Erinnerungen im Traum

ElvisLiving

Kainit
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2. Dezember 2008
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Richard packt seine Sachen. Heute endlich ist das Semester vorbei und er wird die nächsten vier Wochen bei seinen Eltern verbringen. Bei dem Gedanken eine so lange Zeit von seiner Annika getrennt zu sein, schmerzt es ihn. Er vermisst sie jetzt schon... Und dabei war sie erst gestern Abend bei ihm gewesen... Er ist seit langem wieder glücklich verliebt. Seine Noten sind super, seine Diskusions-AG und das Fotoprojekt macht hervorragende Fortschritte.
Gestern noch hat er Herrn Vogel wegen seinem unmöglichen Verhalten gegenüber Rebecka zur Rechenschaft gezogen... Er hat die Nummer seiner Frau... und da war dieser Mitschnitt, den einer der jüngeren Studenten für ihn angefertigt hatte. Herr Vogel wollte nicht, dass diese Aufnahme seine Gattin erreichte. Der würde seine schmierigen Finger erst mal die nächste Zeit von den Studentinnen lassen. Kurz gesagt: Er ist ein erfolgreicher, beliebter, einflussreicher und sehr glücklicher Student. Das Leben ist super. Klar... es gibt den einen oder anderen Neider... Und die ein oder andere verschmähte Frau... Aber: Das ändert nichts an seinem Glück.

Richard packt gerade seine Lieblingsspiegelreflexkamer ein. Er überlegt was aus seinem Labor, er wohl mitnehmen sollte... Er entscheidet sich nur die Entwicklungsflüssigkeiten mitzunehmen... Den Rest würde er in seinem alten Zimmer schon irgendwie improvisieren können. Wann habe ich meine Eltern das letze Mal gesehen? Dürfte jetzt schon wieder 5 Monate her sein... Er nimmt sein Handy zur Hand und ruft Annika an.

Sie nimmt ab:
"Richard?"
"Ja, meine Liebe"
"Musst du wirklich zu deinen Eltern?"
"So Leid es mir tut, wenn ich noch einmal nicht zum Geburtstag meiner Mutter und meiner Schwester komme, dann reißen die mir den Kopf ab." Selbst über das Telefon ist sein Lächeln zu hören.
"Hmmm.."
"Hey: Es sind doch nur ein paar Wochen... Und wenn ich wiederkomme, dann mach ich alles wieder gut, ok?"
"Na, da musst du dir aber was einfallen lassen, mein Lieber!"
"Annika, mein Zug fährt in 20 Minuten... Ich muss leider los... Ich melde mich, wenn ich in Bielefeld bin. Ich vermisse dich. Pass auf dich auf, meine Liebe! Und alles Glück der Welt."
"Ich dich auch... Und danke."
"Gern geschehen und bis ganz bald."

Ein Klicken und Richard steckt das Telefon weg. Er wirft sich den Rucksack über und zieht den Rolli hinter sich her.

Es ist das letzte Mal, dass er seine Studentenbude verlässt.
 
AW: Erinnerungen im Traum

Er steht vor einer Tür. Auf dem Klingelschild steht "Stein". Ihm ist diese Tür wohl bekannt. Er steht vor der Tür des Hauses, in dem er groß geworden ist. Er betätigt die Klingel. Ding Dong.

Seine Mutter öffnet die Tür.
Sie trägt immer noch den Blazer von der Arbeit in der Bank. Sie kann erst seit wenigen Minuten wieder zurück sein. Ihre Haare sind wieder offen und blonde, gelockte Haare fallen ihr über die Schulter.
Er wirft sich ihr in die Arme.
"Willkommen zurück."
Ein Moment verstreift.
"Komm erst einmal rein und setz dich."

Er übertritt die Türschwelle und zieht die Schuhe aus. Er hört den Fernseher aus dem Wohnzimmer. Es läuft die erste Staffel von Buffy. Eigentlich interessiert er sich nicht für diesen "Mysterie"-Boom. Scheint irgendwie zur Zeit "in" zu sein. Worum gehts da eigentlich? Richard konnte noch nie verstehen was an irgendwelchen Vampiren so toll sein sollte... Es waren nur blutsaugende Monstergrafen. Was war an Dracula so spannend?

Seine Schwester kommt aus dem Wohnzimmer. Diese Woche wird sie 15. Sie hat die Haare rot gefärbt und trägt sie zu Zöpfen. Eine schwarze kaputte Jeans und ein T-Shirt mit einem dunkelhäutigen Vampir und der Aufschrift "Blade". Dann sieht er das Piercing, das sie sich durch die Lippe machen lassen hat. Sie hatte ihn vorher angerufen und es ihm verraten. Eine Freundin hat sie gestochen und so sieht es auch aus. Die Entzündung ist echt übel.

Warum haben meine Eltern das Ding noch nicht entfernt?

Langsam geht sie auf ihn zu, sie wirkt trotzig... Vermutlich denkt sie, sie dürfe nicht zeigen, dass sie ihn vermisst hat.

Sie denkt sie sei ein Punk...

Sie erhebt die Hand zum "Highfive". Richard zieht sie an sich heran und drückt sie.

"Meine Kleine!"
Rotzig antwortet sie
"Hey"
"Hab dich vermisst."
Kleinlaut antwortet sie:
"Ichdichauch"
Er drückt sie etwas von sich weg und guckt ihr ins Gesicht.
"Steht dir nicht, meine Kleine. Lass es dir wieder raus nehmen, ja?"
"Gehtdichgarnichtsan."
"Ich sags dir ja nur."
Er lächelt sie an.
"Istinordnung."

Er dreht sich um. Geduldig wartet das wichtigste Mitglied seiner Familie auf die Begrüßung: Sina, eine 8 jährige belgische Schäferhündin. Geradezu auf peinliche Art und Weise wedelt sie mit der Rute und wartet auf ein Zeichen. Richard kniet sich hin und die Hündin kommt auf ihn zugelaufen. Er wird von der Wucht umgeworfen. Eine nasse kalte Nase berührt im Nacken.

Eine Weile vergeht.

Richard guckt sich um.

"Wo ist Papa?"
Seine Mutter sieht ihn an ohne zu antworten.
Richard wird energischer
"Wo ist Papa!"
Seine Mutter antwortet:
"Das Essen ist fertig."
Er packt seine Mutter und zieht sie ein paar Meter weiter weg. Weg von seiner kleinen Schwester, die anscheinend sowieso zu viel vom Familenkrach mitbekommt.
"Mama, wo ist er?"
"Er ist schon wieder bei ihr."
"Diesem... Diesem.. Warum lässt du ihn überhaupt wieder hierher? Du brauchst keine Angst vor ihm haben. Für sowas gibt es Institutionen. Und die Polizei kann dir bestimmt auch weiterhelfen. Und solange ich hier bin, wird er die Finger von dir lassen!"
Sie sieht ihn an.
"Nein. Es wird schon irgendwie so wie früher."
Richard schüttelt sein Haupt. Traurig sieht er sie an.
"Nein."

Er dreht sich um und geht mit seiner Schwester ins Wohnzimmer.

"Und? Was machen die Jungs?"
"Pfft!"
"Wie "pfft"?"
 
AW: Erinnerungen im Traum

Sie sitzen zu Dritt am Tisch. Seine Mutter sitzt am Kopf der Tafel. Rechts neben ihr sitzt seine kleine Schwester und rechts zu ihr, sitzt Richard. Es ist noch für zwei weitere Leute gedeckt. Es gibt Schweinefilet in Sahnesoße, dazu Reis und Erbsen.

Richards Stimme klingt etwas genervt:
"Kommt Vater noch?"
Richards Mutter antwortet:
"Er hat eben angerufen. Er müsste gleich kommen."
"Und für wen ist der Teller da?"
Richard zeigt auf den überflüssigen fünften Teller.
"Für einen Freund von uns. Professor Rothenburg."

Es vergehen 3 Minuten
Seine Schwester fragt:
"Können wir nicht anfangen?"
"Nein!"

Es vergehen weitere Minuten des bedrückten Schweigens.

Richard greift nach der Kelle und will sich etwas nehmen.

"NEIN!", schreit seine Mutter, nur um im zuckersüßen Ton fortzufahren: "Wir warten auf deinen Vater und Professor Rothenburg."
Richard antwortet: "Aber das Essen wird..."
"KEIN Aber" Die Stimmlage wird wieder zuckersüß, "Wir wollen doch keine schlechten Gastgeber sein."

Es vergehen weitere bedrückende Minuten.

Die Tür öffnet sich.

Die Mutter steht auf. Immer noch in Schürze kommt sie auf den Hauseingang zu. Sie zerrt ihre beiden Kinder mit und präsentiert dem Vater und dem Fremden ihre Kinder. Richard steht rechts von ihr, seine Schwester links.

Sie zischt:

"Lächeln!"

Vater hängt seinen Mantel auf den Kleiderständer und kommt auf seine Familie zu. Er gesellt sich zu den Dreien. Richard erinnert die Situation an ein Reklamefoto einer amerikanischen Vorzeigefamile aus den 50ern.

Richard sieht den Fremden. Er trägt einen schlichten Anzug in besch, eine alte Brille und einen Backenbart. Seine Haare sind kurzgeschnitten und braun. Er lächelt auf eine sehr weise und alte Art.

Professor Rothenburg geht an der Familie vorbei und setzt sich an den Tisch. Geradezu hektisch folgt ihm Mutter, Vater und Schwester. Richard trottet hinterher. Die Familie setzt sich.

"Es ist uns eine ausgesprochene Freude sie heute bei uns willkommen zu heißen."
Professor Rothenburgs Stimme klingt alt, tief, trocken... irgendwie wie ein Glas hervorragender Scotch.
"Auch ich freue mich, sie heute besuchen zu dürfen. Wenn sie mir die Bemerkung erlauben: Das Essen riecht hervorragend. Als guter Gast ist es mir natürlich eine Pflicht und eine Freude ihnen ein Präsent zu übereichen."
Professor Rothenburg überreicht eine Weinflasche an den Vater. Er antwortet:
"Ich danke vielmals." und entkorkt die Flasche.

Die Mutter verteilt das Essen auf den Tellern. Professor Rothenburg bekommt als Erster. Derweil verteilt der Vater den Wein. Die Farbe ist dunkelrot und er erscheint irgendwie dicker als gewöhnlicher Wein. Auch seine kleine Schwester bekommt vom Wein.

Die Mutter sagt:
"Und Jetzt wollen wir beten."
Im Einklang ertönt das Gebet. Rothenburg und Richard Schweigen. Richard kennt das Gebet nicht.

"Gott
Du Quelle des Lebens
Lass uns das Leben trinken
miteinander an diesem Tisch
und verbunden mit allen,
die Hunger und Durst haben.
Mach uns lebendig an Leib, Seele und Geist
Mach uns zu einem Kanal, in dem das Leben fließt
zu einer Schale, aus der man schöpfen kann
zu einem Glas,
das man sich reicht von Mund zu Mund.
Segne die Gaben, die vor uns stehen
und die wir aus deiner Güte empfangen dürfen.
Amen"

Sie fangen an zu Essen. Professor Rothenburg isst nicht. Manchmal nippt er an seinem Glas. Vater, Mutter und Schwester verschlucken sich fast am Wein, so gierig schlucken sie ihn. Manchmal sprechen die Eltern von den guten Noten ihrer Kinder, ihren außerschulischen Erfolgen und so weiter. Professor Rothenburg hört geduldig zu. Manchmal nickt er.

Richard probiert den Wein: Es ist Blut.
 
AW: Erinnerungen im Traum

Sie sitzen im Wohnzimmer. Es ist mitten in der Nacht. Geduldig hört Richard den Worten des selbsternannten Vampirs zu. All das was er ihm erzählt scheint... unglaublich. Und dennoch scheint dieser Mann davon überzeugt. Er erzählt es mit solcher Beiläufigkeit und Ernsthaftigkeit, dass es ihm schwerfällt ihm nicht zu glauben. Richard kommt also zu einem Ergebnis: Entweder ist das einer von diesen genialen Psychotikern... Oder er sagt die Wahrheit.

Schließlich endet der Professor seine Ausführungen.

"Es ist deine Entscheidung. Ganz wie du willst." Sein Lächeln ist ruhig... Und irgendwie gefährlich. Richard weiß, wenn er sich dagegen entscheidet, wird er ihn töten müssen. Denn er weiß zu viel...


Es wird geklopft.

Alles ist schwarz.

Wo bin ich?

Es ist unbequem.

Es ist eng.

Wenig Luft.

Ich habe Kopfschmerzen.

Ich habe Schmerzen.

Ich habe Hunger.


Panik steigt in ihm auf.

Was zur Hölle ist los?

Es riecht nach Benzin.

Die Panik steigt.

Er kann sich kaum bewegen.

Ein Motor wird gestartet.

Der Boden vibriert.

Ich bin in einem Kofferraum.

Zähflüssig fließt der Gedankenstrom.

Langsam kommen die Erinnereungen der letzten Nacht in ihm hoch.

Das Auto startet.

ZACHARIAS!

Der Name... Die Erkenntnis... Das Leid!

JENNY!

Der Name... Die Erkenntnis... Die Hoffnung!

Esteban.

Der Name... Die Erkenntnis... Die Sicherheit.

Der Wagen fährt ein paar Minuten.

Immer wieder hällt er kurz.

Vermutlich Ampeln.

Dann bliebt er stehen.

Er hört Schritte.

Die Geräusche eines Schlüssels.

Der Kofferraum öffnet sich.

Richard erblickt Esteban.

Er steht auf.

Esteban sagt etwas zu Richard.

Sie verbaschieden sich.

"Hasta pronto, mi hermano.Vigila a ti."
 
AW: Erinnerungen im Traum

Richard lag neben Mike auf der Luftmatratze. Was für eine beschissene Nacht, dachte er... Mit Sicherheit die beschissenste meines Lebens... Er log sich an... Er hatte seine erste Nacht als Vampir verdrängt... Doch Zacharias beschert süße Träume.


"Ich habe wohl kaum eine andere Wahl, oder?"
Professor Rothenburg nickt.
"Dann... werde ich so, wie du!"


Neue Szene


Richard erwacht auf einer Pritsche, in einem fensterlosen Keller. Er ist gefesselt. Ketten binen ihn an die Pritsche. Sein Hunger ist unbändig. Er fühlt sich beschissen... In was für einer Freakshow war er nur gelandet?

Die Tür öffnet sich. Professor Rothenburg betritt gut gelaunt die Szene.

"Mein Sohn!" begrüßt Professor Rothenburg ihn fröhlich.

Wie viele Tage mögen vergangen sein? Richard hat sein Zeitgefühl in dem Raum verloren, der nur durch das sterile Licht einer einzelnen Neonröhre erhellt wird.

Sein Hunger brennt in seinem Magen, in seinen Adern... Nie zuvor hatte er sich so schwach gefühlt. Seine Haut: erkaltet... Ob es war ist? Ist er ein Vampir?

Der Professor kommt grinsend auf Richard zu.

"Mein Sohn! Ich habe dir Besuch gebracht!", kündigte er an.

Sein Gehstock erzeugt monotone Klänge auf den weißen, sauberen und glatten Fliesen.

Er kommt Richard immer näher. Grausam lächelt er ihn an.

"Deine Schwester hat sich nach dir erkundigt." sagt er grausam. "Und ich wollte einem Wiedersehen nicht im Wege stehen." Sein Lächeln wird heftiger

Richards schöne Stimme... Ist verkommen zu einen kratzigen, heiseren Keuchen:

"Nicht Emily..."

Professor Rothenburg beugt sich über Richard und flüstert:

"Dazu habe ich euch von eurer Mutter werfen lassen, Junge! Für diese eine Nacht!"

Er wendet sich von Richard ab.

Professor Rothenburg verlässt die Szene.

Ein Mensch betritt die Szene.

Der Mensch blutet aus dem Hals. Der Mensch röchelt...

Das Tier schreit auf. Es springt auf und rennt auf den blutenden Menschen zu. Die Ketten fesseln es... Und werden plötzlich gelöst.

Die Augen des Menschen weiten sich entsetzt.

"Richard!" schreit der Mensch. "Bitte..."

Das Tier packt den weinenden Menschen...


Neue Szene


Richard hält den leblosen Leib seiner Schwester in den Armen.

Professor Rothenburg betritt den Raum.

Die weißen Kacheln sind nun blutig. Ein aufgelöster Richard kniet auf dem Boden und weint blutige Tränen auf den Leichnam seiner Schwester.

"Noch ist es nicht zu spät, Richard!" sagt der Professor sanft. "Gib ihr dein Blut! Verwandle sie!"

Weinend blickt Richard auf den Professor.

"Warum ich?" fragt Richard ihn.

"Weil sie deine Schwester ist, mein Kind!", lügt ihn der Professor an.

Richard führt seinen Arm zum Mund und beißt hinein.

"Ich hasse dich!" speit er ihn an.

Sanft antwortet der Professor.

"Ja, noch, mein Sohn! NOCH hasst du mich!"


Neue Szene


Emiliy erwacht in Richards Armen. Sie sieht Richard mit freudlosen Augen an.

Fünfzehn Jahre... Und er hat sie verwandelt... Sie ist ein Dünnblut.

Er liebt den Professor.



Richard erwachte… Und verstand, weshalb ER es tun musste.
 
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