AW: OMNI System
Da ich hier gefragt habe:
Inzwischen hab ich High Medieval und auch das universale OMNI genauer anschauen können und kann meine Frage nun auch selber beantworten. Zum Spielen bin ich nicht gekommen, deshalb möchte ich keine Rezi schreiben.
Vorab - das universale OMNI ist schon wieder "noch ein Universalsystem" und High Medieval ist schon wieder "noch ein Fantasyspiel". Insofern wird es hier und auch allgemein für kaum jemanden von wirklichem Interesse sein. Wir haben genug davon. Die tatsächlich angesprochene Zielgruppe ist dann wohl der Teil der Talislanta4e-Fans, der das OMNI-System auch mit anderen Settings sehen möchte.
OMNI Universal ist im Wesentlichen das, was man erwartet hat - ein Weiterentwicklung und Verallgemeinerung des OMNI-Systems, wie man es aus der 4th Edition von Talislanta kennt. OMNI verwendet jetzt Talente, die das Konzept von Vorteilen (oder auch Feats) anderer Systeme abbilden. Die Talente wiederum sind in Talent Trees zusammengefasst, die thematische, logische oder sonstwie mit dem Hintergrund verwobene Gruppen darstellen. Das könnte z.B. sein Statecraft, Sell Sword, Arcane Training oder Wasteland Warriors und kann natürlich auch selbst gestaltet werden.
Neue und/oder verbesserte Attribute, Fertigkeiten, Talente etc. erhält man in einem einfachen Point-Buy-System. Bevor man Talente in einem neuen Talentbaum kaufen kann, muss dieser zunächst erworben werden. Aber einer bestimmten Anzahl von Talentbäumen erhöhen sich die Kosten für neue. Talente haben fixe Kosten.
Magie (und auch Psi-Kräfte) funktionieren im Wesentlichen wie bekannt über Order und Modes. Modes sind beispielsweise Summoning oder Attack und werden ähnlich verwendet wie Fertigkeiten, i.d.R. muss zuvor ein bestimmtes Talent erworben werden. Magie ist nicht spontan oder "free style", der Magier kann also nicht mal eben aus dem Handgelenk einen neuen Spruch improvisieren. Er kann (und soll) jedoch auf Basis seiner Modes in Forschungsarbeit einen neuen Spruch entwickeln und fest in sein Repertoire aufnehmen. Vorgebene Spruch- oder Psipower-Listen gibt es nicht.
Dazu finden sich die üblichen Beispielrassen, Ausrüstung, GM-Tipps etc pp usw und blah ... Im Westen nichts neues.
Es wäre allerdings unfair, wenn ich OMNI nun dafür schimpfen würde, dass es "nur" kann, was es mit dem gegebenen Anspruch können sollte und will. Regeltechnisch werden zumindest im Mainstream-Bereich selten Innovationen vorgestellt, muss ja auch nicht sein. Dafür ist OMNI immer noch das, was der Vorläufer aus Talislanta bieten konnte, nämlich einfach und leistungsfähig.
Morrigan Press hat auch eine ganze Reihe von Spielen auf Basis von OMNI angekündigt, und mit Atlantis - The Second Age ist auch schon das erste in PDF erschienen. Ich bezweifle jedoch, dass der Erfolg so groß sein wird, dass auch die anderen das Licht der Welt erblicken - nicht nur, weil OMNI sich in einem vollbesetzten Tümpel mit großen Fischen um das Futter schlagen muss. Angekündigt sind Spiele um Vampire (gähn...), um Superhelden (gähn...) und Mutanten (gähn...). Vielleicht sollten sie sich zunächst auf Originelleres (Ronin oder Revolution, siehe Website) konzentrieren.
Tja, und welcher OMNI-Titel kommt als erstes im Hardcover an? Ein Fantasyspiel. Oha. Und abermals fürchte ich, dass High Medieval sich kaum durchsetzen wird, und abermals habe ich trotzdem beim Lesen ein paar mal grübeln müssen.
High Medieval (HM) ist, um mal so eine fragwürdige Beschreibung zu verwenden, "D&D goes Ars Magica". Es konzentriert zwar sich nicht auf Magie oder Zauberer, ist aber auch nicht in einer üblichen pseudo-mittelalterlichen Fantasy-Welt, sondern ist "unsere" mittelalterliche Welt (irgendwo zwischen den populären Irrtümern und dem jüngsten Spiegelartikel...) plus Fantasy, d.h. Zauberei und allerlei Fabelwesen. Entsprechend sind Quellenbücher angekündigt wie Charlemagne's Legacy, Cross & Crescent, Celtic Lands etc.
Nun kommt also Morrigan Press mit einer ganz merkwürdigen Design-Entscheidung daher und führt für HM im OMNI-System Klassen und Stufen ein. Huh?
Natürlich versucht man, Kundschaft vom d20-Sektor zu gewinnen, verständlicherweise - der hat ja auch die meisten. Das wird auch noch an anderer Stelle deutlich: Ohne das irgendwo ein d20-Logo oder auch nur der Hinweis darauf im Buch zu finden ist, ist in HM ganz hinten die OGL abgedruckt, und das Kapitel The Church und große Teile von Skills sind Open Content. Sowas. Während The Church ohnehin eigentlich "crunch-free" ist, bemerkt man, dass die Beschreibungen und auch die Regel-Infos der Fertigkeiten tatsächlich ohne weiteres in ein d20-Spiel (oder ein beliebiges anderes, dass mit Boni im ähnlichen Spektrum arbeitet) übernommen werden können.
Die Klassen bilden hier die Social Classes (muss, etwa Commoner oder High Noble) und die Callings (kann, etwa Forester, Thief, Knight, Demonologist etc). Man kann mit gewissen Einschränken beliebige zusätzliche Klassen wählen, und zwar immer dann, wenn man eine Stufe aufsteigt. Das passiert alle 25 Erfahrungspunkte, und da darf man dann neue Skillpoints verteilen, Talente wählen und Klassen aussuchen, wenn man die Vorbedingungen erfüllt.
Das Würfelsystem behält die kleine OMNI-Tabelle bei, d.h. Modifikatoren und Schwierigkeitsgrad werden im Wurf verrechnet und das Ergebnis direkt qualitativ bewertet. Der Kampf ist, danke, nicht auf Miniaturen ausgelegt, aber trotzdem nicht zu simpel gestaltet. Schön finde ich, dass Stunts, also Aktionen wie Kronleuchter schwingen, Sprünge über Gegnerköpfe, unter dem Tisch durchrollen und ähnliches direkt ins Kampfsystem integriert wurden und nicht vom Spielleiter improvisiert geregelt werden müssen.
Alle Bereiche sind leicht lesbar und verständlich, auch die Regelteile; das Layout für meinen Geschmack sehr angenehm. Ein bisschen hatte ich das Gefühl von "D&D nach 3 Monaten im Fitness-Studio, bei Salat und Obstsäften".
Wird sich, fürchte ich, im Sande verlaufen.