Rezension MARS Savage Worlds Edition [Team-Rezi]

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MARS


Savage Worlds Settingband [Team-Rezi]


Sword & Planet, oder die Abenteuer sehr männlicher Helden auf sehr exotischen Planeten sind hierzulande ja ein eher wenig bedientes Genre, im Rollenspiel genauso wie in der Literatur. Ich persönlich hatte meine erste und bisher prägendste Begegnung damit beim Lesen der Michael Kane Geschichten von Michael Moorcock. In der Regel wird ein einsamer Held (üblicherweise von der Erde) mittels Dimensionreise, Magie etc. auf einen fernen Planeten versetzt (oftmals Mars oder Venus). Dort angekommen entdeckt er bizzare und wundersame Kulturen in denen futuristische Geräte auf einen mittelalterlichen Lebensstil treffen. Üblicherweise wird der Aussenseiter schnell in Konflikte epischen Ausmasses verwickelt und darf sukzessive die Prinzessin und/oder die Welt retten. Der Rest ist einfach: Gut ist Gut, Böse ist Böse.

MARS schickt sich an, dieses Genre der Unterhaltungsliteratur für Savage Worlds spielbar zu machen. Dabei wurde bewusst darauf verzichtet, irgendeine klassische Version des Mars aus einer der diversen Romanreihen direkt zu übernehmen oder lizensieren. MARS greift etliche klassische Klischees aus diesen Serien auf und schafft bewusst Assoziationen mit diesen Serien, bleibt am Ende jedoch eigentständig. Das 181 seitige Buch ist inzwischen als Hard- und Softcover erhältlich, sowie als PDF – Grundlage dieser Rezension war das PDF Exemplar, bei den gängigen Anbietern für 19.95$ zu erhalten.

Die PDF Datei ist mit 53 MB nicht grade klein, macht aber im Gegensatz zu anderen getesteten Produkten keine Probleme beim Scrollen oder Blättern. Positiv fällt auf, dass das Dokument für Copy und Paste freigegeben ist, was das erstellen eigener Handouts deutlich erleichtert. Negativ machen sich leider das Fehlen eines Index sowie einer Verlinkung des Inhaltsverzeichnisses bemerkbar. Neben dem Farbcover macht sich auch das andere Artwork durchaus positiv bemerkbar, auch wenn schnell offensichtlich wird, dass viele Darstellungen vom eher freizügigen Zeichenstil für Sword & Sorcery Romane und Comics der später 70er und frühen 80er beeinflusst sind – wenn man mit blanken Brüsten Probleme hat, sollte man also entsprechend vorsichtig sein.

Der Aufbau ist (mit Einführung, Charaktererschaffung, Gear, Settingregeln, SL-Teil, Bestiary, Abenteuer, Anhänge) durchaus üblich für Savage Worlds Settings, was mich etwas gestört hat, ist die Mischung von potentiell geheimen Informationen in den Fließtext des Buches. Ich bin kein Freund davon meine Spieler im Dunkeln zu lassen nur weil ihre Charakter nichts genaues wissen, aber wem das wichtig ist, sollte sich vorher überlegen welche Teile des Buches er seinen Spielern zugänglich macht.

Doch nun zum eigentlichen: Auf den ersten 30 Seiten wird uns zunächst einmal der künftige Spielplatz bekannt gemacht, der MARS mit seinen Eigenheiten und Biotopen sowie seiner Geschichte. Man erfährt, dass er einst ein fruchtbarer, grüner Planet war, ebenso wie unsere Erde. Irgendwann jedoch brach die Dürre aus – die Meere gingen zurück, Flüsse trockneten aus und der Regen wurde weniger. Als die Bewohner erkannten, dass das ganze mehr als nur Saisonale Schwankungen sind, begannen die roten Marsianer, die damals dominierende Spezies mit der Konstruktion der Kanäle, die dazu dienen sollten, die Bevölkerungszentren mit Wasser von den Polen zu versorgen. In einem Millenien währenden Prozess wurden so die Kanäle des Mars geschaffen. Währenddessen trocknete der Planet weiter aus, und die grünen Marsmenschen, hochgewachsene Barbaren, die in der Blütezeit nur in den entlegensten Winkeln und Wüsten existierten gewannen in der neu enstehenden Wüste an Boden. Das Gewalte Bauprojekte schwächte die ohnehin strapazierte rote Marsbevölkerung weiter, so dass die Gebiete die von ihnen kontrolliert wurden immer kleiner wurden. In der heutigen Zeit bewohnen die roten Marsianer nur noch die schmalen Streifen fruchtbaren Landes die die inzwischen fertigen Kanäle säumen. Der Rest der Wüste gehört den grünen Marsianern, humanoiden Riesen von fast 3 Meter Körpergröße, mit einem Insektoiden Schädel. Was ihnen an Verstand im Vergleich zu den Roten mangelt, machen sie durch schiere Kraft und Zähigkeit wett. Der Nordpol, die Quelle allen Wassers in den Kanälen ist von einem dichten Dschungel überwuchert, einem Dschungel der von den weißen Affen des Mars beherrscht wird, einer Gorillaähnlichen Spezies von intelligenten Homiden, die sich gegen Ende des Kanalbaues gegen ihre Sklaventreiber, die roten Marsianer, erhoben und nun ihr eigenes straff geführtes Imperium im Dschungel beherrschen. Ihre Versuche, die Kanäle zu kontrollieren und mit ihnen das Wasser und damit die Roten zu unterwerfen sind jedoch immer wieder an den Wächtern der Kanäle gescheitert. Synthetischen Menschen, die in der Hochzeit der Kanalbauer entwickelt wurden, die Kanäle, die Lebensadern des Mars von jeglicher Einflussnahme zu bewahren.

Die Kanäle selbst sind Wunderwerke der Ingenieurskunst: Mehrere Hundert Meter tief sind sie vollständig mit einem seltsamen Metall verkleidet, dass zugleich Porös und unzerstörbar scheint. Durch die Wände der Kanäle diffundiert immer gerade genug Wasser, um einen schmalen, 10 km breiten Streifen Land links und recht mit Leben zu bevölkern. Das Metall sorgt ausserdem dafür, dass das Wasser immer sauber und frei von Krankheiten bleibt. Das Schiffen auf den Kanälen ist erlaubt und so stellen sie neben den Luftschiffflotten der Roten das primäre Handelsnetzwerk dar.

Die Bevölkerung des Mars ist heute viel kleiner als vor einigen tausend Jahren, und so nimmt es nicht Wunder, dass der Planet und die Wüsten nur so wimmeln von den Ruinen alter Städte. Abenteurer aller Rassen können hier schnell Ruhm und Schätze oder den Tod finden. Unter dem Sand des Mars jedoch haust die vielleicht größte Bedrohung für das Leben auf der Oberfläche: Die grauen Marsianer – wo sie sich mit ihren gigantischen Gehmaschinen, Tripods, niederlassen, verdorrt das Land zu Asche – selbst wenn sie weiterziehen wächst an diesen Stellen für Generationen nichts mehr.

Doch auch heute noch ist der Mars eine sterbende Welt. Die Todeszonen der grauen Marsianer breiten sich ständig weiter aus. Und abseits der Kanäle vertrocknet der Planet. In den letzten Jahren scheint es, als ob auch der Wasserspiegel der Kanäle in jeder Trockenzeit etwas niedriger fällt als im Jahr davor.

Im nächsten Kapitel werden uns dann, ganz Systemtypisch die Regeln zur Charaktererschaffung nähergebracht. Am interessantesten hier dürften wohl die verschiedenen Rassen sein, die im Detail vorgestellt werden. Wir bekommen weitere Hintergründe zu allen Rassen, sogar zu den Grauen, die allerdings nicht als Spielercharaktere vorgesehen sind. Ärgerlicherweise enthält dieser Bereich über den Spieler leicht stolpern können durchaus Hintergrundinformationen die man vielleicht erstmal für sich behalten würde. Es folgen die etwa 20 neuen Edges, 11 davon sind neue Professional Edges, der Rest sind meist ausgewählte einzelne Edges die so schon in anderen Settings Verwendung fanden. Vorbildlich. Menschen sind in dieser Wekt die seltene Ausnahme, und so haben sie die optionale Möglichkeit, besondere Fähigkeiten im Zuge ihrer Charaktererschaffung zu kaufen, die den merkwürdigen Einfluss des Mars auf Erdengebohrene repräsentieren. Da alle Marsrassen etwa eine Steigerung besser sind als normale Menschen, gleicht es sich am Ende etwa aus.

Es folgt ein Kapitel über Ausrüstung in dem wir auf knapp 10 Seiten erfahren, dass es in MARS kein Geld für Spielercharaktere gibt – es ist schließlich ein Spiel über Heldentum ud keine Wirtschaftssimulation. Trotzdem enthält es alle Relevanten Informationen wie auf Mars gehandelt wird, sowie Hauptwährungseinheiten. Besondere Ausrüstung die sich hier findet sind dem Genre entsprechend eine Reihe verschiedener Nahkampfwaffen sowie die futuristischen Fernkampfwaffen des Settings: Radium-Strahlenwaffen. Der Rest beschäftigt sich kurz und knapp mit Fahrzeugen, wobei hier besonders die Tripods der grauen Marsianer herausstechen.

Im Kapitel für Settingregeln werden kurz einige Prämissen für MARS vorgestellt: Charaktere können nur duch willfährige Akte getötet oder verkrüppelt werden. Stunts sind eine neue Möglichkeit für Charaktere Bennies zu erwerben, indem sie besonders gefährliche und waghalsige Manöver ausführen. Mit Story Declaration wird eine neue Möglichkeit eingeführt um Bennies dazu zu verwenden für einen kleinen Aspekt der Szene die erzählerische Macht an sich zu reissen und so die Situation zu seinen Gunsten zu verändern. Ansonsten werden noch 2 neue Typen von NPCs eingeführt – Henchmen und Mooks. Henchmen sind Extras die aber dank eines Wild Dies kompetenter sind. Mooks sind Extras die schon bei einem Shaken Ergebnis ausser Gefecht gehen. Der Rest der Settingregeln befasst sich mit den Luftschiffen des Mars, fliegenden Schiffen die auf unbekannte Weise in der Luft gehalten werden und mehr oder weniger normale Schiffahrt in drei Dimensionen erlauben. Luftschiffe sind die Haupttransportmittel für Reisen zwischen den verschiedenen Gebieten die von roten Marsianern besiedelt werden sowie generell Reisen durch die gefährliche Wüste zwischen den Kanälen. Neben den eigentlichen Schiffen gibt es auch relativ ausführliche Regeln für den Luftkampf zwischen Schiffen.

Das Spielleiterkapitel beginnt mit einer knappen aber hilfreichen Literaturgeschichte des romantic planetary novel/Sword & Planet Genres. Weiter geht es mit einer inhaltlichen Analyse der genreüblichen Elemente und Klischees, beides durchaus sinnvoll um die richtige Stimmung zu beschreiben. Es folgt das übliche yadda yadda zum Thema Abenteueraufbau, Was man lassen sollte etc. was sich im Grunde in jedem Spielleiterteil eines jeden Settings oder Corebuchs eines jeden Spiels findet. Hier gibts nix neues, aber das erwartet auch keiner. Also durchaus normal und solide. Den Abschluss des Kapitels bildet ein Abenteuergenerator. In diesem Fall etwa fünf Seiten lang, mit den üblichen Tabellen und Erklärungen sowie zwei Beispielen findet man auch hier durchaus gute Savage Worlds Standardkost. Damit nicht der falsche Eindruck aufkommt: Der SL-Teil ist nicht schlecht – er ist nur auch wirklich nichts besonderes (obwohl ich die Einführung ins Genre wirklich gut fand).

Das nächste Kapitel „Bestiary“ beschäftigt sich wie der Name schon sagt mit allem was das kreucht und fleucht. „Also auch wieder nix besonderes“ könnte man denken, aber weit gefehlt. Nach ein paar Seiten mit durchaus interessanten Mars-Kreaturen folgt nämlich ein „Marser“: Ein Liste von Zufallstabellen die man mit einem Monsterstatblock von Savage Worlds oder aus irgendeinem der Settings oder Toolkits füttert und der einem das ganze „vermarst“, also eine Marskreatur draus macht. Erst fand ich die Idee reichlich dämlich, aber nach zwei Versuchen just for fun habe ich festgestellt, dass es erstaunlich gut funktioniert. Gute Idee also. Der Bestienkonvertierer kommt auch mit einen gaz guten Beispiel, so dass wirklich jeder ganz brauchbare Ergebnisse kriegen sollen könnte

Auf die Kreaturensammlung folgt eine knapp 35 Seiten lange Kampagne die sich um die Rettung der Tochter eines reichen roten Marsianers dreht. Das ganze bezeichnet sich (etwas unberechtigterweise) als Plotpoint-Kurzkampagne, ist aber wohl doch eher als geskriptete Kampagne zu betrachten. Nichtsdestotrotz ist die fünfteilige, durch und durch lineare Kampagne durchaus brauchbar. Sie ist kurzweilig zu lesen und gut genug geschrieben um auch dem Spielleiter mit der Gruppe die immer das Abenteuer sprengt genug gute Wiedereinstiegspunkte und alternative Routen zu bieten. Die Menge der Kommentare und die Vorraussicht auf Probleme lässt darauf schliessen, dass hier wohl recht ausführlich Probegespielt wurde. Die Ausarbeitung ist dabei Sorgfältig und geht deutlich über die üblichen Savage Tales hinaus. Auch wenn hier keine echte Kampagne geboten wird, bietet die Geschichte doch locker Material für 5-8 geschätzte Spielabende und damit deutlich mehr als viele andere der in letzter Zeit erschienenen Savage Worlds Settings.

Den Rest des Buches nehmen eine Liste von Vorgefertigten NSC Extras und Wildcards ein, die alle wichtigen Bereiche abdecken die man so in einer Runde brauchen könnte und die sich teilweise auch hervorragend als Storyseeds eignen. Ausserdem finden sich auch die unverzichtbaren Encountertables hier, mit denen man herausfinden kann, wem man denn Heute in der Wüste über den Weg läuft. Benutzt die eigentlich jemals jemand? Naja , wurscht – schaden tun sie nicht.

Fazit:
Savage MARS ist vom Umfang und Preis absolut im Bereich des für Savage Worlds üblichen. Es bietet eine Fülle von Informationen in einem Setting, dass den Mars von einer Seite beleuchtet die für Rollenspiele bisher neu ist. Im Gegensatz zu Space 1889 oder ähnlichen steht der ursprüngliche Mars im Mittelpunkt- Menschen sind hier Aliens. Die künstlerische Gestaltung und das Artwork haben mir gut gefallen, auch wenn sich einige Illustrationen wiederholen. Ich bin eigentlich kein großer Fan von planetary Romance (wie gesagt: Michael Kane von Moorcock, einige Kregen Romane von Alan Burt Akers etc.). Aber das Setting und das Abenteuer haben doch die Lust geweckt das ganze zumindest als Kurzkampagne für die lokale Gamers Guild mal anzubieten.

The Good: Gut Ausgearbeitetes Setting, gute Regelergänzungen und wenige, interessante Konflikte, viele Anreize, schöne Kurzkampagne

The Bad: Einiges Artwork wiederholt sich, SL- und Spielerinformationen sind nicht gut getrennt, Produktionswerte des PDFs (Links, Index) könnten besser sein

The Ugly: Viele nackte Frauen (naja, ein paar – ich habs im Büro ausgedruckt und einige Seiten sind NICHT work safe...)Den Artikel im Blog lesen
 
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