Selbstständige Spieler - aber wie?

AW: Selbstständige Spieler - aber wie?

Meine Frage wäre, was du, Burncrow, dir unter Eigeninitiative vorstellst?

Ich meine, meinst du dies bezogen auf den Verlauf eines Abenteuers? Daß die Spieler dort möglichst alles vorgekaut haben wollen und eigentlich nur wissen wollen, wann sie würfeln sollen?

Oder ist es eher auf das alltägliche Leben eines Charakters bezogen. Wenn man dem Spieler die Frage stellt, was sein Charakter gerade so macht, daß dann eine, für dich, unbefriedigende Antwort kommt ("Ich putze meine Waffen." - "Du weißt doch noch, daß es beim Bund hieß, es gibt keine reinen Waffen, huh?" - "Jo." - "Das hast du widerlegt. Was nun?" - "Öhm...Kein Plan." - "Na gut, es kommt ein Anruf/Bote/whatever.").


Ich glaube, in Bezug auf die erste Frage, ist es relativ einfach. Gib den Charakteren ein paar Infos an die Hand, mit denen sie arbeiten müssen. Bleiben die Spieler tatenlos, schaffen sie es nicht das Abenteuer erfolgreich zu beenden.
Aber ich schätze an diesem Punkt sollte man das Gespräch mit den Spielern suchen. Wenn wir in unserer Gruppe Probleme haben oder in früheren Gruppen hatten, haben wir uns immer 'nen kühles Bierchen geschnappt (ganz früher auch 'ne Limo), auf's Sofa gepflanzt, Glotze auf Berieselung und mal die Ansichten ausgetauscht.
Es gibt Spieler, die mögen es, wenn der SL railroadet, bis sie irgendwann gefordert werden, in Form eines Würfelwurfes. Ist das nicht die Spielweise des Spielleiters sollte man einen Kompromiß finden oder die Gruppe auflösen. Hat auch keinen Sinn seine Freizeit freiwillig mit etwas zu verbringen, worauf man in dieser Form keinen Bock hat.


Im zweiten Fall kann es zB auch die Unsicherheit der Spieler sein, wenn sie noch nicht so das Gefühl für die Spielwelt haben, wenn sie gar nicht genau wissen, was sie alles unternehmen können.
Auch hier sollte man sich mal in Ruhe hinsetzen und labern. Ja klingt nach: "Ey du, alles easy. Müssen wir mal locker drüber sprechen, wah? Ja ganz easy, du, machen wir, neh?", aber lieber mal zwei, drei Stunden die Köpfe rauchen lassen und dann gucken, ob man da nicht Abhilfe schaffen kann.


Natürlich muß aber auch die Plattform gegeben sein. Wenn man zB in einem Fantasy-RPG in einem Vier-Haus-Dorf rumhängt (aus welchen Gründen auch immer), dann sind da natürlich die Möglichkeiten zur Aktivität eingeschränkter, als wenn man in der Hauptstadt rumschlawenzelt.
 
AW: Selbstständige Spieler - aber wie?

Ich hab die Erfahrung gemacht dass Spieler wahnsinnig aufmerksam gegenüber Äußerungen des SL sein können, und vieles schon als Entmutigung oder "Blocking" empfinden, was nicht so gemeint ist.
Daher ist es mMn verdammt wichtig, den Spielern auch vermitteln, dass ihre Entscheidungen die Handlung beeinflussen, indem man z.B. wichtige Ereignisse nicht von NSC auslösen lässt, sondern irgendwie auf Handlungen der SCs zurückführt. So a la "Seht ihr, hättet ihr vorhin / damals..." bzw.
"Seht ihr, weil ihr vorhin das und das getan habt..."
Wenn die Spieler das Gefühl haben, dass ihre Aufgabe nur darin besteht, auf eine Reihe von vom SL gestellten Situationen zu reagieren werden sie niemals selbst die Handlung ergreifen.
Und wenn dann ein Spieler mal von selbst eine Idee hat, auf keinen Fall sofort unmöglich oder annähern unmöglich schwer machen - ggf. kann man sogar zur Ermutigung des Spielers mal etwas einfacher gestalten, als es eigentlich sein sollte. Auch wenn die Spieler alles über den Haufen werfen und einen total ins kalte Wasser stürzen, auf keinen Fall alles wieder mit Gewalt in den vorbestimmten Rahmen zwängen.
 
AW: Selbstständige Spieler - aber wie?

Wie wär´s denn mal damit: Gib den Spielern einfach mal Zeit. Halt es aus, wenn sie zuerst nichts damit anzufangen haben, als Deine losen Enden aufzusammeln und zwing sie dazu, die Initiative zu ergreifen.
Wenn sich die Spieler über ihre Charaktere genug Gedanken gemacht haben, werden sie auch ohne Eingreifen des SL eigene Ziele haben, die sie dann verfolgen können.

Das Andeuten einer Gefahr, die jedoch nicht greifbar ist, sondern sich nur als vages Gefühl äußert, so als würde man gerade in eine Verschwörung hineingezogen, könnte ein Anreiz sein, aktiv zu werden, ohne dass der SL irgendetwas Konkretes vorgibt. (Für den Fall, dass die Spieler mit ihrer Freiheit am Anfang nun absolut nichts anzufangen wissen.)

Davon abgesehen kann ein Gespräch mit den Spielern natürlich immer Wunder wirken . . .
 
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Glaswandler schrieb:
Spieler sollten sich vor allem bewusst sein, was für Möglichkeiten sie haben.
Das denke ich auch. Allerdings sollten auch"unsichtbare Grenzen"gesetzt werden. Wozu bedürfte es sonst einen Leiter!?
Demon und Agro haben das"Problem"ganz gut erkannt...nur gute(und erfahrene?)Spieler werden sich ganz unbefangen in einer Welt bewegen-wenn sie wollen.
 
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Noname schrieb:
Mein Tipp: Triff sie dort wo es wehtut!

Im fortgeschrittenem Spielverlauf haben SCs, von guten Spielern, meist schon einen haufen Beziehungen/Freundschften geknüpft. Hier kann man immer gut ansetzen. Lass diesen NSCs etwas schlimmes zustoßen!

Auch nicht schlecht: Die Heimat/Domöne/etc. wird bedroht, schlimme Dinge geschehen dort... etc.

Im Klartext: Lass Dinge geschehen, die die SCs betreffen und warte auf ihre Reaktion, statt eine Geschichte zu erzählen.

MFG

Das kann aber auch arg nach hinten losgehen. Triff sie dort wo es wehtut und man bekommt - gerade von der "Berieseln lassen Fraktion" - erstmal absolutes Unverständnis und vielleicht sogar Trotz ab.

In so einem Fall hilft nur reden. Man muss sich einig werden was man gemeinsam will. Unter Umständen hat aber auch das gespielte System einen Einfluss auf die Handlungen der Chars. Gerade "Aufftraggeber Spiele" neigen dazu total gelangweilte Chars zu produzieren. Shadowrun, SLA Industries sind da zwei Kandidaten für.
 
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Mich würde immer noch intressieren, wie Burncrow die Frage jetzt genau meint...... ?(


H
 
AW: Selbstständige Spieler - aber wie?

Ich habe immer wieder das Problem, dass ich erwarten würde, dass Spieler sich viel mit sich selbst beschäftigen, selber Ideen einbringen und allgemein das SPiel, auf einer Ebene die höher liegt als blosse Reaktion, mitgestalten.
Aber auch wenn man es ihnen sagt, geht es bei den meisten wenig darüberhinaus.
Was tun?
 
AW: Selbstständige Spieler - aber wie?

Dazu wurde ja schon viel gesagt.
Bringe persönliche Motivationen ein, zB Partner, Geliebte, Kinder, Verwandte....lasse sie sich eigene Ziele für ihre Charaktere überlegen, die über 'Geld/Macht; usw) kriegen herausgehen.
Sachen, an denen gefühle jenseits von Hass und Rache hängen.

Und dann leite Abenteuer, die auf genau diese Sachen eingehen!
Oder betone diese Sachen stärker in normalen Geschichten.
Verbinde diese auch gerne (ich liebe zB Mündel)!

Und gib den Spielern ruhig zumindest ein wenig von dem, was sie gerne haben wollen.
Wenn sie das bekommen und es ihnen Spaß macht, werden sie, wenn sie dazu ermutigt werden, ganz von selber ihren Sachen nachgehen.


H
 
AW: Selbstständige Spieler - aber wie?

In meiner Runde hat es sich bewährt zuerst mal nen klassischen Opener zu spielen. Jeder Charakter wurde einzeln ins Spiel eingeführt (WoD - Hunter: the Reckoning). Alle Chars hatten ganz zu Anfang über 3 Ecken etwas miteinander zu tun (sie sollen sich ja auch irgendwann mal über den Weg laufen), aber die Einführung wurde allein gespielt.
Dann trafen sich die Charaktere und versuchten das erlebte (über Nacht mitbekommen, dass Monster ziemlich real sind) zu verarbeiten. Sie mussten ihre Scheu voreinander ablegen und sie mussten zusehen, dass sie nicht von anderen ertappt wurden ... immerhin waren sie wohl die einzig Betroffenen.

Und ich habe nichts getan. Es waren stinknormale Leute. Hätten die Chars nicht reagiert hätten sie lediglich die Hunter-üblichen Gewissensbisse des Nichtstuns bekommen .... kein Monster hätte einfach unmotiviert an ihre Tür geklopft. Vielleicht hätte ich als Anheizer noch ein zwei Gerüchte gestreut, denen man hätte nachgehen können.

Wichtig ist, dass die Spieler ihre Charaktere selbst einbringen können, dass sie nicht dem Druck unterliegen irgendwem gegenüber irgendetwas tun zu müssen.
Das war bei Shadowrun damals mal ne völlig neue Erfahrung für die Spieler, als sie aus moralischen Gründen einen Auftrag abgelehnt haben und nun irgendwie die Spielzeit rumkriegen mussten. Von mir gabs zumindest nichts neues - ich bin doch kein Arbeitsamt. ;)
 
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ArchangelGabriel schrieb:
Gerade "Aufftraggeber Spiele" neigen dazu total gelangweilte Chars zu produzieren. Shadowrun, SLA Industries sind da zwei Kandidaten für.
Aber man könnte diese Systeme auch dahingehend nutzen, daß die Charakter selbst aktiv werden müssen, weil sie keine Aufträge bekommen. Sicherlich, konstruiert, aber eine Möglichkeit (auch, wenn ich sie nicht sonderlich mag) und trifft den Kern der Sache, wie ich ihn verstanden habe, auch nicht richtig.


Ich bin aber der Meinung, daß man mit den Spielern quatschen sollte. Denn wie ArchangelGabriel richtig sagte, kann es auch wirklich nach hinten losgehen, wenn man krampfhaft versucht die Spieler zu einer anderen Spielweise zu "zwingen".
Außerdem sind solche Spielchen, wie "Deine kleine Schwester wurde entführt. Rette sie!", auch nicht das, was ich mir unter "selbst aktiv werden" vorstelle, denn der Versuch der Rettung ist ja auch nur die Reaktion auf die Aktion, das Entführen.
Auch wenn man gar nicht so ein Szenario meint, sondern ganz "normale" zwischenmenschliche Interaktion, geht dies ja nicht vom Spieler/Charakter aus, sondern vom SL/NPC.
Ich habe Burncrow eher in der Richtung verstanden, daß er auch mal gerne eine Sitzung quasi als Beobachter da sitzen möchte, der lediglich die Umwelt reagieren läßt.

Und da ich der Meinung bin, daß dies vom Spieler ausgehen muß, ist der Erfolg eines Zwangs nicht bestimmbar. Manche Spieler mögen es als "Anstoß in die >>richtige<< Richtung sehen", andere interessiert es nicht und wieder andere fangen an, daß man in ihre spielerische Entscheidungsfreiheit eingreift (obwohl man ja eigentlich das Gegenteil möhte) - und es wird sicherlich auch noch andere Reaktion geben.

Ferner bin ich der Meinung, daß der Charakter dazu auch eine Persönlichkeit haben muß, "Ecken und Kanten". Charaktere, die zum Beispiel zum Drogenkonsum neigen, müssen sich irgendwann Nachschub besorgen - ich gebe zu, daß das nicht der Weisheit letzter Schluß ist, aber es mag ein Anfang sein.
In meiner aktuellen Shadowrun-Runde ist der Straßensamurai nebenher u.a. noch Zuhälter. Nachdem er nun ein bißchen Geld gespart hat, will er sein Angebot erweitern und möglicherweise expandieren. Er wird von selbst aktiv - er hört sich um, wie er am besten gute "Arbeitnehmerinnen" anwerben kann; er klärt mit dem Syndiakt, an das er sein Schutzgeld zahlt, ob es teurer wird, wenn er "größer" wird usw. Der Rigger/Decker der Gruppe hat ihm zB auch schon einmal vorgeschlagen, wie es wäre, wenn ins SimSinn-Pornogeschäft einsteigen würde und ihm da so eine Art Finanzierungsplan unterbreitet. Alles ohne mein Zutun.

Hat du jetzt aber den aalglatten, eiskalten, stereotypischen Profi-Killer, der, wenn er keinen Auftrag hat, nur in seiner Wohnung sitzt und seine Waffe reinigt, Trideo guckt oder in der Bar um die Ecke zwei Whisky trinkt und sich dort mit niemandem unterhält, ist so etwas sehr schwer möglich.
 
AW: Selbstständige Spieler - aber wie?

Aber man könnte diese Systeme auch dahingehend nutzen, daß die Charakter selbst aktiv werden müssen, weil sie keine Aufträge bekommen.

Hör bloß auf, als tatsächlich mal Jobflaute herrschte, hat mir einer der Spieler immer wieder bei den verschiedenen Auftraggebern durchgeklingelt obs denn jetzt mal Arbeit gäbe, oder aber, um diese nicht zu nerven, gesagt: Meldet euch, sobald ihr was habt.
Ja und dann, als dann nicht binnen einer Stunde ein Anruf zurückkam ging sofort das Gemurre los: "Du erinnerst dich aber noch daran, dass ich da was beim Johnson gesagt hatte, ja?"

Auftragspiele verderben Spieler ... ich hab erst ein einziges Mal SR gespielt (vor SEHR langer Zeit) wo sich die Spieler komplett allein beschäftigt haben und hinterher selbst die Johnsons waren.
 
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ArchangelGabriel schrieb:
Unter Umständen hat aber auch das gespielte System einen Einfluss auf die Handlungen der Chars. Gerade "Aufftraggeber Spiele" neigen dazu total gelangweilte Chars zu produzieren.
Engel ist ein REINES "Auftraggeberspiel", da die Engel direkt dem Befehl ihrer jeweiligen Vorgesetzten unterstellt sind, sich nicht eigeninitiativ um irgendetwas kümmern dürfen und praktisch jede Spielsitzung ausschließlich auf der Basis einer MISSION, die der Schar auferlegt wurde, abläuft. - Und gerade Engel ist für mich eines der besten Beispiele, daß es nicht am Missions-/Auftrags-Charakter der Szenarien liegt, wenn dabei gelangweilte Charaktere herauskommen. Ganz im Gegenteil: Wenn es Charaktere sind, die eigene Wertvorstellungen haben, ein eigenes Profil, ein eigenes Empfinden über das Gute und das Schlechte in der Welt, und wenn diese Charaktere dann Missionen bekommen, die bisweilen krass ihren persönlichen Wertvorstellungen konträr beauftragt wurden, dann wird es interessant. Die Erfüllung der eigentlichen Mission ist bei Engel nur ein Teil des ganzen Geschehens. Es ist viel interessanter zu sehen, WIE und WARUM sich die Engel der Schar im Laufe der Mission entscheiden werden. Wie sie die inneren Konflikte ihrer eigenen Werte mit der Aufgabenstellung verarbeiten können. Ob sie diese inneren Konflikte in ihrer Schar offen austragen, oder insgeheim die Mission sabotieren. Ob die Sabotage auffällt und wie sich dann ihre Schargeschwister dazu verhalten. Was dann letztendlich herauskommt, ob die Mission überhaupt erfüllt wurde, und was den Auftraggebern in der Kirche erzählt wurde und wie dies zu dem steht, was sich WIRKLICH zugetragen hat, das ist immer sehr spannend.

Gelangweilte, träge, initiativlose, essentiell PASSIVE Charaktere bekommt man meines Erachtens dann, wenn diese Charaktere KEINE EIGENEN WERTE, KEINE EIGENEN LEIDENSCHAFTEN, KEINE WÜNSCHE FÜR DIE ZUKUNFT haben.

Das ist m.E. bei desillusionierten, abgehärteten, gefühllosen Cyberpunk-Charakteren leichter der Fall, als bei desillusionierten, innerlich erschütterten, aufgewühlten, FÜHLENDEN Engel-Charakteren.

Ich finde es relativ wenig inspirierend, wie in typischen SR-Runden die Charaktere NULL Werteprofil haben, abgehärtet gegen alles sind und dabei so passiv, so antriebslos, was die Spielwelt und die Rolle, die der CHARAKTER FÜR SICH darin sieht, anbetrifft. Man sitzt rum, wartet auf den nächsten Auftrag und erfüllt diesen, ohne sich auch nur einmal zu fragen, warum mache ich das denn, was bewirkt die Erfüllung dieses Auftrags in der Welt so, wozu lasse ich mich hier eigentlich so herumschubsen - nur für die Kohle? - Klar, das sind ja alles nicht von ungefähr abgefuckte Cyberpunk-Loser, die keine Zukunft haben und das auch noch wissen. Das Problem ist nur: sie haben auch KEINE GEGENWART! Sie kriegen nichts mit. Sie sind die Legion der Merkbefreiten. - Das ist so öde, daß mir das Genre Cyberpunk im Allgemeinen und darin SR im Speziellen relativ bald nichts mehr geggeben haben. In anderen Sci-Fi-Settings ist auch "cyber" drin, aber mehr Potential für PROFIL-Charaktere. Slicks sind Schönwetterreifen ohne Profil. Die Entsprechung sind Slick-Charaktere, diese immer gleichen (meist regeltechnisch ausgemaxten) Schönwetter-Mich-läßt-die-Spielwelt-völlig-kalt-und-alles-ist-mir-egal-SCs. Sie BRAUCHEN kein Profil, da sie ja nur rumsitzen und auf den nächsten Auftrag warten müssen, den sie dann ohne Nachzudenken abarbeiten, um dann wieder rumzusitzen. Sie kleben mit dem Arsch im Asphalt der Spielwelt und alles Interessante, alles Lebendige in dieser Welt rollt über sie hinweg. Und wenn mal ein Auftrag kommt, dann kullern sie wie eine leere Flasche bei einem vorbeifahrenden Wagen mal hierhin, mal dahin mit - bis sie überrollt werden. Dann ist eben ein neuer Charakter fällig. Macht ja nichts. Macht WIRKLICH rein gar nichts! Diese SCs haben weniger Profil als die meisten Extras/Mooks/... in typischen Pulp-Settings.

In meinen Rollenspielen erwarte ich Charaktere mit PROFIL (unabhängig von den regeltechnischen Werten). Und das bekomme ich auch (hoffentlich noch lange - derzeit bin ich jedoch rundum glücklich mit meinen Mitspielern).

Nicht nur Engel ist sehr auftragsorientiert. Wir haben in der Südstaaten-Gruppe bei Deadlands einen Texas Ranger. Die sind tendenziell recht selbstständig ("I am the Law!"), so daß es hier nur ab und an zu offiziellen Aufträgen kommt. Und da der Texas Ranger an seine Selbständigkeit und seine eigene Urteilskraft in ALLEN Dingen gewohnt ist, gehen dann solche Auftragsszenarien, wenn sie denn kommen, bislang immer - hm - "interessant" aus.

In der Nordstaaten-Gruppe haben wir eine Pinkerton-Agentin UND einen Reporter. Die Agentin wird öfter auf Aufträge der Agency angesetzt, der Reporter wird öfter zur Berichterstattung bei wichtigen Ereignissen (oder - weil er in seinem direkten Vorgesetzten einen ausdauernden Feind hat - bei UNwichtigen Ereignissen) eingesetzt. Beide haben ihre recht eigenwillige Art ihre Aufträge zu erledigen - vor allem sehr eigenwillig in dem, was sie nachher an die Agency bzw. in ihr Käseblatt berichten. Und manchmal, ja manchmal sind ihre Berichte sogar wie zufällig relativ deckungsgleich. - Aber sie brauchen keine Aufträge um aktiv zu werden. Sie sind in der Spielwelt auch anderweitig eingebettet und haben mehr als genug Antrieb, daß sogar ein typischer Auftrag als ERSCHWERNIS bei dem, was sie eigentlich gerade tun wollen, hinzukommen kann - vor allem, wenn Auftragsinhalt und ihre selbstmotivierten Handlungen einander entgegen laufen (und wenn es nur rein räumlich ist). Hier muß der Charakter entscheiden, was ihm wichtig im Leben ist. Und solche Entscheidungen wirken sich auf die Zukunft der Spielwelt aus (und wenn es nur im lokalen Rahmen ist - ein Übel, welches man nicht gleich ausgerottet hat, das schwärt weiter und wird schlimmer. Und manchmal kann man nur zwischen zwei oder mehreren Übeln wählen und es bleibt immer einer der eigenen Werte auf der Strecke. - Das ist das typische Engel-Feeling. Gibt es aber auch reichlich im Weirdwest.)


Man kann nicht von einer in manchen Konstellationen aus Spielercharakter-Beruf/-Klasse/-Archetyp, Gesellschaftshintergrund der Spielwelt, und einer (gängigen) Lösung des Motivationsproblems für ein Szenario (der Antwort auf die Frage: Warum sollen gerade wir unterschiedlichen Leute in dieser verfahrenen Situation zusammenarbeiten?) schließen, daß ein Auftragsszenario, oder auch zehn solcher Auftragsszenarien hintereinander die SCs automatisch abgestumpft, passiv, antriebslos macht. - Es sind eher die Spieler, die SCs haben, denen die Brusthaare fehlen. Alles aalglatte, ölige Teflon-SCs, an denen nicht der geringste "Hook" aus einer noch so tiefgründig dargebotenen Spielwelt haften bleibt und sie zu einem "Arsch hoch, Zähne auseinander" treibt.

Daher finde ich die Frage schon sehr treffend formuliert: "Selbständige SPIELER". Nicht etwa "selbständige Charaktere".

Es ist tatsächlich keine Frage des Systems, der Spielwelt, der Szenariostruktur, sondern ausschließlich eine Frage der Bereitschaft der Spieler auch mal Charaktere mit Ecken und Kanten zu bauen, die nicht direkte Wertevorteile aus einem beliebigen Regelsystem versprechen (denn solche regeltechnischen "Vorteile"/"Nachteile" haben auch die profillosesten SCs), sondern die nur ein besseres Einbetten des SCs in die Spielwelt darstellen.
 
AW: Selbstständige Spieler - aber wie?

Wie gesagt, ArchangelGabriel, es war mehr als Lösungsansatz formuliert und es hängt auch von den Spielern ab, wie sie damit umgehen. Keine Frage.
Solche Spielertypen kenne ich auch zu Genüge. Aber keineswegs nur in Shadowrun.

Ich muß zugeben, mein aktueller D&D-Charakter ist auch nicht unbedingt derjenige, von dem viel Eigenintiative ausgeht, aber es liegt in diesem Fall an dem Charakter und auch ein klein wenig an unserer Spielweise.

Am Charakter, weil er ein Söldner ist, bzw. ist dies sein Hintergrund. Er ist keine Anführerpersönlichkeit, sondern mehr Befehlsempfänger. Er ist es gewohnt, daß er Befehle/Aufträge bekommt und da die Gruppe momentan auch nicht an Geldmangel leidet, sieht er keine Veranlassung in Eigenregie irgendetwas auf die Beine zu stellen.
Andererseits hat der Charakter aber angefangen sich für Magie und deren Wirkungsweise zu interessieren. Über längere Zeiträume hat er den Hexenmesiter der Gruppe genervt, warum er eigentlich zaubern kann, ohne irgendwie großartig zu "lernen" und ob der Charakter (lies: mein Charakter) so etwas auch erlernen könnte. Der Hexenmeister schwafelte dann was von "Drachenblut und nein kannst du nicht und eine magische Ausbildung als Magier dauert Jahre", aber erzählte auch von dem Einsatz von Schriftrollen von Leuten, die keine magische Begabung haben (regeltechnisch: Magischen Gegenstand benutzen). Also fing der Charakter an, sich schlau zu machen, wie so etwas funktioniert. "Studierte" Schriften in Bibliotheken, suchte örtliche Magier auf, um sie zu nerven usw.
Ich bin ganz ehrlich, dies hatte den Grund, weil mir der Charakter langsam aber sicher etwas langweilig wurde.

Am SL liegt es - und ich erhebe da gar keine Anklage - weil dieser noch etwas unerfahren ist und mit uns lieber offizielle Abenteuer spielt. Er ist sich noch nicht so sicher, wenn's ums Improvisieren geht. Es ist nicht so, daß er Versuche selbst die Initiative zu ergreifen unterdrückt und nicht zuläßt, keinesfalls. Ich finde, auch darauf sollte man Rücksicht nehmen und sich etwas zurückhalten, bis er seine Sicherheit gefunden hat.



In Bezug auf Shadowrun hege ich die Theorie, daß es prozentual gar nicht einmal so viel mehr von diesen Charakteren/Spielern gibt. Es fällt nur mehr auf, weil es ein verbreitetes Rollenspiel ist und das "drumherum" auf eben solche Spielertypen verlockend wirkt. Wie gesagt, nur eine Theorie.
 
AW: Selbstständige Spieler - aber wie?

Ich fürchte auch, dass man Spielern eine selbständige Spielweise nicht anerziehen kann. Entweder sie wachsen mit der Zeit in ein Rollenspiel hinein (bei einigen dauert es etwas länger, bei einigen weniger lang) oder sie lernen es nie!
 
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