AW: Infoblatt zu 4E
Mit den Regel-Previews, den Promo-Charakteren und ein paar klärenden Forendiskussionen haben wir gestern Abend "Raiders of Oakhurst" gespielt.
Ich hatte dazu vorneweg einen "Social Encounter" nach den Diskussionen über <Zahl> Erfolge bevor <andere Zahl> an Mißerfolgen eintritt gestrickt, der in das Szenario, ein sehr klassisch-offener Dungeon-Crawl, einleitete.
Das Szenario ist ein FAN-Preview-Szenario, welcher auf veröffentlichten Monstern aufsetzt und ein kleines, überschaubares Probeszenario für 5 bis 6 Anfänger-Charaktere darstellen soll.
Ich bin nicht gut im Abfassen von "Actual Play"-Geschichten, da mir schon NORMALE Forenbeiträge in der Länge oft entgleiten, geschweige denn an sich schon längere Spielrundenaufschriebe. - Da nutze ich die Zeit dafür lieber für die Vorbereitung des nächsten Szenarios.
Somit weiß ich nicht, ob ich einen Spielbericht anfertigen werde - vermutlich nicht.
Ich fand diese Proberunde ERNÜCHTERND.
Die durchaus vorhandenen Probleme lagen WEIT ABSEITS des in diversen Foren wortreich diskutierten "Computerspiels" oder "Brettspiels" oder darin, daß nur noch "ROLLplay statt ROLEplay" in 4E möglich wäre. - Sie lagen schlichtweg daran, daß die 4E in sehr vielen Bereichen noch SEHR 3E-artig ist. Und daran, daß an den Stellen, wo 4E etwas NEUES bieten will, das Neue bald "the same old" nur in anderer Farbgebung ist.
Man hat - so der Eindruck meiner Probespieler und auch meiner als Spielleiter -
zwar viele "Powers" und man hat Actionpoints und man fängt mit mehr Hitpoints an usw. - Aber man KANN KAUM ETWAS MACHEN.
Zumindest kaum etwas ANDERES, kaum etwas UNTERSCHIEDLICHES.
Man hat zwei, drei "Serviervorschläge", aber einen davon MUSS man nehmen. Selbst "verfeinern" ist nicht, weil es an GRUNDOPTIONEN, d.h. an Optionen OHNE Powers, an Optionen für JEDEN Charakter mangelt.
Andere Rollenspiele bieten für JEDEN Charakter eine ganze Menge an Kampfmanövern, Optionen, Unterstützungsmöglichkeiten und den Tausch von Aktion gegen höhere Erfolgs-Chancen oder von Erfolgs-Chance gegen mehr Aktionen. - Alles das war in dem kurzen Szenario an diversen Stellen sinnvoll und NÖTIG gewesen, gab es aber nicht. - Stattdessen gab es nur die "Fertiggerichte" der Power-Auswahl des Charakters.
Kein 4E-Charakter wird eine NICHT-Power-Aktion ausführen, weil diese schlichtweg KEINE MÖGLICHKEITEN bietet sie zu variieren, sie taktisch sinnvoll anzupassen. - Man wird praktisch auf die Wahl einer der (nur anfangs nach viel aussehenden, aber bald doch recht langweilig sich wiederholenden) Powers festgenagelt. - Es wird das alte 3E-Mantra "Ich hau drauf"-"Du haust drauf" nur in verschiedenen Tonlagen gesungen.
Und der Spielverlauf für eine Kampfszene dauert GENAUSO LANGE wie bei 3E. Und man hat immer noch jede Menge Zustände auf SC- und NSC-Seite zu verwalten. Und eigentlich popelige Monster-Gegner kommen auch schon mit einem Strauß an Monster-"Powers", die sich dann auch nur nach ständiger Würfelei wieder regenerieren, so daß der Spielleiter permanent am "Jonglieren" ist, welcher NSC nun gerade welche Coole Power (tm) schon wieder einsetzen kann. - Klar, kein Zählen von Kampfrunden für Wirkungsdauer bestimmter Effekte mehr. Das wäre ja auch mit einer Strichliste getan gewesen. Nein, stattdessen wird herumgewürfelt, wo es beim ersten Mal noch interessant ist, und beim zehnten Mal nur noch nervt.
Ich kann natürlich keine irgendwie geartete Objektivität für mich (oder meine Mitspieler) beanspruchen. Will ich auch nicht. - Das sind nur MEINE Eindrücke bzw. meine Wiedergabe von Eindrücken meiner Mitspieler.
Wir sind allesamt sehr unterschiedliche Rollenspiele gewohnt. In letzter Zeit spielen wir Deadlands Classic miteinander, aber auch Savage Worlds. - Und in diesen beiden Regelsystemen kann wirklich JEDER Charakter im Kampf STÄNDIG etwas SINNVOLLES tun, weil eben Aktionen für mehr Schaden, oder Ablenkung des Gegners usw. NICHT als nur beschränkt einsetzbare Powers, die eh nicht jeder Charakter haben kann, umgesetzt sind, sondern als GRUNDHANDLUNGEN für JEDEN Charakter.
Das ist ein gewichtiger Unterschied.
Ohne Powers bleibt auch in der 4E ein Kampf ein "Ich hau drauf"-"Er haut drauf"-"Ich hau drauf"-Langweiler. MIT Powers ist das ein "Bolstering Strike"-"Formation Strike"-"Bolstering Strike"-"Formation-Strike"-Spannungsabfall. - Klar, diese At-Will-Powers sind SUPER. Die beste, nein, die EINZIGE sinnvolle Wahl der betreffenden SCs/NSCs. Und sie sind LANGWEILIG. - Man zieht diese Kombo durch, hofft auf die hohen Schadenswürfe und nachher steht einer und der andere nicht.
Keinem von uns, die wir die Materialien oben durchaus sehr aufmerksam vorab studiert haben, sind andere, unterhaltsamere Möglichkeiten vom Regelsystem her aufgefallen. Vielleicht bietet ja das vollständige Regelwerk in dieser Hinsicht mehr - doch wage ich vorerst einmal daran zu zweifeln.
Mehr Optionen für JEDEN Charakter, die NICHT als "embedded system" diesem Charakter eingebaut sind, sondern die ein SPIELER erst einmal lesen, lernen und anwenden können muß, stellen eine Einstiegshürde für die Point&Click-Spieler dar. - Und diese sollen einfach aus ihrem Dropdown-Menü ihrer Powers die jeweils aktuelle, noch nicht deaktivierte anklicken können. Und so spielt es sich dann auch.
Es fehlt an den SW-typischen "Trick"-Manövern und an den Willensduellen, mit denen man einen HARTEN Spieleffekt auslösen kann (SW: Shaken, DL:C: Broken). - Gerade diese wären gegen das "Solo"-Monster am Schluß bitter nötig gewesen.
Im Kampf sind Skills kaum zu gebrauchen (außer man fängt an hier mehr zuzulassen als die Beispiele, als die Spielberichte von den offiziellen Preview-Szenarien einem als BEABSICHTIG schildern). Wie schüchtert man jemanden ein und WELCHEN REGELTECHNISCHEN EFFEKT hat das dann im Kampf?
Manche Im-Kampf-Powers wären auch außerhalb von Kampfsituationen sinnvoll, jedoch ist nicht klar, wie man mit einer Per-Encounter-Power außerhalb eines Kampfes umgehen soll (ist diese dann ausgegeben, wenn sich ein normales (soziales) Spielgeschehen in einen Kampf wandelt?).
Die Action-Points sind doof. - Man bekommt jeden zweiten Encounter einen, kann aber nur EINEN pro Encounter ausgeben. Damit sind sie extrem schwach und werden nie voll ausgenutzt, wenn die Spieler taktisch schlau vorgehen und die Action-Points garnicht erst brauchen, um mehrere Encounter nacheinander zu gewinnen.
Die Heilungsregeln bzw. die Sterberegeln sind OK. Kein Heilen von -7 auf -1 HP mehr! Ein Geheilter wird schneller wieder ins aktive Spiel zurückgebracht. Der Spieler muß nicht lange herumsitzen und Würfeltürmchen bauen. Trotzdem gibt es die (langsam windende) Abwärtsspirale und wir hatten auch einen SC-Tod zu beklagen - einen heroischen zwar, aber doch.
Die Healing Surges und deren Verwendung ist - seltsam. Und führt zu seltsamen Effekten. - Da die SCs viele HP haben und auch deren angepaßte Gegner, die Monster, die nicht gerade Minions sind, ordentlich HP haben, dauert das eine Weile (leider eher langweiliger) Herumklopperei, bis man die Monster kleinkriegt. Die SCs können EINEN Healing Surge als Second Wind anwenden. - Da die Gegner-NSCs aber auch Powers-artige Fähigkeiten mit z.T. nicht geringem Schaden haben, braucht man diese Healing Surges schon oft.
Schade, daß Gegner-NSCs nicht auch ab und an einen Healing Surge nutzen können. - Manche Gegner haben ja Action-Points, warum also nicht auch gleich vollwertige Healing Surges?
Das Markieren von Gegnern ist doof. - Da markiert der Paladin einen hitpoint-reichen Gegner und der MUSS erst einmal den Paladin angreifen, denn wenn er das nicht tut, dann bekommt er Schaden. - Dadurch hatte der Endgegner des Szenarios vermutlich MEHR Schaden einstecken dürfen, als durch die (wegen seiner hohen Armor-Class) sehr seltenen normalen Treffer! - Das kann zwar Absicht des Erfinders dieser Paladin-Eigenschaft sein, aber sie ist DOOF. - Sie macht dem Spieler und dem Spielleiter wenig Spaß. Der Spieler wird um das Gefühl SELBST etwas getan zu haben, um den Gegner auszuschalten, gebracht. Und der Spielleiter ist STÄNDIG am Schauen, wer nun von wem WIE (da gibt es allein bei den 6 Beispiel-Charakteren 4 verschiedene(!) Markierungsarten!) markiert bzw. zum "Quarry" deklariert, etc. wurde.
Ein markierter NSC kann noch weniger frei handeln als ein nichtmarkierter. - Da wird ein Endkampf z.T. EXTREM ZÄH statt spannend und vielseitig.
Das Laufen auf festen Feldern ist mir nach der freien Bewegung mit Zoll-Maßband quer über die Szenerie in Savage Worlds oder Deadlands Classic nicht mehr vertraut. Ich empfinde das als ziemlich einschränkend und bisweilen unnatürlich. - ÄRGERLICH wird es mit dem ständigen "Shift", "Pull", "Push" - diesen bei vielen Powers als Add-On-Effekt auftretenden unwillkürlichen Bewegungen bzw. Zusatzbewegungen außerhalb einer normalen Movement Action. Dafür, daß dieses Shift, Push, etc. so OFT bei den Powers von Held und Monster auftritt, hat es einen erstaunlich GERINGEN EINFLUSS auf die taktische Lage in der Kampfszene!
Initiative FEST für den GESAMTEN Kampf zu bestimmen ist Geschmackssache. Wie geht man aber bei GLEICHER Initiative um. Im Endkampf hatten Ranger, Paladin und Boss-Monster dieselbe Initiative. Nun geht das Boss-Monster unter In-Kauf-Nahme von Haufen von Attacks-of-Opportunity um diese SCs herum um ihnen eine Monster-Power reinzudrücken. Und GLEICHZEITIG (?) gehen die Gegner einfach mit und ihnen passiert nichts von der Monsterpower. - Da war uns nicht klar, wie man gleichzeitige Bewegung und MIT-Bewegung abhandeln sollte.
Im Szenario "Raiders of Oakhurst" sind die Monster mit Eigenschaften ausgestattet, die nach einem Wurf auf einem W6 wieder "regenerieren" und somit noch einmal eingesetzt werden können. - Das STÄNDIG würfeln zu müssen, statt sich SICHER zu sein, was dieses Monster vorne links gerade noch kann, ist nervig. - Und die Mischung, daß manche Monster-Powers At-Will, manche Per-Encounter und manche nach Regenerations-Würfelei einsetzbar sind, wirkt nicht aus einem Guß. - Man will als Spielleiter nicht soviel würfeln müssen. Einmal alle drei Kampfrunden ist WESENTLICH einfacher (z.B. per Strichliste) abzulesen, als JEDE Kampfrunde mit 1W6 für JEDE bereits angewandte Power auf Regeneration prüfen zu müssen, die auch noch mit 4-6, 5-6 oder nur 6 sehr unterschiedlich wahrscheinlich regenerieren werden.
Als Spielleiter war ich froh, daß die Aufschriebe im Szenario vorgefertig waren. Wenn ICH SELBST diese Unmenge an Informationen für teils popelige Monster aufschreiben sollte, dann würde ich SCHNELL die Lust und leider auch die Zeit zur Spielvorbereitung verlieren. (Ich weiß, daß ich von den Vorbereitungszeiten bei Savage Worlds inzwischen "verdorben" bin. Aber auch das alte AD&D 1st Ed. hatte noch diese schnelle Vorbereitung.)
Und was popelige Monster anbetrifft: Minions. - Die passen mehr zu "Wushu" als zu D&D. Diese Gegner machen immer nur festen Schaden (Minimumschaden für ihre Waffe, wie es aussieht). Kein Schadenswurf ist nötig, was einen Kampf gegen eine Horde schneller machen könnte. - Minions halten auch nichts aus. Sie haben KEINE Hitpoints, sondern gehen bei einem einfachen Treffer gleich über den Jordan. - Problem: Cleave macht auf den Neben(monster)mann 3 HP automatischen Schaden. Wenn dieser Nebenmann ein Minion ist, dann ist der IMMUN gegen Cleave-Kollateralschaden, weil er KEINE Hitpoints hat! - Klar kann man das "wegregeln", aber man könnte den Minions auch gleich minimale Hitpoints geben, was sie immer noch leicht zu töten macht, aber nicht mehr immun gegen Kollateralschaden.
Daß die Zauberer (Wizard, Warlock, Cleric) irgendwie "Spellcaster" sind, MERKT MAN NICHT.
Sie verwenden Powers, die einfach nur anders sortiert sind als die Martial Powers, jedoch oft ähnliche Effekte haben (mehr Schaden scheint der Beliebeste unter den Effekten zu sein). Ob jetzt die Daily Power ein "klassischer" Spell wie (Melf's) Acid Arrow ist, oder nicht, fällt KEINEM auf, weil der Zauberer ja ständig sein Magic Missile rausrotzen kann, ohne daß das nach Zauber aussieht.
Vorläufiges Fazit:
MEINE Erwartungen waren eine Art Savage Worlds mit MEHR Details und feinergranularer Unterscheidung. Schneller als 3E und schnell eingängig zum Spielen. Gefunden habe ich aber statt eines FFF-Rallye-Renners einen bekannt behäbigen Schwerlasttransport, welcher nur auf ausgewiesenen Strecken fahren darf.
Meine Erwartungen - vor allem an mehr
cinematische Action - wurden leider nicht erfüllt. 30-mal DENSELBEN Special-Effekt zum Mehr-Schaden-Verursachen auf DIESELBE Weise anzuwenden, ist nicht mehr cinematisch, sondern eher TV-Billig-Serien-artig.
Aber SEHR eingängig zum Spielen ist es auf jeden Fall. Anfänger werden sicher von den angebotenen (festen!) Powers-Palette profitieren. Der Lernaufwand zum Einstieg in 4E ist erstaunlich gering.
Das mal als ein erster Eindruck, so subjektiv und nur auf einer einzigen Proberunde basierend, wie es nur sein kann.
Wer einen anderen PRAKTISCH unterfütterten Eindruck hat, der möge ihn doch bitte posten. Hier oder beim DnD-Gate oder anderswo.