Ich spiele nur noch Systeme, bei denen solche tiefgreifenden Eingriffe ins Charakterkonzept entweder temporaer sind (abgehackter Arm waechst durch Heilmagie nach oder wird durch Cyberware ersetzt)
Nun, das ist ja meist weniger eine Frage des Regelsystems, als des SETTINGS.- Wenn man in einem 30 Jahre Crime-Setting spielt, dann wächst halt ein abgehackter Arm bei der Medizin der 30er Jahre NICHT wieder nach. - Somit ist es entweder Zeit für einen neuen Charakter (hier sagt das Regelwerk, auf welchem Erfahrungs-Niveau - so das Regelwerk das überhaupt kennt - dieser einsteigt), oder - und das ist in meiner Erfahrung sowohl als Spieler wie als Spielleiter VIEL interessanter - der Charakter wandelt sich auch psychisch durch dieses traumatische Ereignis. Das verleiht dem Charakter enorm viel Tiefgang, Tragik und Glaubwürdigkeit.
Beispiele dafür gibt es in solch großer Anzahl in Literatur und Film, daß JEDER solche Fälle kennen dürfte.
Warum durch unglaubwürdiges Zurechthämmern eines unmagischen, unvercyberten Settings einen harten, ja wirklich behindernden Fakt, der IM SPIEL erspielt wurde, durch eine "Gnadenbehandlung" durch den Spielleiter, der nach Gutsherrenart verfügt, daß der von den Mafia-Schlägern abgesägte Arm halt "nur eine Fleischwunde" war, total ENTWERTEN. Das entzieht wirklich JEDEM Mitspieler die "suspension of disbelief", wenn solch ein Realitätsbeugen der Spielwelt stattfindet.
Wer sich, wie ich vor ein paar Monaten, für ein völlig unmagisch ausgestattetes modernes Söldner-Setting als Spieler bereit erklärt hat, der WEISS, daß sein Charakter mit Pech oder einfach nur durch kein Glück verletzt, verstümmelt oder getötet werden kann. Das kann in der ersten Mission passieren, oder in der 10. oder noch später. Und es WIRD irgendwelchen Mitspielern passieren! Das ist ein ganz elementares SPANNUNGSELEMENT in dieser Art Setting. Der Einsatz ist hoch. Sehr hoch. Die Charaktere sind extremen Gefahren ausgesetzt und - NEIN, es war KEINE "cinematisch überkandidelte" Sache, sondern eher bitterernst und beinhart. Die Spannung und die gesamte Grundstimmung in solchen Settings ist einzigartig.
Weichgespülte Cinematik kann so etwas nie und nimmer bieten. - Und ich spiele ansonsten eher schwerpunktsmäßig cinematisch.
... oder es gibt einen gleichwertigen Ersatz, der vielleicht dafuer sorgt, dass sich das Konzept aendert, aber nicht vernichtet, weil zur Nutzlosigkeit degradiert wird.
Gibt es ja! - Der einarmige Gunslinger entdeckt den Glauben, wird zum reisenden pazifistischen Prediger, der am eigenen Leib erfahren hat, was es heißt "durch das Schwert zu leben". Solche Charakterkonzepte, die man bei der Charaktererschaffung im Kopf hatte, sind doch nicht in Stein gemeißelt und nie mehr änderbar!
Das ist eher ein armseliges Konzept, das sich nicht mit den durch die Erlebnisse des Charakters auf ihn wirkenden Eindrücken WANDELTE!
Der blutrünstige, seine eigene Gesundheit nicht achtende Barbarenkrieger wird, nachdem er in-game eine Frau gefunden hatte, ein erste Kind gezeugt hatte, eine Familie, die ihn braucht, gegründet hatte, deutlich vorsichtiger, umsichtiger und - ja, das ist der eigentliche Wandel - verantwortungsbewußter handeln!
Der dreckige Söldner, der nur nach dem Geld für die nächste Hurerei aus war und dem es egal war, wen er alles dabei zu Schaden kommen ließ, der wird, nachdem ihm extreme äußere Umstände die Verantwortung für eine eigene kleine Truppe übertragen hatten, plötzlich sich um "seine Jungs" sorgen, sich um sie kümmern, sich als verantwortungsvoller Anführer erweisen, der sogar das Zeug dazu hat, den verwaisten Königsthron der Spielwelt für sich zu erobern! - DAS ist mal ein Wandel im Charakterkonzept!
Es geht in jede Richtung! - Die "Artilleriemagierin", die in einem Anfall von Blutrunst übelste Taten verübt hatte und der ein Paladin solange ins Gewissen geredet hatte, bis sie sich als Buße SELBST geblendet hatte, ist ein tragischer Fall eines gefallenen Helden, der spät, aber vielleicht nicht zu spät versucht den rechten Weg wiederzufinden. - DAS ist auch ein Wandel im Charakterkonzept!
Statische Charaktere, die von der ersten bis zur 1000. Spielstunde wie "Malen nach Zahlen" nur ihr steifes, enges Korsett an Charakterkonzept ausfüllen, sind langweilig.
Daran finde ich nix interessantes und die Spieler, die so etwas interessant finden, brauche ich nicht, denn meiner Erfahrung nach handelt es sich sehr oft um egoistische Selbstdarsteller mit gering ausgepraegter sozialer Kompetenz.
Derartige beleidigende Herabsetzungen kannst Du Dir besser sparen. - Denn Spieler, die an DRAMA, an CHARAKTERENTWICKLUNG (nicht nur "mehr coole powers"!) und an ÜBERZEUGENDEN Charakterdarstellungen Interesse haben, haben derartiges Absprechen sozialer Kompetenz und Selbstdarstellervorwürfe NICHT verdient.
Das sind nämlich nach MEINER Erfahrung tatsächlich verdammt GUTE Rollenspieler und nicht einfach nur Knallchargen-Runterwürfler und Charakterkompetenz-Wichser.
Und wo bleibt das denkwuerdige Ende?Ich will mich gerne an alte Charaktere erinnern und das wird erschwert, wenn ihr Konzept zerstoert wird und sie dann aufs Abstellgleis kommen.
Das "denkwürdige Ende" ist doch gerade ein solch kritisches Ereignis, das einen Charakter aus der Hauptlinie der Geschichte nimmt.
Der Charakter, der den Stamm verlassen muß, weil er VERBANNT wurde.
Der Gunslinger, dem beide Hände zerschossen wurden und der nun als Prediger oder als Snakeoil Salesman sein weiteres Leben fristet.
Der Magier, der ausgebrannt ist und nun als Scharlatan, Wahrsager und Trickbetrüger im verrufensten Viertel von Sanctuary herumhängt.
Das sind auch SEHR denkwürdige Enden des bisherigen Charakterlebens - auch ohne daß der Charakter stirbt.
Wenn ich daran denke, wie oft z.B. Charaktere in meinen Runden durch Heirat aus dem "Abenteurerleben" ausgeschieden sind. OFT. Und jedesmal hieß das, der Charakter geht andere Wege als seine alten Weggefährten. - Denkwürdig war das auf alle Fälle.
Und wenn ich dann an "unvorhersehbare" Charaktertode denke, Midgard kritischer Treffer, W% 100 gewürfelt, Charakter sofort hopps. Einfach so. In einem "minderwichtigen Kampf". Kann passieren. - Auch Midgard: Kritischer Fehler mit alchemistischer Sprenggerätschaft, geht auf der Stelle hoch, ALLE SCs einer achtköpfigen Gruppe sind darin, ALLE sind tot. Klassischer TPK aufgrund eines EINZIGEN kritisch gescheiterten Wurfs.
Denkwürdig waren auch diese Charaktertode.
Ja sogar an meinen ersten Basic D&D Charakter, einen Elfen, kann ich mich noch gut erinnern, der nach spannendem Erkunden einiger Räume in einem Dungeon beim Versuch vor Feuerkäfern zu fliehen einfach so draufgegangen ist. Mitsamt seinen anderen Mit-SCs. Ein TPK in Raum 5. - Der nachfolgende Charakter, ein Kämpfer, ist in einem TPK in Raum 2 (anderes "Eck", anderer Eingang in den Dungeon) umgekommen.
Denkwürdiges Ende? - Klar. Und zwar in jedem Falle!
Du laesst wirklich Spieler, die ihren Stufe 10 Charakter verloren haben wieder auf Stufe 1 anfangen und degradierst sie somit zum nutzlosen Anhaengsel der Gruppe und das nur, weil es in den Regeln steht?
Wenn die REGELN, auf die sich die Gruppe vorher geeinigt hat, dies so vorsehen, dann natürlich. - Aber Du bist hier SEHR voreingenommen und hast einen SEHR ENGEN Horizont der Rollenspiele, die Dir bekannt zu sein scheinen, denn: Je nach Regelsystem ist ein Anfänger-Charakter mit 0 XP alles andere als "nutzlos"!
Ob das BoL, Savage Worlds, Deadlands Classic, HeroQuest, RuneQuest, usw. ist - NEUE Charaktere können hier IMMER einen wichtigen, spürbaren und gleichberechtigten Teil zu den Gruppenaktivitäten beitragen.
Wenn man hingegen z.B. altes D&D spielt, das Du vermutlich für das Maß aller Dinge zu halten scheinst (so wirken Deine uninformierten Äußerungen jedenfalls), dann ist es dort tatsächlich so, daß man - so nicht Hausregeln was anderes sagen - mit 0 XP auf Stufe 1 einen neuen Charakter startet. Da die Gruppe ja recht bald recht satte XP-Beträge erspielen wird, steigt dieser natürlich schneller auf als in einer reinen Stufe-1-Runde. Aber wer seinen Charakter verliert, der darf das durchaus auch SPÜREN.
Einfach die laufende Nummer auf dem KLON-Charakter eins raufzählen und mit gleicher XP-Zahl, gleichen Werten, gleicher Ausrüstung letztlich den alten Charakter weiterspielen? - Das finden ausreichend viele Spieler so dermaßen langweilig und öde, daß gerade solche Old-School-Runden mit obiger harter Wiedereinstiegs-Regel keinen Spielermangel haben!
Ich spiele meist mit Leuten, die moechten, dass ihre Charaktere auch nuetzlich sein duerfen (und damit meine ich nicht, dass sie die Waesche fuer den Rest der Runde waschen duerfen). Deshalb werden da die Regeln entweder abgeaendert oder abgesetzt, denn der Spielspas und die Zufriedenheit der Spieler erachte ich als wichtiger als Regeln.
Ich spiele NUR nach Regeln, die zu den MITSPIELERN passen!
Wenn ein Spieler nicht zu den Regeln paßt, dann spielt er halt in dieser Runde nicht mit, sondern in einer mit einem Regelsystem, das ihm eher liegt.
Wie schön, daß es so viele, viele, viele Rollenspiele da draußen gibt, so daß für JEDEN Spieler sein(e) Lieblingsspiel(e) dabei sein kann/können.
Wie gesagt, Deine Schilderungen wirken so eingeengt, so eingeschränkt, so fixiert auf sehr bestimmte Spielverhältnisse sehr bestimmter, nicht einmal sehr aktueller Regelsysteme, daß ich mich schon etwas wundere.
Wer HEUTE spielt, hat die AUSWAHL. Und daher gibt es auch KEINEN Grund die Regeln irgendwie aufzuweichen, sie gar zu BRECHEN, nur um irgendwelche "Spielerzimperlichkeiten" zu adressieren. Heutzutage spielt man dann ein ANDERES, PERFEKT geeignetes Regelsystem, das ALLEN in der Gruppe gefällt.
Man braucht dazu einzig ein klein wenig Überblick über das (große) Angebot und ein wenig Erfahrung damit, aus seinen Spielern auch tatsächlich ihre Vorlieben herauszulocken (die sie meist nicht anständig verbalisiert bekommen, sondern die man eher in Probespielrunden kennenlernen kann).
Spielspaß - das ist etwas, das JEDER SELBST an den Spieltisch mitbringt. Wer sich als Spieler nicht bemüht allen anderen am Tisch Spielfreude zu bereiten, der ist in meinen Augen ein SCHLECHTER Rollenspieler. - Leute, die sich nur bespaßen lassen wollen, die nur konsumieren wollen, die lauter "Save Points" im Spiel erwarten, die sind vor der Konsole oder dem Computer besser aufgehoben als am Spieltisch.