Hier nochmal was zu Civil War:
Auf Google+ kam heute auf, daß sich manch einer mehr "Railroading", mehr vorgegebenen "Plot" zum Nachspielen des Civil War Events wünschen würde. Da wurde das Spielen von MHR Events sogar mit "Sandboxing" bezeichnet - was kaum weiter daneben liegen könnte.
Hier mal meine Sicht auf diese Mißverständnisse und darauf, wie BEI MIR aus inzwischen einiger praktischer Spielerfahrung die Spielweise bei Cortex Plus und der Umgang mit Events angekommen ist.
Anfangs hatte ich gewisse Bedenken, daß die Event-Bücher für MHR nichts anderes sind als eine Art "gerailroadeter" vorgefertigter Plot, der sehr eng an die Comic-Vorlage gebunden ist. Aber sogar schon das kurze Breakout!-Event im MHR Basic Game hatte gezeigt, daß MHR Events weder "gerailroadete Plots" noch "Sandboxing" sind.
Für mich sind die vorgegebenen "Akte" und "Szenen" nur eine recht lockere, gerüsthaft offene Struktur für sehr stark CHARAKTER-fokussiertes Spielen.
Es sind die Spielercharaktere, die bei einer MHR-Spielsitzung im Zentrum stehen, nicht etwa ein vorbestimmter "Plot" (Railroading) noch eine Art "Weltsimulation" (Sandboxing). Bei beiden anderen Ansätzen müssen nämlich die Spielercharaktere hinter der "Story" zurückstecken oder hinter der harten "Naturgewalt" der Spielweltsimulation.
Railroading und Sandboxing sind beides nicht so stark an den individuellen Charakteren orientierte Spielweisen, wie das charakter-orientierte Spiel. - Und genau das ist eine weitere Eigenschaft, die MHR mit vielen "Indie Games" gemein hat, die ja offenkundig die Cortex Plus Regelmechaniken inspiriert haben.
Der "Plot", der "Handlungsbogen" eines Events wird in MHR in sogenannte Event Milestones übertragen. Diese stehen den Spielern aber zur AUSWAHL und können im Spiel verfolgt werden oder auch nicht oder nur teilweise - und die ausgewählten Milestones können ebenso auch geändert, getauscht, ersetzt werden. Es ist die alleinige WAHL des SPIELERS, welche der angebotenen "Roten Fäden" er mit seinem bzw. bei Troupe Play mit seinen Charakter(en) verfolgen möchte. - Es gibt KEINE vorbestimmte Geschichte, sondern nur eine Art "Menü" an Kern-Themen, welche mehr die Frage beantworten "Worum wird es in der erspielten Geschichte eigentlich gehen?". Das ist die Art, wie MHR mit dem Thema "Plot" der Comic-Vorlage umgeht.
Somit ist das weder eine Sandbox noch Railroading, es ist aber auch nicht ausschließliches Charakterspiel, bei dem nichts von Belang ist, außer den Charakteren. - MHR ist ein Spiel rund um ENTSCHEIDUNGEN.
Entscheidungen, welche die SPIELER treffen, um in ihren unterschiedlichen Haltungen, die sie als Spieler einnehmen zu können, Einfluß auf das Spiel auf Meta-Ebene zu nehmen, und Entscheidungen der Charaktere (also auch mittelbar der Spieler) bezüglich der jeweiligen In-Game-Herausforderungen. Es sind diese ENTSCHEIDUNGEN, die man als Spieler ständig treffen kann (und muß!), welche aus einem als Szenario-Produkt dargelegten Event eben die eigene, sehr persönlich ausgerichtete Kampagne der jeweiligen Spielgruppe machen.
Ich sehe das Civil War Event-Buch eher als eine Art thematisch ausgerichteter "Werkzeugkasten", mit dem jede Gruppe ihre EIGENE Version der Civil War Geschichte erschaffen kann. Dabei bietet das Event-Buch eben Auswahlmöglichkeiten, Gerüste, "Fertigbauteile", die alle bestens in eine Civil-War-Kampagne passen, die man aber nicht alle nehmen muß - oder sogar nehmen kann, da sie geradezu direkt in den Konflikt fahrende Themen behandeln (z.B. eben je nachdem, auf welcher Seite des Civil Wars die SCs agieren). Man wird also aus der FÜLLE an Bauteilen einen eigenen "Zuschnitt" für die Gruppe machen müssen. Dabei sind die Entscheidungen der SPIELER hier von Bedeutung, weniger die eines Spielleiters, der allein über alles entscheidet. Die Spieler sind es, welche die WAHL haben und die ENTSCHEIDUNGEN treffen.
Und das legt - eben wegen der Wahlmöglichkeiten - einen Haufen an VERANTWORTUNG auf die Schultern der Spieler. Das ist zwar recht normal für Spieler von "Indie Games", in denen die Spieler "empowert" sind, aber eher "konventioneller" aufgestellte Spieler könnten hier auf Schwierigkeiten stoßen. Man kann sich bei MHR nicht einfach zurücklehnen und den Spielleiter "mal machen lassen" oder "sich eine schöne Geschichte erzählen lassen", an der man halt ein wenig teilhat. In MHR liegt die Verantwortung bei den SPIELERN sich ihre Geschichte SELBST zu gestalten, interessant zu erzählen und ihren Verlauf zu bestimmen. Der Spielleiter hat hier eher die Aufgabe die Geschichte interessanter zu machen, indem er Herausforderungen, Opposition, Komplikationen in den Weg der Spielercharaktere stellt, damit diese glänzen können. Aber die Geschichte ist die Geschichte der SPIELER.
Glücklicherweise braucht es nicht lange - auch für "konventionellere" Spieler - um zu erkennen, was alles in ihren Möglichkeiten liegt, wenn sie MHR spielen. Eine Spielsitzung reicht - so meine Erfahrung - aus, daß sie den "Geist" von Cortex Plus und MHR erfassen.
Somit kann ich nur sagen: Ich MAG die Art, wie MWP den Civil War Event für das Pen&Paper-Rollenspiel aufbereitet hat. Ich mag nicht eine vorgefertigte Geschichte im "Malen nach Zahlen"-Stil abklappern zu müssen, sondern ich möchte als Spieler IMMER meine EIGENE Geschichte erspielen. Und das ist es, was MHR eben so vorzüglich ermöglicht.
Aber: Mit großer Spieler-Entscheidungsmacht kommt auch immer große Verantwortung für das gesamte Spiel der Gruppe.
Wer noch Bedenken hat, ob Civil War etwas für ihn und seine Gruppe sein mag, dem empfehle ich zum Antesten das Basic Game und einen der vielen fan-erstellten MHR-Events (z.B. von Exploring Infinity und anderen Quellen) zu spielen. Wenn das zur Zufriedenheit aller verlief, dann kann man ja immer noch die Essentials Edition von Civil War erwerben und diese mit den Regeln im Basic Game spielen.