Thema: mittelalterliche Bögen bzw. Fantasy Lang/Kurz/Blabla-Bögen
Nachdem ich bald zehn Jahre in mittelalterlicher Schießtechnik mit reinen Holzbögen (ohne moderne Materialien hergestellt) schieße, gebe ich mal Auskunft.
Wie lange kann man einen Bogen gespannt halten ohne Einbußen beim Zielen?
Mit einem historischen Bogen "zielt" man NICHT! - Jedenfalls nicht so, wie es mit modernen Bögen mit modernen Materialien möglich ist, die man im ausgezogenen Zustand längere Zeit halten kann und wo man eine moderne Zieloptik verwenden kann.
Die historische "Zielweise" ist, den gesamten Körper nach dem zu treffenden Ziel auszurichten. Man "zielt" somit nicht über den Pfeil, nicht über die Pfeilspitze (was aufgrund des "Bogenschützen-Paradox" eh nicht geht, außer bei modernen Bögen, welche den Schaft ausgesägt haben - keine historische Technik!). Man "zielt" durch die Körperhaltung.
Wenn man richtig steht, die Schulter richtig vorne hat, die Füße richtig plaziert sind, und wenn der Auszug und das Lösen stimmen, dann trifft man. - Man zieht NICHT den Bogen aus und "visiert" dann irgendwie irgendwas an. - Das Heben des Bogens, das Ausziehen und das Lösen ist EIN Vorgang, der insgesamt über Treffen oder Nicht-Treffen entscheidet.
Ein Bogen ist kein Gewehr (wobei eben moderne Bögen mit modernen Materialien und moderner Konstruktion (Compound-Bögen) ein völlig anderes Schießen erlauben, das viel näher dran ist an dem, was man beim Gewehrschießen gewohnt ist).
Ist das schädlich für den Bogen, wenn man ihn über eine gewisse Zeit in der Hand gespannt hält?
Bei einem Holzbogen z.B. aus Eibenholz ist der Moment des maximalen Auszugs und damit der maximal gespeicherten Energie im natürlichen Material immer kurz vor dem BRECHEN der Fasern! - Somit hält man einen solchen Bogen NICHT ausgezogen! Der Moment des maximalen Auszugs vor dem Lösen ist wirklich nur ein Moment, ein Augenblick, ein Sekundenbruchteil.
Hält man einen noch so teuren, noch so gut gearbeiteten Bogen wie einen "Expander" länger im Vollauszug, dann kollabieren auf der Bauchseite des Bogens die Zellen und der Bogen wird schlechter. Nicht gleich beim ersten mal zu spüren, aber wenn man ansonsten qualitativ gleichartige Bögen vergleicht, von denen einer dergestalt MISSHANDELT wurde, daß er oft und lange ausgezogen wurde, während ein anderer normal benutzt wurde, dann ist das Degenerieren des Materials schon spürbar.
Dies ist bei Komposit-Bögen aus unterschiedlichen Materialien wie Sehnen, Horn usw. nicht so der Fall. Diese vertragen auch längeren Auszug deutlich besser als ein "Selfbow" aus einem einzelnen Stück Holz. Aber auch Holzbögen mit Verleimungen mögen das längere Ausgezogenhalten überhaupt nicht. Auch hier bilden sich bald Stauchfalten und der Bogen bricht irgendwann. - Das längere Ausgezogenhalten ist ein sicherer Weg einen Holzbogen zu ruinieren.
Wie lange dauert der "normal" gezielte Schuß?
Ich schieße NIE "ungezielt". Wie soll das auch gehen? - Wenn ich einen "gezielten" Schuß abgebe, dann ist das eigentliche "Korrekturmoment" bei der Feinausrichtung auf ein bestimmtes (kleines) Ziel ein Bruchtel der Gesamtzeit, die ich für das Anheben, Ausziehen, Lösen benötige. Also alles in allem vielleicht eine Sekunde für den Gesamtablauf, eventuell anderthalb, wenn ich es sehr bedächtig mit tiefer Atemtechnik ausführe. Davon ist der "Zielmoment" dann deutlich unter der Gesamtzeit, vielleicht eine oder zwei Zehntelsekunden für das eigentliche "Feinjustieren". - Wie gesagt, das grobe Zielen ist in der gesamten Körperhaltung.
Man schießt einen traditionellen Bogen mit dem GESAMTEN Körper.
Je moderner die Bögen, desto mehr tritt diese verdammt schwierige Technik aus dem ganzen Körper schießen zu müssen in den Hintergrund. Man kann einen Compoundbogen lange Zeit entspannt ausgezogen halten, mit einem gut eingestellten Visier verdammt genau schießen, vor allem, weil der Pfeil genau MITTEN durch den Schaft geht und die Sehne ihn direkt von hinten (statt historisch von hinten-seitlich) schiebt. Mit einem Auslöse-Clip an der Sehne und Stabilisatoren ist der Schuß butterweich und trotzdem SEHR kraftvoll (viel kraftvoller als bei manchen "bockigen" Holzbögen!).
Wie gesagt, langes Zielen mit einem natürlichen Holzbogen ist nicht. Macht man nicht. Macht den Bogen kaputt und - wichtiger noch - man BRAUCHT ES NICHT!
Ein Bogen ist eben kein Gewehr und keine Armbrust.
Siehe hier: