken gedreht (Mann liegt oben) - und bleibt dann verliebt lächelnd unter ihm liegen und verbringt die Nacht bei ihm. Im Hinblick darauf dass das Buch im Original "Männer die Frauen hassen" heißt und mit Blick auf Stieg Larssons gesellschaftliches Wirken fand ich Finchers Interpretation beinahe ironisch.

Ob Lisbeth irgendwas drauf hat wusste ich beim Ende des Films übrigens nicht, Silke ;-). Das nimmt man an, weil man die anderen Werke kennt - aber bei Fincher ist sie eigentlich völlig unnötig und nur dafür da dem Killer nachher eins mit dem Golfschläger zu zimmern und zu konstatieren das Mikael es seiner Geliebten nicht oft genug besorgt - die gesamte Ermittlung hätte Blomquist auch ohne sie hinbekommen.

Insbesondere verstörend wirkte die Tochter von Mikael auf mich, die offensichtlich eine fanatische Christin auf dem Weg ins Bibelcamp (!) ist (das wirkt auf mich schon extrem wenig europäisch). Die erkennt SOFORT aus der Zahlenkombination im Notizbuch des Opfers die Bibelstellen heraus. In der schwedischen Version ist dass das Werk von Lisbeth, die das "mal eben" erkennt (und DA merkt man wie intelligent sie ist). Das dem naiven Dummchen auf dem Weg ins Jesuscamp etwas gelingt was den Polizisten bislang verborgen geblieben ist, war unglaublich merkwürdig (die Bibelstellen sind ja auch nicht SO offensichtlich)

Das waren die beiden Szenen die mich echt angekekst haben. Naja, und eben das qualvoll langgezogene Ende, wo man irgendwann brüllen wollte "Ja, Fincher! Ich WEISS, sie zieht die Banken ab! Jesus Christus, du musst uns das doch nicht bei JEDER Bank zeigen!"
 
(ist trotzdem kein schlechter Film - und ich hoffe auf die beiden Fortsetzungen, die fand ich nämlich, als jemand der die Bücher nicht gelesen hat *hustet* in der schwedischen Variante grauenvoll wirr - ich hoffe ich kapiere was da vor sich geht wenn ich das von Fincher sehe ;) )
 
Ich habe mir den Film bisher nicht angesehen, weil ich annehme meine Zeit mit einer weichgespülten Version eines überdurchschnittlichen Filmes zu verschwenden den ich schon kenne.

Die Existenz dieses Filmes stinkt irgendwie nach "Wir dürfen nicht zulassen, dass es mainstreamtaugliche Filme gibt, die nicht in Hollywood produziert sind."
 
Der Film ist nicht wirklich weichgespült. Die Vergewaltigungsszene ist etwas harmloser, wobei ich nicht sagen kann woher dieser Eindruck bei mir kommt - viel ist es auch nicht. Dafür hat Fincher den Film farblich perfekt durchkomponiert. Das verschneite Schweden sieht wirklich KALT und eisig aus.

Das der Film existiert liegt übrigens daran das die Amerikaner keine Filme mit Untertiteln schauen. Würden wir hierzulande wahrscheinlich auch eher selten (zumindest wenn die schwedisch reden). Und anscheinend gibt es in Amerika niemanden der Filme synchronisiert (wieder was gelernt).
 
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