Manny
Relikt
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Mage: The Awakening
WoD2 Kernregelwerk
Mage: The Awakening[/B] ist White Wolfs dritter Hauptpfeiler in der neuen World of Darkness. Ich kannte zwar Mage: The Ascension nicht, aber wollte (irgendein) Mage immer schon einmal probieren – nur ist The Awakening zuvor gekommen. Das ist aber kein Grund zum Bedauern, denn ich mag das neue System. Warum? Das versuche ich in dieser Rezension zu erläutern.
Makeup:
Das Buch selbst ist eins der breiteren in meiner World of Darkness Abteilung im Bücherregal. Mit ziemlich genau 400 Seiten stellt es damit eins der gewichtigsten Publikationen dar, und es kann sich sehen lassen. Es fängt schon am Äußeren an: ein türkis-zyan-hellblaues Farbenspiel, das Ruinen am Meeresgrund darstellt, abgebildet auf einem qualitativ hochwertigen Hardcover-Einband mit Reflexionen; in diesem Fall ist es ein verziertes Pentagramm in einem Pentagramm in einem Pentagramm.
Die Seiten selbst sind in üblicher White Wolf Grundregelwerk-Qualität: schwarzer Text auf weißem Grund mit goldglänzenden Überschriften. Was ein wenig sauer aufstoßen kann: der Illustrationsstil ist eine Geschmackssache, nicht jeder ist ein besonders großer Liebhaber der Lineart-Grafiken. Ich persönlich finde den Stil im Vergleich zu „Feinden“ aus den eigenen Reihen wie beispielsweise Werewolf: The Forsaken oder Vampire: The Requiem um einiges fürchterlicher – salopp gesagt. Wenn man aber darüber hinweg sieht und sich mit dem System selbst beschäftigt, dann stoßt man auf Goldnuggets.
Anstatt üblicherweise den Inhalt zusammenzufassen und stellenweise Kommentare einfließen zu lassen will ich es einmal umgekehrt versuchen und das System per se beschreiben, bevor ich einen minimalistischen Durchlauf durch die Kapitel starte.
Was also ist Mage? Das Cover versucht es in einer prägnanten Phrase zusammenzufassen, „A Storytelling Game of Modern Sorcery.“ Also weniger zauberstabschwingende Helden in einem grobmittelalterlichen Fantasyszenario und mehr in Richtung Hausmeister Franz, der mit reiner Gedankenkraft den Müllsack in den nächsten Eimer teleportiert.
Hintergrund:
Aber fangen wir einmal am Anfang an. Der dem Setting zugrunde liegenden Mythologie zufolge gab es vor langer, langer Zeit eine Stadt namens Atlantis – ja, ganz genau, die versunkene Stadt. Bewohnt wurde diese Stadt von der Menschheit, die die Thaumaturgie beherrschte. Dummerweise ist ihnen das Ego über ihre Macht nach einigen Generationen zu Kopf gestiegen, und Magier lehnen sich gegen Magier auf. Dem Sieger gehörte die Beute, oder eher Atlantis; die Besiegten, die später Exarchen genannt werden, mussten sich ihr Exil andernorts suchen.
All diese thaumaturgische Macht hat aber einen Ursprung, die Realms Supernal. Und natürlich machten sich die Atlanter daran ihre Macht und ihre Mittel darin zu investieren eine Leiter in die hohen Reiche zu errichten. Das gefiel den Exilanten nicht, und sie stürmten Atlantis und die Leiter. Die Stapelung der Ereignisse hatte leider nur einen fatalen Nebeneffekt: die Leiter hat sich desintegriert, die Welten sind erzittert und ganz nebenbei sind die Fundamente von Atlantis zerborsten. Zwischen der niederen Ebene und den höheren breitete sich das Abyss aus, quasi ein schwarzes Loch der Magie. Die Kunst der Thaumaturgie versiegte unter den zahlreichen „Schläfern“, aber es gibt noch einige Magier, „Orakel“, in den höheren Reichen, die das alles überdauern konnten. Und diese Orakel rufen hin und wieder Seelen zu sich zu den Wachtürmen, um sie zur „Wahrheit“ erwachen zu lassen. Soweit die Geschichtsstunde.
Realität:
Der „Wahrheit“ stellt sich aber die „Lüge“, das Abyss. Die Magier, die den Ruf einer der fünf Wachtürme empfangen, können aber nicht einfach so wild-zaubernd durch die Gegend rennen. Denn jedem Schläfer – und das ist beinahe jeder, der nicht früher oder später von einem Wachturm gerufen wird – liegt ein Funke des Abyss inne. Realitätsferne und surreale Geschehnisse werden mit Unglauben begegnet und alleine durch diesen Prozess werden realitätsbiegende Zauber wieder „entfernt.“ Schlimmer noch, jeder realitätsbiegende oder unglaubwürdige Zauber kann Paradoxa hervorrufen; die Realität und ihre Gesetzmäßigkeit versucht sich quasi selbst zu reparieren. Und während diesen Prozesses können üble Dinge passieren: von Zaubern, die plötzlich der eigenen Kontrolle entgleiten über unwirkliche Anomalien bis hin zu plötzlichen Besuchen namenloser Schrecken aus dem Abyss. Soweit die Nebenwirkungen, bei denen Arzt oder Apotheker auch nicht mehr helfen.
Kreativität:
Und jetzt zum meiner Meinung nach besten Aspekt des Settings: das Zaubersystem erlaubt so ziemlich alles, was man sich vorstellen kann. Anstelle von „vorgefertigten“ Zaubern wie bei anderen namhaften Rollenspielsystemen kann man sich einfach Zauber aus dem Nichts ausdenken und sie wirken, ohne sie jemals „gelernt“ zu haben. Gut, ich hab in zweierlei Punkten übertrieben: man benötigt nach wie vor einen mehr oder weniger hohen Wert in den zugehörigen Arcana; und das Buch enthält bereits auf 134 Seiten (!) eine beeindruckend umfangreiche Sammlung an Zaubersprüchen, die eigentlich schon beinahe den ganzen Alltagsgebrauch abdecken. So groß die Sammlung auch klingt, man findet sich meistens gut zurecht; vorallem der eigene Index für Zauber kann ab und zu hilfreich sein. Für besonders skurrile Zauber, die in diesem Sammelsurium nicht abgedeckt sind, gibt es aber natürlich noch einen Leitfaden unter dem Stichwort „kreative Thaumaturgie.“
Leider gibt es auf den 400 Seiten nur einen Crashkurs in kreativer Thaumaturgie; man kommt nicht drum herum sich das Supplement zu beschaffen, das sich am meisten mit thaumaturgischen Details beschäftigt: Tome of the Mysteries. Neueinsteigende Spieler und Gruppen sollten es auf jeden Fall auf die Einkaufsliste setzen, wenn sie das System wirklich längerfristig spielen wollen.
Charaktere:
Es gibt in diesem Subsetting der World of Darkness aber auch wieder zwei „Achsen“, Orden und Pfad. Die fünf Orden stellen sehr salopp formuliert Gruppen auf Makroebene dar, die natürlich den einen oder anderen Stereotypen mit sich tragen. Pfade hingegen repräsentieren, unter welchem Wachturm man erwacht ist – und das ist eine permanente Angelegenheit.
Die fünf Orden sind:
Jedem der Pfade sind jeweils zwei Ruling Arcana sowie ein Inferior Arcana zugeordnet, die die Grenzen des eigenen Wachturmes bestimmen. Nicht jeder kann jedes Arcanum voll erschöpfen. Insgesamt gibt es übrigens zehn Arcana: Death, Fate, Forces, Life, Matter, Mind, Prime, Space, Spirit und Time. Bis auf eines sollten eigentlich alle selbsterklärend sein; Prime stellt in gewisser Weise die Kontrolle über Magie und magischen Dingen selbst dar.
Es kommt aber auch gelegentlich vor, dass Zauber nicht nur einem Arcanum zugeordnet sind. Einige Zauber haben mehrere Arcana-Anforderungen; beispielsweise benötigt ein Zauber, der einen unbelebten Gegenstand in kleine Spinnen zerfallen lässt, sowohl Kenntnis in Matter als auch Life.
Das Schöne daran: man muss keine endlosen Zauberformeln aufsagen oder Fingerakrobatik üben – Zauber entstehen aus der eigenen Vorstellungskraft und benötigen meistens nicht mehr. Es gibt aber auch Varianten jeder Zauber, die in Gesten und Mimiken „kodiert“ sind; das funktioniert ähnlich wie beim Pawlowschen Hund. Das erleichtert den Zauberprozess etwas für emporsteigende Magier, ebenso wie Wörter der Macht, die in der Hohen Sprache gesprochen werden (und für Schläfer klingt wie eine auf einem verstimmten Grammophon sterbende Katze... oder so ähnlich).
Und man darf die obligatorischen Special Effects nicht vergessen. Üblicherweise sieht man sie nicht, aber unsere Magier haben für jedes Arcanum einen passiven Zauber, der in die Kategorie „Mage Sight“ fällt und Special Effects wahrnehmbar macht – besonders mächtige und vorallem realitätsbiegende Zauber sorgen für nach Ozon riechender Luft, Engelschöre oder funkelnde Illusionen.
Das klingt zu schön um wahr zu sein – und das ist es auch: denn letztenendes sind Magier nur Fleisch und Blut, und damit ebenso sterblich und verwundbar wie normale Menschen.
Thema:
Die wohl schwierigste Frage im ganzen System ist allerdings: Ich bin nun Magier, was nun? Im Gegensatz zu beispielsweise Werewolf: The Forsaken, Promethean: The Created oder Hunter: The Vigil ist es nicht ganz so trivial, weil explizit nie etwas „empfohlen“ wird. Das kann bei Einsteigern für Kopfzerbrechen sorgen, ist aber unter dem Strich eigentlich ein positiver Aspekt: alle Türen stehen offen. Man kann in der lokalen Politik der Magier, dem Consilium, mitmischen, in die Fußstapfen von Indiana Jones und Lara Croft bei Artefaktensuche treten oder einfach nur diese wirklich lästigen Exarchen – die es übrigens immer noch gibt – loswerden.
Inhalt:
Zum versprochenen, minimalistischen Breakdown der Kapitel:
Das Buch fängt mit dem obligatorischen, achtseitigen Prologue an. Dieser hört übrigens mit den Worten „I am a Mage now. I can do anything“ auf, und ich denke diese zwei kurzen Sätze treffen das System an sich wirklich hervorragend.
Danach folgen Credits, Inhaltsverzeichnis und die neunseitige Introduction, wo Neulinge gleich sanft an das Konzept und den Hintergrund des Systems herangeführt werden. Etwas deplatziert wirkt an dieser Stelle allerdings das Glossar.
Kapitel 1 – „Arcanus Mundus“ – geht dann schon auf 39 Seiten näher ins Detail, was es mit dem System auf sich hat. Von der Geschichte von Atlantis, wie sie von paranoiden Magiern gehütet wird, bis hin zu Magiern in der modernen Welt.
Danach folgt mit Kapitel 2 – „Character“ – auf 45 Seiten das obligatorische, ausgearbeitete Charaktererschaffungssystem, das wie gewohnt an die Charaktererschaffung des World of Darkness Kernregelwerks anknüpft.
Kapitel 3 – „Magic“ – ist dann schon deutlich gewichtiger und nimmt mit 183 Seiten insgesamt den Großteil des Buches ein. Hier wird das Magiesystem erklärt und es gibt wie schon erwähnt eine ganze Menge an Beispielzaubern.
Danach folgen mit Kapitel 4 – „Storytelling and Antagonists“ – auf 49 Seiten ein paar Hinweise und Details für den geneigten Erzähler. Ehrlich gesagt habe ich das Kapitel als für mich nutzlos empfunden; es enthält einfach keine für mich neuen oder interessanten Informationen.
Danach gibt es nur noch Appendix 1 – „Legacies“ –, die obligatorischen „Spezialisierungen“ für die Achsen sowie Appendix 2 – „Boston“ – als sehr rudimentär gehaltenes Beispielszenario.
Inhaltlich an den Prolog anknüpfend folgt dann der Epilog, getrennte Indexe für Stichwörter, Zauber und Rotes (die kodierten Zauberformeln) sowie ein zweiseitiges Charakterblatt und die übliche Werbung für das Settingsupplement Boston Unveiled plus White Wolfs offiziellem Fanclub Camarilla.
Fazit:
Unter’m Strich sicher ein unheimlich versatiles System, das aber vorallem für Erzähler eine nicht unbedeutende Herausforderung darstellen kann. Das Grundregelwerk selbst ist streckenweise wieder schwammig und man kommt nicht dran vorbei das eine oder andere Supplement zu besorgen. In diesem Kontext empfehle ich übrigens Tome of the Mysteries als Must Have, und vielleicht noch Sanctum & Sigil sowie möglicherweise noch Intruders - Encounters with the Abyss.Den Artikel im Blog lesen
WoD2 Kernregelwerk
Mage: The Awakening[/B] ist White Wolfs dritter Hauptpfeiler in der neuen World of Darkness. Ich kannte zwar Mage: The Ascension nicht, aber wollte (irgendein) Mage immer schon einmal probieren – nur ist The Awakening zuvor gekommen. Das ist aber kein Grund zum Bedauern, denn ich mag das neue System. Warum? Das versuche ich in dieser Rezension zu erläutern.
Makeup:
Das Buch selbst ist eins der breiteren in meiner World of Darkness Abteilung im Bücherregal. Mit ziemlich genau 400 Seiten stellt es damit eins der gewichtigsten Publikationen dar, und es kann sich sehen lassen. Es fängt schon am Äußeren an: ein türkis-zyan-hellblaues Farbenspiel, das Ruinen am Meeresgrund darstellt, abgebildet auf einem qualitativ hochwertigen Hardcover-Einband mit Reflexionen; in diesem Fall ist es ein verziertes Pentagramm in einem Pentagramm in einem Pentagramm.
Die Seiten selbst sind in üblicher White Wolf Grundregelwerk-Qualität: schwarzer Text auf weißem Grund mit goldglänzenden Überschriften. Was ein wenig sauer aufstoßen kann: der Illustrationsstil ist eine Geschmackssache, nicht jeder ist ein besonders großer Liebhaber der Lineart-Grafiken. Ich persönlich finde den Stil im Vergleich zu „Feinden“ aus den eigenen Reihen wie beispielsweise Werewolf: The Forsaken oder Vampire: The Requiem um einiges fürchterlicher – salopp gesagt. Wenn man aber darüber hinweg sieht und sich mit dem System selbst beschäftigt, dann stoßt man auf Goldnuggets.
Anstatt üblicherweise den Inhalt zusammenzufassen und stellenweise Kommentare einfließen zu lassen will ich es einmal umgekehrt versuchen und das System per se beschreiben, bevor ich einen minimalistischen Durchlauf durch die Kapitel starte.
Was also ist Mage? Das Cover versucht es in einer prägnanten Phrase zusammenzufassen, „A Storytelling Game of Modern Sorcery.“ Also weniger zauberstabschwingende Helden in einem grobmittelalterlichen Fantasyszenario und mehr in Richtung Hausmeister Franz, der mit reiner Gedankenkraft den Müllsack in den nächsten Eimer teleportiert.
Hintergrund:
Aber fangen wir einmal am Anfang an. Der dem Setting zugrunde liegenden Mythologie zufolge gab es vor langer, langer Zeit eine Stadt namens Atlantis – ja, ganz genau, die versunkene Stadt. Bewohnt wurde diese Stadt von der Menschheit, die die Thaumaturgie beherrschte. Dummerweise ist ihnen das Ego über ihre Macht nach einigen Generationen zu Kopf gestiegen, und Magier lehnen sich gegen Magier auf. Dem Sieger gehörte die Beute, oder eher Atlantis; die Besiegten, die später Exarchen genannt werden, mussten sich ihr Exil andernorts suchen.
All diese thaumaturgische Macht hat aber einen Ursprung, die Realms Supernal. Und natürlich machten sich die Atlanter daran ihre Macht und ihre Mittel darin zu investieren eine Leiter in die hohen Reiche zu errichten. Das gefiel den Exilanten nicht, und sie stürmten Atlantis und die Leiter. Die Stapelung der Ereignisse hatte leider nur einen fatalen Nebeneffekt: die Leiter hat sich desintegriert, die Welten sind erzittert und ganz nebenbei sind die Fundamente von Atlantis zerborsten. Zwischen der niederen Ebene und den höheren breitete sich das Abyss aus, quasi ein schwarzes Loch der Magie. Die Kunst der Thaumaturgie versiegte unter den zahlreichen „Schläfern“, aber es gibt noch einige Magier, „Orakel“, in den höheren Reichen, die das alles überdauern konnten. Und diese Orakel rufen hin und wieder Seelen zu sich zu den Wachtürmen, um sie zur „Wahrheit“ erwachen zu lassen. Soweit die Geschichtsstunde.
Realität:
Der „Wahrheit“ stellt sich aber die „Lüge“, das Abyss. Die Magier, die den Ruf einer der fünf Wachtürme empfangen, können aber nicht einfach so wild-zaubernd durch die Gegend rennen. Denn jedem Schläfer – und das ist beinahe jeder, der nicht früher oder später von einem Wachturm gerufen wird – liegt ein Funke des Abyss inne. Realitätsferne und surreale Geschehnisse werden mit Unglauben begegnet und alleine durch diesen Prozess werden realitätsbiegende Zauber wieder „entfernt.“ Schlimmer noch, jeder realitätsbiegende oder unglaubwürdige Zauber kann Paradoxa hervorrufen; die Realität und ihre Gesetzmäßigkeit versucht sich quasi selbst zu reparieren. Und während diesen Prozesses können üble Dinge passieren: von Zaubern, die plötzlich der eigenen Kontrolle entgleiten über unwirkliche Anomalien bis hin zu plötzlichen Besuchen namenloser Schrecken aus dem Abyss. Soweit die Nebenwirkungen, bei denen Arzt oder Apotheker auch nicht mehr helfen.
Kreativität:
Und jetzt zum meiner Meinung nach besten Aspekt des Settings: das Zaubersystem erlaubt so ziemlich alles, was man sich vorstellen kann. Anstelle von „vorgefertigten“ Zaubern wie bei anderen namhaften Rollenspielsystemen kann man sich einfach Zauber aus dem Nichts ausdenken und sie wirken, ohne sie jemals „gelernt“ zu haben. Gut, ich hab in zweierlei Punkten übertrieben: man benötigt nach wie vor einen mehr oder weniger hohen Wert in den zugehörigen Arcana; und das Buch enthält bereits auf 134 Seiten (!) eine beeindruckend umfangreiche Sammlung an Zaubersprüchen, die eigentlich schon beinahe den ganzen Alltagsgebrauch abdecken. So groß die Sammlung auch klingt, man findet sich meistens gut zurecht; vorallem der eigene Index für Zauber kann ab und zu hilfreich sein. Für besonders skurrile Zauber, die in diesem Sammelsurium nicht abgedeckt sind, gibt es aber natürlich noch einen Leitfaden unter dem Stichwort „kreative Thaumaturgie.“
Leider gibt es auf den 400 Seiten nur einen Crashkurs in kreativer Thaumaturgie; man kommt nicht drum herum sich das Supplement zu beschaffen, das sich am meisten mit thaumaturgischen Details beschäftigt: Tome of the Mysteries. Neueinsteigende Spieler und Gruppen sollten es auf jeden Fall auf die Einkaufsliste setzen, wenn sie das System wirklich längerfristig spielen wollen.
Charaktere:
Es gibt in diesem Subsetting der World of Darkness aber auch wieder zwei „Achsen“, Orden und Pfad. Die fünf Orden stellen sehr salopp formuliert Gruppen auf Makroebene dar, die natürlich den einen oder anderen Stereotypen mit sich tragen. Pfade hingegen repräsentieren, unter welchem Wachturm man erwacht ist – und das ist eine permanente Angelegenheit.
Die fünf Orden sind:
- The Adamantine Arrow ist vom Konzept her eine Mischung zwischen Miliz und Außenpolitik, hauptsächlich aber eher ersteres.
- The Free Council ist eine eher junge Vereinigung von Freigeistern, die den technologischen Fortschritt willkommen heißen und in ihre Praktiken inkorporieren.
- Guardians of the Veil stellen eher die innere Sicherheit dar, und das ist eine durch die Blume gesprochene Umschreibung. Exekutive eines Polizeistaates wäre vielleicht bildlicher.
- The Mysterium beschäftigt sich, wie der Name schon impliziert, eher mit mysteriöseren Angelegenheiten, immer auf der Suche nach neuen Geheimnissen.
- The Silver Ladder versuchen eher Führungs- und Beratungspositionen einzunehmen, um die Schäfchen zu führen.
- Magier am Acanthus-Pfad sind Glückskinder, die über die Zeit und das Schicksal bestimmen.
- Die Mastigos krümmen das Konzept von räumlicher Distanz und ziehen die Fäden in den Köpfen ihrer Marionetten.
- Die Moros herrschen über Materie, den Tod und damit implizit Gespenster; prädestiniert für Nekromantie.
- Die etwas brachialeren Obrimos kommandieren weltliche Energien und übernatürliche Kräfte.
- Magier auf dem Thyrsus-Pfad repräsentieren archetypische Schamanen und gebieten über Geister sowie das Leben an sich.
Jedem der Pfade sind jeweils zwei Ruling Arcana sowie ein Inferior Arcana zugeordnet, die die Grenzen des eigenen Wachturmes bestimmen. Nicht jeder kann jedes Arcanum voll erschöpfen. Insgesamt gibt es übrigens zehn Arcana: Death, Fate, Forces, Life, Matter, Mind, Prime, Space, Spirit und Time. Bis auf eines sollten eigentlich alle selbsterklärend sein; Prime stellt in gewisser Weise die Kontrolle über Magie und magischen Dingen selbst dar.
Es kommt aber auch gelegentlich vor, dass Zauber nicht nur einem Arcanum zugeordnet sind. Einige Zauber haben mehrere Arcana-Anforderungen; beispielsweise benötigt ein Zauber, der einen unbelebten Gegenstand in kleine Spinnen zerfallen lässt, sowohl Kenntnis in Matter als auch Life.
Das Schöne daran: man muss keine endlosen Zauberformeln aufsagen oder Fingerakrobatik üben – Zauber entstehen aus der eigenen Vorstellungskraft und benötigen meistens nicht mehr. Es gibt aber auch Varianten jeder Zauber, die in Gesten und Mimiken „kodiert“ sind; das funktioniert ähnlich wie beim Pawlowschen Hund. Das erleichtert den Zauberprozess etwas für emporsteigende Magier, ebenso wie Wörter der Macht, die in der Hohen Sprache gesprochen werden (und für Schläfer klingt wie eine auf einem verstimmten Grammophon sterbende Katze... oder so ähnlich).
Und man darf die obligatorischen Special Effects nicht vergessen. Üblicherweise sieht man sie nicht, aber unsere Magier haben für jedes Arcanum einen passiven Zauber, der in die Kategorie „Mage Sight“ fällt und Special Effects wahrnehmbar macht – besonders mächtige und vorallem realitätsbiegende Zauber sorgen für nach Ozon riechender Luft, Engelschöre oder funkelnde Illusionen.
Das klingt zu schön um wahr zu sein – und das ist es auch: denn letztenendes sind Magier nur Fleisch und Blut, und damit ebenso sterblich und verwundbar wie normale Menschen.
Thema:
Die wohl schwierigste Frage im ganzen System ist allerdings: Ich bin nun Magier, was nun? Im Gegensatz zu beispielsweise Werewolf: The Forsaken, Promethean: The Created oder Hunter: The Vigil ist es nicht ganz so trivial, weil explizit nie etwas „empfohlen“ wird. Das kann bei Einsteigern für Kopfzerbrechen sorgen, ist aber unter dem Strich eigentlich ein positiver Aspekt: alle Türen stehen offen. Man kann in der lokalen Politik der Magier, dem Consilium, mitmischen, in die Fußstapfen von Indiana Jones und Lara Croft bei Artefaktensuche treten oder einfach nur diese wirklich lästigen Exarchen – die es übrigens immer noch gibt – loswerden.
Inhalt:
Zum versprochenen, minimalistischen Breakdown der Kapitel:
Das Buch fängt mit dem obligatorischen, achtseitigen Prologue an. Dieser hört übrigens mit den Worten „I am a Mage now. I can do anything“ auf, und ich denke diese zwei kurzen Sätze treffen das System an sich wirklich hervorragend.
Danach folgen Credits, Inhaltsverzeichnis und die neunseitige Introduction, wo Neulinge gleich sanft an das Konzept und den Hintergrund des Systems herangeführt werden. Etwas deplatziert wirkt an dieser Stelle allerdings das Glossar.
Kapitel 1 – „Arcanus Mundus“ – geht dann schon auf 39 Seiten näher ins Detail, was es mit dem System auf sich hat. Von der Geschichte von Atlantis, wie sie von paranoiden Magiern gehütet wird, bis hin zu Magiern in der modernen Welt.
Danach folgt mit Kapitel 2 – „Character“ – auf 45 Seiten das obligatorische, ausgearbeitete Charaktererschaffungssystem, das wie gewohnt an die Charaktererschaffung des World of Darkness Kernregelwerks anknüpft.
Kapitel 3 – „Magic“ – ist dann schon deutlich gewichtiger und nimmt mit 183 Seiten insgesamt den Großteil des Buches ein. Hier wird das Magiesystem erklärt und es gibt wie schon erwähnt eine ganze Menge an Beispielzaubern.
Danach folgen mit Kapitel 4 – „Storytelling and Antagonists“ – auf 49 Seiten ein paar Hinweise und Details für den geneigten Erzähler. Ehrlich gesagt habe ich das Kapitel als für mich nutzlos empfunden; es enthält einfach keine für mich neuen oder interessanten Informationen.
Danach gibt es nur noch Appendix 1 – „Legacies“ –, die obligatorischen „Spezialisierungen“ für die Achsen sowie Appendix 2 – „Boston“ – als sehr rudimentär gehaltenes Beispielszenario.
Inhaltlich an den Prolog anknüpfend folgt dann der Epilog, getrennte Indexe für Stichwörter, Zauber und Rotes (die kodierten Zauberformeln) sowie ein zweiseitiges Charakterblatt und die übliche Werbung für das Settingsupplement Boston Unveiled plus White Wolfs offiziellem Fanclub Camarilla.
Fazit:
Unter’m Strich sicher ein unheimlich versatiles System, das aber vorallem für Erzähler eine nicht unbedeutende Herausforderung darstellen kann. Das Grundregelwerk selbst ist streckenweise wieder schwammig und man kommt nicht dran vorbei das eine oder andere Supplement zu besorgen. In diesem Kontext empfehle ich übrigens Tome of the Mysteries als Must Have, und vielleicht noch Sanctum & Sigil sowie möglicherweise noch Intruders - Encounters with the Abyss.Den Artikel im Blog lesen