AW: Typisch deutsche Illustration
Bücherwurm schrieb:
Ich glaube auch nicht an den deutschen Stil - würde mich aber vom Gegenteil überzeugen lassen.
Ich glaube auch nicht, daß man es als "deutschen Stil" bezeichnen kann, wohl aber als - siehe Threadtitel - "typisch deutsch Illustrationen". Eben die aktuelle Monokultur. Monokultur ist meiner Meinung nach kein Stil, sondern eine ungesunde Entwicklung auf einem Feld, auf dem viele bunte Blumen blühen sollten. Eben etwas so Sympathisches und so Wünschenswertes wie eine Seuche.
Bücherwurm schrieb:
Dark Sun und Planescape waren alle deutlich anders als das, was sich auf dem Markt getummelt hat - das liegt aber maßgeblich daran, daß man Tony Diterlizzi und Baxat einfach freie Hand bei der Gestaltung gelassen hat, anstatt sie in das rigide Gerüst eines etablierten Spiels zu stopfen.
Sie waren anders, aber sie waren keine solch seltenen Ausnahmen, wie es Deine Anmerkung erscheinen ließ. Durch bewußtes Gestalten abseits der Cash-Cow D&D Greyhawk und Forgotten Realms waren diese und auch andere D&D-Settings (Al Qadim, Ravenloft) eben bewußt als "anders" als das normale D&D zu erkennen. - Ich halte sehr viel davon, wenn eine Produktidentität für ein Rollenspiel oder auch nur ein Setting (von vielen) durch eine durchgängige Linie in der graphischen Gestaltung unterstrichen wird. Noch wichtiger ist mir dabei - um auf das Monokulturproblem zurückzukommen - daß diese Linie bei z.B. Planescape deutlich anders ist, als bei Forgotten Realms oder Dark Sun.
Wäre es bei allen drei D&D-Settings eine praktisch ununterscheidbare graphische Gestaltung gewesen, dann hätten diese drei Settings sich längst nicht so voneinander und von den - ebenfalls eine gewisse Monokultur darstellenden - 08/15-D&D-Settings abgehoben.
Ich will, daß sich ein Rollenspiel von einem anderen Rollenspiel unterscheidet.
Wenn sich also ein Rollenspielverlag aufmacht das Rollenspiel "neu zu erfinden" und seine tolle graphische Gestaltung nur noch als hohles Gestell, als Bilderbuch mit Rollenspielbeilage, präsentiert, und dieses hohle Gestell dann noch nicht einmal ANDERS aussieht als das hohle Gestell der Konkurrenz, dann bin ich halt schon etwas enttäuscht.
Bücherwurm schrieb:
Das war auch Einheitsbrei, der damals gekocht wurde.
Jein. - Es wurde AUCH Einheitsbrei verwurstet. Es wurden aber eben auch viele andere Zeichner als Elmore in den Rollenspielprodukten eingesetzt.
Aber klar, wenn sich Elmore an die Night-Fever-Generation verkauft, dann wäre ein Verlag ja blöde, wenn sie einen weniger zäpfchenartigen Stil in ihren Produkten favorisieren würden. - Wie heute ja auch: heute ist der sterile, gefällige, "darke" (you wish!) Stil halt das, was in Deutschland Rollenspiel-(Bilder-)Bücher verkauft. Da das Verkaufen ein nicht gerade unwichtiges Argument für die Verlage ist, kann ich auch verstehen, warum man dem einen brandheißen Rollenspiel-Klingelton gleich noch den nächsten hinterherschiebt, statt sich einen aufrechten Gang zu erlauben (und finanziell wohl auch zu leisten) und zu sagen: "Wir machen unser EIGENES Ding, und nicht das eine Ding, daß schon andere -zig Male gemacht haben."
Vermutlich liegt dies daran, daß die Menschen/Kunden eben doch stets nur das wollen, was sie schon kennen. Und wenn sie es schon einmal gekauft haben, dann kaufen sie lieber etwas, wo "NEU" draufsteht, aber altbacken drin ist - und sie sind zufrieden! (Also mir geht das bei Brotaufstrich und Butterkeksen so: ich WILL da keine "neue Rezeptur", keine "10% mehr Cremigkeit", keine eingebackene "Krümelbremse" - ich will die alte Scheiße, die ich schon als Kind von meiner Oma bekommen habe, weil ich das so mag. - Daher kann ich dieses Verhalten eines Käufers von Produkten schon verstehen.)
Bücherwurm schrieb:
Also mal ganz ehrlich Deadlands Illus zeichnen sich nicht durch einen eigen Stil aus, sondern vor allem durch den gezeigten Inhalt - und genau das hast Du noch im oben erwähnten Post abgelehnt.
Insbesondere die spätere Quellenbände (wo es dann auch Werte für D20 gab), zeichen sich vor allem durch Unvermögen aus.
Mir ging es beim Deadlands-Beispiel nur um das deadlands-eigene Gesicht, welches durch die Schwarz-Weiß-Zeichnungen im Unterschied z.B. zu Gunslingers&Gamblers und anderen in demselben Genre angesiedelten Rollenspielprodukten durchaus ungeachtet des Dargestellten auffällig ist. (Und ja, Deadlands D20 ist Scheiße - und zwar durch und durch. Aber das ist ja hier eh nicht das Thema.)
Bücherwurm schrieb:
Da gebe ich Dir recht, das neue Design von UA im deutschen gefiel mir auch sehr gut - das war übrigens auch Marko, dem Du ja vorhin noch Uniformität unterstellt hast. Nur das der eben ausgestiegen ist und dann dieser Uninnovative Kram rauskam.
Mir ist sogar herzlich egal, ob es derselbe Zeichner/Gestalter ist, der für die Optik eines Rollenspiels verantwortlich ist (oder eine Gruppe von Gestaltern), solange das Rollenspiel ein eigenes Gesicht hat. - Ich erwarte von einem Künstler, als den sich solche Illustratoren ja oft selbst verstehen, eben schon, daß er bei einer klassischen Auftragsarbeit nicht seinen zweihundertsten "Röhrenden Hirschen" malt, sondern nach den speziellen Anforderungen und dem speziellen, zu erzielenden bzw. zu unterstützenden "Image" des zu illustrierenden Rollenspiels FLEXIBEL genug ist, unterschiedliche Rollenspiele auch unterschiedlich mit einer Identität auszustatten. - Diese Illustratoren sind doch keine Militärfriseure, die außer Bürstenschnitt nichts können. Sie sollten die besonderen Vorzüge des Rollenspielproduktes durch ihre Illustrationen zur Geltung bringen.
Und das tut man nicht, wenn man - und hieran ist NICHT der Künstler schuld - als Entscheider, der die Künstler beauftragt und ihnen die Anforderungen an die Illustrationen stellt, nur Einheitsbrei ordert. - Für mich liegt die Seuche nicht so sehr an den Künstlern, wie an denen, die nur "Mittlere Pommes mit Cola" ordern können, weil das "jeder mag".
Bücherwurm schrieb:
Ja, ja und ja. Aber das ist doch "Stating the obvious."
Und? Wird es dadurch falsch? Paßt es dadurch nicht hierhier? - Manchmal ist ein Skill wie "State the obvious" der Schlüssel zu einem eigenen Charakter (behaupte ich als bekennder Xander-Fan).
Bücherwurm schrieb:
Naja, wie bereits erwähnt unterliegen auch "Gestaltungsmerkmalen, Zeichenstilen, Layoutideen" dem Epocheneffekt - wie jede andere Mode auch.
Genau. Und hier haben wir einen typisch deutschen Einheitshaarschnitt von Anfang der 2000er. Und das ist ja auch das Thema dieses Threads. - Nämlich, daß man sieht, sofort sieht, wer alles diesen Einheitshaarschnitt trägt, und daß es zuviele sind, die eigentlich behaupten, sie hätten was Eigenes, was Individuelles auf dem Kopf, und dann ist es eben doch nur der DIN-Haarschnitt.
Bücherwurm schrieb:
Also ich hab da ein bißchen den Eindruck, Zornhau, daß Du da gerade doch sehr den alten Sack raushängen läßt, von wegen früher war alles neuer, besser, schöner, innovativer (und aus Holz).
Nö. Früher war alles älter, muffiger und - vor allem - aus Plastik. Orangefarbenem Plastik.
Nur weil ich gerade - aus dem Grunde, daß Planescape gerade im Verein gespielt wird, und ich mir für Ende des Jahres eine Dark Sun Kampagne überlege - diese Beispiele für klare Individualität bei der Gestaltung von Rollenspielprodukten parat hatte, war es nicht meine Absicht nur auf altem Käse herumzutreten.
Auch neue Produkte sind neuer, besser, schöner, innovativer.
Wäre Artesia nicht ein so dermaßen abtörnendes Fluff-Monster geworden, hätte ich das vielleicht früher erwähnt (den Fluff-Schock versuche ich immer noch durch Verdrängen (ins Regal neben Nobilis) zu überwinden). Artesia hat eine klare Identität. Da paßt einfach alles - von der optischen Gestaltung - zusammen (aber dafür ist kein Index, kein Glossar, und viel zu viel Fluff-Bleiwüste drin).
Sehr schön aufgemacht fand ich Serenity. Nur ist das mit Bildern aus einem Film oder einer Fernsehserie natürlich etwas leichter die (zur Serie bzw. zum Film) passende Identität zu schaffen - wobei Serenity RPG sogar von der Optik her den Brückenschlag zwischen Fernsehserie (für die keine Lizenz vorlag) und dem Spielfilm (der leider für die meisten Firefly-Fans zu wenig Firefly-Feeling hatte) geschafft hat.
Bücherwurm schrieb:
Das stimmt einfach nicht - in der Retrospektive zeigt sich, daß das eigentlich schon immer so war - und die Ausnahme eben die Ausnahme.
Wenn es schon immer so gewesen wäre, selbst dann könnte man mit Fug und Recht von einem "typisch deutsch" sprechen.
Es gibt alte, nicht so alte, neue, neuere Rollenspiele, bei denen etwas geklappt hat mit dem "eigenen Gesicht"...
Pandemonium und Over the Edge sind z.B. in der Optik so verwandt, wie es auch der Verwandtschaft im Inhalt entspricht. Da haben es die Gestalter unabhängig (vermute ich mal) voneinander verstanden die sich aus der bestimmten Art des Settings und dessen, was man da spielen soll, ergebenden Anforderungen an eine visuelle Ausgestaltung verdammt gut zu erfüllen.
Anders gelagert sind Artesia und Low Life; bei beiden ist Zeichner und Autor ein und dieselbe Person. Trotzdem oder weil dies so ist, sind das zwei sehr bemerkenswerte Produkte geworden, bei denen man sich wünscht, daß es von dieser Art mehr, viel mehr geben möge.
Aber auch der "Monsterhammer" für Cthulhu, Tour of Darkness, Castle Falkenstein, Blue Rose, Iron Kingdoms, etc. sind gute Beispiele für eine sich auch in der Optik ausdrückende Individualität, für ein eigenes Gesicht.
Diese Rollenspiele kennt man einfach. Selbst wenn man sie nicht selbst spielt, so kennt man sie, oder will sie kennenlernen - weil sie anders sind. Und es sind garnicht so wenige, als daß ich das noch als Ausnahme bezeichnen würde.
Die Rollenspiele, bei denen das so gemacht wird, wie es angeblich "eigentlich schon immer so war", die will man doch garnicht kennenlernen.
Das ist eine gesichtslose Masse. Ein Brei. Eine in sich völlig undifferenzierte Monokulturpampe in der man die daraus hervorragenden (sic) Rollenspiele nur umso klarer wahrnimmt.