Systemvorstellung: Powered by the Apocalypse / *World

Teylen

Kainit
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Wer die derzeitigen Diskussionen verfolgt sowie einen Blick auf Kickstarter warf wird feststellen das es einen neuen Trend bei den populären Systemen gibt.
apocalypseworld.jpg
Das derzeit wohl populärst Spiel dürfte Dungeon World sein, welches klassische Fantasy im Stil der World Systeme interpretiert. In Bezug auf moderne Settings hält Monsterhearts seinen Stand und versucht Serien aus dem "supernatural romance" Genre für Spieler zugänglich zu machen.
Derzeit versuchen gleich vier World Systeme auf Kickstarter Rollenspieler zu finden welche sie finanzieren. Drei dieser Projekte sind hierbei bereits mehr als gefundet und selbst exotischere Genres wie Wrestling finden ihre Anhänger.

Woher das ganze?

Die Powered by the Apocalypse oder auch "World Spiele" basieren auf dem Spiel "Apocalypse World" von Vicent Baker.
Vicent Baker ist ein Autor welcher wohl der Indie-Szene zuzurechnen ist.
Das eigentliche Spiel wurde von ihm nicht als Universal System angelegt. Allerdings regte er bereits in AW an das Regelwerk nach eigenen Bedürfnissen zu erweitern sowie Hacks zu erstellen.

Wie ist das System einzuordnen?

Powered by the Apocalypse legt eine sehr erzählerische Spielweise nahe. Das heißt die Geschichte kommt zuerst und die Regeln sind dazu da um die Geschichte zu unterstützen.

Obwohl es narrativ ist, ich es zumindest dort einordnen würde, hat das Spiel einen Spielleiter - oftmals "Master of Ceremonies" genannt -, verwendet Würfel und bietet ordentliche Mechaniken.

Das Spiel setzt auf Player Empowerment ist dabei jedoch, meines Erachtens nach, weniger fordernd als beispielsweise FATE. Die Einbindung geschieht mehr über ein organisches Frage- und Antwortspiel als das der Spieler aufgefordert wird sich Aspekte zu überlegen, die einzubringen, Fakten zu schaffen etc. pp.

Wie sieht der Grundmechanismus aus?

Der Grundmechanismus ist:
2W6 + Wert

Das Ergebnis wird abgelesen:
10+ - Ein voller Erfolg
7-9 - Ein Erfolg mit einem catch
6 - Kein Erfolg, es geschieht etwas negatives

Der Wert leitet sich aus den Attributen des Charakter ab.
Im an klassischen Rollenspiele angelehnten Dungeon World sind das:
Strength, Dexterty, Constitution, Intelligence, Wisdom, Charisma
Bei anderen Apocalypse World Spielen sind es in der Regel weniger Attribute wie im Fall von AW:
Cool, Hard, Hot, Sharp, Weird

Während man in einem traditionelleren Rollenspiel würfen würde was gerade passt arbeiten die "powered by the Apocalypse" Spiele mit vorgefertigten Zügen.

Es gibt hierbei Basic Moves, Züge die allen Spielern zur Verfügung stehen. Es gibt sogenannte Periphical Moves, Züge die seltener verwendet werden und die man ggf. rauslassen kann.
Es gibt die Moves die nur bestimmten Charakter-Typen zustehen.

Welche Mechanismen sind noch interessant / AW-typisch?

Neben den Moves werden häufig noch Beziehungen zu anderen Charakteren oder gar Organisationen abgebildet. Bei Dungeon World sind es Bonds, bei The 'Hood Debts und by Apocalypse World Hx.

Diese sind so gestaltet das man die Intensität der Beziehung untereinander ablesen kann, diese senken sowie steigern kann, jedoch allein aufgrund dieser nicht den Charakter ferngesteuert bekommt ohne das das nachhalten der Punkte sinnlose Buchhalterei wird.

Als einfaches Beispiel werden die Bonds bei Dungeon World relevant wenn der eine Charakter dem anderen helfen möchte. Der Unterstüztende rollt in diesem Fall 2W6 + Bonds.

Wie kampforientiert ist das Spiel?

Die meisten Apocalypse World Spiele sind auf ein Spiel um die Beziehungen der Charaktere untereinander ausgelegt.

Dementsprechend sind Kämpfe mitunter eher sehr kurz und tödlich.
In gewisserweise stellt Dungeon World eine Ausnahme dar.

Wie man vorher rausbekommt ob man sich in dem Hack eher wöllt oder eher ankeift?
Man nehme ein Charakterblatt und suche nachdem höchsten Wert (HP, Heat, Gesundheit).
Liegt der Wert bei 1-3 Stufen ist es sehr tödlich und vermutlich nicht Spiel bestimmend.
(The 'Hood hat zwei HP Verwundungsstufen und eine HP Stufe für Tod -> Ergo, sehr tödlich)
Liegt der Wert bei 3-6 Stufen ist es wohl Spielfokus und vermutlich Spielrelevant.
(The 'Hood hat 5 Stufen für Heat -> Ergo, Spielfokus)
Liegt der Wert höher ist es weniger tödlich allerdings auch weniger dahingehend Spielrelevant als das man daurend drauf starren muss.
(Dungeon World Charaktere haben zwischen 7 - 30 HP)

Kann man leveln?

Ja. Man bekommt in bestimmten Situationen XP.
Beispiele sind unter anderem:
  • Das Würfelergebnis ist kleiner 7
  • Die Beziehungsleiste wird zurück gesetzt
  • Effekte von Spielzügen
  • Zielerreichungen bei der End of Session
Wer aufsteigt darf einen Wert hochsetzen, typischerweise bis zu einer Grenze von +3 oder +4 sowie einen neuen Zug für seinen Charakter auswählen.

Wie lange kann man spielen?

Die Spiele sind idR. auch für längere Kampagnen geeignet. Gerade solche Hacks oder Systeme die vermerken das man ab einem bestimmten Punkt neue Züge erfinden kann.
Es dürfte allerdings an seine Grenzen kommen wenn man Jahrelang spielen mag.

Wie darf man sich die Charakter-Erschaffung vorstellen?

Zunächst einmal recht schnell. Es ist kein Problem mit 5 Leuten in etwa einer halben bis einer dreiviertel Stunde Charaktere zu erstellen.

Eine Eigenheit der meisten World-Spiele ist das sie den Spielern Playbooks bieten.
Jedes Playbook darf in der Regel nur einmal in der Runde vorkommen. Andernfalls würden sich die Spieler mit den Kompetenzen der Charaktere doch stark in das Gehege kommen. Allenfalls darf man unter Umständen zweimal das gleiche Playbook haben, wie bei Monsterhearts "Der Vampir". Es wird jedoch davon abgeraten.
World-Spiele welche ohne Playbooks arbeiten gibt es, aber sie sind selten (Bootleggers, Last One Standing wären zwei mir bekannte).

Auf den Playbook findet der Spieler alle Informationen die er für den Charakter braucht.
Unteranderem auch die Züge die der Charakter hat.

Das ausfüllen des Playbooks verläuft im Auswahlverfahren.
Von Beschreibungen der Augen, Kleidung, Name des Charakters bis hin zu der Punkte-Verteilung sowie den Zügen welche dem Charakter von Anfang an zur Verfügung stehen.

Würfelt der Spielleiter?

Nein. Der Spielleiter würfelt bei PbtA Spielen nicht.
Er sagt allenfalls den Schaden an oder informiert die Spieler wie sie den Schaden den ihr Charakter erleidet würfeln.

... Was macht der Spielleiter dann?

Dem Spielleiter stehen wie den Spielern eigene Züge zu.
Das heißt der Spielleiter kann sogenannte "Soft Moves" machen um das Spielgeschehen voranzuentwickeln. Würfelt der Spieler entsprechend schlecht, kann der Spielleiter auch "Hard Moves" bringen, welche das Spiel auf aggressivere Art und Weise bereichern.

Auch ist es die Aufgabe des Spielleiters die Spieler allerlei Dinge zu Fragen, sowie die antworten dieser ins Spiel einfliessen zu lassen.

Last but not least verwaltet er eine oder mehrere sogenannte "Fronts".
Bei Fronts handelt es sich um Gefahrenszenarien die im Spielverlauf, entsprechend durch die Spielerhandlungen beeinflusst, eskalieren oder deeskalieren könnten.

Das heißt aus spielerischer Sicht bietet PbtA quasi eine Mechanik für die Erzählung.

Wieso knallt es erst jetzt rein, AW ist doch schon älter? Gibts was kontroverses?

Meiner Theorie nach zwei Aspekte:
- Es ist kein Universal System. Man muss es erstmal hacken und viele waren ggf. z.f. dazu.
- Die Entwicklungen im Forum von Vincent Baker brauchten einfach Zeit zum reifen
- In Apocalypse World gibt es Sex-Moves. Das heißt wenn der Charakter Sex hat passiert etwas besonders. Diese Einbindung, Fokussierung auf Sex mag nicht jedem gefallen haben.
Insofern kann Dungeon World, in dem es nicht um Sex geht, dort stark dazu beigetragen haben das das System an sich populärer wird

Welche Spiele gibt es da so?

Neben dem UrVater Apocalypse World? Verdammt viele!

Bekanntere sind:
Dungeon World
tremulus
Monsterhearts
Monster of the Week
Legends of the Icelanders

Ich würde gerne zu Kickstarter gehen und schauen was grad so läuft?

Spirit of 77 - a Funky 1970's Tabletop Role-Playing Game
Ein Funky AW Hack der in höchste Disco-Sphären abhebt.

The Sprawl: Cyberpunk Roleplaying, Powered by the Apocalypse
Ziemlich genau das was der Titel sagt

Broken World - A Post-Apocalypse Tabletop RPG
Apocalypse World gone full cycle. XD
Na, Scherz. Das Projekt ist auf dem Wunsch entstanden eine etwas leichtere AW Variante zu haben bei der man auch fröhlich schnetzeln kann. Mehr bei Dungeon World angelehnt.

Last One Standing
AW goes Battle Royal. Es geht um fröhliches PvP auf einer Insel.
Das Spiel hat viel Flak einstecken müssen weil es kein typischer Vertreter ist (Kampforientiert, keine Beziehungen, keine Playbooks) und das Projekt wird vielleicht nicht gefunded. Wäre schade.
 
Klasse Artikel, danke Teylen. (y)
Ich kannte das System aus tremulus und wusste auch, dass das irgendwie irgendwoanders herkommt, konnte es aber nie so richtig einordnen. Den Hinweis auf die Hitpointleiste fand ich exzellent.

Welches der dir bekannten Spiele waere denn am besten als universelles Grundregelwerk geeignet, um damit moeglichst variabel andere Settings zu spielen?
Wie umfangreich sind z.B. die verschiedenen Spiele mit Moves und Playbooks ausgestattet, die man anderweitig einsetzen koennte?
Wie schwierig waere es deiner Meinung nach, ausbalancierte eigene Moves und Playbooks zu erstellen?

Ich koennte mir vorstellen, dass nach laengerem Spiel eine laengere Move-Liste fuer die Spieler schnell unuebersichtlich und unhandlich wird. Irgendwelche Erfahrungen dazu?
 
Das Problem bei den mir bekannten Spielen die ich gelesen bzw. gespielt habe ist das sie sehr dicht in das jeweilige Setting beziehungsweise Genre verzahnt sind.

Was die grundlegende Mechanik und Funktionsweise des Spiels betrifft würde ich Apocalypse World empfehlen.
Es hat zwar eine eher unbequeme Sprache bzw. rauen Ton bietet allerdings die Grundlagen.

Ansonsten könnte man das Startsystem nach Genre auswählen.
Bei einigen sollte es sogar möglich sein mit nur kleinen Veränderungen zu spielen.

Eine kleine Aufstellung:

Post Apocalypse: Apocalypse World
Der Fokus ist auf der verkommenen Welt und den Konflikten (Sex) unter den Charakteren.
Playbooks: 11 - Ergänzung: Es gibt weitere
Basic Moves: 10
Peripheral Moves: 5
Playbook Moves: Advanced Moves sind ausformuliert

Fantasy, bei D&D angelehnt: Dungeon World
Man hat einen starken Fokus auf actionreiche Konflikte, Kämpfe und das System verneigt sich leicht vor der Vorlage.
Daher auch die ungewöhnlich vielen Attribute.
Playbooks: 8 - Ergänzung: Es gibt jede Menge über einen Erweiterungsband sowie DTRPG hinzuzufügen
Basic Moves: 8
Peripheral Moves: 13
Playbook Moves: Advanced Moves sind ausformuliert

Crime-Drama, ala Weeds oder Breaking Bad: The 'Hood
Im Fokus stehen Kleinkriminelle in der Gegenwart.
Weniger die Action und Gewalt als die Debts unter den Spielercharakteren, die Probleme die kommen wenn man kriminell wird und die Abhängigkeiten die entstehen.
[Man braucht Apocalypse World da einem sonst die Grundmechaniken fehlen]
Playbooks: 18
Basic Moves: 7
Peripheral Moves: 7
Playbook Moves: Advanced Moves sind nicht ausformuliert

Horror, Cthulhoid angehaucht: tremulus
Man hat im Grunde die typischen Horror bzw. Gruselgeschichten mit Fokus auf die zwanziger Jahre.
Dank der Anlehnung an Cthulhu gibt es Sanity Punkte sowie Lore/Wissenspunkte
Playbooks: 12 - Ergänzung: Wenn ich mich nicht verzählt hab, plus es gibt viele andere in Erweiterungen
Basic Moves: 8
Playbook Moves: Advanced Moves sind nicht ausformuliert

Paranormal Romance: Monsterhearts
Eine wilde Melange unterschiedlicher übernatürlicher Kreaturen die im Grunde miteinander und der Pubertät kämpfen.
Es ist weniger ein Monster of the Week wie bei Buffy, als das Drama das entstand nachdem Buffy mit Angel Sex hatte.
Playbooks: 10 - Ergänzung: Es gibt weitere die man sich tauschen soll.
Basic Moves: 7
Playbook Moves: Advanced Moves sind nicht ausformuliert

(Nicht in meinem Besitz / gelesen)
Urban Fantasy: Monster of the Week
Es geht wohl um das ummoshen des wöchentlichen Monster.

Historical: Sagas of the Icelanders
Man bespielt eine kleine, mittelalterliche Siedlung.
Es ist sehr auf soziale Konflikte und das Überleben konzentriert.


Allgemein macht es mehr Sinn und dürfte einfacher sein ein Playbook selbst zu schreiben oder einen Move zu erfinden als etwas zu übertragen.
Gerade für letzteres gibt es auch in fast jedem vollwertigen Spiel eine Anleitung.

Bisher fand ich die Moves beim spielen sehr übersichtlich und einfach. Wobei ich auch nur einen Krieger bei Dungeon World spiele.
Die Basic Moves hat man m.E. ansonsten schnell intus. Zumal sie auch idR. sprechend benannt sind. Zudem passen sie auf ein, ggf. zwei Blätter.

Ansonsten gibt es hier ein YouTube Video wo man spontan ein neues Setting (Zombie Apocalypse) baut:


Hier einmal eine Schnupperrunde Dungeon World:
 
Wollte nur kurz einwerfen, dass es mittlerweile die 2. Edition von Apocalypse World gibt. Ich hab mein Exemplar gestern im Rahmen eines Kickstarter-Rewards bekommen, muss aber erst im Detail drüber schauen. So vom ersten Blick her: die 2. Edition ist jetzt nicht grundverschieden, aber einige Dinge sind klarer formuliert, näher erläutert, oder mechanisch ein bisserl feiner geschliffen. Ich bin jetzt auch nicht so ganz zufrieden mit Teylens Review, aber wir haben da vermutlich einfach unterschiedliche Sichtweisen auf dasselbe Ding. Wenn ich später Zeit hab, versuch ich mich nach ein paar Testrunden an einer detaillierten, review-ähnlichen Impression der 2. Edition. (Das könnt' aber noch eine Weile dauern.)
 
Ich bin gespannt :) Habe auch die neue Edition, allerdings ist mein Interesse da etwas hinter andere RPGs zurückgetreten ^^;
 
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