Euthanasie im Rollenspiel - Darf man das?

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Zunächst einmal stellt sich ja die Frage nach der Begriffsdefinition von Eugenik und dem was man landläufig darunter versteht.

Davon unabhängig stellt sich mir als nächstes die Frage, ob der Hintergrund des Tötens von behinderten Kindern verwerflich ist.
In einer Gesellschaft, die um ihr Überleben kämpfen muss und bei der sämtliche Ressourcen knapp sind?
- Sicherlich nicht.
In einer Wohlstandsgesellschaft wie der unseren, wo es alles im Überfluß gibt?
- Vielleicht (und ich sage bewußt vielleicht, da man auch hier mal, völlig Wertneutral und unabhängig von dem was das für den Einzelnen bedeuten mag, mal über die Folgen nachdenken sollte, sowohl die des Ressourcenaufwandes als auch der Folgen für den Genpool - das heißt nicht, dass ich so etwas beführworte, aber es unreflektiert niedermachen ist absolut dämlich)

Wenn das alles geklärt ist, und erst dann, stellt sich mir die Frage, ob ein solches Thema am Rollenspieltisch was zu suchen hat.
Hier kann ich nur sagen, es kommt auf die Gruppe an. Und Grundsätzlich ist bei solch "intimen" Gruppenveranstaltungen letztenendes alles erlaubt was (ALLEN! Teilnehmern) Spaß macht und niemanden stört.

Erst ganz zum Schluss stellt sich mir die Frage, ob ein solches Thema explizit in einem Rollenspielbuch Erwähnung finden sollte/darf.
Grundsätzlich finde ich, spricht nichts gegen eine Erwähnung. Meines Erachtens nach sollte man allerdings gezielt auf die damit einhergehenden (möglicherweise auftauchenden) Divergenzen in den unterschiedlichen Meinungen, Moralvorstellungen und persönlichen Vorlieben eingehen. Auch sollte man ganz explizit nochmal erklären, dass es sich dabei um keine Beführwortung oder gar Verleitung zu solcher Denke und/oder Handlungsweise ist. Gerade jüngere (oder geistig jung gebliebene) Spieler sind wie überall auch hier sehr leicht (auch ungewollt) zu beeinflussen. Ein einfacher, farblich unterlegter kleiner Kasten mit Text am Seitenrand reicht hier vollkommen aus.
 
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@Münsterlander:
@Blut und Glas:
Mal abgesehen davon, dass ich der Meinung bin, dass ein solches Thema nicht in einem Spiel aufgearbeitet werden kann und es sicher auch nicht von Nöten ist, Eugenik als Element zur Darstellung harter Lebensbedingungen eines Fantasy-Volkes heranzuziehen, hätte man im Kontext der Fantasy-Realität z.B. etwas schreiben können wie "den von anderen Völkern Kreijors verabscheute Brauch, schwache Kinder einem sicheren Tod zu überlassen" oder ähnliches. So steht die Tötung Behinderter Kinder in einem positiv formulierten Kontext der Arterhaltung und wie man hier sieht, sind einige offenbar wirklich der Meinung, dass unter harten Bedingungen behinderte Menschen weniger Wert sind als gesunde und daher völlig legitim ermordet werden sollten. Genau zu dieser Einstellung hätte ich eine wie auch immer formulierte, relativierende Passage erwartet.

Warum muss man es "Aufarbeiten" oder "Kritisieren"? Warum kann man es nicht einfach so stehen lassen und jeder trifft seine pro oder contra Entscheidung selber? Oder sind wir hier etwa in der Schule wo es nur die Wahl zwischen "Schlechte Note" und "Meinung des Lehrers übernehmen" gibt?

Was die Wertung von Menschen angeht: In einer Mittelalterlichen Gesellschaft mit idR. kleinen Gruppen (5000 Menschen sind ne grosse Stadt!) IST eine solche Wertung nicht pauschal zu verurteilen. Wer ist nützlicher? Tom der Schmied oder Karl der Bettler? Wenn braucht das Dorf/die Gruppe mehr? Hart ja, schockierend vieleicht aber so notwendig wie etwa Triage auf dem Schlachtfeld (Gruppe 1: "Flucht, machts noch ne weile ohne OP", Gruppe 2: "Schreit, braucht nen OP", Gruppe 3: "Stöhnt nur noch leise, kommt dran wenn Zeit ist") oder sogar bei Rettungsunternehmen (Wir können die acht vom KüMo ODER die zwei Segler bergen)
 
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@Smokey Bear:
Genau in der Historie liegt das Problem: es gibt keine Beweise für systematische Ermodrdung behinderter Menschen in den genannten Kulturen. Selbst für die angeblichen Morde der Spartaner, die ihre behinderten Kinder der Legende nach den Berg Taygetus herabwarfen, gibt es keine wissenschaftlichen Beweise. Die am Fuß des Berges gefundenen Knochen stammen von Männern, die keine körperlichen Missbildungen aufweisen, sondern vermutlich Verbrechern gehören.
Auch bei den Wikingern gab es keine systematische Tötung von Behinderten.

Die Theorie, dass Behinderte einer Gemeinschaft zur last fallen, ist erst wesentlich später aufgetaucht. Die Forschung des SS-Ahnenerbes und auch früherer völkischer Organisationen versuchte Beweise für eine Eugenik in nordischen Völkern zu finden und teilweise zu konstruieren, woher auch viele dieser Geschichten stammen. Archäologische Beweise für systematische Euthanasie gibt es aber nicht.

Und darin sehe ih das Schlimme: ganz unbemerkt schleicht sich bei so einem Thema NS-Rassenideologie ein, die als historische Wahrheit betrachtet wird. Behinderte, die der Gemeinschaft zur last fallen ist 1:1 das, was auf dem abgebildeten NS-Plakat propagiert wird.

Ich habe im Fantasy-Rollenspiel nichts gegen Hexen, die Kinder fessen oder Pseudo-Spartaner, bei denen die Hälfte der Bälger bei hartem Drill draufgeht, aber eine "nordische Rasse", für die alles Nicht-Blonde als häßlich gilt, die Behinderte systematisch nach der Geburt ermordet, das finde ich gelinde egsagt sehr unsensibel gewählt.

Ich unterstelle den Autoren wohlgemerkt keine böse Absicht. Ich finde es nur wichtig, es mal zur Sprache zu bringen.


Ich kenne das Rhunir-Quellenbuch nicht und "Arcane Codex" ist mir zudem relativ egal. Besagte Passage zur Kindstötung mag man in Verbindung mit blonden Nordmännern als geschmacklos erachten, jedoch liest sich besagtes Zitat für mich so, als habe der Autor damit einfach zum Ausdruck bringen wollen, daß das erbarmunglose Land im eisigen Norden einen erbarmungslosen Menschenschlag hervorbringt.

Mich verwundert eher, wie man archäologische Funde zum alleinigen Maßstab für die Glaubwürdigkeit antiker Schriftquellen zur spartiatischen Kindesauslese erheben kann. Meines Wissens wurden als zu schwach befundene Säuglinge nicht von jener berüchtigten Klippe gestürzt, sondern am Fuß derselben ausgesetzt und dann oftmals von Heloten aufgesammelt und als Diener großgezogen. Fehlende Knochenfunde verwundern da wenig und wollte man alles negieren, was "nur" schriftlich überliefert ist, könnte man ganze Kapitel aus den Geschichtsbüchern streichen und solcherlei erinnert für meinen Geschmack zu sehr an Heribert Illig und seine Thesen.

Zu historischen Kindstötungspraktiken (auch systematischer Art) weiß Wikipedia beispielsweise folgendes zu berichten:

- Kindstötung ? Wikipedia
- Neonatizid ? Wikipedia

P.S.: Im fiktiven Rhunir werden behinderte Kinder ausgesetzt im heutigen Europa stattdessen meist abgetrieben, so dies vor der Geburt diagnostiziert wird:

- Schwangerschaftsabbruch mit embryopathischer Indikation ? Wikipedia
- Down-Syndrom: Abtreibungen schöngerechnet - News - FOCUS Online

Ersteres sorgt für Empörung, zweiteres nicht? Halte ich für Doppelmoral!
 
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@Fimbul:
Das mit der Doppelmoral hatte ich vorher schon erwähnt gehabt. Gebe dir allerdings recht.
 
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Wer Abtreibung befürwortet muss also auch Euthanasie befürworten?
"Natürlich nicht!
Es ist ein riesengroßer Unterschied, ob man aus medizinischen Gründen einen missgebildeten Fötus abtreibt, der hinterher im Leben eh nicht glücklich geworden wäre, oder ob man ein neugeborenes Kind ermordet, nur weil es nicht ins eigene Rassenbild passt."
 
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(Die Behauptung erstmals bestätigen, um anschließend erstmal alle Teilnehmer dieser Diskussion als üble Zeitverschwender zu beschimpfen.)

Crossover, baby! ;-)
 
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Irgendwie verliert dieses Thema Seite für Seite immer mehr an Sinn.
Das möchte ich nicht sagen.

Daß es ein Verbot der Kindesaussetzung im norwegischen Recht erst unter König Olav gab, und daß bis zu König Magnus VI. (1274) Kindesaussetzung nur mit einer Geldbuße von drei Mark bestraft wurde, wußte ich vorher nicht.

Und das ist sogar interessant.
 
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Wer Abtreibung befürwortet muss also auch Euthanasie befürworten?
Nein, aber teilweise verschwimmen die Grenzen.
Gerade wenn ein Kind abgetrieben wird, weil Fruchtwasseruntersuchungen Behinderungen nachgewiesen haben.
Ich denke da kann man dann durchaus eine gewisse Nähe zur Euthanasie feststellen.
 
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Daß es ein Verbot der Kindesaussetzung im norwegischen Recht erst unter König Olav gab, und daß bis zu König Magnus VI. (1274) Kindesaussetzung nur mit einer Geldbuße von drei Mark bestraft wurde, wußte ich vorher nicht.

Und das ist sogar interessant.
Das wußte ich auch nicht. - Für mich ist das Thema eigentlich von klein auf mit "Hänsel und Gretel" verbunden gewesen.

Vor einem großen Walde wohnte ein armer Holzhacker mit seiner Frau und seinen zwei Kindern; das Bübchen hieß Hänsel und das Mädchen Gretel. Er hatte wenig zu beißen und zu brechen, und einmal, als große Teuerung ins Land kam, konnte er das tägliche Brot nicht mehr schaffen. Wie er sich nun abends im Bette Gedanken machte und sich vor Sorgen herumwälzte, seufzte er und sprach zu seiner Frau: »Was soll aus uns werden? Wie können wir unsere armen Kinder ernähren da wir für uns selbst nichts mehr haben?« »Weißt du was, Mann«, antwortete die Frau, »wir wollen morgen in aller Frühe die Kinder hinaus in den Wald führen, wo er am dicksten ist. Da machen wir ihnen ein Feuer an und geben jedem noch ein Stückchen Brot, dann gehen wir an unsere Arbeit und lassen sie allein. Sie finden den Weg nicht wieder nach Haus, und wir sind sie los.« »Nein, Frau«, sagte der Mann, »das tue ich nicht; wie sollt ich's übers Herz bringen, meine Kinder im Walde allein zu lassen! Die wilden Tiere würden bald kommen und sie zerreißen.« »Oh, du Narr«, sagte sie, »dann müssen wir alle viere Hungers sterben, du kannst nur die Bretter für die Särge hobeln«, und ließ ihm keine Ruhe, bis er einwilligte. »Aber die armen Kinder dauern mich doch«, sagte der Mann.

Märchen sind aber sowieso oft sehr grausam und drastisch - nichts für schwache Nerven.

Das solche Märchen existieren heißt aber nicht, daß eine Arier-Rassenhygiene-Thematik im Rollenspiel von mir akzeptiert würde.
 
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Gibt's eigentlich ein Statement von Verlagsoffiziellen dazu?
 
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Und das ist sogar interessant.
Dann findest Du es vielleicht auch interessant, daß das römische Zwölftafelrecht in Tafel IV dem Familien-
oberhaupt ausdrücklich vorschreibt, ein mißgebildetes Kind zu töten.
Nicht etwa als Option erlaubt, sondern durch Gesetz befiehlt.
 
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Es geht dem Strangersteller doch wohl um folgenden Passus:

Ein Zitat von Seite 186 des besagten Buches:

"Das Leben in Rhunir ist auch für gesunde Menschen hart genug und verkrüppelte Kinder sind eine untragbare Last für ihre Familien. Daher ist es üblich, Säuglinge mit körperlichen Gebrechen sofort zu töten."

Vergleichen wir damit die Wikipedia-Ausführungen zum Aussetzen von Säuglingen im mittelalterlichen Norwegen (siehe hier), die hier bereits mehrmals angesprochen wurden:

Im Heidentum stand dem Vater das Recht zu, über das Leben eines Neugeborenen zu entscheiden. Diese Sitte wurde in unterschiedlicher Weise eingeschränkt, indem entweder nur Missgeburten nach der Taufe ausgesetzt werden durften oder die Aussetzung überhaupt verboten oder von der Zustimmung des Bischofs abhängig gemacht wurde. Beim Christenrecht das Borgarthings ist sogar von einer Taufe nicht die Rede. Vielmehr soll man es sterben lassen und wie bei unheimlichen Wesen im Heidentum „mit Steinen an unheimlicher Stelle, wo weder Mensch noch Vieh geht, das ist die unheimliche Stelle des Bösen, bedeckt werden.“ Was mit Totgeburten zu geschehen habe, wird nicht geregelt, außer dass es ungetauft nicht auf dem Kirchhof begraben werden kann. Im Frostathingslov wird ausdrücklich verboten, Frauen, die in der Schwangerschaft starben, aufzuschneiden, um das heidnische Kind herauszuholen, damit die Frau christlich beerdigt werden könne. Sie soll auch so christlich beerdigt werden (Frostathingslov II, 15). Die Aussetzung muss noch lange Brauch gewesen sein, denn König Magnus Erlingsson hielt es im 12. Jahrhundert für erforderlich, auf Aussetzung die strengste Strafe der Friedlosigkeit zu setzen, während Olav der Heilige dafür nur eine Strafe von drei Mark angesetzt hatte. Im Borgarthingslov und Eidsivathingslov wird die Aussetzung gar nicht erwähnt.

Sofern man diese Ausführungen als seriös annimmt, dann scheint mir die hiesige Bezugnahme auf den Nationalsozialismus doch recht unnötig, um eine Inspirationsquelle für derlei Kindstötungen in Rhunir zu finden.


P.S.:
Wer Abtreibung befürwortet muss also auch Euthanasie befürworten?
Spätabtreibungen zur Verhinderung von behindertem Nachwuchs sind Euthanasie. Der Fötus ist zum Zeitpunkt des Schwangerschaftsabbruches bereits lebensfähig.
 
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Es geht ja nicht um eine direkte Bezugnahme, sondern um eine Assoziation, die entweder übersehen oder bewußt in Kauf genommen wurde.
 
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Es geht ja nicht um eine direkte Bezugnahme, sondern um eine Assoziation, die entweder übersehen oder bewußt in Kauf genommen wurde.
Ich würde es für problematisch halten, bei der Beschreibung einer Gesellschaft bestimmte plausible
Elemente einfach auszublenden, um mögliche Assoziationen der Leser zu vermeiden. Diese Art der
Selbstzensur richtet üblicherweise mehr Schaden an als sie verhindert.
 
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Diese Assoziation besteht primär in den Köpfen einiger Leute und beruht vermutlich zumindest teilweise auf dem Wunsch gewisser Leute eine solche Verknüpfung zu sehen.
 
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