Gerechtigkeit

Kelenas

Gruppenlos
Registriert
4. Dezember 2003
Beiträge
3.586
Keuchend lief der Mann die schmale Gasse entlang, sich immer wieder nach seinem Verfolger umsehend. Endlich erreichte er das Ende, während von seinem Verfolger noch nichts zu sehen war. Wenn er es schaffte ungesehen zu verschwinden und in einen anderen Seitenweg unterzutauchen, war er in Sicherheit. Fest umklammert hielt er die zwei Laibe Brot, als er aus der Gasse heraus spurte. Er wandte sich nach links und stieß plötzlich mit einer großen, stämmigen Gestalt zusammen. Während er sich noch aufzurappeln versuchte, betrachtete er die Gestalt, mit der er zusammen geprallt war. Sie war groß und stämmig, trug einen langen, ledernen Mantel und einen Schlapphut. Auf ihrer Schulter ruhte ein langstieliger Hammer. Seine Augen weiteten sich vor Angst. Er war gegen einen Stadtrichter gelaufen. Schnell versuchte er aufzustehen und fortzulaufen, da erhob sich auch schon die hünenhafte Gestalt vor ihm.
"Alles in Ordn..." begann der Richter, verstummte jedoch als sein Blick über die blau gefärbten Hände und Unterarme wanderte, die den vor ihm liegenden Mann als Dieb kennzeichneten. Der Richter baute sich vor dem Mann auf und begann mit finsterer Miene zu sprechen.
"Vor wem läufst du weg? Du hast etwas gestohlen und läufst jetzt vor dem rechtmäßigen Besitzer fort, nicht wahr?"
" ... ich ... ich hab nicht ... " stammelte der am Boden sitzende Mann, als auch schon die Stiefelschritte seines Verfolgers aus der Gasse erklangen. Niedergeschlagen senkte er den Kopf und verfolgte das Gespräch zwischen seinem Verfolger und dem Stadtrichter.
"Ah, Richter! Es ist gut sie hier zu sehen. Diese miese Ratte hier hat mir zwei Laibe Brot von meinem Stand gestohlen! Wenn mein Gehilfe heute nicht dabei gewesen wäre, hätte diese Ratte sich ganz einfach aus dem Staub machen können. Gut das sie ihn aufgehalten haben."
Der Richter schüttelte leicht den Kopf, bevor er dem Händler antwortete.
"Dieser Mann ist zufällig in mich hinein gelaufen. Von daher gebührt mir kein Dank."
Der Stadtrichter wandte sich wieder dem vor ihm liegenden Mann zu und sah ihm ernst in die Augen.
"Du hast bereits einmal gestohlen. Du solltest eigentlich wissen, was dich nun erwartet. Ebenso das du dieses Schicksal selbst zu verantworten hast."
Der Richter nahm seinen Kodex zur Hand und begann die entsprechenden Paragraphen zu suchen. Obwohl er den Kodex, wie die meisten Richter, praktisch auswendig kannte, wollte er Sichergehen, das er nicht wegen eines kleinen Erinnerungsfehlers ein falsches Urteil aussprach und gegen das Recht verstieß. Nach wenigen Minuten hatte er die entsprechenden Paragraphen gefunden und verkündete das Urteil.
"Da du bereits wegen Diebstahls verurteilt worden bist und keinerlei Besserung gezeigt hast, wird dir de iure die Möglichkeit genommen werden weitere Diebstähle zu begehen. Punctum."
Der Richter steckte den Kodex wieder unter seinen langen Mantel. Es schmerzte ihn, das so wenige dem Gesetz Beachtung schenkten, selbst wenn sie schon einmal mit ihm in Berührung gekommen waren. Dennoch würde er das Urteil vollstrecken, wie es seine Stellung als Richter ihm gebot.
Mit seinen schweren Stiefeln trat der Richter auf den Arm des Mannes und holte mit seinem Hammer aus.
‚Dabei sollte meine Familie doch nur was zu essen haben...‘ ging dem Mann noch durch den Kopf, als auch schon der schwere Hammer niederfiel und ihm ein lauter, spitzer Schrei entfuhr. Man konnte deutlich das knacken und knirschen von splitternden Knochen hören, als die Hand des Mannes zu einem unansehnlichen Brei aus Fleisch, Blut und Knochensplittern zermalmt wurde. Der Richter holte erneut mit seinem Hammer aus und zermalmte auch die andere Hand des Mannes. Anschließend wandte der Richter sich wieder an den Händler.
Durch eine unglaubliche Wolke des Schmerzes hörte er noch die letzten Worte des Richter, bevor ihn gnädige Dunkelheit umarmte.
"Tut mir Leid das sie das mit ansehen mussten, Händler. Es ist schlimm, was man heutzutage alles tun muss, um der Welt auch nur ein wenig Gerechtigkeit zu geben..."





copyright by Kelenas
--------------------------------------------------------------------------

So, hier noch einmal eine kleine Kurzgeschichte von mir. Auch hier freue ich mich über jegliches Feedback.
 
ich hab einige Textpassagen Geschichte noch ein wenig umgeschrieben, da mir beim durchlesen im nachhinein einige stellen ein wenig zu holperig vorkamen und auch das verhalten des richters mir in der erstversion nicht wirklich gefiel.
 
Gefällt mir sehr gut. Stammen die Geschichten jetzt komplett aus deiner Feder, oder lehnst du dich an vorhandene Texte aus dem RSP an?
 
die texte stammen vollständig von mir, allerdings sind sie, wie schon gesagt, an die hintergrundwelt von Degenesis angelehnt.
 
*hm*

Die Gleichgültigkeit in den Worten des Richters und die unbeugsame Befolgung von Worten ohne jegliche Anhörung sind erschreckend.

Den vorletzten Satz finde ich ziemlich unnötig und zu sehr erklärend; es wäre besser, hättest du ihn weggelassen und als Schluss nur die Worte des Richters gelassen.

Der Rest des Textes ist stilistisch solide.

Grüße,
Hasran
 
Zurück
Oben Unten