(Used with permission by Pelgrane Press)
Titel: Night's Black Agents
Art: Regelwerk
System: Gumshoe
Sprache: Englisch
Verlag: Pelgrane Press
Publikationsjahr: 2013
Autor: Kenneth Hite
Illustrationen: Alessandro Alaia, Chris Huth, Phil Reeves u.a.
Umfang: ~ 232Seiten
Bindung: PDF
Preis: ~18,92€
Rezensent: A. Giesbert
Gumshoe gehört schon länger zu meinen Lieblingsrollenspielsystemem. Das liegt nicht einmal an dem System oder daran das mir der angesprochene Spielstil so gefällt, sondern daran, dass für Gumshoe einfach sehr gute, informative und nützliche Grundregelwerke erscheinen. Eine Ursache davon ist vermutlich Kenneth Hite, der einen sehr frischen und klaren Schreibstil hat und die Genres die er sich vornimmt souverän in den Blick nimmt.
Night’s Black Agents (NBA) ist sein neuestes Projekt, ein Genre Mix von klassischen Agententhrillern und Vampire Huntern. Nun bin ich mit den beiden Genres ebenso wenig vertraut wie ich es mit
Space Operas war, NBA hat mir aber nicht nur lust auf eine solche Kampagne gemacht sondern gleichzeitig das Gefühl vermittelt das Genre sogar mehr oder weniger verstanden zu haben.
Präsentation
The Zombievampireversion of Big Joe Williams? (Used with permission by Pelgrane Press)
Das Kenneth Hite qualitative Gumshoe Bücher schreibt habe ich schon angerissen. In dem Fall ist das Buch auch noch ein optischer Hingucker. Das klare Layout ist ein echter Augenschmaus. Es passt zum Setting ist modern und etwas verspielt, dennoch übersichtlich und farblich klar strukturiert. Im Unterschied zu recht miserablen pdfs (wie das 150 MB fassende Ashen Stars) ist NBA auch noch technisch gut umgesetzt. Schlanke 18 MB für die farbenfrohen 230 Seiten sorgen für einen schnellen Seitenaufbau und Hyerlinks unterstützen das Lesegefühl ebenso wie (endlich) durchgehende Texterkennung und gut aufgelöste Illustrationen. Letztere haben es mir ohnehin völlig angetan. Der Stil passt nicht nur optimal zum Setting, sondern ist Stellenweise wirklich umwerfend. Die Illustrationen sind in einem aufwendigen Comicstil gehalten der annähernd photorealistisch wirkt. Es ist lange her das mich Illustrationen derart gefesselt haben (wohlgemerkt ohne eine Genrefan zu sein)…
Schön ist ausserdem das der Spielleiter zum Director wird und die Kommentarboxen als “DVD Commentary” vorgestellt werden.
Inhaltlich
Aber was hat NBA inhaltlich zu bieten? Erst einmal einen klassischen Kenneth Hite, also eine detailverliebte Genreemulation für Gumshoe. Der Leser kriegt wie gewohnt ein Stand-Alone Produkt, dass den Hintergrund sowie alle Regeln inklusive Charaktererstellung, Fertigkeiten etc. enthält. Es ist schön, dass so nur ein Buch benötigt wird, für Gumshoekenner ist es aber etwas umständlich zu handhaben, da die Unterschiede nicht direkt erkennbar sind und man so jede Regel und Fertigkeit nach Änderungen durchsuchen muss. Zumindest eine Liste der neuen oder neu definierten Fähigkeiten und Regeln wären ein Hilfe gewesen.
Die Anpassung des Regelteils ist recht behutsam. Einige (wenige) Fertigkeiten sind hinzugekommen und einige Beschreibungen wurden angepasst. Kurzum: der Regelteil ist größtenteils copy&paste einer erprobten Regelbeschreibung. Dennoch gibt es Anpassungen für das Genre. Zum ersten sind da “Backgrounds” – mögliche Vorgeschichten eines Charakters die Fertigkeitenpackages liefern um den Charakterbau zu strukturieren. Hier wird dann auch bereits erster Settinghintergrund geliefert bzw. anders gesagt ein Feeling für das Genre vermittelt. Welche Hintergründe sind möglich, welche Charakter”klassen” etc.. Außerdem wurden an genrewichtigen Stellen Regelerweiterungen geliefert…
Verrat & Verfolgung
Regelerweterungen finden sich zum ersten für das soziale Miteinander der Charaktere. Neu hinzu kommen “Trust”points die die Bindung zu anderen Charakteren darstellen und es erlauben befreundeten Charakteren Unterstützung in Form von Bonuspunkten zukommen lassen. Außerdem darf ich im Gegenzug Vertrauen aufbrauchen indem ich Charakteren in den Rücken falle in dem ich meinen eigenen Char bevorteile oder sogar die Proben meiner (vermeintlichen) Mitstreiter senke. Das System ist schnell verstanden und scheint eine sinnvolle Erweiterung zu sein die sich vielleicht auch für andere Gumshoesysteme empfiehlt…
Zum zweiten sind da Verfolgungsjagden. Die wurden als ein Kernelement von Agententhrillern ausgemacht und haben daher viel Platz bekommen. Ein System von vergleichenden Proben in dem die Charaktere je nach Situation Schwierigkeiten verschieben und besondere Proben einarbeiten können liefert die Grundlage für lange und recht detaillierte Verfolgungsjagden. Damit das für unbeteiligte Mitspieler nicht langweilig wird, können diese unter anderem Details einfügen. Auch hierfür gibt es ein kleines “System” das Inspirationen unterstützen soll. Besonders nett ist das direkt 4 Sets von je 12 möglichen Umgebungseffekten mitgeliefert werden…
Ebenso wurde der Kampf um “Thriller Combat Rules” erweitert, also etwas pulpigere Kämpfer ermöglicht. Sonderkampfaktionen bieten mehr Taktik und Abwechslung und “Mooks” sind neue Gegnertypen die genretypisch als Kanonenfutter dienen. Die Agenten dürfen also in Kämpfe “springen”, Martial Arts anwenden und sogar ein “Mook Shield” nutzen.
Ansonsten gibt es auf reiner Systemebene wenig neues. Der “Heat” Wert gibt an wie verfolgt bzw. auffällig die Charaktere sind und es gibt grobe Regeln für Dunkelheit. Die Regeln wirken funktional und auch für andere Settings interessant. Teilweise sind sie gewöhnungsbedürftig, liefern aber nette Ideen wie z.B. die Möglichkeit mittels Taschenlampen und anderen Hilfsmitteln Dunkelheitseffekte zu verringern, den Träger aber auch (regeltechnisch) verwundbarer zu machen indem die Trefferschwelle gesenkt wird.
In zusammenfassenden Worten: NBA ist Gumshoe mit Agententhrillerfokus.
Hintergrund
Was hat NBA darüber hinaus inhaltlich zu bieten? Zuerst ist es ein Baukasten. Gumshoe ist nicht dafür bekannt einen Hintergrund anzubieten, sondern ein Genre mit vielen möglichen Abweichungen vorzustellen. So gibt auch NBA nur an, dass es sich um spezialisierte Agenten handelt die nach ihrer offiziellen Karriere zur Urban-Fantasy typischen Vampirjagd gekommen sind. NBA unterstützt das nun mit zahlreichen kleinen Informationen, Charakterpackages, einem Überblick über Geheimdienste und Konflikte und anderen Anregungen, aber bietet keine feste Hintergrundstory. Das bedeutet etwas mehr Arbeit für den Spielleiter (je nach Erfahrung auch weniger) aber bietet dafür optimale Anpassbarkeit und Überraschung für die Spieler.
Damit ist NBA also eher ein Genre als ein Hintergrund, und dabei nicht nur eins. Es werden verschiedene Subgenres eingeführt wie der unpulpige “Dust”-Modus oder der von Verrat und Unsicherheit geprägte “Mirror”-Modus. Diese Modi schliessen Einzelfertigeiten aus, erleichtern manche Manöver oder geben Hinweise zu abweichender Anwendung. So legt der auf Verwirrung und Verrat ausgelegte Mirror-Modus z.B. nahe die Motivationen (Drives) der Charaktere geheim zu halten und auch die Trust-Points verdeckt zu halten…
Nach diesen Regelanpassungen folgen neue Gegenstände für Agentenzenarios, also technisches Spionspielzeug, neue Fahrzeuge und Spezialwaffen. Erst hier kommt dann auch die Urban Fantasy zum Zug, da es auch um Waffen gegen übernatürliche Kreaturen geht. Nach einer ausführlichen Tippsammlung für die Agenten geht es dann auch in den Blutrot gelayouteten Teil über – zu den Vampiren…
Urban Fantasy
Auch hier liefert NBA keine geschlossene Mythologie, sondern bietet verschiedene Varianten und Modifikationen an. Es folgt also eine Art Baukasten der verschiedene Kreaturen für verschiedene Zwecke und Kampagnentypen erzeugen lässt. Dabei wird kein Punktebaukasten verwendet, sondern eher ein systematischer Überblick über Möglichkeiten gegeben. Was sind mögliche Schwächen der Vampire, was für Sonderfähigkeiten gibt es, etc. Randkästen geben dabei zusätzlich Infos. So z.B. ein Überblick darüber wieso Vampire in frühen Horrorverständnissen keine Spiegelbilder warfen (weil der Spiegel angeblich die Seele reflektieren sollte) und was das für Konsequenzen für Videoaufnahmen, Internetbotschaften etc. haben kann und vor allen Dingen: Was das für die Leichtigkeit bedeutet mit der Vampire enttarnt werden können.
Ein etwas ungewöhnlicher Vampir (Used with permission by Pelgrane Press)
NBA liefert also einen Vampirbaukasten für alle Geschmäcker. Der Baukasten wird dann auch sogleich angewendet, so das man sich bei “festen” Hintergründen bedienen kann, bevor man sich an Anpassungen und Eigenkreationen wagt. Gleiches gilt auch für die anderen Tips. Theoretische aber mit vielen praktischen Ideen untermalte Essays stellen Systeme vor mit denen eine Vampirverschwörung erzeugt werden kann (Conspyramid) und Städte als Spielschauplätze gestaltet werden können. Mit einem (genretypischen) Fokus auf Europa werden die wichtigsten Länder und ihre Player (grob) vorgestellt und eine Art Städtebaukasten angefügt. Der wird dann für drei kleine Beispielstädte und Marseille als detaillierter ausgeführte Stadt angewendet.
Dann geht es schlussendlich um die Frage wie man eine gute (Vampir)Thrillercampagne bauen kann. Während die Vorkapitel den konkreten Inhalt bzw. den nötigen Baukasten geliefert haben, folgt hier die Theorie. Natürlich immer noch angereichert mit konkreten Tipps und schließlich ganz konkret abgerundet mit einem Beispielabenteuer…
Und ausserdem…
Das Buch hört kaum auf… Es folgen Quellenüberblicke über Bücher, Filme, Serien und Rollenspiele die anreichern können, ein umfangreiches (7 seitiges und verlinktes) Glossar und zahlreiche Spielhilfen. Eine Blanko Conspyramid, Vampire Worksheets, ein Städtebogen, Regelhilfen… All das was eine lebendige Fanszene oft erst lange nach Erscheinen eines Buches nachliefert, wird hier direkt und im Originallayout mitgeliefert. Ebenso wie übrigens noch drei weitere Regelmodifiktionen, die NBA zum mysterylosen klassischen Thriller machen oder mit Cthulhu anreichern…
Fazit
Wow.
NBA ist all das was ich mir von einem Rollenspielbuch wünsche. Es ist wunderbar zu lesen, genrenah und man hat immer das Gefühl das der Autor genau weiß worauf er gerade hinaus will. Zahllose Optionen geben mir unendlich viele Variationen und Beispiele wenden diese auch noch konkret an. Der Baukasten fühlt sich nicht an wie der einfachere Weg der gewählt wurde um sich nicht entscheiden zu müssen, sondern nach einem umfassenden Überblick dessen Verästelungen konsequent mitbedacht wurden. Wer sich irgendwie für Agententhriller interessiert oder auch nur neue Anregungen für eine Gumshoerunde sucht ist hier völlig richtig. Night’s Black Agents liefert ca. 230 Seiten Rollenspielfeinkost die meines Erachtens jeden Cent der knappen 19€(pdf) Wert ist….
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Schlagworte:
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