AW: EP-System
Klingt doch wie aus einem Guss, oder?
Klingt beschissen. - Sorry, aber so ist es.
EP belohnen den Spieler (nicht den Charakter). Sie werden zur Verbesserung des Charakters eingesetzt und sie resultieren aus dem Zielerreichungsgrad der im jeweiligen Rollenspiel vorgesehenen Bedingungen.
Erfahrungspunkte werden nur in manchen Rollenspielen bzw. bei manchen Spielleitern nach "Zielerreichungsgrad" vergeben. - Genauso wie die variabler Gehaltsanteil nach "Zielerreichungsgrad" völlig untauglich ist eine Motivationssteigerung bei Mitarbeitern zu erreichen, genauso ist die XP-Vergabe nach "Zielerreichungsgrad" im Rollenspiel in irgendeiner Weise sinnvoll.
Zum einen sind den Spielern in den meisten Rollenspielen ja die ZIELE UNBEKANNT, die (oft nicht einmal dem Spielleiter bekannt) zu erreichen sein könnten. - Wenn die Spieler mit viel Eigeninitiative ihre Charaktere Dinge weit abseits eines stählernen "Eisenbahn-Plots" machen, wie will man da beurteilen, OB und WELCHE Ziele mit welchem ZielerreichungsGRAD erreicht wurden?
Das geht schlichtweg nicht.
Eine XP-Vergabe kann bei vorgefertigten Szenarien an bestimmte "Freischaltbedingungen" gekoppelt sein. - Dies sind aber oft KEINE ZIELE!
Das sind Meilensteine im vorgezeichneten Plot ("Am Ende von Kapitel 3 bekommt jeder SC 400 XP") oder an situative Gegebenheiten gebunden Bewertungen ("Für jedes erschlagene Wandernde Monster in den Höhlen des Wahnsinns bekommen die SC 10% mehr XP als den im Monsterhandbuch angegebenen Wert, weil hier die Erschwernisse durch die Sondereffekte der Höhlen des Wahnsinns einberechnet werden müssen.") oder eben an bestimmte "Schalter" ("Haben die SC den Leichnam auf Bißspuren untersucht, so bekommen sie 1 Weißen Fate-Chip.").
Manche Rollenspiele vergeben einen gewissen Grundwert an XP pro Spielstunde. Das ist absolut gerechtfertigt, da ja immerhin die Spieler zum Spiel erschienen sind und dadurch allen gemeinsam eine Spielrunde erst ermöglicht haben - unabhängig von den einzelnen Beiträgen der jeweiligen Spieler.
Die Vergabe von XP für "gutes Rollenspiel" stellt die einzige OFT, ja geradezu STANDARDMÄSSIG vorgesehene, absolut willkürliche Beurteilung des Mitspiels eines Spielers durch den Spielleiter dar. - Alles andere versucht wenigstens die Illusion einer "Objektivität" (Meilensteine, Situationen, Events, Indizien, ...) für die XP-Vergabe aufzubauen.
Aber - mal ganz ehrlich - außer bei den Rollenspielen, wo regeltechnisch die Spieler sich die XP SELBST "abholen" können, ist doch JEDE XP-Vergabe völlig subjektiv, völlig aus dem Bauchgefühl, dem Gesamteindruck des Spielleiters und seiner Freigiebigkeit erfolgend.
Wer sich da für "objektiv" hält, der lügt sich selbst in die Tasche.
Damit haben sie schon mal viel mit Bennies/Schicksalspunkten gemein. Es drängt sich also die Überlegung auf, warum man die überhaupt sepaprat behandeln sollte und ob man nicht lieber auf eine Ressource verschlankt.
Bei Deadlands 2nd Ed. gibt es keine separat vergebenen Bounty Points (XP) mehr, sondern nur noch Fate-Chips, die in den Gegenwert an Bounty Points eingetauscht werden können, wenn man seinen Charakter verbessern will.
Bei HeroQuest/HeroWars gibt es nur HeroPoints, die man als eine Art Fate-Chips aber auch zum Verbessern der Fähigkeiten verwenden kann und soll.
Je nach Rollenspiel gibt es das eh schon.
Sozusagen EP als Generalschlüssel. Haptische und teilweise auch schön auf das Spielgenre zugeschnittene Bennies scheinen mir allerdings besser geeigent zu sein, als der abstrakte Erfahrungspunkt.
Das mit dem "Anfassen" der XP/Schicksalspunkte ist ja, wie gesagt, z.B. in Deadlands Classic 2nd Edition so gelöst.
Danach gibt es in den Szenarien auch keine Angaben mehr, wieviele Bounty Points vergeben werden, sondern nur noch, wieviele Fate-Chips in welcher Farbe (= Wertigkeit) für welche Meilensteine, Ereignisse, Schlüssel, Situationen wem vergeben werden.
Nach längerer Erfahrung mit diesem XP = Schicksalspunkte = eine ununterscheidbare Resource für Charakterentwicklung, Charakter-Überlebenssicherung, und stärkere Richtungsbestimmung der Handlung durch den Spieler haben wir die SEPARATE Vergabe von Bounty Points in unserer ansonsten 2nd Ed. Deadlands-Runde wieder eingeführt.
Alles in EINER EINZIGEN Resource zu sammeln ist SCHEISSE.
Man gerät - wie schon erwähnt - als Spieler in einen erheblichen Interessenskonflikt. Da die meisten Spieler eher an ihren Charakteren hängen, werden somit die Chips aufgespart, um dem Charakter das Überleben zu sichern. Der Spieler verzichtet für diese Überlebenssicherung auf die Chance den Handlungsverlauf zu beeinflussen (indem er z.B. gescheiterte Fertigkeitswürfe mit Chips verbessert oder auf einen Erfolg noch eine Erhöhung draufsetzt für zusätzliche Intensität eines ihm wichtigen Erfolges) und er verzichtet auf Charakterweiterentwicklung, so daß die Charakter wie "lernbehindert" wirken.
Mich als Spielleiter hat das mächtig geärgert. - Und zwar, weil ich über z.T. zweistellige Spielsitzungen so gut wie KEINEN Lernfortschritt bei der Charakterkompetenz erlebt habe. Und das, wo ich für die Dicken Brocken im Weird West Charaktere HABEN WOLLTE, die SEHR, SEHR kompetent sind, damit sie nicht gleich weggeputzt werden. - Das ging aber in einer Runde nicht, wo in Kämpfen die Spieler lieber ihre Chips zum Wundenvermeiden aufgewandt hatten, statt für andere Einsatzarten auszugeben.
Das war meine erste DL-Kampagne nach den 2nd Ed. Regeln, d.h. ohne separat von erspielten Fate-Chips vergebenen Bounty Points.
Das ging so dermaßen in die Hose, daß ich dieses Stagnieren nur durch das Wiedereinführen von SICHER für die Charaktersteigerung (und NUR dafür!) anwendbaren Bounty Points aufheben konnte. - Inzwischen habe ich mehrere weitere DL Classic Kampagnen nach demselben Muster geleitet und konnte so über die einzelnen Spielsitzungen den GEWÜNSCHTEN (sowohl von mir als Spielleiter als auch von den Spielern) Kompetenzzuwachs bei den Charakteren feststellen.
Aktuell habe ich eine HeroQuest/HeroWars-Runde in einem heroischen "Antiken Griechenland" am Laufen. - Da haben wir genau dasselbe Problem: Die HeroPoints, die für die Gestaltung der Geschichte im Spielverlauf ausgegeben werden, die FEHLEN dann um den Charakteren zu erlauben z.B. erspielte Beziehungen oder Eigenschaften zu "zementieren", geschweige denn etwas zu verbessern. - Das ist FRUSTRIEREND, wenn man die SCs in absehbarer Zeit in "heroischer Wettkampfform" haben will.
Was macht man da? - VERSCHENKEN von mehr HeroPoints, als man eigentlich hätte vergeben sollen und wollen? Oder Einführen von zweierlei Arten HeroPoints? Oder auf das "Zementieren" von erspielten Eigenschaften, Beziehungen etc. verzichten, so daß wenigstens noch ein paar Punkte ins Verbessern gesteckt werden können?
Ich finde diese "Gleichmacherei" von XP und Schicksalspunkten aus meinen eigenen praktischen Erfahrungen urteilend als eine SCHLECHTE Idee.
Zudem fällt mir oft auf, dass EP gleich auf die Spieler verteilt werden, um ja keinen zu bevorzugen (auch in Spielen, die das eigentlich anders handhaben). Das bremst den engagierten Spieler gegenüber dem Weck-mich-wenn-ich-würfeln-muss-Spieler natürlich zu unrecht aus.
Was heißt hier "zu unrecht"?
Viele Spielsysteme geben dem Spielleiter die (undankbare) Aufgabe seine Mitspieler BEWERTEN zu müssen.
Ich kann nur zu gut verstehen, wenn ein Spielleiter, der mit seinen Freunden spielt, NICHT in den potentiellen Konflikt einsteigen will, daß er seine Freunde "benotet". - Das mache ich in anderen Situationen schon zur Genüge. Und die Benoteten sind damit oft alles andere als glücklich. - Meine Freunde möchte ich aber GLÜCKLICH machen.
Wenn ich in manchen Runden an das Gezerre und elendige Herumdiskutiere denke "Aber wieso bekommt der 100 XP mehr als ich? Ich fand sein 'Gutes Rollenspiel' nicht so toll! Und wieso war meine tolle und coole Szene vorhin denn NICHT 'Gutes Rollenspiel'? ..." usw.
Zum Kotzen finde ich solche idiotischen Benotungsverfahren, nach denen mehr Unzufriedene als Zufriedene zurückbleiben.
Wer GEGEN andere Spieler im Rollenspiel GEWINNEN will, der kann das auch unabhängig von XP-Vergaben (und damit unabhängig von Sympathie-Faktoren oder Würfelglück oder einfach ständigem XP-Herausnörgelns). - Wer es schafft seinem Charakter das einzige magische Schwert der Gruppe IN-GAME(!) herzuargumentieren, der hat ja auch gewonnen, ohne daß man ihn nun "benoten" müßte.
Ein engagierter Spieler spielt engagiert mit. - Aber möchte ein engagierter Spieler denn wirklich seine vielleicht nicht so engagierten Mitspieler mit dem schlechten Gefühl nach Hause gehen lassen, daß sie SCHLECHT GESPIELT HABEN?
ICH als Spieler möchte das nicht.
ICH als Spieler möchte auch nicht z.B. in Midgard, weil ich nichts im Kampf getroffen habe, aber dennoch selbst eingesteckt habe, OHNE KEP aus einem Abenteuer gehen. Das ist frustrierend. - Und bei Midgard ist es noch nicht einmal (in diesem Falle der KEP für weggeschlagene AP) der Spielleiter, sondern das Regelwerk, welches mich gefrustet den Heimweg antreten läßt. - ICH, d.h. mein Charakter, habe ja DASSELBE RISIKO mit allen anderen geteilt. Und dann darf ich leer ausgehen?
Das empfinde ICH als "zu unrecht" BESTRAFT!
Ich spiele zur Unterhaltung. Ich werde von Benotungen NICHT unterhalten. Eine schlechte Benotung des eigenen Rollenspielens durch einen Spielleiter ist auch immer eine PERSÖNLICHE ZURÜCKWEISUNG durch einen Menschen, der eigentlich mein Freund ist.
Das möchte ich einfach nicht.
Daher gibt es - wie in Deadlands bei den Bounty Points eh vorgesehen - für JEDEN DIESELBE Anzahl. - Die Bounty Points sind das, was sich DIE GRUPPE GEMEINSAM erspielt hat.
Die Fate-Chips, die ja immer noch in zusätzliche Bounty-Points eintauschbar sind, sind das, was sich ein einzelner SELBST erspielt hat.
So mag ich das:
Die Gruppe bekommt "Fortschrittspunkte" für das Vorantreiben der Geschichte (auch wenn das ihn ihre EIGENE Richtung ist, das ist mir dabei völlig egal), die nur zum Erhöhen der Charakterkompetenz eingesetzt werden können, so daß ich darüber den "Power Level" der gesamten Gruppe ein klein wenig steuern und an das, was ich in meiner Kampagne vorhabe, und wie bald ich es vorhabe, anpassen kann (Kampagnen-Steuerung über Bounty-Points).
Und der Einzelne bekommt "Belohnungspunkte", die er vielfältiger einsetzen kann, und die IMMER eine Belohnung direkt für den Spieler darstellen (Spieler-Belohnung über Fate-Chips).
Wie wäre es daher die EP/Bennies gleich über das Fanmail-Prinzip zu verteilen? Also die Spieler erhalten eine bestimmte Anzahl an EP/Bennies und verteilen die je nach Aktion der Mitspieler an selbige.
Einsetzen könnte man die dann halt für verschiedenste Aspekte: (Heilung, tolle Aktionen, Misserfolge rausreißen, Werte verbessern). Halt alles, was EP und Bennies sonst separat behandeln.
Die meisten Spieler wollen einander NICHT bewerten MÜSSEN!
Man spielt als GRUPPE GEMEINSAM. Am Ende des Spielabends wird dann jeder zum "Benoter" der anderen?
Es hat schon einen guten Grund, warum die Spielregeln der meisten Rollenspiele diese Benotungsfunktion an den Spielleiter auslagern: Er ist der GEGENSPIELER, der zwar fair sein muß, aber dennoch NICHT ZU UNS GEHÖRT! - Von einem solchen, gruppenexternen Benoter akzeptiert man eher noch eine Benotung via XP als daß man nach all der Action, nach all den spannenden Szenen nun einander loben oder zurückweisen MUSS!
Wie ich meine Spieler einschätze, käme es letztlich darauf hinaus, daß man DOCH alles wieder GLEICHVERTEILT vergibt. Keiner will dem anderen ein schlechtes Gefühl für den Nachhauseweg mitgeben. - Und das ist auch gut so, finde ich.
In Rollenspielen wie Agon, wo es direkt das ZIEL des Spiels ist, sich GEGENEINANDER hochzuspielen, ist das in Ordnung. Solange dieses GEGENEINANDER allen bekannt und von allen Spielern akzeptiert ist, funktioniert das.
Aber in Spielen, in welchen ALLE MITEINANDER spielen, einander ZUSPIELEN müssen, um die Szenarien zu überstehen, dann urplötzlich in einen "Benotungsmodus" zu wechseln, paßt nicht.
Dann schon lieber gleich Mechanismen verwenden, die die Spieler sich SELBST die XP "abholen" lassen, statt sich einander - mit allen zwischenmenschlichen PROBLEMEN, die so etwas mitbringt - sich zuweisen zu lassen.
@Skar: DU hast offensichtlich KEIN Problem damit Deine Mitspieler zu bewerten und damit Freunde ins Gesicht zu "dokumentieren", daß sie SCHLECHT Rollenspiel gespielt haben. - Wenn das für Dich und Deine sozialen Beziehungen in Ordnung ist, dann halte ich das für eine echte Ausnahmesituation.
Nach MEINER Erfahrung führt solch eine Ins-Gesicht-Abwertung IMMER zu zwischenmenschlichen Spannungen. Und oft nicht sofort, wo ja der so Abgewertete noch die "gute Miene zum bösen Spiel" macht, und seinen Ärger tapfer runterschluckt, sondern später. Solche Abwertungen, die ja persönliche Zurückweisungen darstellen, wirken viel langfristiger, als man sich oft bewußt ist. Das nagt und beschäftigt die Betroffenen lange und kann bei fortgesetzten Abwertungen (man hatte halt drei oder vier Spielsitzungen keinen rechten "Draht" zum Spielleiter oder den bewertenden Mitspielern oder war halt einfach von der Arbeit müde, wollte den Mitspielern aber nicht den Spielabend versauen, indem man um Verschiebung auf nächste Woche bat) ähnlichen Effekt haben wie ein MOBBING.
Man mache sich das mal klar: Wer STÄNDIG mit dem Eindruck aus der Spielrunde geht, daß er SCHLECHT gespielt hat, wer von seinen Mitspielern und seinem Spielleiter abgewertet wird, der WIRD ja letztendlich GEMOBBT!
Ich MAG meine Mitspieler.
Ich habe KEINEN Grund sie zurückzuweisen für das, was sie sind und wie sie sind. - Wenn ich sie nicht mögen würde, dann würde ich nicht mit ihnen spielen. Wenn ich aber mit jemandem spiele und der pennt mir ein, weil er Frühschicht hatte und danach direkt zur Spielrunde gekommen ist und es nach 10 Stunden Kampagnenspiel so langsam auch für die Ausgeschlafensten der Mitspieler nicht mehr so leicht ist mit spritzigem Spiel zu glänzen, dann werde ich ihn für sein Mitspielen gerade noch BESTRAFEN!
Und ein BESTRAFEN ist es ja, wenn man dem Spieler für seinen Charakter XP und/oder Schicksalspunkte wegen "schlechten Rollenspiels" vorenthält.
Solch ein Verhalten fände ich inakzeptabel für mich und meine Runden.