AW: Rätsel im Rollenspiel
Eigentlich ja ein sehr klassisches Fantasy Element: Rätsel lösen...
Würde ich so nicht stehen lassen wollen. Im Fantasy-Umfeld sind Rätsel weniger "klassisch", hingegen im Bereich der Märchen und Sagen kommen Rätsel schon öfter vor (die nordischen Götter waren z.B. immer für Ratespiele zu haben).
Dennoch fast nie gesehen... Zumindest was meine Rollenspielvergangenheit angeht, hab ich Rätsel immer in schlechter Erinnerung, das sie meist (nämlich wenn man die Lösung nicht erkannt hat) den Spielfluss doch arg behinderten...
Ich habe da auch sehr unterschiedliche Erfahrungen mit Rätseln in Rollenspielszenarien gemacht. Oft kamen sie nach meiner Erinnerung jedenfalls nicht vor. Aber - und da fängt die Abgrenzungsfrage an - was ist eigentlich ein "Rätsel"?
Ist ein in-game-Sudoku ein Rätsel (oder eine blöde Idee)?
Ist eine in-game-Schachaufgabe ein Rätsel? (Vor allem: Ist es eines für die Charaktere, von denen nicht einer "Schach spielen" als Fertigkeit hat, oder ist es eines für die SPIELER?)
Ist das Interpretieren einer Piratenschatzkarte ein Rätsel?
Ist das Vergleichen von Textpassagen auf Mythos-Gehalt um einem unaussprechlichen Kult und seinen Machenschaften auf die Schliche zu kommen, ein Rätsel?
Ist das Herausfinden der einen, einzigen Schwäche eines ansonsten unverwundbaren Übelmonsters ein Rätsel?
Ist das Umgehen einer magischen Zugangsverwehrung zum Größten Schatz aller Zeiten (tm) ein Rätsel? (Sprich "3..., 2..., 1..., Meins!" und nimm's Dir. Natürlich auf "elbaysch".)
Aber wie kann man sie dennoch sinnvoll einbauen?
Ja. Natürlich geht das. Aber man muß sich im Klaren sein, welche Rolle das "Rätsel" im Rollenspiel spielen soll.
Immerhin sind sie schon ziemlich Genre spezifisch...
Nein. Nicht alle Rätsel sind genrespezifisch, aber es gibt sehr wohl Rätsel, die es in dieser Form typischerweise in einem bestimmten Genre gibt, was aber nicht heißt, daß dieses Rätsel nicht auch in anderen Genres auftauchen kann. - Eine Piratenschatzkarte mit seltsamen Symbolen drauf kann es natürlich in einem reinen Piraten-Setting geben, aber auch in einem Pulp-Archäologen-mit-Peitsche-Setting, in einem ???-Jugendkriminalsetting, in einem Western-Setting, usw.
Hier ist auch wieder die Frage nach der Rolle, die Rätsel, die BESTIMMTE ARTEN von Rätseln in einem Genre spielen, entscheidend.
Bei Cthulhu ist Ermittlung von Anhaltspunkten, das Aufklären von rätselhaften(!) Ereignissen, der Umgang mit seltsamen Indizien, die alle zusammen (hoffentlich) ein Gesamtbild dessen geben, was das aktuelle Problem des Szenarios darstellt, ziemlich üblich.
Bei Deadlands ist bei den härteren Geschöpfen der Abrechnung, die meist unverwundbar, unsterblich oder beides sind, in der Regel eine bestimmte, charakteristische Schwäche, die etwas mit ihrer Entstehungsgeschichte zu tun hat, vorhanden. Diese Schwäche gilt es herauszufinden, was dann immer noch nicht sicherstellt, daß man alle Mittel hat diese auch auszunutzen. Somit sind da Ermittlungen, Nachforschungen, übernatürliche Lösungshilfen (indianische Visionquest z.B.), bewußtes Ausprobieren (und den Versuch überleben) und ggf. weitere Aktivitäten, die notwendig sind die Materialien, die die Schwäche nutzbar machen, zu beschaffen, notwendig. Solch ein Rätsel zu lösen kann für längere Zeit den Antrieb für die Posse geben.
Das gröste Problem ist das viele Rätzel eigendlich nur Out of Game Wissen abfragen
...
Gute Rätzel müssen sich aus dem Ingame Geschen erschliessen.
Das sehe ich auch als ein Problem an. - Rätsel, die - wie das Schachproblem - sich ausschließlich an die (out of game) Kenntnisse der Spieler richten, wirken wie Fremdkörper.
Wenn sie dann auch noch in auf die Nerven gehender Art dargeboten werden, dann packt man einer schon schlechten Idee noch eine schlechte Umsetzung obendrauf und bekommt die Quittung mit "Rätsel nerven".
Ich habe die Erfahrung gemacht, das Rätsel lösbar werden, sofern sie kurz, folgerichtig und unabhängig von subjektiven (oder vielseitig interpretierbaren) Ereignissen sind.
Das trifft nur auf bestimmte Arten von Rätseln zu. Die Tür mit dem Zahlenschloss, die Bibliothek, wo man das "X" im Boden suchen muß, welches zum Heiligen Gral führt, etc.
Aber nicht z.B. die Piratenkarte, deren drei Teile auf die Hinterteile von drei verschiedenen Huren in drei verschiedenen Hafenstädten tätowiert wurden. - Da ist zur Lösung des Rätsels eine ganze Menge an HANDLUNGEN, weniger an Grübelarbeit notwendig.
Dann kommt es auf die Situation an, von denen es zwei Stück gibt:
1. Das Rätsel ist für das Weiterkommen im Plot unabdingbar.
2. Das Rätsel ermöglicht Zugang zu einem Teil des Abenteuers, das nicht zwingend für den Plot nötig ist, sondern vielmehr eine "Bonusoption" freischaltet.
Also diese beiden Situationen sind für mich alles andere als ausreichend. Klar gibt es MUSS-Rätsel, die ein Hemmnis im Ablauf des (vorgesehenen!) Plots darstellen, welches erst beseitigt werden muss, damit die Handlung weitergeht. Das einfachste Beispiel sind die Türen zu den Minen von Moria. Ohne die Öffnen zu können, geht es nicht weiter. - Das ist aber auch das langweiligste Beispiel für ein Rätsel in einem Fantasy-Roman.
Die "Freischalt-Option" sollte besser davon ausgehen, daß eine pragmatische Spielergruppe solche unnützen "Bonus-Level" spätestens nach dem zweiten Mal zum Kotzen findet und sich verarscht vorkommt. Wenn man so etwas will, dann kann man ja immer noch entsprechende Computerspiele spielen.
Ein Rätsel kann natürlich optional sein.
Entweder gibt es andere Wege um die direkte Lösung des Rätsel herum, oder das Nichtlösen sorgt nur für eine etwas härtere Gangart bei dem, was noch folgen wird (weil z.B. das Sword of Ogre-Decapitation nicht durch Lösen des Sudoku-Rätsels auf der Tür zur Waffenkammer des Oberbösewichts gefunden wurde). Oder die Spieler suchen sich selbst ihren Plot und sagen sich, daß es sich nicht lohnt über diesen Scheiß mehr Gedanken zu machen, lassen die Piratenkarte auf den Hurenärschen bleiben und geben ihre Dublonen lieber für Hurenärsche ohne Karte drauf aus.
Im ersten Fall ist es wichtig ein Rätsel zu stellen, dessen Lösung nicht darauf basiert, was die Spieler vielleicht irgendwann mal in einem Quellenbuch gelesen haben könnten, sondern es muß eine Antwort geben, die
a) entweder im Spielverlauf zuvor gefunden wurde (z.B. bestimmte Gewohnheiten des Hausherren o.ä.), so daß da ein "Das-hab-ich-doch-schonmal-gehört"-Effekt aufkommt,
b) die zum wirklichen systembezogenen Basiswissen gehört oder
c) die auf systemunabhängigen Mechanismen basiert, wie z.B. mathematische Rätsel, Logikfragen usw., also Dinge, die man mit "gesundem Menschenverstand" lösen kann
Klar, die Lösbarkeit eines Rätsels ist zu beachten. Da fällt mir z.B. ein Rätsel aus einer Piratenkampagne ein, das für einen "Native Speaker" des Englischen ein erkennbares Wortspiel zugrunde gelegt hatte, welches aber in einer deutschen Runde (trotz flüssiger Beherrschung des Englischen in Wort und Schrift) nicht vermittelbar war. Keine Chance. Da drauf zu kommen war für die hiesigen Spieler unerhört viel schwieriger, als es für einen US-Spieler gewesen wäre - noch dazu war dieses Rätsel ein auf einer Piratenkarte (hach, öfter mal was neues!) als Handout fest eingezeichnetes Wortspiel, so daß man sehr aufwändig die Kartenhandouts hätte ändern müssen. - Tja, so kann's gehen.
zu a): Die Informationen zur Lösung eines Rätsel müssen überhaupt nicht im Vorneherein verfügbar sein, wenn ein Teil der Spannung, der Aktion darin besteht, sich die notwendigen Informationen im Bewußtsein, daß es da diese zu knackende Rätsel gibt, zu beschaffen. (Wer bricht beim Gouverneur der Isla del Muerto ein, um ihm aus einer privaten Waffensammlung den einen Dolch des grausamen Piraten Roberts zu stehlen, der als Schlüssel für die Schatzkammer desselben dienen soll?)
zu b): Was soll das sein "systembezogenes Basiswissen"? Ich kann und will auch garnicht davon ausgehen, daß meine Mitspieler sich alle spielerzugänglichen Settinginformationen durchlesen müssen. Und wenn sich das "systembezogene Basiswissen" auf einer Seite zusammenfassen laßt, dann ist das zu wenig Information, um darauf auch nur ein einziges Rätsel aufzusetzen, welches nicht als Verarsche rüberkommen wird.
Zudem (und immer noch zu b) ), gibt es in so manchen Regelsystemen Nachteile für Charaktere (nicht Spieler!) wie Clueless. Dieser Charakter ist, was seine Informiertheit über die im Normalfalle als bekannt voraussetzbaren Zusammenhänge in der Spielwelt anbetrifft, außerordentlich uninformiert. Wenn ich als Spieler die Fakten zwar weiß, aber mein Charakter Doof, Ahnungslos, Uninteressiert am Weltgeschehen, Dumm wie Stroh, Hohlschädel, Der-mit-seinem-Bizeps-denkt, Ich-Uuug-Du-Freund? ist, dann wäre es meiner Meinung nach alles andere als befriedigend und alles andere als passend, wenn ich die gestellte Tensoraufgabe lösen würde, während vielleicht mein Mitspieler, der nicht Naturwissenschaften, sondern Laberfächer studiert hat, aber einen hochintelligenten, wenn auch leicht verrückten Wissenschaftler spielt, dazu nicht in der Lage sein wird (sein Charakter hingegen schon, weil der gerade auf solche Anforderungen hin ausgemaxt wurde).
Rätellösbarkeit sollte sich am Charakter und dessen Fähigkeiten und Handlungsmöglichkeiten orientieren, NICHT am Wissen, an den Vorkenntnissen der Spieler!
zu c): Und das ist genau das mieseste, was man bei einem Rätsel im Rollenspiel machen kann: den Spielern, statt den Charakteren ein Rätsel aufzugeben, welches nur mit dem Wissen und nur mit den Fähigkeiten der Spieler unabhängig davon, was für Charaktere sie spielen, gelöst werden KANN. - Mathematische Rätsel, Logikfragen, ... - Schwachsinn!
In Fantasy-Settings haben solche Sachen eh keinen Platz. Man lese sich mal die Rätsel durch, die z.B. zwischen nordischen Sagen-Helden und den nordischen Göttern einander gestellt werden: das sind alles Fragen und Antworten, die aus der Kenntnis der Mythologie, aus der Kenntnis des (für uns nur nach Kundigmachen in historischen Dingen nachvollziehbaren) Alltags der Menschen dieser Regionen beantwortbar sind. Odin stellt KEINE Matheaufgaben!
Auch bei Cthulhu wäre das völlig unpassend, weil eben gerade als settingtypischer Bestandteil die "unrichtige Geometrie" keine mit "normaler" Logik lösbare Sache darstellen SOLL. Wer da meint er könnte mit Von Däniken Winkelvermesserei an etwas Cthulhoides herangehen, der findet keine Lösung, sondern verliert seinen Verstand.
Refrain: Rätellösbarkeit sollte sich am Charakter und dessen Fähigkeiten und Handlungsmöglichkeiten orientieren, NICHT am Wissen, an den Vorkenntnissen der Spieler!
Auch möglich ist in diesem Falle irgendwelche Dinge als Rätsel einzubauen, die in der Kampagne schon länger zurückliegen, so daß die grauen Zellen ein wenig arbeiten müssen
Das ist Mega-Scheiße!
Zum einen notiert sich kaum jemand solche ganz klar minderwichtigen Begegnungen in einer nach Jahren noch volltextrecherchierbaren Fassung. Zum anderen ist nicht davon auszugehen, daß eine Gruppe zwei Jahre lang in konstanter, kontinuierlicher Besetzung gespielt hat, und sich auch nur die Mehrzahl der Spieler an die damalige Begegnung mit dem Kräuterweiblein erinnert, welches so kryptische Andeutungen beim Verkauf ihrer Veilchensträuße gemacht hatte, die dann ZWEI JAHRE LANG NIEMAND BRAUCHTE!
Wie gesagt: Mega-Scheiße!
Der bislang beste Tipp seinen Spielern ein Rätsel so richtig schlecht auf den Tisch zu knallen. Da nehme ich lieber zwei Jahre altes Gammelfleisch als uralte Kampagnenrandfigurenbrabbeleien.
Wenn die Runde aus "Gehirnakrobaten" besteht (sowohl Charaktere als auch Spieler), dann sind vertrackte Rechenaufgaben u.ä. halt die Waffen der Wahl.
Refrain (Wenn Ihr wollt, dann singt alle mit): Rätellösbarkeit sollte sich am Charakter und dessen Fähigkeiten und Handlungsmöglichkeiten orientieren, NICHT am Wissen, an den Vorkenntnissen der Spieler!
die Spieler die Lösung nicht selbst erarbeiten konnten.
Genau das ist die eigentliche andere Seite der Medallie. Zum einen sollte das Rätsel, wenn es denn schon in-game explizit gestellt ist, auch in-game von einem Charakter lösbar sein. Aber zum anderen sollte es durch die Handlungen, die Überlegungen des Spielers, die er über den Filter seines Charakters in die Spielwelt zurückfließen lassen kann, gelöst werden, um ein Erfolgserlebnis zu ermöglichen.
Bei den Deadlands-Fearmongers ist deren Schwäche nicht immer leicht herauszubekommen, und manchmal noch schwieriger sie auch auszunutzen. Schlägt man so einen Fearmonger jedoch, dann hat man sein Erfolgserlebnis, weil das Vorgehen gegen diesen Diener der Abrechnung im Normalfalle der Gegenstand des gesamten Szenarios (oder gar der ganzen Kampagne) war. Jeder Spieler (und jeder Charakter) hat zum Gelingen seinen Teil beigetragen. - Nicht nur der Autisten-Spieler, der gut mit den Zahlenrätseln des Spielleiters umgehen kann.
Rätsel sind also nur dann wirklich eine Bereicherung, wenn sie auch gelöst werden, sonst hemmen sie den Spielfluss, wie hier schon mehrfach gesagt wurde, ganz erheblich.
Nein. Mein allererstes Cthulhu-Szenario als Spieler Anfang der Achtziger verlief so, daß wir das dem Szenario zugrunde liegende Rätsel NICHT gelöst hatten, auf der falschen Fährt waren, und am Ende von vier Charakteren zwei tot, einer geopfert und dann schlimmer als tot, und der Glückspilz der Gruppe nur in der Klapse gelandet ist. Super-Szenario. Danach war ich für Cthulhu Feuer und Flamme! - Nein, das Rätsel hatte unseren Spielfluß nicht gehemmt, sondern war erst der Auslöser(!) für die meisten Handlungen der Spielercharaktere.
Was man natürlich auch immer gut machen kann, um ein Rätsel einzubauen, ist, daß das Rätsel der Aufhänger für das Abenteuer ist und man im Verlauf des Plots die Lösung findet.
Genau.
Wie gesagt, es gibt unterschiedliche ARTEN von Rätseln.
Manche sind kurz, knapp und mit "Bordmitteln" (oder Gewalt) lösbar, und andere stellen den Antrieb für eine ganze Kampagne dar - und dazwischen ist ein Kontinuum an Umfang, Komplexität, Lösungszeitbedarf, Handlungsmöglichkeiten, etc.