Rezension [T-Rezi] Korsaren der Karibik

Caninus

heiliges Caninchen!
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Korsaren der Karibik


Eine Brettspielrezension [T-Rezi]


Ahoy!

Arr, da steht sie nun, eine schwere Truhe voller Gold, Waffen, Abenteuer und Schiffe ... !?!

Avast!

Gemeint ist natürlich der kompakte und gut befüllte Spielkarton aus dem Hause Pegasus, der das Spiel “Merchants and Marauders” (zu übersetzen mit "Kaufleute und Plünderer") in der deutschen Überarbeitung enthält: "Korsaren der Karibik". Der deutsche Titel ist damit eindeutig keine wörtliche Übersetzung des Spiels, aber auch eindeutig griffiger. "Korsaren der Karibik" gaukelt allerdings ein reines Piratenspiel vor - und das ist halbwegs falsch. Im Spiel geht es nämlich um mehr, denn viele Wege führen zum Sieg.

Das Ziel des Spiels ist es, die meisten Ruhmpunkte zu erreichen. Es endet sobald jemand zehn Ruhmpunkte errungen hat, dann wird ausgezählt. Oder wenn es keine Ereigniskarten oder Kapitäne mehr gibt. Dadurch gibt es drei Faktoren, die den zeitlichen Rahmen stecken. Zwar wird der Wunsch geweckt einfach immer nur weiterzuspielen, aber irgendwann muss ja einfach mal Schluss sein. Immerhin wird "Korsaren der Karibik" mit einer durchschnittlichen Spielzeit von 45 Minuten pro teilnehmendem Spieler angegeben. Es kann mit zwei bis vier Leuten gespielt werden und kommt dadurch auf bis zu drei Stunden Spielzeit. Die lohnen sich zwar, sind aber schon ein Brocken. Vor allem die Erstpartie zum Kennenlernen der Spielregeln braucht ein wenig mehr an Zeit.

Die Spielregeln selbst sind dabei erfrischend einfach, bieten aber dennoch sehr viel Komplexität. Erfahrene Brettspieler haben es sogar ziemlich einfach, sind etliche der Mechanismen selbsterklärend oder so nachvollziehbar, dass sie sofort sitzen. Trotzdem drückt sich die deutsche Spielanleitung an einigen wenigen Stellen etwas umständlich aus, aber im Pegasus-Forum sind alle Klarstellungen zu finden. Falls denn jemand tatsächlich Probleme mit den Regeln haben sollte.

Der Inhalt der Schachtel ist ziemlich voluminös. Neben der Anleitung gibt es einen schön illustrierten Spielplan der Karibik, auf dem siebzehn Meereszonen und sechzehn Häfen eingetragen sind. Bei letzteren gibt es gleichzeitig auch noch Sonderregeln, die auf dem Plan aufgedruckt wurden. Diese Regeln sind sehr stimmig und erzeugen sofort die richtige Atmosphäre. Das Salzwasser scheint einem dabei regelrecht ins Gesicht zu spritzen.

Nachdem der Plan auf dem Tisch liegt, wird aufgebaut. Jeder Spieler zieht sich zufällig eine der sechzehn Kapitänskarten und wählt eines der Startschiffe. Die Schaluppe eignet sich gut, um als Pirat in See zu stechen, die Fleute dient dagegen mehr als Kauffahrer. Die Werte des Schiffs werden dabei mit kleinen farbigen Holzwürfeln auf dem sogenannten Kapitänsbrett nachgehalten. Es gibt zehn Goldstücke in die Kasse und das Schiff wird in den Heimathafen gesetzt. Dort steht auch die eigene Schatztruhe, die tatsächlich zum Basteln aus Karton beiliegt und einfach zusammengesteckt werden kann. Mit passendem Münzschlitz. Immerhin brauchen die Mitspieler nicht zu wissen, was sich im Geheimversteck der Konkurrenz befindet. Außerdem gibt es sofort mal eine Ruhmkarte auf die Hand. Immerhin ist man ja wer.

Auch der Plan wird ordentlich bestückt. Da werden verdeckt Kauffahrermarker und Schiffsmodifikationen ausgelegt, es wird bestimmt was in den Häfen für Waren stark nachgefragt sind, es werden Aufträge ausgelegt und die Ruhmpunkte der Spieler nachgehalten. Nun wird der Startspieler ermittelt, der die jeweiligen Runden einläutet. Am Anfang jeder Runde wird eine Ereigniskarte gezogen und laut vorgelesen. Insgesamt gibt es vierunddreißig Ereigniskarten, die eine maximale Spieldauer von zweiunddreißig Runden bedeuten.

Am Anfang ist das Meer noch wie leergefegt. Die Spieler können sich entscheiden, wie sie zu mehr Ruhm kommen möchten. Sie können unter die Piraten gehen und die Kauffahrer aufbringen. Dann wird jedoch ein Kopfgeld ausgesetzt und die Marine eröffnet die Jagd. Oder die Spieler entscheiden sich, als unbescholtene Kauffahrer zu agieren und Handel zu treiben. Dann werden sie von Piraten gejagt, die scharf auf ihre Beute sind.

Im Spiel kann es nun insgesamt vier Marineschiffe (für jede vorkommende Nation eines) und zwei Piratenschiffe (eine Schaluppe und eine Fregatte) geben, die nach eigenen Regeln gegen die Spieler agieren. Das ist überschaubar, aber auf so einer kleinen Karte ist der Feind auch schnell herbeigesegelt. Zudem tauchen die Schiffe auch immer an unterschiedlichen Stellen auf, sobald ein neuer Marine- oder Piratenkapitän in der Karibik erscheint. Diese Nichtspielerschiffe segeln aber auch munter alleine herum. Allerdings kann von jeder Nationalität und jeder Piratenschiffsgattung nur ein Kapitän auf dem Brett aktiv sein.

Während sich die Karibik also langsam füllt, ist ein Spieler nach dem anderen am Zuge. Jedem stehen drei Aktionen zur Verfügung. Entweder eine Hafenaktion, sich bewegen oder nach einem Schiff in der gleichen Meereszone suchen - und somit eventuell angreifen.

Im Hafen ist so einiges los. Hier können die Kapitäne der Spieler Gerüchte aufschnappen, ihr Schiff ausbessern, Spezialwaffen kaufen, Reparaturen vornehmen, Aufträge annehmen und natürlich handeln. Handeln macht in "Korsaren der Karibik" ziemlich viel Spaß. Normale Waren werden für drei Gold ver- und gekauft. Besteht Nachfrage, gibt es beim Verkauf sogar sechs Gold. Wurde die Nachfrage bedient, wird der Nachfragemarker ausgetauscht. Um zu ermitteln was für Waren gehandelt werden, zieht der Spieler sechs Karten. Bleibt er vor Anker und versucht in der nächsten Runde nochmals sein Glück, dann sind es nur noch drei Karten. Waren die der aktuellen Nachfrage entsprechen, werden neu gezogen. Verkauft ein Spieler von einer Waren drei oder mehr in einem Hafen, gibt es sogar einen Ruhmpunkt. Das ist alles ziemlich simpel und macht unheimlich Spaß.

Aber auch das Piratenleben macht große Laune. Als Pirat sucht der Spieler mit seinem Kapitän die Meereszonen nach Kauffahrern ab. Das klappt natürlich nur, solange ein Kauffahrermarker in der Zone ist. Hat der Spieler mit seinem Würfelwurf Erfolg, wird der Marker umgedreht. Der Spieler entscheidet nun, ob die Nationalität des Kauffahrers dem Marker oder der Zone entspricht und ob er wirklich angreifen will. Immerhin bedeutet ein Angriff zwar Fracht, Gold und vielleicht auch Ruhm, aber ebenso klettert langsam das von dieser Nation ausgegebene Kopfgeld in die Höhe. Außerdem jagen Marineschiffe die Piraten. Und die Häfen der überfallenen Nation sind zukünftig gesperrt. Allerdings ist der Heimathafen eines Kapitäns für ihn immer offen. Anmerkung: Es gibt natürlich auch weibliche Kapitäne im Spiel.

Das Kopfgeld verleitet wiederum die lieben Mitspieler, den Piraten aufzubringen. Kämpfe gegen Piraten, Marine und Mitspieler funktionieren anders, als das Aufbringen von Kauffahrern. Hier wird taktisch entschieden und versucht, sich gegenseitig auszumanövrieren, zu entern oder gar zu fliehen. Neben der Taktik, spielt dabei auch das Würfelglück eine große Rolle, denn die besten Kanonen sind unnütz, wenn der Spieler keinen Totenkopf würfelt. Die sind nämlich anstelle der 5 und der 6 in die Würfel graviert. Eine schicke Sache, denn die Würfel wirken durch ihre Verarbeitung allgemein ziemlich piratisch.

Gegen die Marine in den Kampf zu ziehen ist übrigens die einzige Möglichkeit, eins der formidablen Kriegsschiffe zu ergattern. Mit den sogenannten Man'o'Wars fahren nämlich nur Länder durch die Karibik, die sich im Krieg befinden. Im Krieg kann es durchaus passieren, dass Häfen gesperrt sind. Da wird das Handeln zu einer sehr kniffligen Herausforderung. Zudem fahren auch noch Piraten herum, die es auf die Händler abgesehen haben. Es ist eindeutig: "Korsaren der Karibik" ist ein umfangreiches und komplexes Spiel, mit sehr viel Möglichkeiten und einer unheimlich dichten Atmosphäre.

Die wird durch Ereignisse, Gerüchte und Aufträge weiterhin verdichtet. So kommt es gerne mal zu einem Sturm, der Schiffe beschädigen kann und auf hoher See eine wertvolle Aktion kostet. Da wollen Piraten Geleitschutz oder Naturforscher laden zu einer Schmetterlingsjagd ein. In den Kneipen machen zudem die Gerüchte um ein Geisterschiff die Runde ...

"Korsaren der Karibik" ist schon ein kurzweiliges Spiel und die Zeit verfliegt unbemerkt. Es ist auch spannend den Zug der Mitspieler zu verfolgen und darauf zu achten, was die liebe Konkurrenz anstellt. Partnerschaft und Verrat liegen nahe beieinander. Allerdings ist es unmöglich untereinander zu handeln.

Die Ausstattung des Spiels ist hervorragend. Es gibt schicke Plastikschiffe in unterschiedlichen Farben, alle benötigten Marker sind vorhanden und die Idee der zusammensteckbaren Truhen ist einfach toll. Außerdem gibt es für die Spieler eine Kurzübersicht, auf der alles steht, was es zu wissen gilt. Dort stehen sogar die Texte des Spielbretts, damit sich niemand verrenken muss, um die Sonderregeln zu lesen. Alles ist auch schick illustriert und sehr stimmig. Um die vielen Marker, Figuren und Würfel einzupacken liegen auch genügend Plastikbeutel bei. Ebenfalls toll. Einziger Nachteil: Die Schachtel ist einige Millimeter zu niedrig, um alle Teile bequem einzupacken. Es ist schon etwas Fummelei und die Truhen müssen sogar nach jeder Partie auseinandergenommen werden, anstatt sie solide verkleben zu können. Aber das macht dem Spielspaß keinen Abbruch.

Unterm Strich, und mit einem Entermesser zwischen den Zähnen, gibt es nur eine Bewertung für dieses Spiel: Top! Absolute Empfehlung!

Arr!

Copyright © 2012 by Günther Lietz, all rights reserved
Diese Rezension erschien zum Zeitpunkt des Eintrags ebenfalls auf Taysals WebBlog und Buchrezicenter.

Korsaren der Karibik

Brettspiel von Pegasus Spiele (2011)
für 2-4 Spieler ab 13 Jahren
Dauer: ca. 45 Minuten pro Spieler
Autoren: Christian Marcussen & Kasper Aagaard
Übersetzung: Christian Stenner
Illustration: Ben Nelson & Chris Quilliams
Maße: 295 x 295 x 70 mm

Inhalt: 1 Spielbrett, 4 Kapitänsbretter, 254 Spielkarten, 26 Plastikschiffe (4 verschiedene Modelle), 24 Marker “Nachfrage”, 17 Marker “Kauffahrer”, 16 Marker “Schiffsmodifikationen”, 12 Marker “Spezialwaffen”, 20 Marker “Kopfgeld”, 4 Nautische Marker, 29 Holzwürfel, 100 Münzen, 10 spezielle Würfel, 4 Geheimverstecke, 4 Spielhilfen

http://www.pegasus.de
http://www.foren.pegasus.de/foren/index.php?/forum/138-korsaren-der-karibik/
http://www.youtube.com/watch?v=2cKCkbWDGwEDen Artikel im Blog lesen
 
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