Kram

traum

Grinsekatze
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2. Oktober 2003
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Weiß nicht mehr ob ich das schon mal gepostet hab.. wenn es so sein sollte, dann verzeiht mir. Mir gehts grad nicht gut...

Was sind das nur wieder für seltsame Gedanken, die mir durch den Kopf gehen? Und das zu dieser, zugegeben, noch wirklich früher Stunde. Es ist grade mal 16:38 und eigentlich nicht wirklich der beste Zeitpunkt um in tiefe Melancholie zu fallen. Doch ist es so, wie jeden anderen Tag auch. Man nimmt sich irgendwas vor, beispielsweise Putzen, und hält es dann doch nicht ein, weil man entweder zu faul ist irgendetwas zu tun, oder weil man einfach keinen Sinn darin sieht. Okay, einen Sinn im Putzen zu finden ist nicht wirklich schwer, es scheint wohl eher so, als würde ich ständig einen Unsinn darin suchen um mich davor zu drücken. Zugegeben, es sieht nicht wirklich schlimm aus hier, und Kakerlaken habe ich auch keine, aber trotz allem sollte vielleicht mal wieder gesaugt werden.
Es ist wieder einer dieser Tage, an denen ich nie so richtig weiß, was ich mit mir anfangen soll. Ich bin sicher auch einer der Leute, die den ganzen Tag nichts anderes tun, als sich vor dem Rechner aufzuhalten. Doch aus welchem Grund tue ich das eigentlich? Was bringt es mir? Nichts, im Endeffekt. Ein wenig die Langweile verdrängen, vielleicht ein wenig mit Leuten sprechen, aber sonst?
Verwirrt sehe ich mich in meinem Wohnzimmer um.
Es scheint alles so, irgendwie, anders zu sein. Jeder kennt das Gefühl, wenn man sich ?zu Hause? fühlt. Man öffnet die Tür, und evtl. steigt einem ein Geruch von frischen Kräutern, brutzelndem Huhn, und leckerer Sauce in die Nase. Man hört Geklapper aus der Küche, vielleicht ein nettes Fluchen. Man merkt, hier tut sich was. Hier bin ich zu Haus.
Doch ist das bei mir nie der Fall. Ab und zu vielleicht, ja. Aber das sind ganz seltene Situationen, die in dem Moment vielleicht gut tun, aber ich weiß es doch immer wieder ganz genau: Das ist nicht von langer Dauer.

Wenn ich meine Wohnungstür öffne, erwartet mich kein freundliches: ?Schön dass du da bist, mein Liebling!?, nein. Ich rieche auch keine köstlichen Nahrungsmittel, welche grade für mich und meine Liebste zubereitet werden.
Alles was ich rieche, ist alter, abgestandener Rauch. Und alles was ich höre, sind nur die Autos auf der Straße neben meinem Küchenfenster. Schon seltsam. Manchmal habe ich das Gefühl, ich könnte die Gedanken der Menschen lesen, die da an mir vorbeifahren, ohne dass sie wissen, dass ich sie auf irgendeine Art und Weise beobachte.
Leise seufzend stütze ich meine Ellenbogen auf das Fensterbrett, und lege meinen Kiefer in die Wölbung meiner beiden Hände. Schaue leicht traurig, und doch wieder erleichtert auf die Straße, welche immer wieder von Passanten gesäumt wird, oder von Autos durchquert.
Irgendwie bin ich neidisch auf diese Menschen. Sie haben einen geregelten Tagesablauf. Für sie ist es vielleicht sogar ganz normal, nach Hause zu kommen und freundlich begrüßt zu werden. Wahrscheinlich nehmen sie es nicht einmal als außergewöhnlich war? Wenn sie nur wüssten, was für ein Glück sie haben. Aber auf irgendeine Art, bemitleide ich sie doch. Sie sind so stur, sie laufen geradewegs, mit Scheuklappen über den Augen in die Richtung, die man ihnen damals, als sie noch Jung waren, zeigte. Irgendwie ist es bemitleidenswert, aber irgendwie auch nicht. Ich kann mich nicht entscheiden.

Seufzend drehe ich mich um und betrachte meine Küche. Mir kommt sie schrecklich dreckig vor, was aber wohl daran liegen mag, dass meine Mutter mir immer und immer wieder sagte, wie dreckig es bei mir doch immer wäre. Eine Art unterbewusstes: ?Entschuldige, Mama.?, schoss mir durch den Kopf. Doch ich sprach es nicht aus, und schüttelte den Kopf. So schlimm war es doch gar nicht. Okay, ich gebe es zu, auf der Arbeitsplatte stapelt sich das Geschirr, der Boden könnte auch mal wieder gewischt werden und das Altpapier stapelte sich in Türmen unter der Anrichte. Was soll?s denn?
Ich bekomme eh fast nie Besuch, und wenn, dann räume ich vorher schon auf.
?Keine Sorge, Mama!?, bricht es in einem trotzigen Tonfall aus mir heraus, welcher fast dem eines Kindes gleichen könnte.
?Ich kenne Wohnungen, da würdest du nicht mal einen einzigen Fuß reinsetzen!?, fluchte ich und drehte mich wieder zum Fenster um, um wieder meine vorherige Position einzunehmen. Es ist zum Heulen, ganz ehrlich. Und ich weiß nicht einmal was jetzt zum Heulen ist. Ich kniff meine Augen zusammen und knallte meine Stirn ein paar Mal leicht gegen das Fenster, bevor ich mich umdrehte und zum Kühlschrank ging, um mir ein kühles Bier zu nehmen.
Als ich die Flasche aus dem Fach nehme, fällt mir Rechts auch gleich wieder der große Haufen Altpapier auf, welchen ich ja schon lange entsorgen wollte. Eine Minute etwa, starre ich diesen Berg Papier an, bevor ich ein genervtes Zischen hervorbringe, mich erhebe und mit einem lockeren Schwung meiner Hüften die Kühlschranktür schließe. Laut zischend öffne ich den Kronkorken der Flasche und werfe ihn, ziemlich genervt, auf die Arbeitsplatte. ?Das bisschen Müll mehr oder weniger??, stammelte ich leicht in mich hinein, als ich einen großen Schluck aus der Flasche nahm.

?Was hast du eigentlich hier verloren, hm??, höre ich mich sagen, als ich das Bier auf den Kühlschrank stelle. Es ist wieder so eine typische Situation, in der ich nicht weiß, was ich will, wer ich wirklich bin und was mich so fertig macht. Ich schaue in der Küche hin und her. Irgendetwas nervt mich hier ganz gewaltig. Und vor allem stört mich in letzter Zeit alles. Es gibt im Endeffekt nichts, was mich nicht irgendwie fertig macht. Sei es, das Vogelgezwitscher vor meinem Fenster, oder der Typ, oder was auch immer es ist, was irgendwo hier in der Gegend jeden Morgen pfeift. So geil kann das Leben doch gar nicht sein, dass man ständig, und jeden Morgen pfeifen muss. Man muss sich das mal vorstellen. Irgendein Mann, der vielleicht schon lange den Herbst seines Lebens überschritten hat, und nun fröhlich pfeifend auf den Winter zugeht. Ich kann es einfach nicht fassen, greife mir das Bier und gehe langsam ins Wohnzimmer.
Hier geht es ja einigermaßen. Ich erinnere mich zurück an Tage, an denen ich gedankenverloren in meinem Sessel saß, und über mein Leben nachdachte. Das waren immer die Tage, an denen ich nichts weiter tun konnte als zu weinen und zu versuchen mich irgendwie, egal wie, abzulenken. Sei es Onanieren, sinnloses Besaufen, oder Kettenrauchen. Irgendwie musste dieses Gefühl doch zu besiegen sein, oder?
?Oder??, spreche ich, während ich mich auf meinen Ledersessel am Rechner nieder lasse. Recht gleichgültig drücke ich den Knopf an meinem Rechner, in der Hoffnung, etwas Aufbauendes zu lesen. Irgendetwas. Vielleicht ein paar Zeilen meiner Liebsten? Eine nette Mail, ein ablenkendes Gespräch im ICQ. Es ist mir fast völlig egal.

Während die Karre hochfährt sehe ich mich auf meinem Schreibtisch um. Ein Saustall, im Grunde. Rechts von mir, an der Kante des Tisches, die letzte Rechnung der Telekom. Direkt darüber unheimlich durcheinander geworfene Verträge und Rechnungen. Die meisten bezahlt, einige nicht. Ein übervoller Aschenbecher direkt daneben, auf einer alten Zeitschrift sitzend, umringt von Aschespuren, wenn mal wieder die Zigarette heraus gefallen war. Drei leere Flaschen billig Bier, dahinter unzählige Stifte und anderer Kram in einem ?Buttler? oder wie auch immer man diese Teile nennen mag. Mein Telefon, welches meistens nur dann klingelt, wenn man was übles von mir will direkt neben dem 15? Monitor, welcher langsam beginnt zu flackern. Oben auf dem Monitor klebt eine kleine Postkarte.
Auf ihr steht: ?Sei zärtlich! superkind*?

Ich schüttele den Kopf. Ich war immer zärtlich und habe nie jemandem bewusst wehgetan. Tränen sammeln sich in meinen Augen, während ich meinen Blick weiter schweifen lasse. Hier, auf der linken Seite des Monitors sammeln sich die aktuellen Probleme. Unbezahlte Rechnungen. Ich kann sie nicht bezahlen, ich habe kein Geld mehr. Darunter, nur gekritzelte Telefonnummern, welche nach ein paar Wochen sowieso wieder hinfällig werden. Und darüber, einige gebrannte CDs verstreut. Und hinten in der Ecke, eine Dose ?Schloss Pils?, welche mich an den letzten Besuch erinnert, den ich vor 2 Wochen gehabt habe.
Oftmals frage ich mich, ob es wirklich vorgeschrieben ist, welchen Weg man geht. Denn diesen Weg, den hatte ich mir eigentlich nicht ausgesucht. Ich hatte anderes geplant und doch kam es wie es wohl sollte.

Ich logge mich ins Internet ein, und warte auf etwas, von dessen ich nicht genau sicher bin, was es sein soll. Irgendetwas aufbauendes, etwas, was mir zeigt nicht nutzlos zu sein in dieser Welt. Doch während ich erwartungsvoll, mit aufgerissenen Augen vor meinem Rechner sitze und auf Nachrichten warte, geschieht nichts. Keine Nachricht. Keine Mail. Keine Worte. Nur Stille, tote Leere. Meine Augen brennen, während ich noch immer wie gebannt auf den Monitor starre und auf ein blinkendes Symbol warte. Ich warte.
Warte.
Ich blinzele und mir laufen Tränen die Wangen hinab. Ich hatte seit 2 Minuten nicht mehr geblinzelt und auf irgendeine Nachricht gewartet, ohne eine zu bekommen. Ich lege wieder mein Kinn in die Zuflucht meiner Hände, blicke am Monitor vorbei an die weiße, kahle Wand.

?Warum bin ich so scheisse??, leise führen leise Worte Tänze, während sie meine Lippen verlassen, und von meinem Atem getragen Walzer in einer Welt tanzen, die ihnen nicht gehört. Wem gehört die Welt? Mir sicher nicht. Ich gehöre der Welt. Ich beuge mich und versuche trotz allem ein wenig Trost aus der Enttäuschung zu gewinnen. Doch mache ich mir nicht etwas vor? Ist es nicht so, dass dich kaum jemand kennt?
?Ach Scheiss drauf!?, brülle ich und feuere ein Feuerzeug durch das Zimmer. ?Dich will überhaupt keiner kennen, weil du ein verdammtes Arschloch bist!?, höre ich mich brüllen, während ich, ohne es gemerkt zu haben im Zimmer stehe und mit Tränen in den Augen eine imaginäre Person anbrülle.
In diesem Augenblick wird mir wieder mal bewusst, dass ich etwas tun sollte. Doch ich weiß einfach nicht was. Es scheint, als würden die Wände über mich lachen. Als würden sie sagen, dass es ja nicht mehr lange dauert, bis ich mich zu Bette begebe und ihnen schutzlos ausgeliefert bin. Ich sehe leicht zu Boden: ?Ihr könnt mir nicht weh tun. Ihr nicht!?, spreche ich gereizt und verschwinde wieder in der Küche.

?Das ist wieder ein scheiß Tag, Alter. Pack dir nen paar Bier ein und verzie dich bis spät in die Nacht in den Park. Da kann dir keiner was tun.?, spreche ich zu mir selbst, und merke, wie ich langsam aber sicher, für heute, den Verstand verliere.
 
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