Rollenspieltheorie [Theorie] Spieledesign - Grundlagen

Teylen

Kainit
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16. August 2007
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In der letzten Woche dachte ich verstärkt über die Entwicklung eines eigenen Rollenspielsystem nach. Neben der groben Konzeption was es abbilden soll, machte ich mir dabei auch Gedanken um Aspekte wie Würfelmechanismen, Mechaniken.

Nun ist es so das meine Ausbildung keinen nennenswerten Anteil "Statistik" oder "Wahrscheinlichkeitsrechnung" beinhaltet hat. Auch abgesehen davon sind meine Spieledesign-Erfahrungen / Wissen eher nicht vorhanden. Gerade wenn es um Brettspiele geht.

Daher wollte ich mich zunächst einmal erkundigen welche Bücher, Plattformen oder andere Medien - eurer Meinung oder Erfahrung nach - dahingehend interessant sind. Mich persönlich interessiert dabei vor allem die technische Seite, weniger die kreative oder gar etwas zeichnen [Was bei dem Studiengang vorausgesetzt wird].

Ist es eurer Ansicht nach überhaupt nötig sich vorher mit Spieledesign, Statistiken, Wahrscheinlichkeiten zu beschäftigen? Sollte man es als Laie / Hobbist vielleicht ganz sein lassen und einfach frei Schnauze irgendwas zusammen basteln?
 
10f3's Blog hat gerade wenn man sich auch die alten Beiträge durchliest viele Informationen über Spieledesign.

Ich lese immer hier recht viel mit und da findet man auch viel Ressourcen:
http://forum.rpg.net/forumdisplay.php?11-Game-Design-amp-Development

Wenn du nur für deine Hausrunde was schreiben willst, dann reicht ein wenig einlesen und ausprobieren aus. Klau dir was aus den Sachen, die du gut findest geh ein wenig mit dem Bügeleisen drüber um die Schnittkanten zu glätten und lass es dann im Playtest deiner Runde wachsen.
Wenn du aber auch nur über ein PDF online nachdenkst wo man nicht die Nase rüber rümpst musst du dich unbedingt auf dem Oberflächlichen Level mit Sachen wie Glockenkurve, Normalverteilung usw. beschäftigen.
Das wichtigste in beiden Fällen ist die GANZ klar vorher eine Zielsetzung zu machen. WAS soll dein System gut können, welche Art von Spiel willst du damit fördern. Gibt es Serien oder Filmvorbilder? Was sind die typischen Tropes dieses Genres und wie kannst du sie reproduzieren?
Wenn auch nur ein Regelelement keine Antwort auf deine Zielsetzung ist hast du schon einen Fehler gemacht.

Wenn du wirklich ganz am Anfang stehst lies dir das mal durch:
http://www.thefreerpgblog.com/2012/01/how-to-write-free-rpg-chapter-5-system.html
Ansonsten ist die ganze How to write a free RPG Reihe ziemlich gut. Zumindest für die Basics.
 
Neben der ganzen Theorie, empfinde ich persönlich einen reichen Erfahrungsschatz an Spielerfahrung mit den verschiedensten RPG Systemelementen am wertvollsten. Man kann tausende Reviews zu einem Auto lesen, eine Probefahrt gewährt trotzdem Einblicke die sonst schwer zu vermitteln sind. Das Spielgefühl einer Regelmechanik kann manchmal schwer aus dem Regeltext oder der dahinterliegenden Theorie / Stochastik herausgelesen werden.
 
Zunächst einmal danke für die Links :)

Wenn du aber auch nur über ein PDF online nachdenkst wo man nicht die Nase rüber rümpst musst du dich unbedingt auf dem Oberflächlichen Level mit Sachen wie Glockenkurve, Normalverteilung usw. beschäftigen.
Gerade deswegen habe ich nachgefragt.
Das heißt ich habe keine Hausrunde, allenfalls eine Skype Runde, und das Projekt wäre recht losgelöst von dieser.
Dennoch möchte ich nun wenn keinen Mist machen. [Wobei das ganze aktuell auch noch nicht mit einer Deadline versehen ist, also mehr eine lose Idee welche ich verfolge]

Ansonsten ist die ganze How to write a free RPG Reihe ziemlich gut. Zumindest für die Basics.
Ich denke das ich damit anfangen werde. :)
 
Die grundlegendste Statistik sollte man schon kennen (nicht beherrschen). Es nützt ja nichts, wenn du einen Mechanismus machst, da rein schreibst, "Superheldenrollenspiel, 1W20, skill ist max +2, über den Zaun springen muss 15 erreichen" und dann erwarten, dass man damit spielen kann. Daran scheitert dann selbst der übelste Midgard Fan, das schönzureden.

du musst aber nicht die ganzen geistigen Ergüsse durcharbeiten, die in "Theorieforen" in die Tasten gehauen wurden, nur um dann in einem Thread über "flags" oder "scene framing" mitstreiten zu können. Du kannst dir aber mal richtige Abhandlungen anschauen:

mit die Wertvollsten Texte für mich und für an Laien verständlich waren die folgenden bislang:
Die RPG Design Patterns
- http://folk.uio.no/gahegsvo/rpg/resources/design/RPG_Design_Patterns_9_26_05.pdf
im Stile eines Informatikbuches beschriebene RPG Mechanismen und Analyse

EXTREM wertvoll für RPG Statistik für den Anfänger (also fast alle RPG Autoren) ist das Paper von Torben Morgensen
Dice Rolling Mechanisms in RPG
- http://www.darkshire.net/jhkim/rpg/systemdesign/torben_rpg_dice.pdf
er beschreibt so gut wie alle Würfelmechanismen in RPGs und wie die Statistik darin zu bewerten ist.

Ein Artikel über die Suche nach dem "perfekten" Würfelmechanismus anhand von Fudge und WoD als (negativ) Beispiele. Kleiner Spoiler: Eine Softwareumsetzung von RPG ist unumgänglich.
A Treatise on different dice-rolling mechanics in RPGs
- http://rpg-design.wikidot.com/evaluation

und nochmal eine Sammlung von Artikeln und Links zum weiter einsteigen.
John Kim's RPG System Design Page
- http://www.darkshire.net/jhkim/rpg/systemdesign/
danach kann man auch gut bewerten, wie beschissen manche RPGs Mechanismen überhaupt sind. Manchmal kommt man aus dem "what were they THINKING?!" gar nicht mehr heraus.

Das genügt aber m.E. schon um einen guten Überblick zu haben.
Nützlich ist es sicher auch, sich mit unterschiedlichen Spielstilen auseinander zu setzen.
 
Um ein RPG zu schreiben braucht man überhaupt keine Statistikkenntnisse, vorausgesetzt, man möchte keine Wurfproben haben.

Viele Rollenspiele kommen sogar vollkommen ohne Proben aus. Wenn du erstmal was wirklich Kleines basteln willst, probier dich an einem RPG-Poem. Auch, wenn man dort wenig 'harte' Mechaniken lernt, so lernt man zumindest, welchen Sinn Regeln haben: das Spiel zu strukturieren. Es ist ne kleine Übung für zwischendurch.

Ein Rollenspiel ist mehr, als ein Haufen Mechaniken.
Ein Rollenspiel ist mehr, als eine Spielwelt.

Gute Mechaniken, strukturieren ein Spiel so, dass es den Speilsinn erfüllt (Bsp.: Munchkin. Hier geht es darum, sich möglichst gut gegenseitig eins auszuwischen und sich gegenseitig zu helfen. Jede Regel des Spiels zielt darauf ab. Bsp. ist der Elf. Eigentlich eine "nette Karte", denn er bekommt, wenn er hilft ebenfalls ein Level... Der Elf will also allen helfen. Wer nimmt aber seine Hilfe an, wenn er dadurch soviel gewinnt?)
Die Spielwelt sollte im Einklang mit den Mechaniken stehen. Sonst ergibts keinen Sinn. (siehe Boyscouts Superheldenargument)

Sei mutig... Denk in anderen Bahnen, als du sie kennst:
Lass Attibute und Fertigkeiten weg. Lass die Würfel weg. Lass den Zufall weg. Es sei denn, er hat nen Sinn fürs Spiel.

Frag dich genau, was für Mechaniken du brauchst, damit jeder Trottel, wenn er sich an die Regeln GENAU hält, das Spiel spielt, das du dir vorstellst. Es wäre schade, wenn man die Regeln nachher brechen müsste, um das Spiel zu spielen, das du konzipiert hast.

Und... denk beim Regelbasteln eher an die Spielanleitung eines Brettspiels, als an ein Rollenspiel... D.h. (und das ist das Wichtigste, was ich sagen will): Definiere als erstes das Spielziel. (Nicht den Sinn... Dass ein Spiel Spaß machen soll, ist klar)

Sry, wegen des ganzen Imperativs.
 
ElvisLiving schrieb:
Um ein RPG zu schreiben braucht man überhaupt keine Statistikkenntnisse, vorausgesetzt, man möchte keine Wurfproben haben.
Das ist natürlich richtig.

Eine klare Regelsprache (zusätzlich zu dem klaren Spielziel, das ElvisLiving erwähnt) ist auch extrem wichtig. Schreibe keinen Roman, sondern eine Spielanleitung (für Prosa gibts auch noch genug Platz).
 
Sollte man es als Laie / Hobbist vielleicht ganz sein lassen und einfach frei Schnauze irgendwas zusammen basteln?
Bei L5R gabs in einer Edition eine hochrangige Spezialfähigkeit mit der man Würfel konvertieren konnte - hat sich super angehört, aber mal durch gerechnet zeigte sich, dass der Einsatz der Fähigkeit die Erfolgsquote senkt.
Sowas darf bei einem von "Profis" gemachten Spiel wie L5R eigentlich nicht passieren, kann aber halt mal passieren. Bei einem von "Laien" geschriebenen Spiel würde das schnell dazu führen, dass ich es weglege, da es die Erwartung weckt, dass auch der Rest nicht durchdacht sein wird.
Insofern finde ich es schon wichtig die Wahrscheinlichkeiten zu prüfen

Übrigens: Wenn du Excel hast (oder ein wenig programmieren kannst), kannst dir relativ einfach aus verschiedenen Funktionen die Würfe zusammenbasteln und mit diversen Parametern laufen lassen. Dann aus den Ergebnissen hübsche Graphen machen und schon sieht man sehr schnell ob man einen gravierenden Denkfehler drin hat, ohne alles durchrechnen zu müssen oder auch nur können zu müssen. Für eventuelle Fehlersuche ist es natürlich hilfreich die Grundlagen zu kennen. Wenn du das Programm oft genug würfeln lässt machen die prozentualen Ergebnisse keinen signifikanten Unterschied zu den theoretischen Ergebnissen mehr - bei modernen PCs ist der zeitliche Aufwand ob du n=100 oder n = 100.000 nimmst nicht mehr relevant.
 
Man braucht nicht unbedingt Excel, sondern kann auch mit "Webtechnologie" ein bisschen experimentieren :) Ich gestehe, dieses Beispiel ist vielleicht jetzt doch nicht so einfach*, wie ich ursprünglich dachte, aber es zeigt, dass es bei Savage Worlds bei bestimmten Zielwerten (6, 8, 10, 12) leichte Einbrüche in den Erwartungswerten gibt, die man nicht erwarten würde. Mindestens eine 6 zu würfeln ist z.B. ein kleines bisschen einfacher, wenn man nur W4 statt W6 bei einer Fertigkeit hat.

Stefan

* Wer durch das HTML und JavaScript verschreckt ist, nimmt diesen Link.
 
bei modernen PCs ist der zeitliche Aufwand ob du n=100 oder n = 100.000 nimmst nicht mehr relevant.
Als Statistiker kann ich bestätigen, dass so ne Stichprobe von 100 Versuchen auch schon VÖLLIG ausreichend ist um zu erkennen obs grob hinhaut.

Mindestens eine 6 zu würfeln ist z.B. ein kleines bisschen einfacher, wenn man nur W4 statt W6 bei einer Fertigkeit hat.
Das ist aber wirklich offensichtlich.

Oder?
 
Es gibt zudem noch etliche Bücher, die sich mit der anderen Seite des Spieldesigns befassen - nämlich der Entwicklung von Brettspielen. Natürlich ist dies nicht Teylens Fokus, aber auch da scheint ja Nachholbedarf zu bestehen.

Ich persönlich bin ein grosser Fan der Serie Spiele Entwickeln, der Dokumentation zu einer jährlichen Autorentagung. Neben spezifischen Brettspielthemen werden dort auch Themen wie Statistik oder das Spielgefühl angesprochen. Online zu kriegen unter http://www.spiele-entwickeln.de/spiele_entwickeln_dokumentationen.html (obwohl ich es mir normalerweise immer direkt beim Verlag auf den Essener Spieletagen zulege).
Der gleiche Webshop bietet zudem noch unter Deutsche Bücher noch Publikationen zum Thema Spielkultur oder Spieltheorie.
 
:unsure: es gibt einen Büchershop nur für Brettspieleentwickler. Krass, so schlecht kann es uns nicht gehen.


Beim "abchecken" von Proben leistet mir der Small Roller immer gute Dienste:
http://www.fnordistan.com/smallroller.html
Auch wenn er nicht alle Würfelmechanismen ausrechnen kann.

lass' dich bloß nicht von "professionellen" RPG Produkten abschrecken. Man müsste sonst 98% der RPGs vom Markt nehmen. Guck' dir den Mist doch an. Meistens werden die von genau denselben Deppen geschrieben, die das auch zu Hause versuchen, wie du und ich. Mit professionell hat das aber nichts zu tun.
 
Zu (statistischen) Berechnungen kann man auch http://www.wolframalpha.com/ fragen - man muß die Frage aber ggf. mit den englischen mathematischen Fachbegriffen formulieren können. Mit Hilfe von Wikipedia sollte das aber kein Problem sein.
Man kann als Einstieg das Problem auch "natürlichsprachlich" formulieren, z.B. "get a total greater than 45 with 5 12-sided dice" und dann weiter an den Parametern spielen.
 
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