AW: Hält GUMSHOE was es verspricht?
Nachdem ich mir Trail of Cthulhu bislang erst in der "Papierform" zu Gemüte geführt habe (für eine praktische Erprobung habe ich leider in nächster Zeit zuviele andere Rollenspiele, die "ältere Rechte" haben - und zudem auch interessanter wirken, aber das nur nebenbei - in der Warteschlange), kann ich hier leider nicht mit praktisch untermauerten Erkenntnissen, sondern nur mit Eindrücken kommen.
Gumshoe baut auf der Annahme auf, das Interessante an einer Ermittlung sei nicht das Erlangen der Hinweise, sondern vielmehr wie sie genutzt werden. Nicht die Beweisaufnahme, sondern der Aufbau der Beweiskette aus bereits vorliegenden Beweisen.
Das diese Annahme den Autoren (von Trail of Cthulhu) besonders wichtig ist, das konnte man ja schon in den "See page XX"-Artikeln nachlesen. Die dort nach und nach aufgebaute und dadurch auch "gerechtfertigte" Vorgeschichte von Gumshoe hat mich schon in den Artikeln etwas zweifeln lassen, ob das als Problem geschilderte Versagenkönnen bei Entdeckungs-und-Ermittlungs-Fertigkeiten überhaupt ein Problem ist.
Immerhin habe ich seit Anfang der 80er Call of Cthulhu gespielt, OHNE dieses Problem in irgendeiner Weise als "problematisch" wahrgenommen zu haben. - Klar verpassen die SCs halt die wichtige Information eines Zeugen, weil sie ihn zu ungeschickt angefaßt haben. Und dann? Dann leben sie damit und sind ggf. etwas "überrascht", wenn sie doofe Kultisten erwarten, aber es mit Dutzenden Tentakelmonstern zu tun bekommen. - Dumm gelaufen. Das ist halt das Risiko eines Investigators bei CoC.
Ob nun ein vermasselter Angriffswurf, ein versiebter Sanity-Check, eine gnadenlos in die Hose gegangene Library Use Anwendung den "Ruin" der Investigatoren-Gruppe besiegelt hat, ist doch letztlich egal.
ALLE Fertigkeiten in BRP-CoC sind gleichermaßen geeignet den SCs den Arsch zu retten oder ihre Seelen für immer zu verdammen. - Eine NOTWENDIGE Sonderstellung investigativer Fertigkeiten habe ich bislang nicht für wünschenswert gehalten.
Aber einfach zu Leugnen, dass auch das Zusammensuchen der einzelnen Puzzleteile seine Faszination hat, das ist ein Gedanke, dem ich mich nicht so generell anschließen würde.
Alles, was scheitern kann, ist zunächst einmal spannend. - Kann etwas NIE scheitern, dann ist es auch nicht spannend.
Hier ist dann eher interessant die QUALITÄT des Erfolges anzuschauen. Also ob man mit minimalem "Aufwand" gerade so eben den Hinweis erhalten hat, oder ob man mehr Aufwand (Spielerentscheidung! Kein Zufall!) hineingesteckt hat, und dann MEHR Informationen, tiefergehende Zusammenhänge usw. erhalten hat. - Das ist zwar nicht spannend, aber doch INTERESSANT.
(Nicht daß diese tiefergehenden Informationen nicht auch bei einem besonders guten Erfolg nach BRP-CoC herauskommen könnten, wohlgemerkt - nur eben nicht einfach durch Spieler-Entscheid eine fertigkeitsspezifische Resource auszugeben, sondern eben nur durch Würfelglück.)
In dem Bestreben unbefriedigende "single points of failure" (durch fehlende Hinweise) zu vermeiden, in dem die Regeln darauf zugeschnitten sind den Spielern möglichst alle Hinweise schnell und einfach an die Hand zu geben, läuft Gumshoe meiner Ansicht nach leicht Gefahr ebenso unbefriedigende "no point of failure" Gummibrotbaummetaphern zu forcieren.
Wenn die Spieler nie darauf kommen eine bestimmte investigative Fertigkeit anzuwenden, dann könnten ihnen immer noch wichtige Hinweise entgehen.
Jedoch: Die investigativen Fertigkeiten werden ja für die GESAMTE GRUPPE mit einem "Gruppen-Pool" erworben, mit dem erklärten Ziel, daß JEDE investigative Fertigkeit mindestens einmal in JEDER Gruppe (unabhängig von der Gruppengröße) vorhanden ist (kleinere Gruppen bekommen mehr Punkte um sich mehr verschiedene Investigativ-Fertigkeiten leisten zu können).
Somit ist anzunehmen, daß man einfach von A bis Z mal die gesamte Investigativ-Fertigkeits-Klaviatur herunter und heraufklimpert. - Das ist eigentlich eine "Best Practice", weil so die SC-Gruppe wirklich SICHER WISSEN KANN(!), daß sie ALLE Hinweise erhalten hat, die der Spielleiter (ostereierig) in seinem Szenario versteckt hat.
Eine Gruppe die nicht alle Investigativ-Fertigkeiten durchspielt, die spielt einfach schlecht. - Das ist das Gumshoe-Äquivalent der berüchtigten Taschenlampenfallenlasser.
Das Regelsystem stellt sicher, daß die Gruppe als Ganzes ALLE notwendigen Fertigkeiten und alle Resourcen zur Auffindung der Spur der Hinweise im Szenario hat. Diese dann BEWUSST nicht einzusetzen und somit BEWUSST nicht alle Hinweise zu sammeln ist schlichtweg idiotisch (siehe "Taschenlampenfallenlasser").
Sich von einem wichtigen - und praktisch risiko-, ja gedankenlos erworbenen - Hinweis zum nächsten hangelnd kann aus dem faszinierenden Puzzle- und Verwirrspiel schnell eine dröge Eisenbahnfahrt werden, bei der man erst am Endbahnhof wieder erwacht, um sich den - endlich wieder mit der Spannung des möglichen Versagens angereicherten - Shootout mit dem dort wartenden Revolverhelden Täter zu liefern.
Und hier bin ich mir - u.a. mangels Spielpraxis in Trail of Cthulhu - nicht sicher, OB es überhaupt diesen "spannenden Abschluß" mit (endlich) möglichem Versagen geben wird.
Zumindest nicht spannender als bei BRP-CoC.
Ich würde ja gerne einmal Trail of Cthulhu irgendwo als Spieler ausprobieren wollen (für eigene Vorbereitung fehlt es an Zeit), um zu sehen, wie sich die "Papierform" in der Praxis darstellt. - Aber wie "Das Regelsystem, um alle (investigativen) Settings zu retten!" wirkt Gumshoe nach seiner "Papierform" auf mich bislang nicht.