Rezension Into the Dark [B!-Rezi]

Toa

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17. März 2005
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Into the Dark


Erdenstern


Erdenstern ist wieder da und liefert nach etwas über einem halben Jahr das nächste Album ihrer "Into the ..."-Serie ab. Der Veröffentlichungsrhythmus bleibt also konstant - schon respektabel wie eifrig das Hamburger Trio hier am Werk ist. Doch leidet unter diesem scheinbaren "Fließbandakkord" die Qualität? Schauen wir uns die CD mal genauer an. Optisch wird wieder höchstes Niveau geboten, das problemlos mit professionellen Mainstream-Bands mithalten kann. Das Booklet ist - wie schon bei Into the Blue - etwas umfangreicher und präsentiert die Songs nach "Situationen" sortiert. Das Album besteht aus 22 Tracks, die mit randvollen 79 Minuten und 59 Sekunden noch einmal 3 Sekunden mehr wiegen als ihr direkter Vorgänger - Erdenstern wird mit dem nächsten Album wohl auf größere Datenträger umsteigen müssen. Bei einem Blick auf die Titel war zumindest mir nicht sofort das zugrundeliegende Konzept erkenntlich - was bei den Vorgängern schlicht offensichtlich war wird hier schon etwas zur Puzzlearbeit. Klar ist: es soll düster, bedrohlich und furchterregend sein. Die Charaktere stolpern über etwas Unheimliches ("Lost", "The Slaughtered Pony"), rutschen in böse Machenschaften hinein ("The Ritual", "Evil Overlord") und sind heilfroh wenn sie den "Weg durchs Dunkel" ("Traitor", "Staggering Home") hinter sich haben. Zwischendurch gibt es aber Tracks, die unvermittelt in der Stimmung umschwingen (z.B. "Wild Rage" zwischen "Innocence" und "The Cursed", oder ganz besonders "The Circus" zwischen "Just Kill It!" und "The Ritual") - so etwas kratzt am Konzept eines Konzeptalbums.

Rollenspiel
Ich habe "Into the Dark" dem Langzeit-Test in meiner Evernight-Runde unterzogen. Düsterer als eine ganze Welt, in der die Sonne nicht mehr am Himmel zu sehen ist, geht's wohl kaum. Und hierfür hat sich die CD auch als durchweg passend erwiesen - was jedoch keine Generalaussage darstellt. Evernight ist recht martialisch ausgelegt, und das wird von diesem Album auch gut unterstützt. Sprich, es wird weniger subtiler, individueller Horror à la Cthulhu geboten, sondern mehr "offensiver", "epischer" Horror. Die Musik eignet sich hervorragend um einen düsteren Dungeon Crawl zu untermalen, weniger um eine unheimliche Detektivgeschichte zu begleiten (zumindest nicht solange man dabei nicht auch auf eine gewisse Opposition stößt - "Starting the Hunt", "Hordes of Undead"). Das soll jedoch nicht heißen, daß "Into the Dark" dazu gedacht ist ausschließlich Kampfsituationen auszuschmücken - es bleibt im Kern ein eher atmosphärisch ruhiges Album, nur eben mit dem ein oder anderen Ausreißer. "Pazifistischere" Gruppen müssen bei der Wahl der Playlist wohl etwas selektieren, aber auch ihnen wird genug geboten..
Die Musik hält sich wie auch mit den anderen Alben subtil im Hintergrund und wirkt nie wirklich aufdringlich. Die Chöre treten im Vergleich zu "Into the Red" diesmal wesentlich dominanter auf, was vor allem dazu dient das unheimliche Moment zu verstärken. Dennoch bleibt das Album instrumental orientiert, das heißt der Gesang wird nie vordergründig - außer in den berühmt-berüchtigten letzten 30 Sekunden, in der ein rekapitulierender Epilog auf Englisch gesungen wird. Allerdings muß ich sagen, daß er meines Erachtens im Vergleich zu "Into the Red" wesentlich weniger störend ausfiel, was daran liegen mag, daß er diesmal von der Gesangsstimme nicht so stark mit Pathos beladen wird und subtiler wirkt.

Remember the things they have told you / Beware! Of the beast and its mark / You can try to fight it but it is no use / When your mind has gone into the dark.

Inspiration
Hier kann "Into the Dark" natürlich besonders stark punkten. Durch die gebotene Vielfältigkeit werden die Gedanken in alle möglichen Richtungen beflügelt und man kann seine Abenteuerideen in viele Richtungen erweitern. Man bekommt ein Gefühl dafür "wie es klingen sollte, wenn's spannend wird", und kann fehlende Elemente in der Planung noch ergänzen. Durch ruhigere Passagen wird einem vor Augen geführt, daß die SCs von Zeit zu Zeit wohl auch mal eine Pause vertragen könnten - und sei's nur in einer Taverne, die von Geisteskranken geführt wird.

Tabletop
Nachdem ich mit "Into the Red" einen hervorragenden Freund für Tabletop-Schlachten gewonnen hatte, lag es nahe "Into the Dark" in dieser Hinsicht auch eine Chance zu geben. Das Ergebnis fiel größtenteils wie erwartet aus: durch die ruhigeren Passagen und das gewählte Thema eignet sich "Into the Dark" natürlich nicht so universell für Tabletop-Situationen, dennoch ist sie bei einem entsprechenden Szenario - z.B. Rippers! oder Untoten-Armeen - eine willkommene Kulisse. Genug Material mit Kampfcharakter ist auf dem Album jedenfalls vorhanden.

Konkurrenz
Diesmal fällt die Suche nach einem passenden Konkurrenten denkbar einfach: mit Midnight Syndicate zielt eins der Urgesteine der Rollenspielmusik ebenfalls in die Horror-Kerbe. Daher greife ich mir zum direkten Vergleich das Best-Of-Album "Out of the Darkness" aus dem Regal, und stelle nach kurzer Zeit fest: irgendwie ist das ganze anders. Sehr anders. Es fällt mir schwer Erdensterns "Into the Dark" als direkte Konkurrenz zu Midnight Syndicate zu betrachten, und es wird auch genauso schnell klar warum: Erdensterns Fokus liegt auf Fantasy, während Midnight Syndicate eher auf viktorianischen Gothic Horror abzielen. Bei einer Testrunde in einem kontemporären Horror-Setting durfte ich schnell feststellen, daß sich "Into the Dark" für solche Szenarios einfach nicht eignet. Umgekehrt muß man aber auch sagen, daß "Out of the Darkness" in einem Fantasy-Szenario fehl am Platz wäre.
Unabhängig davon kann ich aber sagen: Erdenstern bekäme von mir wahrscheinlich den Vorzug. Die Musik wirkt voller und runder, und während die Musik auf "Out of the Darkness" wie aus einem Guß wirkt, sorgt auf "Into the Dark" der gern so genannte "Spannungsbogen" - oder wie ich es schlicht bezeichnen würde: die Abwechslung - für mehr Aufwühlung. "Into the Dark" versucht eine konkrete Geschichte zu erzählen, und paßt sich so eher einem Spielrundenablauf an, der ja das selbe Ziel hat, als "Out of the Darkness", das einfach nur durchgehend eine bestimmte Atmosphäre unterstützen will - schließlich ist der Rollenspielmarkt nicht die einzige Zielgruppe von Midnight Syndicate: Halloween-Parties bleiben weiterhin mit ihren Produkten besser bedient.

Fazit
Im Gegensatz zu den Vorgängern fällt es schwerer "Into the Dark" gezielt einzusetzen, da einfach eine Vielzahl von Aspekten aufgegriffen wird. Dennoch merke ich der Musik an, daß Fortschritte gemacht wurden - die Musik ist abwechslungsreich und spannend, also nicht einfach ein "Into the Red... in Black". Das Preisleistungsverhältnis bleibt erstklassig und die Musik ist eine Bereicherung für jede Fantasy-Runde, in der es auch mal düsterer zugehen darf. Also, einfach mal auf der Erdenstern-Homepage probehören und sich selbst überzeugen!Den Artikel im Blog lesen
 
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