Einsteigbarkeit in Spiele

Skyrock

t. Sgeyerog :DDDDD
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Zwei Erfahrungen vom letzten Con-Wochenende lassen mich wieder einmal darüber grübeln warum es so wenige aktuelle Spiele gibt, in die sich schnell einsteigen lässt. "Schnell einsteigen" meint hier nicht unbedingt dass man die Schachtel aufreisst, den Text in wenigen Stunden überfliegt und sofort alles weiß was man wissen muss. (Den Anspruch erfüllt ja nicht mal OD&D, und selbst bei den minimalsten Forgesystemen ist es rar.)
"Schnell einsteigen" heißt dass man schnell ohne große Entscheidungen und Gedanken an das Entwicklungssystem einen halbwegs guten Charakter aufstellen kann, und dass der Spielleiter schnell ohne große Vorbereitungszeit ein Abenteuer aus dem Hut ziehen kann.

Die konkreten Beispiele vom Wochenende:

FTA!: Der Dungeon war in einem Abend mit dem mitgelieferten Dungeongenerator ausgewürfelt und nebenher an 1-2 weiteren Abenden zurechtgefeilt und mit einem Abenteuerziel versehen.
Charaktere waren von völlig unvertrauten Spielern in 20 Minuten aufgestellt: Attribute der Reihe nach auswürfeln, Klasse und Rasse wählen, bis zu 10 Skillpunkte verteilen, Ausrüstung shoppen, fertig. (Ohne Shopping könnte man sicher halbieren.)

CP2020: Die Charaktere waren von völlig unvertrauten Spielern in 45min aufgestellt: Attribute der Reihe nach ausgewürfelt, erste Schritte im Lifepath, Role gewählt, Lifepath abgeschlossen, Karriereskillpunkte verteilt, Pick-Up-Skillpunkte verteilt, Shopping, fertig. 45min klingt nach viel, aber der Großteil der Zeit lag IIRC beim Lifepath wo die Spieler miteinander ausgetauscht haben was Charakterverknüpfung und Interpretierung der Ergebnisse angeht, war also schon näher am tatsächlichen Spiel als beim reinen Charakterblattausfüllen.
Das Abenteuer entstand beim Rumhängen abends und morgens auf dem Con nebenher aus den Infos aus dem Lifepath, die beteiligten NSCs wurden ausgewürfelt und mit etwas Lifepath versehen um etwas mehr Fleisch auf den Rippen zu haben, ein Minidungeon aufgezeichnet (Penthouse mit wenigen Räumen und ein paar Notizen zu Umgebung und Sicherheitsmaßnahmen am Eingang), und das war es - für die unvermeidlichen Lücken und Längen bei improvisierten Abenteuern gibt es ja die Zufallsbegegnungen. Wenn ich wirklich konzentriert an der Abenteuervorbereitung gesessen hätte ich in 20min fertig sein können.

Bei anderen Spielen will ich jetzt keine Zeitdauer angeben weil das zu lange gehen würde, aber spontan fallen mir OD&D, AD&D 1st, DSA1 und InSpectres ein. (Erstere drei etwas weniger, weil da abgesehen von Fertigmodulen weniger Hilfen für den schnell einsteigenden SL bestehen, aber die schnelle Charaktererschaffung erfüllen sie umso besser, und das ist bei der D&D-Familie vor 3.x auch dringend notwendig angesichts der Sterblichkeit von Stufe-1-Charakteren.)

Wie man an meiner Aufzählung sieht sind da vier alte Spiele von vor 1990 dabei, und zwei Small-Press-Spiele die kommerziell und verbreitungsmäßig keine Rolle spielen.

Bei den aktuellen Spielen die auch wirklich relevant sind sieht es aber finster aus:
D&D 3.x kann zwar theoretisch genutzt werden um schnell einen Charakter zu erschaffen, aber ohne etwas Vorplanung in Sachen Multiclassing/Prestigeklassen und Featbäume wird er früher oder später kräftig saugen. Dazu habe ich den Eindruck, dass der Reihe nach auswürfeln heute unbeliebt ist, aber der Eindruck kann mangels Repräsentativität auch täuschen.
Der schnell einsteigende SL wird zwar mit CRs und ELs etwas entlastet, aber wirklich flott kann er auch nicht loslegen.
Zu DSA4 sage ich am besten gar nichts, da erschaffen ja nicht mal die glühendsten und systemkennendsten Fans ihren Charakter ohne Computerunterstützung, und der SL hängt auch ziemlich in der Luft.
Midgard war noch nie wirklich schnell in Sachen Charaktererschaffung, und die aktuelle Edition wohl am wenigsten. Abgeleitete Werte berechnen/erwürfeln, Tabellen wälzen, Lernpunkte-Konten erwürfeln und von diesen einkaufen... Dat dauert, und in Sachen SL-Einsteigshilfen ist auch hier Schmalhans Küchenmeister.

Ist schnelle Einsteigbarkeit heute kein Kriterium mehr beim Design? Will man vielleicht gar keine Gelegenheitsspieler und Einsteiger mehr ansprechen, sondern versucht nur noch die Bedürfnisse der Hardcore-Fans zu befriedigen? (Das wurde ja etwa D&D3.x zum Teil von den Grognards angelastet, und bei 4E scheint sich da nichts zu ändern, so weit man aus den spärlichen Ankündigungen schließen kann.)
Welche aktuellen, kommerziellen Spiele bieten in Hinsicht schneller Einsteigbarkeit noch was?
Wie steht ihr zu diesem Systemmerkmal?
 
AW: Einsteigbarkeit in Spiele

45min klingt nach viel, aber der Großteil der Zeit lag IIRC beim Lifepath wo die Spieler miteinander ausgetauscht haben was Charakterverknüpfung und Interpretierung der Ergebnisse angeht, war also schon näher am tatsächlichen Spiel als beim reinen Charakterblattausfüllen.
War mir aber trotzdem zu lang.

FtA liegt im angenehmen Bereich, alles drüber hinaus kratzt da schon an meiner Toleranzgrenze.
 
AW: Einsteigbarkeit in Spiele

Ohne Lifepath hätte man wohl auf 20-30min verkürzen können, aber das hätte andere Probleme für den Einstieg gebracht (v.a. Ideenstau und weniger Angriffsfläche für ein schnell erstelltes Abenteuer).
Ich selbst sehe 2020 mit ca. 1 Stunde Vorbereitungszeit als Obergrenze für meine Ansprüche für ein schnell nutzbares Spiel.
 
AW: Einsteigbarkeit in Spiele

Cthulhu geht recht schnell vnon der Charaktererschaffung, Runequest weiß ich nicht mehr. WoD geht von den Werten her auch schnell.

Wobei ich kein Problem habe, 1,5 bis 2 Stunden für einen Charakter aufzuwenden, den ich die nächsten Jahre spielen will (bei mir endet die Spielzeit nicht mit dem Ende einer Kampagne). Von daher finde ich Midgard ganz in Ordnung.

Auch Warhammer FRPG geht in meiner Erinnerung sehr schnell.

Bei DSA4.1 ist das schlimmste die Rechnerei mit den Steigerungstabellen, der Rest geht eigentlich auch.

Wobei ich gerne viel tüftel beim Charakterschaffen und deshalb mittlerweile lieber Kaufsysteme mag als Würfelsysteme und auch gerne einige Zeit damit verbringe.
 
AW: Einsteigbarkeit in Spiele

Schnelle Charaktererschaffung. Wenn man weiß, was man spielen will, geht der Rest flott.
Bei Spielern, die eben den Hintergrund, das Setting NOCH NICHT kennen, ist es alles andere als leicht zu wissen "was man spielen will".

Und dann ist die UA-Charaktererschaffung geradezu QUÄLEND.

Die Freiheiten beim SELBST-Festlegen der Fertigkeiten/Fertigkeitsbezeichnungen in UA sind die Freiheiten der KENNER und sie sind die BELASTUNGEN für Einsteiger. - Gerade für jemanden, der noch nicht weiß, was er alles BRAUCHT, was er im Spiel können KÖNNTE, und wie sich das, wofür er sich vielleicht jetzt gerade entscheiden mag, tatsächlich im Spiel AUSWIRKEN wird, der tut sich bei UA enorm schwer mit der Charaktererschaffung.

UA ist alles, nur nicht einsteigerfreundlich.

Wenn ich das freie Definieren nicht schon von HeroQuest/HeroWars gekannt hätte, dann wäre ich auch bestimmt so zaghaft und eben UNSICHER und LANGSAM wie meine Mitspieler an die Charaktererschaffung gegangen.


Schnelle Charaktererschaffung. Wenn man weiß, was man spielen will, geht der Rest flott.
Das kann ich bei Deadlands Classic auch behaupten. - Und zwar für einen Spieler, dem die Regeln, die Charakteroptionen, die Wahlmöglichkeiten GUT VERTRAUT sind.

Wenn man ein Regelsystem so gut kennt, daß man tatsächlich aus der PROBLEMSTELLUNG "Charakter-Idee" bzw. "Charakter-Entwurf" die ABBILDUNG ins Regelsystem via Charaktererschaffung schnell und zügig vornehmen kann, dann ist man KEIN EINSTEIGER mehr.

Für NICHTEINSTEIGER, d.h. für KENNER eines Regelsystems kann tatsächlich eine mit noch so undurchschaubaren Optionen, Zusammenhängen, Abhängigkeiten und Blätterei verbundene Charaktererschaffung wesentlich schneller gehen, als für einen Einsteiger in einem Regelsystem mit deutlich geringerer Komplexität.



Zur Frage, ob Einsteigerfreundlichkeit heutzutage kein wichtiges Entwurfsziel für ein Rollenspielregelwerk ist:
War es das denn früher?

D&D (OD&D, AD&D) hat sich schon damals NICHT an totale Spielneulinge gewandt, sondern stark auf dem Wargaming-Sektor seine Spielerzielgruppe gesehen (daher auch das "tabletoppige" Reichweitensystem).

Traveller hingegen hat sich mit der DURCHWEG auszuwürfelnden Charaktererschaffung auf einen praktisch SPIELERENTSCHEIDUNGSFREIEN Weg begeben, wo ein Spieler so wenige Entscheidungen zu treffen hat, daß er dabei auch kaum "Fehler" oder "Versäumnisse" begehen kann (anders als z.B. in Deadlands, wo ein Charakter ohne Guts wirklich schnell aus dem Spiel geängstigt wird). Die Würfeltabellen stellen einen halbwegs überlebensfähigen, spielbaren Charakter sicher durch Einschränkung der Entscheidungsfreiheit.

Wendet sich dann Traveller an Einsteiger? - Obschon es einsteigerfreundlicher für die Spieler daherkommt, so ist es beim Spielleiter und dem, was dieser so alles TUN muß, um aus der sehr abstrakt und sehr lückenreich angelegten Spielwelt (Universum) etwas Konkretes, etwas Spielbares zu machen, alles andere als einsteigerfreundlich.

Man muß also mindestens diese Unterscheidungen treffen:
Einsteigerfreundlichkeit für neue SPIELER, die NIE zuvor Rollenspiele gespielt haben
Einsteigerfreundlichkeit für neue SPIELER, die bereits andere Rollenspiele gespielt haben
Einsteigerfreundlichkeit für neue SPIELLEITER, die bereits andere Rollenspiele geleitet haben
Einsteigerfreundlichkeit für neue SPIELLEITER, die NIE zuvor Rollenspiele geleitet haben

Und da schneiden alte wie neue Rollenspiele unterschiedlich schlecht (kaum eines je "gut"!) ab.


Rollenspiele wie Savage Worlds, Angel RPG, Funky Colts, u.a.m. haben BEWUSST eine einfache Charaktererschaffung als ein Entwurfsziel beachtet. - Jedoch ist ein Charakter bei Savage Worlds aufgrund der FOLGEN, die eine Entscheidung für eine der Möglichkeiten bei der Erschaffung im späteren Spiel nach sich ziehen wird, nicht leicht von einem ROLLENSPIELEINSTEIGER (also einem Totalneuling) zu erschaffen. Bei Funky Colts hingegen gibt es weniger Möglichkeiten, weniger Kombinationen von Möglichkeiten und generell überschaubarere Effekte bei Auswahl dieser Möglichkeiten, so daß ein Anfänger leichteren Einstieg finden kann.

Die allermeisten Rollenspiele lassen jedoch einen Einstieg als SPIELLEITER für Personen, die dies noch in keinem anderen Rollenspiel gemacht haben und es auch nicht per "Coaching" durch einen anderen Spielleiter vermittelt bekommen, eher SEHR SCHWER erscheinen. - Versuche diesen Einstieg zu erleichtern gibt es zwar, doch habe ich nicht den Eindruck, daß so etwas wirklich den Aufwand wert ist, den man als Autor betreibt. Vergleicht man die Anstrengungen, die manche Rollenspielautoren in SPIELLEITERFREUNDLICHE Regelformulierung und -erläuterung gesteckt haben, mit den in entsprechenden Foren auffälligen Nachfragen nach GENAU DEN ERKLÄRTEN und AUSFÜHRLICH DARGELEGTEN Punkten, dann scheint der Erfolg dieser Anstrengungen eher begrenzt zu sein.

Daher kann ich voll verstehen, wenn ein Autor sich lieber mehr Zeit für interessante Aspekte seines Rollenspiels nimmt, die nur ein "Schon-länger-Rollenspieler" verstehen wird (und zu schätzen wissen wird!), als zum tausendsten Mal "Rollenspiel für Einsteiger", "Was ist Rollenspiel?", usw. als TOTE SEITEN in sein Rollenspiel zu stopfen.



Zudem: Warum meint eigentlich nicht nur der Threadersteller, daß man Menschen, die Rollenspiele spielen wollen, die sich für Rollenspiele interessieren, ständig STÜTZRÄDER, SCHNABELTASSEN und GEHHILFEN aufdrängen soll?

Als ICH mit schlechtem Englisch und nur auf Basis von US-Regelwerken mit dem Rollenspielhobby begann, da WOLLTE ich SELBST wissen, wie man das spielt. - Da war ich auch ganz ohne Krücken und Würfelablesen für Dummies in der Lage SPIELREGELN zu verstehen und mit meinen Freunden loszuspielen.

Klar hat man immer mal etwas an den Regeln falsch verstanden. - Das war aber NIE ein Rückschlag, der uns ganz vom Hobby abgebracht hätte. - Eine Rollenspieleinführung wie für eine "beschützende Spielstätte" hatten wir nicht nötig.

Heute gibt es Computerspiele, deren Komplexität in der Bedienung alle von mir geschätzten Rollenspiele in den Schatten stellt. Da muß man SCHNELL und ohne viel Schonung einfach FIT und GEÜBT darin werden, um den vollen Spielspaß genießen zu können. - Ebenso bei Brettspielen, die anders als die berühmten "German Games" weit mehr als nur 8 Seiten Regeltext aufweisen. Wer die dicken Brocken an Brettspielen spielt, die sich ja auch an "Hard-Core-Hobby-Brettspieler" wenden und nicht an den Gelegenheitsspieler, der ab und zu sein "Vier-gewinnt" oder "Spiel des Lebens" oder anderen MB-Kram herausholt um es mit seinen Kindern zu spielen, der kann auch mit z.T. SEHR komplexen Regeln klarkommen. Und der weiß auch, daß er beim allerersten Durchspielen lauter Fehler, Mißverständnisse und Komplikationen erleben wird. So LERNT man eben ein neues Spiel kennen und spielen.

Die ominösen "Gelegenheitsspieler" sind weder für Rollenspiele, noch für Brettspiele (für Spieler über 12 Jahren), noch für Computerspiele (jenseits von Minesweeper) zu gewinnen.

Wozu also überhaupt viel Aufwand in "Einsteigbarkeit der Spiele" stecken, wenn die ECHTEN Interessenten sich die zugehörigen Regeln ohnehin reinziehen werden und auch mit einer Charaktererschaffung von DSA4 klarkommen, während die NICHT-Interessierten (die "Vier-gewinnt"-Spieler) sich noch nicht einmal bei vorgenerierten Charakteren die Mühe machen, den Charakterbogen überhaupt vollständig durchzulesen?

Man muß doch nicht JEDEN zum Rollenspiel "prügeln". - Wer weniger Zeit in das ohnehin grundsätzlich ziemlich zeitaufwendige Hobby Rollenspiel stecken möchte, der kann sich ein Spiel mit entsprechend (für ein Rollenspiel!) geringen zeitlichen "Betriebsaufwänden" aussuchen. Aber es ist in vielen Rollenspielen mit hohem Aufwand für eine Charaktererschaffung durchaus so, daß das MEHR an Komplexität, das MEHR an Details, auch mit MEHR interessanten Erlebnissen im Spiel verbunden ist. - Ein Risus-Charakter beginnt flach und bleibt flach. - Natürlich ist eine komplexe (und komplizierte) Charaktererschaffung noch lange kein Garant für einen interessanten und im Spiel befriedigenden Charakter.

Aber das ist ja auch bei Kartenspielen, Brettspielen und Computerspielen so. - Z.B. ist das "Order of the Stick"-Brettspiel von der Spielidee her auch nicht anders als Munchkin (Dungeon-Crawl-Monster-Plätten-Schätze-Rauben). Aber Munchkin lernt sich schnell, ist preisgünstiger, und man bekommt es auf Deutsch. Damit gibt es ziemlich ähnliche Einstiegshürden beim "Oots"-Brettspiel (Englisch, teuer, nicht erweiterbar, LANGE Anleitung(!)), wie man sie bei Rollenspielen so vernehmen kann: "Oh, das ist ja in Englisch!", "Mann ist das viel Text!", "Was! Die KURZ-Regeln sind schon 100 Seiten lang?", usw.

Manche Spieler wollen eben nicht so viel Zeit in ein Spiel stecken. - Daher ist es auch heute noch (oder eher "schon"?) ein wichtiges Entwurfsziel für einen Rollenspielautoren, WEN er eigentlich als Zielgruppe seines Spiels adressieren möchte. - Die Spieler (und Spielleiter!) mit wenig Zeit und dem Willen trotz Zeitknappheit MEHR zu spielen, die finden sich z.B. bei Savage Worlds in ihren wichtigsten Belangen voll angesprochen. Einem Spieler, der MEHR Zeit zur Verfügung hat, und der gerne LANGE an Abenteuern feilen möchte, an dem gehen viele der Kern-Entwurfsaspekte von Savage Words vorbei. Die lassen ihn einfach kalt. - Andere Zielgruppe eben.

Wenn man, wie ich OFT den Eindruck habe, sich als Rollenspielautor KEINE Gedanken um seine konkrete Zielgruppe unter der großen Gruppe der prinzipielle an Rollenspiel interessierten Menschen macht, dann produziert man leicht ein Rollenspiel, welches sehr wenig "Flugstunden" sammeln wird.

Überkomplizierte Charaktererschaffung, Spielleiter-Arbeitsaufwände für NSC-Erschaffung und Abenteuervorbereitung, die in keinem akzeptablen Verhältnis zur Spieldauer mehr stehen, pure Featuritis, die den Spielablauf zäh und träge macht, usw. - Das alles kann (und wird) in solchen "dahingeschriebenen" Rollenspielen zu finden sein. Es ist so, daß man den Eindruck hat, daß es den Autoren NICHT daran gelegen ist, daß ihre Rollenspiele auch tatsächlich gespielt werden.

Ein Beispiel: Artesia - Adventures in the Known World. - Tolle Comics. Toll aufgemachtes Rollenspiel. Toll viel Fluff zur Spielwelt. Tolle Charaktererschaffung. Tolles, neuartiges Erfahrungssystem. - Und kaum jemand spielt das! - Warum? - Meine Antwort: Weil Spieler wie ICH sich NICHT durch hunderte Seiten MUSS-DU-KENNEN-Fluff ackern wollen, um so ein Rollenspiel erst einmal anzutesten.

Ein Rollenspiel, welches ein 14-Jähriger mit einer 3er-Note in Englisch nicht im englischsprachigen Original lesen und nach einer Woche mit seinen Kumpels spielen kann, ist einfach handwerklich nicht gut geschrieben.

Auch Rollenspiele, von denen ich meterweise Material in den Regalen stehen habe, habe ich nicht gleich "am laufenden Meter" gekauft, sondern mit dem ersten Regelband. - Und wenn ich darin nicht SOFORT hätte sehen können, WAS man spielen soll, und WIE man da spielen kann, dann wäre der erste Band auch der EINZIGE gewesen, den ich mir angeschafft hätte.

Und bei der Entscheidung ein Rollenspiel anzuschaffen, mehr dazu anzuschaffen, meine FREUNDE zum AUSPROBIEREN und MITSPIELEN zu bewegen, ist die "Einsteigbarkeit in Spiele" auf ganz anderen Eigenschaften als nur der Charaktererschaffung von weitaus kritischerer Bedeutung. - Ob die Charaktererschaffung eines NICHT-Con-Charakters(!) nun eine Stunde oder zwei oder fünf dauert, ist doch egal, solange ein ZUFRIEDENSTELLENDER Charakter herauskommt, den der Spieler MAG und der im Spiel das hält, was er (und der Spieler sich) verspricht.

"Einsteigbarkeit" wächst mit der KLARHEIT, mit der der Autor seine Ideen, seine Begeisterung für sein eigenes Werk VERMITTELN kann. - Klarheit ist ganz essentiell für VERSTÄNDNIS. - Und schnelles und leichtes Verstehen dessen, worum es im betreffenden Spiel gehen soll, ist für einen schnellen und leichten Einstieg DAS entscheidende Kriterium.

Wenn man rätseln muß, was "das alles" denn zu bedeuten hat, wozu das alles gut ist, was man machen kann, was man machen muß, was man machen soll, dann ist der Einstieg schon mißglückt. Dann war die Aufbereitung der Inhalte des Rollenspiels durch den Autoren leider nicht erfolgreich. - Das führt dazu, daß sich nur die HARTGESOTTENEN, die HOCHINTERESSIERTEN durch die schlecht aufbereiteten Regeln und Fluff-Texte durchbeißen und TROTDEM eine Spielrunde anfangen, ausprobieren, sich selbst korrigieren und generell versuchen aus einem schlecht zugänglichen Rollenspiel ein SPIELBARES zu machen.

Nachdem es also damals wie heute viele Rollenspielautoren gibt, denen ganz essentielle handwerkliche Fähigkeiten zum verständlichen Schreiben und Beschreiben, zur Erzielung von Klarheit bei Formulierungen (längst nicht allein bei REGELformulierungen), und zur Vermittlung von BEGEISTERUNG und Interesse beim Leser fehlen, ist es nicht verwunderlich, daß man eine fehlende "Einsteigbarkeit in Spiele" feststellen kann. - Diese gab es damals. Diese gibt es heute.

Daß sich in dieser Hinsicht nicht viel geändert zu haben scheint, ist zwar bedauerlich, aber der Stand der Dinge auch in ganz anderen Hobbys. Somit ist es bedauerlich, aber nicht ungewöhnlich. - Auf jeden Fall kein Grund zu einer in irgendeiner Form BESONDEREN Sorge.
 
AW: Einsteigbarkeit in Spiele

FuCo ist auch dafür entwickelt worden, dass man schnell einen Charakter zusammenbauen kann.
Ist dafür aber eher ein Sprinter, als ein Langläufer ... auf den ersten Metern läuft es allen davon, dafür kann es passieren, dass es hinterher keine Puste mehr hat. ;) Will heißen, FuCo ist nicht als Kampagnenspiel gedacht, sondern eher was für zwischendurch, also auch für Cons.
 
AW: Einsteigbarkeit in Spiele

Bei Spielern, die eben den Hintergrund, das Setting NOCH NICHT kennen, ist es alles andere als leicht zu wissen "was man spielen will".
Was gibt es da an Hintergrund zu kennen, wenn die Spieler auf Straßenniveau beginnen?

Und dann ist die UA-Charaktererschaffung geradezu QUÄLEND.
Da habe ich andere Erfahrungen gemacht.

Die Freiheiten beim SELBST-Festlegen der Fertigkeiten/Fertigkeitsbezeichnungen in UA sind die Freiheiten der KENNER und sie sind die BELASTUNGEN für Einsteiger.
Wie man dem anfänglich abhelfen kann, steht sogar im Regelwerk.
 
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Zornhau:
Du verstehst mich in ein paar Punkten miss.

Zum einen geht es mir nicht um die Einsteigerfreundlichkeit im Sinne von "völlig neue Spieler die noch nie RPG betrieben haben" (sonst hätte ich auch Einsteigerfreundlichkeit geschrieben), sondern um die Einsteigbarkeit für Spieler die mit dem Medium schon vertraut sind. (Wobei sicher auch Neueinsteiger davon profitieren, keine Frage.)

Zum anderen meine ich mit dem Gelegenheitsspieler nicht dass Äquivalent zum Monopoly- und Mensch-ärger-dich-nicht-Spieler, sondern den Spieler der ein bestimmtes System nur gelegentlich für Kurzkampagnen und One-Shots spielt und Regeln und Setting noch gar nicht oder nur sehr oberflächlich kennt (in Abgrenzung zum Harcore-Monokulturisten der nur eine jahrelange D&D-/DSA-/WoD-/[300+-Seiten-Gorilla einfügen]-Kampagne spielt und Sonderregeln in seinem Heimsystem im Schlaf aufsagen kann).

Zudem: Warum meint eigentlich nicht nur der Threadersteller, daß man Menschen, die Rollenspiele spielen wollen, die sich für Rollenspiele interessieren, ständig STÜTZRÄDER, SCHNABELTASSEN und GEHHILFEN aufdrängen soll?
Mir haben die Regeln für das Auswürfeln von Expendable NPCs, der Lifepath und die Zufallsbegegnungstabelle bei der CP2020-Vorbereitung sehr geholfen schnell was spielbares in den Griffeln zu halten.
Insofern danke, meinen Schnabeltassen geht es gut und sie leisten mir gute Dienste um meine Runden rocken zu lassen 8) Wahrscheinlich bin ich einfach ein schlechter und unkreativer SL, aber als solcher profitiere ich davon umso mehr.

Manche Spieler wollen eben nicht so viel Zeit in ein Spiel stecken. - Daher ist es auch heute noch (oder eher "schon"?) ein wichtiges Entwurfsziel für einen Rollenspielautoren, WEN er eigentlich als Zielgruppe seines Spiels adressieren möchte.
Indeed, zu einem sauber designten Spiel gehört auch die Überlegung wer das Spiel eigentlich unter welchen Umständen spielen soll.
Allerdings ist augenfällig wie selten heute die Bedürfnisse des Gelegenheitsspielers als auch des Neueinsteigers addressiert werden.
 
AW: Einsteigbarkeit in Spiele

Allerdings ist augenfällig wie selten heute die Bedürfnisse des Gelegenheitsspielers als auch des Neueinsteigers addressiert werden.
Da gebe ich dir vollkommen recht. Das liegt aber daran, dass die Verlage und Spieleklitschen ihr Zeug für bestehende Zielgruppen entwickeln und nicht für Neueinsteiger. Man geht lieber auf Nummer sicher, als sich eine neue Zielgruppe zu erkämpfen (ist ja auch nicht so einfach). Deswegen sind wir freien Rollenspielmacher in dieser Hinsicht auch gefragt. Wir haben halt die Freiheit, weil wir uns keinem Markt unterwerfen müssen und mit Systemen wie FuCo, Barbaren (wie sieht es mit Western City aus?) sind wir doch auf einen guten Weg, oder?
 
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Ich möchte hier mal Fading Suns als Positivbeispiel nennen. Habe vorletzte Woche mit einer systemunerfahrenen Gruppe in sehr kurzer Zeit und ohne viel nachfragen Chars gebaut. Lifepaths für Anfänger, Punktesystem für Profis... sehr gut gemacht!
 
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Und UA leistet in Bezug auf dieses Systemmerkmal was?

1.) Gegenwartssetting: Wir sind alle mit der "heutigen Welt" wie sie scheint vertraut. Wir wissen einfach, das wir von Raffgierigen Plutomanten ausgebeutet werden, während Agromanten die Städte verdorren lassen und Avatare des wahren Königs hoffnungslos in Ohnmacht mit den Händen Winken, weil die Mechanomaten die Menschen zu Willenlosen.... Dingern verwandeln.

2.) Die (entgegen hiesiger Unkenrufe) sehr einfachen Charaktererstellungsregeln. Ich als Meister stelle ja immer schon gewisse Grenzen auf. Bei Anfängern setzt man sich eh noch mal zusätzlich gezielt an den Tisch und spricht mit denen über deren Ideen, was eine entsprechende Person "unter Druck" auf jeden Fall hinkriegen sollte und macht dabei dann als SL auch Vorschläge wie eine Fähigkeit heißen könnte. Oder inwieweit man sie spezialisieren könnte.

3.) Dadurch dass eh kaum bei UA gewürfelt wird braucht ein Anfänger auch nicht so viel auf diese Regeln zu achten.

4.) Für mich als SL ist es darüber noch "einfach" da ich einfach drei, vier Szenen letztenendes Vorbereite und den Rest den Spielern überlasse. Die Welt dreht sich zwar auch ohne sie weiter, aber sie haben alle Möglichkeiten den Ausgang mitzubestimmen. (Von "und leise wächst das Gras" mal abgesehen, wo ein bestimmter Wagen zwangsweise draufgeht. Aber das betrifft auch nur dieses eine, vorgefertigte Abenteuer.)

Bei Spielern, die eben den Hintergrund, das Setting NOCH NICHT kennen, ist es alles andere als leicht zu wissen "was man spielen will".

Und das Wiederspricht eindeutig so total meinen Erfahrungen. (Allerdings setzt man sich vor der Charaktererstellung mit totalen UA-Neulingen bezüglich einer Kampagne eh noch mal einen Abend vorher hin und erklärt das Setting, respektive klärt die Ausgangslage der Charaktere in ihrer Beziehung vorher ab.)

Bei One-Shots muss der UA-Neuling noch nicht mal all zu viel über den Hintergrund wissen. Der okkulte Untergrund findet ihn einfach zwangsweise. :D
 
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Die beste Einsteigbarkeit bieten Rollenspiele mit gut gemachten, vorgefertigten Charakteren (z. B. in den meisten Warhammer-Abenteuern).
Ich werde z. B. im Leben nie mehr auf einen Con gehen um zu leiten, ohne eine Auswahl an Charakteren für die Runde dabei zu haben - und ich werde auch im Leben nie mehr ein Spiel auf einem Con mitspielen, wo ich erst noch einen Charakter auswürfeln muss.
 
AW: Einsteigbarkeit in Spiele

Ich werde z. B. im Leben nie mehr auf einen Con gehen um zu leiten, ohne eine Auswahl an Charakteren für die Runde dabei zu haben - und ich werde auch im Leben nie mehr ein Spiel auf einem Con mitspielen, wo ich erst noch einen Charakter auswürfeln muss.

Ich frage mich, wie und wo das je anders gewesen wäre. Im Ernst, geht hier jemand ohne fertige Charaktere auf Cons, wenn er nicht grade InSpectres anbieten will?
 
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Ich werde z. B. im Leben nie mehr auf einen Con gehen um zu leiten, ohne eine Auswahl an Charakteren für die Runde dabei zu haben - und ich werde auch im Leben nie mehr ein Spiel auf einem Con mitspielen, wo ich erst noch einen Charakter auswürfeln muss.
*hust* Ars Magica *hust*
 
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Spirit of the Century hat mit seinen Packages eine sehr schnelle Einstiegsmöglichkeit, aber auch eine wirklich amüsante lange (ca. 1 Stunde für eine Gruppe) Charaktererschaffungssequenz, die den kompletten Hintergrund mitliefert.

Ein Pulp Szenario ist auch recht schnell geschreiben, man braucht nur etwas Eingewöhnungszeit um das richtige Timing für den Fate Point Fluss zu bekommen.
 
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Für mich ist die Charakterschaffung ebenfalls ein sehr wichtiger Aspekt beim reinschnüffeln in ein neues System auf einem Con.
Das bekommt man mit vorgefertigten Charakteren leider nicht hin...


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