Rezension Shadowrun - Rhein-Ruhr-Megaplex [A!-Rezi]

Caninus

heiliges Caninchen!
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Rhein-Ruhr Megaplex


Eine Shadowrun-[A!-Rezi] von Infernal Teddy


Man muss ja der deutschen Shadowrun-Redaktion eines zugute halten: das Material zu ADL, das sie bisher produziert haben macht richtig Lust auch mal in deutschen Landen zu spielen. Das war nicht immer so, die ADL wie sie in Deutschland in den Schatten und Deutschland in den Schatten II präsentiert wurde war mir – Frankfurt-Kampagne hin oder her – ähnlich suspekt wie vielen anderen Spielern. Dennoch, der Redaktion von Pegasus ist es mit dem neuen Material gelungen, viele Schwachstellen der Vergangenheit auszumerzen, am deutlichsten wurde das beim Berlin-Quellenband, dem ersten der Pegasus-eigenen Büchern. Allerdings reden wir heute nicht über Berlin (Das kommt noch), sondern über ihren neusten Band, Rhein-Ruhr Megaplex.

Wie alle anderen Quellenbücher von Pegasus ist auch Rhein-Rhur Megaplex (RRM) ein Hardcover mit blauem Einband und gelbem Titel. Das Cover zeigt einen Ork, der gerade versucht eine blauhäutige, elfische Angestellte von Saeder-Krupp einzuschüchtern. Das Bild ist ganz nett, passt wohl auch zum „S-K ist hier überall“-Thema, aber nichts daran sagt wirklich „Ich bin das RRM-Buch“. Im Inneren folgt das Buch dem Shadowrun-üblichen Layout in schwarz/weiß, bis auf die acht Farbseiten, auf die wir nachher noch zu sprechen kommen. Ein solider 200-Seiten-Band, mit einem Lesebändchen in Gelb.

Inhaltlich bietet RRM eine Übersicht über „den Pott“ des Jahres 2074, aufgeteilt in sieben Kapiteln. Wie immer handelt es sich dabei um einen Text, der innerhalb der Spielwelt verfasst wurde, und der immer wieder mit Kommentaren der User eines Forums – in diesem Fall das Panoptikum – aufgelockert und erweitert wird. Ohne große Einleitung stürzt sich das erste Kapitel „Deutscher Megasprawl“ auf die „zukünftige Geschichte“ von Rhein-Ruhr, beginnend mit den Todeszuckungen der BRD Anfang des 21. Jahrhunderts bis zur „Gegenwart“. Ebenfalls enthalten ist eine einseitige Übersichtskarte des Plexes und eine Übersicht über die besten Anreisemöglichkeiten für Runner die von außen kommen. Früher fand ich diese Anreiseabschnitte ganz nett, aber mittlerweile frage ich mich doch welchen Nutzen sie haben – ich habe noch nie erlebt das jemand diese Informationen tatsächlich nutzt, zumal die beschriebenen Städte immer mehr als eigene Minisettings dargestellt werden, die sowieso mehr oder weniger von einander unabhängig bespielt werden.

Eine Beschreibung der einzelnen Städte (Oder heißt das beim Plex jetzt Stadtteile? Und wenn ich Stadtteile sage, ist dann jemand beleidigt?) gibt es im zweiten Kapitel „Rundflug“, wobei einzelne Stadtteile nicht aufgeführt werden wenn sie später ein eigenes Kapitel erhalten, zum Beispiel Essen. Die Beschreibungen sind recht knapp gehalten – klar, man könnte vermutlich zu jedem Stadtteil ein eigenes Kapitel verfassen, was bei 24+ Stadtteilen zu einem verdammt dicken Wälzer geführt hätte – es gelingt den Autoren dabei aber dennoch, jedem Stadtteil einen eigenen Charakter zu bieten. Einzig das Blättern stört mich als nicht-Pott-Kenner ein wenig, das ist das Kapitel wo die Übersichtskarte sinnvoller gewesen wäre. Anderseits beweisen hier die Autoren Humor – wer sonst immer den Infokasten mit der Bevölkerungsübersicht ignoriert sollte hier man drüberschauen. Ich jedenfalls habe gelacht... Ebenfalls Teil dieses Kapitels ist eine kurze Übersicht über das Verhältnis zu den Nachbarn, wie zum Beispiel Luxemburg, Westphalen oder den Niederlanden. Das anschließende Kapitel, „Rhein-Ruhr-Kultur“ ergänzt das vorherige sehr gut, und war für mich eine sehr angenehme Überraschung: Eine Betrachtung wie man im Plex so lebt, was typische Freizeitbeschäftigungen sind, wie man sich kleidet, welche Sportarten wichtig sind und wer mit wem verfeindet ist. Serien, Autos, Restaurants, einfach alles (Und Werbung für den nächsten Trog of War teil, juchee!)

Wer sich gefragt hat warum Essen aus dem Übersichtskapitel ausgenommen wurde erfährt den Grund im nächsten Kapitel, „Essen und Saeder-Krupp“. Hier erfahren wir nicht nur, wie viel Einfluss S-K WIRKLICH im Plex hat (Die richtige Antwort ist immer: mehr als du dachtest, chummer), sondern auch wie sehr S-K und Essen mit einander verzahnt sind. Und sogar einen Einblick in den „Alltag“ des Konzerns wird geboten, inklusive wie der durchschnittliche Politiker mit den Wünschen des Drachen umgeht (Wobei hier klargestellt wird das sich die Wünsche des Drachens und die Wünsche von S-K nicht immer identisch sind), welchen Metatyp die persönliche Tipse des Drachens hat (Tipp: Leute aus Lofwyrs schwarze Liste kommen NICHT auf seinen Speiseplan. Sondern auf ihren), und einen Blick auf das Innere der Arkologie... und mittendrin, völlig aus dem Kontext, kommen die acht Farbseiten. Eine Art Anwerbebroschüre mit der S-K Runner anheuern möchte, mit einem Grußwort des Präsidenten persönlich („Wenn Sie für mich arbeiten wollen sind wir bereit für Sie. Wenn nicht... wir sind bereit für Sie!“ - schön doppeldeutig). Die Broschüre ist cool, keine Frage, ein netter Gimmick, aber die Platzierung ist... fragwürdig. Es wäre besser gewesen, sie am Ende des Kapitels zu platzieren statt mittendrin, vor allem weil es keine Verbindung zwischen Broschüre und den Text den sie unterbricht gibt.

Natürlich ist Saeder-Krupp die dominanteste Macht im Plex, aber nicht mal der Drache kann alles beherrschen. Um die anderen Mitspieler dreht sich das Kapitel „Mächte im Pott“, ein Überblick über die anderen wichtigen Konzerninteressen, politische Gruppen und Parteien, Gewerkschaften, Sicherheitsorganen, und natürlich auch kriminellen Machenschaften (Worin sich diese Gruppen unterscheiden ist natürlich eine andere Frage, vor allem in der Sechsten Welt, aber das ist ein anderes Thema...). Das daran anschließende Kapitel, „Brennpunkte“, stellt einige der Örtlichkeiten vor, die für Runner und andere Berufsverbrecher von Interesse sein könnten, aber auch die „Unterstadt“, die ehemaligen Bergwerke und Tunnels auf denen die Stadt steht. Das letzte Kapitel, „Spielinformationen“, bietet dem Spielleiter das nötige Werkzeug um eine Kampagne im Plex aufzuziehen, mit Kartenmaterial, Beispiel-NSCs, Abenteuervorschlägen und ähnlichem.



Fazit:
Den Autoren ist es mit diesem Band gelungen, den Rhein-Ruhr Plex umfangreich und informativ für Spielgruppen zu erschließen. Es wäre einfach gewesen aus der von einem Konzern dominierten Stadt einen einfachen Konzernspielplatz zu machen, wie es mit Groß-Frankfurt in Konzernenklaven geschehen ist, aber statt dessen präsentiert sich hier dem geneigtem Leser eine Stadt die ähnlich wie auch schon Berlin einen ganz eigenen Charakter hat. Was mir vor allem gefallen hat, ist das sich die Autoren hier jenseits einer einfachen Übersicht über die Stadt, die Stadtteile und Machtgruppen sich auch noch Mühe gegeben haben die Kultur und die Stimmung der Stadt einzufangen und für Spieler nachvollziehbar und interessant zu gestalten. Meiner Meinung nach ist Rhein-Ruhr Megaplex das bisher interessanteste und vor allem stimmungsvollste Setting innerhalb der Shadowrun-Welt, und ich kann dieses Buch nicht genug loben. Vergesst Seattle, ignoriert Chicago und Hong Kong, SO sollten Stadtbeschreibungen für Shadowrun aussehen.
(Jetzt muss Pegasus nur noch das ganze Kartenmaterial für dieses Buch und Berlin wieder auf der Website zur Verfügung stellen, und ich bin glücklich...)Den Artikel im Blog lesen
 
Sehr schöne Rezi! Gefällt!

Bisher hatte ich mich immer ein wenig gesträubt, in der ADL zu spielen. Nordamerika ist für mich ein bißchen der "klassische" SR-Hintergrund (und ich spiele noch nicht SO lange in dem System, dass für mich der Hintergrund schon ausgenudelt wäre). Aber diese Rezi macht durchaus Lust, das Buch auf meine Wunschliste zu stellen und demnächst meine Gruppe zu überlegen, ein paar Runs in deutschen Landen zu unternehmen :)
 
Gefällt gut, fasst auch alles wichtige zusammen. Was ich ja bei Euren Rezis vermisse, ist eine Bewertung ;) Ich lese es auch gerade und wir werden bei uns auch ein Rezension in den nächsten Wochen online stellen.
 
Du meinst Bewertungen wie in Noten? Macht meiner Meinung nach wenig sinn, lieber ein ausführliches Fazit. Beispiel: Rezensent A ist ein großer Fan von Autor Z, weswegen jedes Buch von ihm automatisch die Bestnote bekommt. Lieber ein ausführliches Fazit damit der leser weiß, WARUM dem Rezensenten das Werk gefällt. Bei Rezensionen sind Noten jedenfalls sehr irreführend.
 
Das seh ich schon etwas anders. Auch in Computerspielmagazinen zB findet man Punktbewertungen. Klar ist, dass eine Rezension immer subjektiv ist und sich daher von anderen unterscheidet. Wir weisen unsere Rezensenten an, skeptisch und kritisch zu sein. Das fängt die 5er Sterne ab, meistens zumindest ;)
 
Die meisten Computerspielmagazine sind aber auch nicht das Papier wert auf das sie gedruckt werden ;)

Punktbewertungen täuschen eine Objektivität vor die schlicht und ergreifend nicht möglich ist, und ich mag meine Leser nicht täuschen.
 
Ich glaube nicht, dass Punktmeldungen mehr Objektivität vortäuschen als Texte - hängt das nicht ausschließlich daran, wie man sie liest?
Ich finde generell Wortmeldungen auch besser, und bei den stark subjektiven Rollenspielen nochmal mehr. Ich meine, klar, ne Wertung als Mini-Überblick kann tatsächlich nicht schaden, solange man sie nicht zu wörtlich nimmt (speziell, wenn sie relativ schwammig ist, etwa zwischen 1 und 5), aber notwendig finde ich sie nicht.

Zum Setting: Hm. Bis jetzt fahre ich mit "Schattenstädte" sehr gut (ich mag Hamburg auch voll gern als Setting), fand Berlin zwar extrem nice, aber nicht total atemberaubend und nach meinem Geschmack auch zu detailliert. Macht es trotzdem Sinn, sich dieses Buch anzuschauen? Ich muss mal gucken, was die pdf kostet (es ist imho immer unglaulich schwer, sich von solchen Settingbänden durch Durchblättern oder Reinlesen ne Meinung zu machen).

Edit: Hm, zumindest noch nicht auf Drivethru. Berlin dafür 30€. Neeee, nicht für ne pdf.
 
Hmm. Ich denke, wenn dir Berlin zu detailiert war könnte es RRM auch sein, wobei hier weniger gewicht auf die einzelnen Stadtteile gelegt wurde, sondern eher auf die "Kultur" des Plexes.

Schattenstädte... naja, meine Rezi dazu kennst du noch?
 
Ich hab immer das Problem, dass ich folgende Dinge will: a) möglichst wenige Bücher im Schrank, b) ein paar grundverschiedene Settings für etwas Abwechslung, c) möglichst bodenständig beschriebene Settings, deren Details ich mir gern auch dazudichten kann. Schattenstädte hat das eigentlich ziemlich gut gemacht, weil Seattle halt normal ist, Hamburg deutsch und speziell, Hongkong exotisch und abgefahren, Marseille auf eine europäische Art sehr quirky und die anderen "kleinen" Städte auch ganz nett.
Konzernenklaven klingt jetzt beim Lesen eigentlich auch ganz cool... (hab gerade in deine Rezi geguckt). Vielleicht sollte ich da mal noch nen Blick reinwerfen, auch wenn ich Frankfurt bisher weeeesentlich uninteressanter als Hamburg finde.
 
Hamburg war für mich imemr "Joar, wie Seattle halt... aber in der ADL". Generell wirkt Schattenstädte so ;)

Und am besten gefiel mir an Konzernenklaven ehrlich gesagt LA :D
 
Konzernenklaven bietet sich an, weil es in einem ähnlichen Stil wie Schattenstädte verfasst wurde (und dir das ja schon gefällt).

Wenn Du in einem Settingband "Luft" brauchst, um genug eigene Ideen unterzukriegen, dann schaff Dir lieber erst mal Konzernenklaven an. Da dürftest Du durch die Menge an beschriebenen Settings mehr von haben, zumindest vorläufig.
 
Oke, danke! Ist ja auch ziemlich billig inzwischen. *bestell*

Ich finde, Hamburg hat durch dieses Venedig+krasseMedien+Nutten schon so ein eigenes, Shadowrun-mäßig-abgefahrenes Flair. Aber gut, ich finde es ehrlich gesagt auch schwer, sich ein wirkliches Bild von den Städten (und den entsprechenden Einträgen in den Büchern) zu machen.
 
Ich mache das immer ein wenig wie in der WoD: Reale Vorbilder nehmen und dann um passende Elemente erweitern. Bei SR dann beispielsweise Slums oder toxische Zonen...

Aktuelle Stadtpläne gibt es ja heutzutage über Googleearth recht flott und günstig...
 
Ja, das macht imho auch total Sinn. Aber so ein übersichtliches, einigermaßen fertiges Setting auf 30 Seiten oder so find ich dann doch schon derbe cool, zumal Shadowrun einfach eine sehr lebendige Welt hat. :)
 
Das war nicht immer so, die ADL wie sie in Deutschland in den Schatten und Deutschland in den Schatten II präsentiert wurde war mir – Frankfurt-Kampagne hin oder her – ähnlich suspekt wie vielen anderen Spielern.
Ohne diesen Satz hätte ich, als ADL-Gewohnheitsverweigerer, vermutlich gar nicht weiter gelesen.
Ich hab weiter gelesen und jetzt bin ich ein bissl traurig, dass ich kein SR mehr spiele. Gerade für meine zuletzt laufende Kampagne wäre neben HK und Seattle ein weiterer Spielplatz in Europa sicherlich noch interessant gewesen.
Nette Rezi.
 
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