Rezension Panty Explosion [User-Rezi]

Infernal Teddy

mag Caninchen
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Panty Explosion


Eine [User-Rezi] von Runenstahl


a psychic schoolgirl adventure game by Jake Richmond & Matt Schlotte

Als ich vor einiger Zeit im Aktion/Abenteuer Forum einen Post zum Thema "Bestes Rollenspiel 2011" sah mußte ich erstmal Google anwerfen. Ich bin zwar leidenschaftlicher Rollenspieler (und Sammler), aber das heißt nicht das ich den gesamten Markt so genau verfolge das ich überhaupt wüßte was denn 2011 überhaupt so alles erschienen ist.

Aber wofür hat man denn das Netz ?
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Ein paar Minuten später war ich dann auch dabei mich durch eine Liste zu wühlen. Einiges sah sehr interessant aus, und gute Ideen, vor allem für Settings und Kampagnen (Nobilis und Invaderz), weckten mein Interesse.

Wirklich überraschend für mich waren allerdings die (zumindest gefühlt) leicht schlüpfrigen Beiträge; Courtesans: A roleplaying game of sex and society, G X B (Girl X Boy) und eben auch Panty Explosion. Bei den Kurzbeschreibungen stach dann besonders letzteres hervor. Das klang nicht nur nach einem bislang unverbrauchten Setting (zumindest was RPG's angeht) sondern auch noch nach innovativen Regeln.

Ein paar Monate später (ich versuche mich in letzter Zeit ein wenig zurückzuhalten was Einkäufe angeht) landete das PDF-Regelwerk dann auf meinem Computer.

Auf den ersten Blick haut einen das Regelwerk nich gerade um. Die Bebilderung ist bestenfalls okay und mit knapp 100 Seiten ist es auch nicht gerade besonders umfangreich. Der Seitenhintergrund ist wie ein Schulheft aufgemacht (inklusive kleiner Zeichnungen). Die Schrift ist gut lesbar aber nicht gerade besonders "Stylish". Gerade mit dem Schulhefthintergrund hätte man da sicherlich was pfiffigeres wählen können.

Aber bei Rollenspielen galt immer schon: Der Inhalt ist wichtiger als der Look !

Es beginnt mit einer kurzen Einführung. Und hier auch schon der erste große Bruch gegenüber Standard-Rollenspielen. Es geht nicht darum die Welt zu retten, sich die Taschen zu füllen oder Dungeons zu durchkämmen. Nein, es darum den Alltag an einer japanischen Schule zu überleben. Na gut... anders als bei einer normalen Schule sind einige der Mädchen Psionisch begabt und es mag auch den ein oder anderen Dämonen geben. Aber alles in allem dreht es sich wirklich eher um die Kleinigkeiten des täglichen Lebens.

Danach geht's auch gleich weiter mit der Charaktererschaffung. Diese ist ziemlich simpel. Man sucht seinem Mädel einen passenden Namen und... halt ! Mädel ? Muß man ein Mädchen spielen ? Nun, das bleibt vermutlich der Spielgruppe selbst überlassen, aber das Regelwerk sieht das eigentlich vor. Und gemessen am Setting macht es auch durchaus Sinn, denn es geht eher um soziale Konflikte (würde man Jungs spielen würde das schnell in Prügeleien ausarten).

Aber wo waren wir ? Ah ja, die Charaktererschaffung. Nach dem Namen wird die Blutgruppe ausgesucht. Die hat ja bekanntlich einen großen Stellenwert für Japaner (für nicht Japanophile wird das aber alles nochmal erklärt). Nun das Sternzeichen. Danach sind wir auch schon bei den Atrributen. Diese sind äußerst simpel. Den fünf Attributen Erde, Feuer, Wasser, Luft und Leere (ja genau, das kommt Legend of the Five Rings Spielern bekannt vor) werden Zahlenwerte zugewiesen und man kann noch wählen ob das Mädel Psionisch begabt ist oder nicht (das hat keine "Kosten" aber diverse Vor- und Nachteile im Spiel). Zuletzt wählt man noch 5 Eigenschaften (Traits), eine nach der Blutgruppe, eine nach dem Sternzeichen, eine nach dem höchsten Attribut, eine die etwas mit Freunden und Familie zu tun hat und eine die ein Hobby oder eine Freizeitaktivität beschreibt. Beispiel-traits wären: Geht gerne Shoppen, gute Manieren, hat einen kleinen Hund etc.

Nun ist der Charakter auch schon fast fertig. Es gilt nur noch die beste Freundin und die größte Rivalin festzulegen (hierbei kann man nur andere Spielercharaktere wählen) und zuletzt wird noch eine Art Ziel für den Charakter gesetzt (z.B. einer Freundin zu mehr Beliebtheit zu verhelfen, das Sportexamen zu bestehen oder der Rivalin den Freund auszuspannen). Das kann geheim sein, muß es aber nicht.

Der Charakter ist nun fertig und zu diesem Zeitpunkt kann man bereits sagen, das das Regelbuch recht übersichtlich ist. Alles ist verständlich beschrieben und mit Beispielen erklärt.

Aber vor allem gelingt es dem Regelbuch fast beiläufig durch passende Vorschläge und Beispiele eine Vorstellung davon zu vermitteln worum es überhaupt geht. Nämlich nicht darum eine japanische Xena zu spielen, sondern eben tatsächlich nur ein japanisches Schulmädchen für die das neue Handy im Glitzerlook mindestens so wichtig ist wie das Schwert des Drachentötens in anderen Spielen und deren Kampf gegen ihre Schüchternheit im Schwimmunterricht eine für sie (und die Gruppe) ebenso epische Konfrontation ist wie ein Kampf zwischen Conan und Tulsa Doom.

Aber wie spielt sich das denn nun ?

Recht einfach. Ein Spieler (oder der Spielleiter) eröffnet eine Szene damit das angekündigt wird was man überhaupt erreichen möchte. Zum Beispiel eine andere Mitschülerin lächerlich machen um sicherzustellen das man selbst das beliebteste Mädchen der Schule bleibt. Nun entscheidet man sich noch wie man das macht und wieviele Würfel man dabei einsetzen möchte. Die Attribute geben hierbei einen Pool vor mit dem man haushalten muß, denn diese frischen sich innerhalb einer Szene nicht wieder auf. Damit eine Aktion gelingt muß zumindest einer der eingesetzten Würfel eine 5 oder höher zeigen. Und da kommen auch schon die nächste Besonderheit des Spiels zu Tage: Durch die Attribute wird zwar festgelegt wieviele Würfel man werfen kann, aber es ist die Beliebtheit des Charakters die festlegt was für Würfel man überhaupt benutzt. Je beliebter das Mädchen, desto höher seine Würfel ! Diese dürfen dann durch passende Traits noch weiter angehoben werden.

Steht nach dem Würfeln fest ob die Aktion ein Erfolg war oder nicht kommt auch schon die meiner Meinung gravierendste Idee des Spiels zum Tragen: Erfolge werden nämlich weder vom Spieler noch vom Spielleiter, sondern von der besten Freundin in Worte gefaßt. Die Rivalin hingegen darf die Messer wetzen und bei einem Mißfolg ihr bestes geben um die Aktion möglichst katastrophal zu beschreiben. Die wohl beste Idee des Spiels überhaupt ! Zickenkrieg am Spieltisch ist quasi garantiert.

Und wie war das mit den Psionikern ?

Nun, psionisch begabte Mädchen haben den Vorteil bei jeder Aktion erklären zu können das sie dies als psionische Aktion machen. In diesem Fall würfeln sie in jedem Fall mit guten Würfeln, unabhängig von ihrer Beliebtheit. Klingt cool ? Hat leider einen kleinen Haken: egal ob Erfolg oder Mißerfolg... es immer die Rivalin die die Aktion beschreibt. Klar, sie muß einen Erfolg als Erfolg darstellen, aber das heißt natürlich nicht das es keine Kollateralschäden geben darf die dem Erfolg einen schalen Beigeschmack geben.

Und es gibt einen weiteren Nachteil: Zu Beginn jedes neuen Schultages wird die Beliebtheit neu ermittelt. Dabei muß jeder Spieler (anonym) die beliebteste und die unbeliebteste Mitspielerin benennen. Der Spielleiter wertet das aus (und kann bei Gleichstand entscheiden wer gewinnt). Psionisch begabte sind jedoch immer ein bißchen unheimlich und dürfen nie als beliebteste Freundin gewählt werden ! Sie sind also bestenfalls noch im Mittelfeld der Beliebtheit zu finden.

Oh... und außerdem können sie levitieren und Köpfe explodieren lassen.

Die komplette zweite Hälfte der Regeln richtet sich eher an den Spielleiter und gibt ihm Tipps und Hilfestellungen dabei eine japanische Schule zu beschreiben, erläutert wie nicht erfüllte Ziele der Spieler und der Einsatz psionischer Kräfte die Dämonen stärkt (wenn man denn welche haben will) und enthält außerdem ein kleines Kompendium mit Geistern und Dämonen. Tatsächlich wird insgesamt auch sehr viel über das echte Japan und die echten Probleme in japanischen Schulen vermittelt.

Wohlgemerkt: Ich habe es bislang noch nicht spielen können, und ich bin mir nicht sicher ob ich dazu jemals die Gelegenheit bekommen werde. Für mich als alten Hasen ist vor allem die Vorstellung das man ganze Abenteuer mit Banalitäten wie "wer schafft es die Lieblingsschülerin der neuen Geschichtslehrerin zu werden" füllen kann interessant.

Zitat von Am Ende möchte ich einfach nochmal ein Spielbeispiel aus dem Regelwerk wiedergeben::

It’s been a long school day already for our group with morning announcements, an exam and having to decide what the class will do for the culture fair. The new girl has also been acting strange.
Cindy/Naoko - Announcing the conflict: While hanging out with Mai (Bill) and Akane (Preston), Naoko (Cindy )spots the new girl Yumi (played by Steve the Superintendent), walking down the
hall, Cindy announces that Naoko will attempt to humiliate Yumi.

Cindy/Naoko - Taking an action: “I’ll trip Yumi as she walks by using a Fire die.”

Resolving the action: Cindy decides to roll just one die and succeeds. Bill playing Cindy-Naoko’s best friend describes the outcome. “Yumi stumbles, almost seeming like she’ll keep her
balance but then topples sending her books scattering.”

Bill/Mai - Responding to the action: Bill/Mai announces “Mai responds to this by pointing and laughing at the new girl to bring more attention to the embarrassing state she’s in.” He decides to roll two Air dice. Since Mai is the least popular girl in the group she is only rolling 6 sided dice.

Resolving the action: Bill fails to roll a five or better on either 6 sided die. Jo, whose character Aya is off speaking with the class president still gets to describe the outcome because she is Mai’s Rival. “Mai starts to point and laugh but then lets out a big snort, causing the attention to shift to her. There are a couple of giggles from her class mates.”

Yumi - Reacting to the action: Steve, having pre-made a few sets of stats for students, teachers, salespeople and the like flips his notebook to stats for students and picks a set at random for Yumi. He declares, “Yumi attempts to collect her things and walk away with her dignity and show a brave front to her peers.”

Resolving the action: Steve rolls two 6 sided water dice (since as a new girl Yumi is probably not well liked) and succeeds. Steve describes the outcome, “Putting her cell phone and keys back in her purse Yumi gathers her books and rises up, showing that this callous act had no effect on her.”

End of round one: The group checks to see if conflict is over, but Naoko decides she wants to pursue Yumi.

Cindy/Naoko - Taking an action: “I’m pissed off now because she isn’t humiliated. I say “Nice key chain, are they still into Doraemon where you come from?”

Resolving the action: Cindy rolls two Fire dice and succeeds. Bill speaks up again as her Best Friend, happy to turn the crowds attention away from Mai’s snort, “The kids in the hall all having seen the Doraemon figure dangling from the key chain turn and snicker or point while whispering conspiratorially to their neighbors about the childish artifact.” Jo fills in Preston on who Doraemon is.

Preston/Akane chimes in with “Akane watches with sadness in her eyes, beside herself, wanting to support her friend but also knowing the pain of being the new kid.”

Bill/Mai sighs in relief as the attention moves away from his Student.

No one responds with an action. Steve/Yumi says, “Yumi tries to remain above it all and maintain her composure, fearing what would happen if she acts out.” He rolls two Earth dice but fails. Steve decides instead of doing it himself he’ll have Preston describe Yumi’s failures. Preston ponders for a moment then states, “Even while trying to remain above it all Yumi’s eyes still have begun to tear up at the hurtful laughter from the crowd. She fails to be fully aware of where she is going and trips over a tall nice boys foot. Though this time she doesn’t drop anything.”

End of round two and clearly the scene is not over.

Cindy/Naoko starts the action again by taunting Yumi, “You’re too busy crying like a little blue butt to see where you’re going? Aww.” She calls out derisively. The game stops due to laughter at the term “blue butt” and time is spent explaining the etymology of the term and its significance in the scene. After the group calms down Cindy rolls two Air dice and surprisingly, being the most popular girl in the group, fails.

Resolving the action: Jo quickly jumps in with, “The other students begin feeling pity for this poor new kid and calls start to come from the crowd of “Leave her alone. What’s she done to you?” and the like as the cute, tall boy goes to help her up.”

Bill/Mai responds to the action wanting to prove herself after the snorting laughter. “Mai slips through the crowd closer and nudges the boy helping Yumi up so he tumbles into her.”

Resolving the action, Bill decides to use two Void dice and make this a Psychic enhanced action. He succeeds on both dice. Preston describes, “The tall boy falls forward into Yumi. His jacket splits up the entire length of the back seam, while Yumi’s skirt unravels some and one of her shoes falls off.”

Yumi - reacting action: Steve picks up two dice as he ponders Yumi’s next move. “Yumi scrabbles out from under the cute boy blushing. Grabbing her shoe she throws it at Naoko.”

Resolving the action: Steve rolls the two dice and fails. Preston then says, “The shoe goes wide and people step out of the way of the clumsy throw. No one approves of this violence.”

End of round three. Cindy admits she doesn’t feel any need to harass Yumi any further. Steve says that Yumi just wants to run away and cry. Bill has no intentions to continue the scene, and
instead will probably try to find a place to avoid people remembering Mai’s laughter. Preston says Akane will stick around to help the boy up and clean up the place. Perhaps she will try to return the shoe Yumi left behind. Since no one wishes to pursue the conflict the scene ends and the group focuses on Aya and her meeting with the class president.​

Fazit: Das Regelwerk mag für ein "Ernsthaftes" Rollenspiel zu simpel sein, aber für das Setting ist es perfekt und viele der Ideen kann sicherlich auch in andere Kampagnen einflechten. Wenn die Charaktere der Fantasyrunde das nächste Mal bei Hofe sind könnten zum Beispiel irgendwelche NSC's abfällige Bemerkungen über ihre Frisuren oder das Schuhwerk machen und dadurch dafür sorgen das der König sie nicht mehr ganz so ernst nehmen kann (wenn er nicht riskieren möchte sich mit solchem Pöbel auf eine Stufe zu stellen). Mir hat es auf jedenfall schon die ein oder andere Eingebung gebracht. Oh, und wer weiß... wenn wir mal in der richtigen Laune sind spielen wir es vielleicht sogar mal und werden vermutlich einen Heidenspaß dabei haben
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PS: Oh, und wer's bislang noch nicht bemerkt hat; das Spiel ist in Wirklichkeit nicht besonders Schlüpfrig. Ja, es gibt den ein- oder anderen Dämonen der sich an den Mädchen vergreifen könnte, aber das ist im Gesamtkontext eher eine Randnotiz.Den Artikel im Blog lesen
 
Nett geschrieben. Wenn man bei RPGNow einkauft, erhält man auch noch diese Version. Allerdings gibt es inzwischen eine neue Version 'Panty Explosion Perfect', die die Charaktererstellung noch einfacher macht, und noch schneller läuft, bei Atarashi Games selbst.

Spielen tut sich das wirklich gut - dieser 'Beste Freundin - Rivalin'-Mechanismus sorgt für ganz interessante, neue Dynamiken im Spiel.
 
Hm, für eine AzuDai-inspirierte Kampagne wäre das System wohl noch zu konfliktorientiert (andererseits, welches System wäre das nicht?).
Der Name ist aber unglücklich gewählt. Auch wenn er lustig klingt, würde er mich doch eher davon abhalten, da rein zu schnupern. Ich hoffe, das Spiel hat ne gute und relativierende Kurzbeschreibung auf dem Einband.
 
@Mito: Der Name soll wohl bewußt an schlechte Übersetzungen japanischer Mangatitel erinnern (hab ich irgendwo gelesen). Du hast schon recht das es komisch wirkt wenn man sowas im Regal stehen hat. Aber hier ist es halt der Inhalt der zählt. Immer noch besser als bewußte "Tittenbildchen" wie im Regelwerk von Arcane Codex (ein paar davon sind vielleicht noch stimmungsvoll, aber insgesamt bekommt man da schon den Eindruck das damit pubertierende Jungs geködert werden sollen).
 
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