AW: Hat es sich ausgespielt?
Die Tödlichkeit des Systems ist ja auch eine Sache des Spielstils. Ein Kampf ist ein Kampf und damit potenziell tödlich, auch wenn die Charaktere gut ausgebildet sind.
Nein. - Die Tödlichkeit ist zunächst eine Frage des Genres und des Settings. - Wollte man Pulp-Action-Kino mit den bei RQ üblichen Verstümmelungen spielen, dann wäre dies krass jenseits aller Erwartungen für dieses Spiel-Genre.
Für "grim&gritty"-Settings paßt die Tödlichkeit einigermaßen. - Wobei ja in RQ so gut wie jeder seine ausufernden Heilungszauber drauf hat, um abgehackte Arme und Beine wieder "anzupappen". Ohne die Allgegenwart der Magie bei RQ macht die halbe Spielergruppe JEDE Spielsitzung neue Charaktere!
Die Charakterverbesserung fällt für die einzelne Fertigkeitzwar klein aus, aber da man viele Fertigkeiten gleichzeitig verbessern kann, wird der Charakter auch spürbar besser.
Die Verbesserung ist KAUM zu spüren. - Sie ist außerordentlich ZUFALLSABHÄNGIG und führt zu bescheuerten Auswüchsen, daß für den Charakter eher unwichtige Fertigkeiten, die er hat auch mal einsetzt und für die er eine Markierung bekommt, wenn die Würfel entsprechend fallen sogar die für den Charakter DEFINIERENDEN Fertigkeiten ÜBERHOLEN! Die Würfel erlauben kaum eine ZIELGERICHTETE Charakterentwicklung. - Ich sage "kaum", weil RQ-Gruppen STÄNDIG auf der Suche nach Lehrmeistern sind, um Stunde um Stunde, Woche um Woche, MONAT um MONAT ihre wichtigen Fertigkeiten zu lernen - wobei hier auch NICHT SICHER ist, DASS sie etwas hinzulernen werden!
Unterm Strich: Für Kampagnenspiel ist das Lernsystem SEHR unbefriedigend, weil zu zufällig und kaum spürbar.
Bei CoC, wo ja die Charaktere vom "Abreißblock" kommen, ist das ein geringeres Problem. Aber bei einem Setting, welches ein AUFSTEIGEN der Charaktere ganz grundsätzlich über ihre Kompetenz zum Thema hat - RuneQuest: Vom Stickpicker zum Weaponthane zum Runelord zum HERO! - ist das EXTREM ZÄH und somit UNPASSEND.
Die Einfachheit liegt ja in der Wahrscheinlichkeit der Würfe, die unmittelbar durch den Prozentwert abgebildet wird. Eigentlich ein Ansatz, auf dem man aufbauen sollte - rein vom Prinzip schon!
Vom Prinzip schon IST ein W%-UNTERwürfel-System ein PROBLEM.
Critical, Special Success und Fumble gehen über Bruchteile ein. Es werden aber auch "flache" Modifikatoren verwandt, die sich erst durch umständliches Nachberechnen der Brüche spieltechnisch verwenden lassen.
Ein Unterwürfel-System knallt bei 100% oder drüber an Fertigkeitswert an seine Skalierbarkeitsgrenze. Nach oben offene Systeme können auch bei Werten von +100% und mehr skalieren - dafür gibt der Fertigkeitswert eben nicht mehr eine Wahrscheinlichkeit direkt an.
Aber auch das ist bei BRP ja nicht der Fall. - Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, daß ich einem Gegner den Arm abhacke? - Das sagt mir KEIN Prozentwert, weil ja der Angriff durch Gegenwürfeln schon scheitern könnte, weil die Trefferlokation zufällig ist (ja, es gibt Called Shot Regeln, ich weiß, und weil der verursachte Schaden zum einen im Potential von der Güte des Treffers abhängt, dann aber vom Schadenswurf, und von der Rüstung über dem getroffenen Körperteil und von den Hitpoints des Gegners in der Lokation.
Einfach "nur ein Prozentwurf"? - Nein. - BRP unterscheidet sich (bis auf die Schwächen von roll-under-Systemen) nicht von sonstigen, detaillierten Regelsystemen.
Vielleicht gehe ich auch zu unvorbelastet heran, aber ich sehe im BRP System wie es sich heute zeigt, keine auffallenden Schwächen.
Nicht "unvorbelastet", sondern mit - wie mir scheint - eingeschränkter Erfahrung mit anderen Regelsystemen.
Die Schwächen der Skalierbarkeit von BRP hat schon JEDES BRP-Spiel erlebt. Bei Mongoose-RQ haben sie andere "Patches" für diesen "Bug" ersonnen als bei Stormbringer. - HeroWars/HeroQuest hat ja die Skalierbarkeit durch Einführung von "Masteries" adressiert, schleift aber ALLE Probleme von Unterwürfe-Systemen und Gegenwürfel-Mechanismen mit. Ein ERBE der BRP-Vergangenheit.
Es ist halt nur weniger taktisch als zum Beispiel Savage Worlds.
Du hast halt unsere RQ2/RQ3-Kampagnen nicht erlebt. - Gerade WEGEN der hohen Tödlichkeit und Verstümmelungshäufigkeit MUSS man bei BRP hochgradig taktisch spielen!
Um nur nicht schon wieder einen SC zu verlieren war, meiner Erfahrung nach, das taktische Spiel bei RQ ÜBERLEBENSWICHTIG. - Genaueste Positionierungen, exaktes Timing, sauberstes Resourcen-Management, wohl überlegt Bewegung, usw. - Ohne das wären unsere RQ-SCs ja genauso schnell draufgegangen, wie das bei CoC üblich ist (auch wenn man damals GERADE CoC fast noch akribisch genauer auf Gebäudeplänen usw. gespielt hat, weil man eben WUSSTE, daß die SCs "Fallobst" sind - das war noch die Zeit vor den Computerspielen, bei denen man seinen Charakter mal in eine Falle schickte, um zu sehen, wie er diesmal draufgeht; damals WOLLTEN die CoC-Spieler das Spiel GEWINNEN, indem sie das Üble vernichten/verhindern und dabei ihr SC NICHT draufgeht - Taschenlampenfallenlasser ist ein deutscher Berufszweig).
BRP ist KEIN "Erzählspiel", sondern so knallhart, daß taktische Schwächen oder eine "Style over Substance"-Einstellung zu TOTEN SCs führen! - Bei BRP gibt es KEINE "Bennies" (jedenfalls normalerweise nicht), die einem bei unüberlegter Vorgehensweise oder beim BEWUSSTEN Machen taktischer Fehler (durch Ausspielen seiner Charakterzüge im Kampf!) noch den Charakter retten können.
Würde man BRP-Kämpfe mit derselben Ausrichtung auf Charakterspielintensität wie bei SW spielen, ist JEDE Spielsitzung ein neuer Charakter pro Spieler fällig.
Vorschlag: Nimm Dir mal ein Fantasy-Szenario, das Du gut kennst, konvertiere es auf BRP und spiele das mal durch. Bitte kein reines Laber-Szenario, da das nicht aussagekräftig genug ist. - Du wirst sehen, WIE SCHNELL eine taktisch unzulängliche Spielergruppe ohne Charaktere da steht.