Im Namen des Herrn [Choniken der Engel]

Skar

Dr. Spiele
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#StandWithUkraine
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Im Namen des Herrn



25. februarii 2654
gestern[/Align]



Fauchend fuhr Asmodiels Flammenschwert durch die Luft. Im Halbdunkel der Morgendämmerung hinterließ es im Schwung seiner kraftvollen Arme leuchtende Halbkreise am Firmament, die sich förmlich in das Gehirn des fernen Beobachters brannten.




[align=Center]11. februarii 2654
zwei Wochen zuvor[/Align]



Müde und ausgelaugt war Arthur am gestrigen Abend zwischen das Geröll des Adlerbergs geschlüpft. Es war spät gewesen, als Arthur gestern zum Fischen unterwegs war. Zwar hatte das aufziehende Gewitter ihm einen reichen Fang beschert und sein Tuchbeutel hing prall gefüllt an seiner Seite, doch das Gewitter hatte sich schnell zu einem tobenden Unwetter entwickelt, das Sturmböen vor sich hertrieb, die ganze Bäume entwurzelten. Aber das Schicksal war Arthur hold geblieben. Sicher erreichte er den Unterschlupf zwischen den Felsen.

Später in der Nacht, als ihn heftiges Donnergrollen aufschrak, entdeckte Arthur ein schwaches Glänzen im trüben Mondlicht direkt zwischen seinen Füßen. Arthur streckte die Hand aus und ertastete einen harten kleinen Gegenstand. Hellwach rieb Arthur den feuchten Schmutz von dem Gegenstand und entdeckte ein wie hochpoliert glänzendes, sechseckiges Metallteil, knapp einen Finger hoch und zwei Finger breit. Trotz seines großen gerillten Loches in der Mitte wog es schwer in seiner Hand.
Die Kantenlängen des Kleinods waren schlichtweg perfekt. In ihrer absoluten Gleichheit, wäre es kaum zu erkennen gewesen, ob der Gegenstand in seiner Hand gedreht worden wäre. Nur die kleinen Riefen und Kratzer in der Oberfläche verrieten dies und offenbarten feine Makel im Glanz seines Schatzes.

Arthur hatte bereits von solchen Gegenständen gehört. Nur selten gelangten Reisende in ihr Dorf, aber bisweilen verirrten sich auch solche in diese Gegend. 'Schrottbarone' wurden die Ketzer genannt, die in ihren gottlosen Städten Metall und andere geheimnisvolle Dinge horteten.
Schnell schlug Arthur das Kreuzzeichen vor seiner Brust. Gott bewahre, mit diesen Burschen wollte er nichts zu tun haben. Nichtsdestotrotz hielt er seinen kleinen Schatz in den Händen, den wieder herzugeben er nicht bereit wäre.




[align=Center]24. februarii 2654
vorgestern[/Align]



Uomiel war mit dem Ab allein im Zimmer. Stolz lag in seiner Haltung, Stolz in seiner Stimme, ja sogar sein Haar bewegte sich stolz bei jeder Geste. Der Ab Abetorius sprach würdevoll seinen Segen über den Michaelitenengel. Der strahlendweiße Ärmel seiner Robe vollführte exakt die Bewegung seiner Hand nach. Vom Himmel zu Erde, von Sonnenaufgang zu Sonnenuntergang. Nachdem die heiligen Worte gesprochen waren, wandte Abetorius sich ruckartig ab.

Wenig später stand Uomiel vor seiner Schar. Ruhig lagen die blauen Augen der Ramielitin auf seinem Antlitz. Feurig loderte der Blick Asmodiels, bereit zu furchtlosen Taten im Namen des Herrn. Die unendlichen Weiten der Lüfte schienen sich in den Augen Furiels widerzuspiegeln und der gestrenge Blick Pyraels lag starr auf ihrem Scharführer.

Schwer klangen die lateinischen Worte über den Hof, doch noch viel schwerer wog ihr Inhalt. Ruhig, beinahe gelassen, nahmen die Vier die Worte Uomiels auf.
»Es gilt gen Osten aufzubrechen. Ein schwieriges Unterfangen steht uns bevor, denn die Traumsaat ist dort von einem Späher gesichtet worden. Wir sind die einzigen, die rechtzeitig eintreffen könnten, bevor die Kreaturen des Herrn der Fliegen über die dortigen Dörfer herfallen.« Wie immer fasste sich Uomiel sehr kurz. »Möge der Herr mit uns sein« beendete er seine Ausführungen.
»Mit Leib und Seele für den Herrn« schallten Uomiel die traditionellen Worte voller Inbrunst aus vier Kehlen entgegen.

Die wie zufällig verstreut dastehenden Engel boten nun in nahezu unerträglicher Eleganz das beeindruckende und unvergleichliche Spiel einer aufsteigenden Engelsschar dar. Weit über zehn Schritt spannten sich die Flügel der Engel, ohne einander zu berühren. Mit einem einzigen kurzen aber kraftvollen Flügelschlag erhob sich Furiel inmitten der Schar über den Köpfen der anderen. Wie selbstverständlich steuerte er ein wenig rückwärts, um den Luftraum freizugeben.
Trotz der Sicherheit des heimischen Klosters schweifte sein Blick majestätisch in die Ferne der vier Himmelrichtungen, den langen Bogen kampfbereit in der Einen, die Andere in gewohnter Geste am Hüftköcher.
Dann erhoben sich die anderen. Gnadenlos synchron schlugen ihre Flügel. Oben formierten sie sich neu. Allen voran Uomiel, dahinter Asmodiel der Gabrielit und wiederum dahinter Rael die Ramielitin und Pyrael die Raphaelitin. Etwas hinter und oberhalb von ihnen hielt sich Furiel, der Urielit. So zogen sie Richtung Osten. Bald schon würden sie ihre Formation ändern. Außerhalb des bekannten Gebietes würde Furiel als Späher die Vorhut übernehmen.




[align=Center]25. februarii 2654
gestern[/Align]



Schwarzes Blut brutzelte auf der Klinge Asmodiels, als er den Leib des Scheinengels mit einem einzigen Hieb entzwei spaltete. Unbeschadet gelang es auch Pyrael den zu Boden trudelnden messerscharfen Flügeln zu entgehen. Einzig alleine eine lange weiße Feder wurde ihr förmlich aus den Schwingen geschnitten. Der Wind trug diese gen Süden hinfort.




[align=Center]26. februarii 2654
heute[/Align]



Arthurs Laune war auf einem Tiefpunkt angelangt. Prüfend zog er seine linke Hand aus der Tasche und warf einen Blick auf sein Kleinod. Seitdem er es bei sich trug, war sein Fang konstant schlechter geworden. Sollte dies etwa die Strafe dafür sein, dass er dieses Schmuckstück behalten hatte? Sollte man ihm gar ketzerisches Gedankengut vorwerfen können?
Arthur schrak aus seinen Tagträumen, als ihn unvermittelt etwas an der Wange berührte. Er sprang zurück und sah eine große weiße Feder langsam zu Boden schweben. Schnell griff er mit der Rechten nach der Feder. Zu unerträglich war der Gedanke, dass dieses vollkommene Etwas den matschigen Boden berühren könnte.
Noch während er zugriff, durchzuckten siedendheiße Gedanken sein Gehirn. Nein, das wäre unmöglich ? aber woher sonst? Das musste einfach eine leibhaftige Engelsfeder sein. Schnell verschwand der Metallgegenstand wieder in seiner Hosentasche.
Arthur setzte sich auf einen Stein und begutachtete die Feder. Stabil und doch flexibel, weich aber kraftvoll. Sie entstammte der perfekten Schöpfung des Herrn. Nichts war so einzigartig und makellos. Sanft glitten seine Finger über die Feder. Wie unendlich wertvoller war doch diese Feder gegenüber dem kalten Metallteil. Ein Zeichen. Dies musste ein Zeichen sein. Vielleicht ein Glücksbote?

Für heute würde Arthur seine Arbeit ruhen lassen. Er holte sein Netz ein und machte sich auf den Heimweg, die Feder in Händen. Zuhause würde er beten und dem Herrn für seine Gunst danken.
Arthur war so in seine Gedanken vertieft, dass er die riesige Käferkreatur erst bemerkte, als er fast darüber stolperte. Sengend heiß schoss ihm ein Feuerstrahl entgegen, der sich unbarmherzig in sein Fleisch brannte. Sein markerschütterndes Schreien zerriss die Luft, nur unterbrochen von den eigentümlich knackenden Geräuschen unzähliger Zangen der Feuerkäfer.

Die lange Feder in der Farbe der Unschuld sank zu Boden und verschmorte in der lavaartigen Essenz eines weiteren Feuerstrahls.
Aus der linken Hosentasche eines verkrümmt daliegenden Körpers rollte eine metallene Mutter durch eine Feuerlache und blieb völlig unbeschadet neben den Überresten eines verbrannten Federkiels liegen.
 
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