The Unknown Armies and Occult RPGs

Infernal Teddy

mag Caninchen
Registriert
2. August 2006
Beiträge
22.701
Ich muss ja zu meiner Schande gestehen ich habe damals als es noch aktuell war Unknown Armies verpasst. Und naja, vor kurzem hat mich diese Virus aus den 90s wieder erwischt, und mein Interesse an "okkulten" Rollenspielen ist wieder erwacht. Wer mag mir was über Unknown Armies erzählen? Was macht es besonderes? Wenn ich schon KULT, Nephilim und beide Mage's habe, brauche ich dann noch UA?

Und als angehängte Frage - was gibt es noch in der Kante an RPGs (Außer CoC und DF)? Was habe ich in den Jahren noch verpasst?
 
Natürlich braucht man immer UA. ^^ (Okay, als ehemaliger Vortex-Supporter sollte ich da eher den Mund halten.)

Das Problem bie UA ist halt, dass der Hintergrund eine sehr spezielle Sichtweise auf das Thema Okkultes bietet. Wenn ich jetzt mein Wissen über Kult heranziehe: Kult ist hochgradig ernsthaft. Fast schon Fatalistisch.
Unknown Armies hingegen konzentriert sich auf die Pop-Kultur und erklärt diese zum mystischen Gottesmoment. Macht wird hierbei Quasi wie bei Foucault definiert: Jeder Macher des okkulten Untergrundes lebt ausschließlich die Beziehung zu sich selbst aus. Und da beginnt es dann wirklich strange zu werden. Im Grunde genommen werden nämlich die Handlungen von Loosern aufgegriffen und umgedeutet. Selbstmordkandidaten, Büchermessis, Ritzer, etc.. Nur das es bei UA einen Grund so zu Handeln gibt. (Hey, die Sekte der nackten Götting hat einen Gottesbeweiß in Form eines Porno-Videos. Muss ich mehr dazu sagen?)

Der Unknown Armies Hintergrund nimmt sich 100% ernst. Und genau deswegen weißt der Hintergrund ständig ein Augenzwinkern auf.

Edit: Aber hat Caninus nicht ein Exemplar des Grundregelwerkes? Oder vertue ich mich da gerade... *grübel*

Edit: Ahc ja: Ron Edwarts "Sorcerer" müsste doch auch noch in dem Bereich angesiedelt sein. (Als forgiges Beispiel.)
 
Kein Mensch braucht Last Exodus, außer man ist Kuriositätensammler :D

Von mir kommen mal "In dark alleys" und "The Esoterrorists". Zu beiden hab ich hier schon mal etwas ausführlicher was geschrieben.
 
Kein Mensch braucht Last Exodus, außer man ist Kuriositätensammler :D
Dass die Höllenbeschreibung da aber 1a war, hab ich noch in Erinnerung. Nur konnte man das Spiel irgendwie gar nicht spielen, weil man nicht wusste, was man eben damit machen sollte.
 
Würde dich denn bei UA irgendwas gezielt interessieren, auf das man/ich näher eingehen sollte?
 
Unknown Armies ist schlecht gealtert. Primär ist es eine prä-Internet-, prä-Mobilkommuniktion-Pop-Culture, die dort zelebriert wird.

Die Grundsicht auf die Welt ist folgende: ALLE "urban legends" sind WAHR.

Darauf baut sich ein eigentlich sehr klassisches Fantasy-Magie-System mit sehr eng definierten Zaubern und deren Effekten auf, das weder Ars-Magica-ähnliche Vielseitigkeit und Flexibilität mitbringt, noch wirklich herausragend andere Wirkungen erlaubt. Das ist auch der Punkt, bei dem ich finde, daß enorm viel Potential bei UA verschenkt wurde.

Die "Magie-Punkte", Charges, generieren die jeweiligen Mages auf sehr spezielle Art - je nach ihrer thematischen Ausrichtung. Auf niedriger Ebene - so meine Spielerfahrung - nimmt das Generieren der Charges im Spiel ENORM VIEL Raum ein, weil ja die Motivation für die Spieler klar ist: Jeder will mehr Charges haben, um als Mage was reißen zu können. Daher wird das Ausspielen der Charge-Generierung so dermaßen prominent, daß dabei oft das eigentliche Problem, das eigentliche Szenario in den Hintergrund tritt. - Die gängige Lösung vieler Gruppen ist, die Charge-Generierung dann im "Off" zu erlauben, womit natürlich das besondere Flair der einzelnen Mages nur "hinter dem Vorhang" stattfindet, somit unsichtbar bleibt. Dafür kann man dann aber ohne die ständigen Unterbrechungen, wo wirklich nur genau EIN Charakter - oft für längere Zeit - im Rampenlicht steht, nur um seine Magie aufzuladen, endlich mal an den vielfältigen Problemen, Konflikten und Politikquerelen der diversen Gruppierungen im Setting spielen.

Die Magie ist in Mage (egal welche Version) sicher interessanter umgesetzt. UA erreicht meinem Eindruck nach leider nicht die stimmungsvolle Integration von Magie und Moderne, wie man sie aus Witchcraft kennt.

UA hat seine Stärke eben in der Grundeinstellung: ALLE "urban legends" sind WAHR. Und wer sich das als Kampagnenbasis für z.B. D20 Modern, Witchcraft, usw. vornimmt, der spielt effektiv auch UA.

Das Regelsystem ist ein "One-Roll"-System, welches noch SEHR VIELE Macken gerade bei physischen Konflikten hat. Die späteren Entwicklungen, die zur One-Roll-Engine (ORE) führten, sind da deutlich solider als das UA W%-Roll-under-System, welches ernom hohen "Whiff-Faktor" aufweist. Selbst kompetentere Charaktere reißen nichts - damit ist UA ein wenig wie Warhammer-Fantasy in der Moderne angesiedelt.

Ein paar Regelgimmicks wie Cherrys usw. sind nett, aber reißen es nicht raus.

Bei Kult habe ich den Eindruck, daß es einem als Spieler wirklich an die Nieren gehen kann, UA wirkt hingegen immer so "plastik", so "künstlich aromatisiert", halt so US-AMERIKANISCH. - Aber das ist natürlich auch gewollt.

UA ist eine Art übernatürliches Road-Movie-Rollenspiel für das Spiel in den USA der ausgehenden 90er-Jahre. - In einem anderen Settingumfeld KANN UA NICHT funktionieren.

UA ist Trailerpark, Drive-Thru, Motels. UA ist NICHT deutsche Schrebergärten, NICHT deutsche Parkhäuser, NICHT deutsche Fremdenzimmer.

Vor allem funktioniert in einem deutschen UA das Thema "urban legends" überhaupt nicht. Wir haben so etwas auch nur annähernd in Intensität und Verbreitung vergleichbares wie die US-"urban legends" einfach nicht.

UA funktioniert auch nur in einem Gesellschaftsumfeld, wo Verschwörungstheorien und extremstes Mißtrauen gegenüber "dem Staat" der Normalzustand sind. Daher auch diese ganzen Geheimgesellschaften in UA - die fügen sich nahtlos in die sonstigen US-Conspiracy-Lunacies ein, die man so kennt bzw. besser nicht kennen möchte.

Wie ich schon bei Erscheinen der deutschen Ausgabe von UA feststellte: In einem deutschen Setting passen UA-Charaktere in etwa so glaubwürdig rein, wie Howard the Duck und Invader Zim. - In einem US-Setting hingegen könnte JEDER Passant ein Avatar oder ein Mage sein. Da paßt es bestens.

Wie gesagt: Heutzutage gäbe es vollkommen ANDERE Obsessionen, denen UA-Charaktere folgen würden. Facebook, Internetporn, Hacking, Derivat-Geschäfte, Tele-Shopping, usw. - Moderne, d.h. aus dem Jahre 2012 stammende UA-Charaktere sind ständig online, ständig mobil (was der Road-Movie-Ausrichtung von UA zugute kommt) und eben MODERN!

Die alten UA-Bände, ich hatte vor einigen Monaten mal beim "Umstapeln" in meinen Regalen wieder ein paar in den Fingern, sind ausgesprochen SCHLECHT gealtert.

Wenn man sich allein die Szenario-/Kampagnenbände anschaut und überlegt, welchen Einfluß die heutige Allzeitverfügbarkeit von Internetkommunikation und Mobiltelefonen auf den Ablauf solcher, eher "untechnologischer" Szenarien hätte, dann sieht man, wie ALT das Spielweltgefühl von UA wirklich ist.

Damit haben sie aber dasselbe Problem, das JEDES moderne, d.h. zum Zeitpunkt seines Erscheinens die "zeitgenössischen Gegebenheiten" als Settinghintergrund verwendende Rollenspiel hat.

UA ist zwar erst 14 Jahre alt, aber 14 Jahr MASSIVSTE technikgetriebene Gesellschaftsstrukturänderungen - wie sie eben über Facebook, Mobil-Internet, usw. aufgekommen sind - machen das Lesen der alten Bände schon jetzt zu einer reinen "Nostalgie-Dampfeisenbahnfahrt" in die Vergangenheit.

Eine echte NEU-Ausgabe von UA 2012 wäre vielleicht noch interessant. Aber auch da: Natürlich NUR in den USA als Setting angesiedelt.
 
Danke. Klingt als haette UA aehnliche Aktualitaetsprobleme wie Delta Green. Die idee an sich ist aber immer noch recht reizvoll.

Und ja, Kult kann - und zu einen gewissen Grad SOLL - an die Nieren gehen. Waehrend meiner regelnmaessigen Kult-Runde vor einigen Jahren hatten einige meiner Spieler deswegen regelmaessig alptraeume...
 
Von mir kommen mal "In dark alleys" und "The Esoterrorists". Zu beiden hab ich hier schon mal etwas ausführlicher was geschrieben.
Von mir kommen mal "In dark alleys" und "The Esoterrorists". Zu beiden hab ich hier schon mal etwas ausführlicher was geschrieben.
Von mir kommen mal "In dark alleys" und "The Esoterrorists". Zu beiden hab ich hier schon mal etwas ausführlicher was geschrieben.

Oh, hab ich jetzt auch 3mal das Gleiche geschrieben?

Ne, ernsthaft falls das Suchen zu umständlich ist.
Kurz:
In dark alleys bietet ein Kult ähnliches Setting das im Grunde davon ausgeht das unsere Existenz ein Gefängnis, der Tod ein leidvoller Übergang in ein neues Gefängnis ist und Graue Eminenzen dieses ganze Leiden leiten und steuern. Angesiedelt ist das in einem extrem gut beschriebenen Los Angeles.
Als Charakterklassen gibt es sehr abgedrehte Leute wie den "Helden der zwanghaft Gutes tun muß und sich die Probleme selber schafft, wenn keine vorhanden sind", "Alkoholiker die durch ihre Sucht Diemnsionen falten können", "Hermaphroditen die Fleischformen beherrschen", "Leute die sich selber Gliedmaßen amputieren um unsichtbare etherische und stärkere Gliedmaßen zu erhalten" und noch vieles in der Richtung mehr.
Es gibt ein interessantes und originelles System um in seine eigene Freudsche Psyche abzutauchen und mit dieser zu interagieren, andere Dimensionen, unsichtbare (From beyond läßt grüßen) Kreaturen um uns herum und so ziemlich alles was diese Welt böse und dreckig machen könnte.
Von der Originalität her hab ich bisher im okkulten Bereich kaum was besseres gefunden.
Die Spielbarkeit bleibt dabei wohl leider etwas auf der Strecke, sei es wegen dem recht krassen Setting oder dem überkomplexen und teilweise wirren System.

The Esoterrorists stellt ungefähr Delta Green auf Seiten von Majestic 12 dar. Das Ganze läuft mit dem netten Gumshoe System (Trail of Cthulhu u.a.) und bietet mit dem Esoterrorfactbook die Möglichkeit S.W.A.T. artige okkulte Einsatzteams zu spielen (die man im Grundspiel nur rufen kann) und die Einführung eines ausführlicheren Kampfsystems.
Der Hintergrund ist ungefähr der: Okkulte Terroristenzellen versuchen die Grenze zwischen unserer Realität und dem "Outer Dark" zu schwächen um Kreaturen zu rufen, stärkere Magie zu wirken und generell einfach cooler zu werden. Dazu ist ihnen jedes Mittel recht: Vom Eröffnen eines scheinbar harmlosen Esoterikladens, über die Verbreitung urbaner Legenden bis hin zu Bombenanschlägen mit bewußt okkulter Informationsstreuung dazu. Je mehr die Menschen an das Übernatürliche glauben desto schwächer wird die Barriere.
Und das sollen die Charaktere die einer geheimen Regirungsorganisation angehören, also Men in Black sind, verhindern.
Interessant ist hier das man gezielt gegen den um sich greifenden Fantasy-, Esoterik- und Märchenwahn ankämpft, irgendwie für das Konservative steht und die Menschen hin zur Ignoranz führen muß. Zu ihrem eigenen Besten natürlich. Ironisch, zynisch und gut.
Anzumerken wäre hierbei noch, das das Book of Uremitting Horror, das zur Reihe gehört, für mich das vielleicht beste Monsterbuch ist das ich bisher gesehen hab.
 
Zu Delta Green würde ich ganz stark widersprechen.
Schon Eyes only war hauptsächlich dazu gedacht das Setting auf den neuesten Stand zu bringen. Zumal es im Grundbuch oder Countdown nichts gibt das man nicht mit ein paar Handgriffen aktualisieren könnte. Das ist bei UA was anderes. Das Setting lebt vom Zeitgeist und ist somit am besten spielbar wenn man es in den 90ern beläßt.
Und mit der geplanten neuen Edition wird das Problem wohl komplett aus der Welt geräumt sein.
 
Jo, beide in in Print. Ich neige auch rein von der Spielbarkeit her zu Esoterrorists. Außerdem wird das Spiel immer noch regelmäßig unterstützt.

Ach ja und Esoterrorists hat den unschätzbaren Vorteil das es das Game mittlerweile auch auf Thai gibt.
 
Passend zu Mage würde ich Dresden Files nennen. Die halte ich aber alle drei eher für Urban Fantasy.

OA hat vor allem interessante Ideen, die man ggf. auch in andere Spiele übernehmen kann. Als geschlossenes Spiel würde ich es nicht benutzen und so ist es vielleicht auch gar nicht gedacht. Die Prämisse ist eben, dass merkwürdige Dinge passieren, wozu insbesondere aber nicht ausschließlich durchgeknallte Magier und Achetypen-Nachahmer zählen.

Regeln sind in der Tat nicht so dolle, wobei die Regeln für geistige Stabilität (Kerben) definitiv zu den besseren gehören.
 
Eigentlich ähneln sich Dresden Files und UA bis auf das Genre und Popkultur jetzt nicht so sehr.
Gleichzeitig muss ich aber sagen, dass der Gedanke eine UA Konzepte in Dresden Files einzuschleusen seeehr reizvoll ist.
 
Ich mein jetzt nicht direkt Mage.
Seit ich Lovecraft und vor allem die Cthulhu RPG Bücher kenne fließt irgendwie der Mythos in jede Rollenspielrunde, in der ich eine Böse Macht (TM) brauche, ein.
Is wie die Pest, wirklich. Aber da geht's scheinbar nicht nur mir so sondern auch unzähligen Autoren und professionellen RPG Schreiberlingen so.
Robert E. Howard wäre der erste der das bestätigen könnte.
 
Zurück
Oben Unten