Ich persönlich hatte vor, einen Malkavianer
genau nach dem Prinzip des Jokers zu spielen:
Chaotisch. Geschminkt. Anarchisch. Wahnsinnig. Zerstörerisch.
Ich hatte ein komplettes Charakterkonzept ausgearbeitet. Zwei Tage dran gesessen. Optisch natürlich die geniale Fassung aus The Dark Knight übernommen. Charakterlich am Joker angelehnt aber versucht ein wenig Eigenflair zu geben um nicht komplett zu kopieren.
Und wisst ihr was? Einer meiner lieben Mitspieler in der Ahnenblutchronik der sich auch in die SL-Arbeit einbringt (Hallo Eldrige
) hat mir einen sehr sinnvollen und wichtigen Tip gegeben:
Mach das nicht.
Kopiere nicht das Aussehen des Charakters, übernimm nicht seine Wesenszüge. Der Charakter wirkt vorhersagbar (egal wie unvorhersagbar der Char selbst auch sein mag als Joker) und er wird stets hinter der
genialen Filmvorlage zurück stehen. (Vielleicht sogar gerade deswegen,
weil sie so genial ist.) Weil jeder sofort erwartet, dass der Charakter genau so wie der Filmcharakter sein wird. Und das engt einen nur unnütz ein und beschränkt die rollenspielerische Freiheit und vor allem: die
Eigenleistung.
Was habe ich gemacht?
Ich habe aus dem Joker eine Frau gemacht. Das Schmatzen wurde zu einem Zucken mit leichtem Sprachfehler. Die Clownsschminke... fiel komplett weg. Genau so wie die Narben. Statt dessen ist der Charakter extrem optisch wandlungsfähig. Jede Nacht erscheint er komplett anders gestyled. Teilweise steilt das gute Fräullein Gretchen (so der Name) sich am gleichen Abend komplett um. Hinzu kommt eine abartig schwankende Persönlichkeit. Sie hat keine klassische Persönlichkeitsstörung in Form einer Handvoll ausgearbeiteter Charaktere die sich ihren Körper teilen, sondern buchstäblich dutzende verschiedene Persönlichkeiten die in ihr umeinanderkullern wie Glasprismen in einem Kaleidoskop.
Fazit?
Der Charakter ist absolut unvorhersagbar. Er ist optisch eine Schau, hat sein "Rampenlicht" das jeder Malkavianer braucht, aber nicht so viel davon, dass er allen anderen Spielern die Show stielt (das, was kein SC jemals tun sollte). Die Bandbreite des Charakters ist abartig: von kleinem unschuldigen Mädchen, rachsüchtigem Vergewaltigungsopfer, kühler Geschäftsfrau, harter Drogendealerin, verängstigtem Opfer, sabbernder Irrer ist alles drin.
Und - für mich das wichtigste: Der Charakter ist
authentisch. Ich spiele nicht etwas nach, das ich selbst irgendwo gesehen habe und cool fand.
Versteht mich nicht falsch: Das soll keine Selbstbeweihräucherung sein. Der Charakter ist mit Abstand die größte rollenspielerische Herausforderung für mich, vor der ich jemals stand. Aber es macht wahnsinnigen Spaß, ihn zu spielen. Und noch etwas: in einer Pen&Paper Runde würde ich diesen Charakter
niemals spielen.
Warum? Weil ich ihn nicht spontan spielen könnte. Oder nur mit langer Vorüberlegungszeit. In einem Foren-RPG jedoch kann ich wegen den athmosphärisch dichteren Postings dem Charakter die Tiefe geben, die ihn erst richtig zur Geltung kommen lässt. (Zumindest versuche ich es).
Deswegen @Topic:
Ich würde davon abraten, das Konzept des Jokers zu übernehmen. Lasst Euch davon inspirieren. Dreht es, wendet es, übernehmt das, was euch gefällt. ABER: Ändert es bewusst ab. Am besten wirkt es tatsächlich, wenn man nicht erkennt, dass der Joker als gedanklicher Vater des Charakters gewirkt hat, wenn er genug eigene Persönlichkeit entwickelt hat, um selbst einen Maßstab gesetzt zu haben und nicht in der mentalen "Jokerschublade" gelandet zu sein.