Ein besonderer Auftrag - aus der Fantasy-Welt Lyrm

AlanBlake

Neuling
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24. Juni 2003
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Die folgende Kurzgeschichte spielt in der von mir für meine Romane ersonnenen Fantasy-Welt LYRM.

[ALIGN=center]Ein besonderer Auftrag
von Alan Blake[/ALIGN]

Blätter raschelten leise, als sich Spezialagent Arim Galet einen Weg durch das dichte Gebüsch bahnte. Heute Nacht war er mit einem besonderen Auftrag unterwegs. Es würde nicht einfach werden.
Der halbvolle Mond versteckte sich hinter regenschwangeren Wolkenbänken, die rasch über den Himmel zogen. Er achtete auf seine Füße, damit sie keine verräterischen Zweige zerbrachen. Seit seiner Ankunft in diesem Wäldchen war Wind aufgekommen, und er strich über die Bäume und Büsche hinweg und flüsterte angenehm.
Als er einige Äste sachte beiseite schob, offenbarte sich ihm der Blick auf das Ziel seiner Unternehmung: das Schloß des Fürsten Van der Baer. Majestätisch zeichnete sich das riesige Gemäuer vor dem Mitternachtshimmel ab; seine schlanken Türme stachen hoch empor, und seine starken Mauern schienen selbst Riesen abschrecken zu wollen, so düster und gewaltig wirkten sie.
Kaum ein Licht brannte hinter einem der vielen Fenster. Das Schloß schien ruhig und verlassen zu sein. Er wußte jedoch, daß dem nicht so war.
Ein Blitz zuckte in der Ferne jenseits des Schlosses auf, und Donner grollte heran.
Er verließ sein Versteck und näherte sich auf leisen Füßen den Toren des Schlosses, die er von seinem Standort aus nicht einzusehen vermochte. Dabei huschte er von Baum zu Baum und von Busch zu Busch. Und er hielt Ausschau nach seiner Kontaktperson.
Schließlich wurde er fündig. Ein Mädchen kauerte hinter dem Stamm eines abgestorbenen Baums und schien das Schloß zu beobachten.
Er trat hinter sie. Sie bemerkte seine Anwesenheit in dem Augenblick, als er sie ansprach. »Agentin«, sagte er mit gedämpfter Stimme.
Nun, zumindest ihre Überraschung wußte sie zu verbergen. Sie erhob sich rasch und wandte sich zu ihm herum. »Seid Ihr ...?«
»Ja, denn sonst wärt Ihr jetzt tot«, fiel er der Agentin ins Wort. Sie war noch jung, wohl kaum aus der Akademie entlassen. »Ihr wurdet mir zugewiesen, Agentin. Wie ist Euer Name?«
»Timber Mistrel.«
Er nickte knapp.
»Ich freue mich, mit Euch zusammenzuarbeiten, Spezialagent Galet«, sagte sie.
»Seid Ihr ortskundig?« fragte er sie.
»Das bin ich«, antwortete sie nach einem kurzen Zögern.
»Dies weiß ich: Kultisten der Wall-Sekte drangen vor etwa neun Stunden in das Schloß des Fürsten Van der Baer ein und nahmen ihn, seine Familie und seine Bediensteten als Geiseln. Der Anführer der Kultisten ist ein Mann namens Shimon Lyzot, ein fanatischer und äußerst charismatischer Führer. Über den Zweck der Aktion ist noch nichts bekannt. Es dürften sich einunddreißig Personen in der Gewalt der Kultisten befinden. Deren Anzahl ist nicht bekannt. Sie werden auf fünfzehn bis zwanzig geschätzt. Sagt mir, was Ihr über den Fürsten wißt.«
Die Agentin blickte Galet mit blitzenden Augen an. »Kurz vor Mitternacht drang ein Trupp von Rittern in das Schloß ein. Soll ich Euch zuerst von ihnen oder von dem Fürsten berichten?«
»Wie sahen diese Ritter aus?«
»Sie trugen weiße Umhänge über ihren silbernen Harnischen und führten das Banner der Sonne mit sich.«
Spezialagent Galet senkte seinen Blick kurz zu Boden, bevor er ihn wieder auf die Agentin richtete. »Der Orden des Lichts. Gut. Was könnt Ihr mir in kurzen Worten über den Fürsten sagen, das ich nicht schon weiß?«
»Ich kann Euch sagen, daß der Fürst nicht mehr da ist.«
Galet musterte die Agentin aufmerksam. »Er ist fort?«
»Vor etwa zwei Stunden verließ die Kutsche des Fürsten das Schloß. Ich nehme an, daß er sich darin befand.«
»Wenn dies wahr ist, so ist dies äußerst seltsam«, meinte Spezialagent Galet nachdenklich.
»Zweifelt Ihr an meinen Worten?«
Ein dünnes Lächeln glitt über seine Lippen. »Wohl eher an dem, was Eure Augen sahen – oder auch nicht sahen.«
»Natürlich habe ich den Fürsten nicht gesehen ...«
»Genau.«
Das Donnergrollen näherte sich, und auch die Blitze zuckten nicht mehr so fern herab. Vom Schloß her drang Geschrei und Lärm zu ihnen heran.
Die Köpfe der Agenten ruckten herum, und sie erblickten hinter einigen Fenstern ein undeutliches Flackern.
»Ein Feuer«, murmelte Agentin Mistrel.
Spezialagent Galet nickte. »Die Ritter scheinen den Kultisten einheizen zu wollen. Typisch für sie.« Er hielt seine Augen auf die Mauern und Türme des Schlosses gerichtet. »Ich werde jetzt gehen. Ihr bleibt hier und erwartet meine Rückkehr. Sollte ich in sechs Stunden noch nicht wieder da sein, erstattet Ihr unseren Herren Bericht.«
»Ich soll hier auf Euch warten?«
»Richtig.«
»Es kann gefährlich werden.«
»Warum wurde wohl ich geschickt?« Mit diesen Worten huschte Spezialagent Galet durch das Dickicht davon.

Während sich Galet dem Schloß näherte, kreisten seine Gedanken um das, was sich im Inneren des prachtvollen Gemäuers ereignet haben mochte. Die fanatischen Kultisten würden es nicht zulassen, daß der Fürst ihren Händen entglitt – nicht ohne einen triftigen Grund. Und was tat der Ritterorden hier, so bald schon nach der Tat?
Spezialagent Galet überprüfte rasch seine Ausrüstung und seine Bewaffnung – ein Messer, ein schlanker Säbel und eine Handarmbrust. Nicht viel, doch für die Art seines Auftrags ausreichend.
Und schon war er am Fuße der Mauern angelangt. Ein breiter Graben, gefüllt mit pechschwarzem Wasser, zog sich rings um das Fürstenschloß herum. Er mußte ein Stück weitereilen, um an das Tor zu gelangen. Und tatsächlich – die Zugbrücke war herabgelassen und das Tor emporgezogen. Welch eine Einladung, die er sich nicht entgehen ließ. Er huschte über die Brücke und drückte sich in die Schatten an den Mauern, bis er den Innenhof einzublicken vermochte.
Das Geschrei war mittlerweile verstummt, und eine seltsame Stille lag über dem Schloß, nur unterbrochen von dem gedämpften Flackern von Flammen, die sich in einem der oberen Stockwerke ausbreiteten.
Nicht weit entfernt erleuchteten Blitze den Nachthimmel, gefolgt von einem tiefen Donnergrollen, das näher kam.
Galet überblickte den Innenhof. Eine Menge Kisten und Fässer waren mannshoch in dessen Zentrum aufgestapelt, und zwar so, daß man zwischen ihnen hindurchgehen konnte. Dorthin eilte er jetzt.
Und als er sein Ziel erreichte, öffnete sich am Fuße eines Turms in seiner Nähe eine schmale Tür. Galet vermochte sich noch rechtzeitig zu verbergen. Er kauerte hinter den Kisten nieder und lauschte.
Eisenbeschlagene Stiefel schritten über den steinernen Boden. Die Einzelteile von metallenen Harnischen wurden gegeneinander bewegt und schufen so ihr eigentümliches Geräusch, das für einen Krieger Musik in den Ohren war. Spezialagent Galet konnte nicht sehen, wer da über den Hof schritt, doch es mußten zwei der Ritter vom Orden des Lichts sein.
»Wie viele Kultisten haben Eure Männer bis jetzt gefunden?« sagte einer von ihnen mit befehlsgewohnter Stimme.
»Drei, Sire«, antwortete der andere.
»Und die übrigen?«
»Haben sich verschanzt, Sire.«
Die Schritte näherten sich.
»Die Geiseln?«
»Keine Spur von ihnen, Sire.«
Die beiden Ritter passierten die Kisten, in dessen Schatten Spezialagent Galet kauerte. Er erhaschte jetzt einen kurzen Blick auf die Männer. Der eine war ein großgewachsener Mann mit hellem Haar und einem wohl gestutzten Vollbart. Er war dem Agenten wohlbekannt: Magnus Dornier, ein hoher Offizier des Ritterordens und zweifelsohne einer der strengsten.
Die beiden Männer hielten inne, und das metallene Echo ihrer Schritte verklang sanft an den hohen Mauern des Schlosses. Ein Blitz zuckte ganz in der Nähe herab, und als der Donner brüllte, sprach der Anführer der Ritter wieder.
»Diese Kultisten sind gottlose Irre. Ihrem Treiben muß Einhalt geboten werden. Ich will, daß niemand von ihnen dieses Schloß verläßt. Und bringt mir ihren Führer – diesen Shimon Lyzot.«
»Jawohl, Sire.«
»Macht die Geiseln ausfindig und befreit sie.«
»Besteht durch unser Vorgehen nicht eine Gefahr für die Geiseln, insbesondere für den Fürsten?«
Daraufhin erklang ein leises Lachen, das im aufkommenden Wind beinahe unterging. »Der Fürst ist nicht hier.«
»Sire?«
»Teilt eure Männer in zwei Gruppen auf. Die eine soll das Feuer löschen, bevor hier alles niederbrennt, und die andere soll sich um die Kultisten kümmern. Heute nacht werden wir die Wurzel dieses Übels ausreißen!«
»Jawohl, Sire!«
Die beiden Ritter setzten sich wieder in Bewegung, und Augenblicke später fiel eine große Tür schwer ins Schloß. Spezialagent Galet befand sich wieder allein auf dem Hof. Dafür kam Leben im Innern des Schlosses auf. Hinter den Fenstern begannen nun mehrere Schemen umherzuhuschen; offenbar wurden Dorniers Befehle in die Tat umgesetzt.
Dem Agenten drängte sich die Vermutung auf, daß sich dieser Trupp von Rittern ohne offizielle Anordnung hier befand. Dornier strebte die Vernichtung des Kults an. Nun, dies war nicht sonderlich verwunderlich für ihn – einen Mann mit extremen Gesinnungen. Doch bedachte man die jüngsten Bemühungen der Wall-Sekte, als Kirche anerkannt zu werden, erschienen die Ereignisse des heutigen Abends in einem immer seltsameren Licht.
Spezialagent Galet huschte weiter und drang durch eine schmale Tür über die Küche in das Schloß ein. Von irgendwoher drangen das Geschrei und Gepolter der Ritter zu ihm heran. Sie machten sich keine Mühe, ihre Anwesenheit zu verbergen.
Es stellte sich nun die Frage, wie er unerkannt zu seinem Ziel gelangen sollte.
Ein leises, schleifendes Geräusch erklang hinter dem Spezialagenten. Einen halben Herzschlag später war seine Handarmbrust auf den Ankömmling gerichtet.
Es handelte sich um die Agentin Timber Mistrel, und sie starrte die Spitze des kleinen Bolzens starr an, der auf ihren Kopf gerichtet war.
»Agentin«, zischte Galet und senkte die Handarmbrust. »Gab ich Euch nicht eine Anordnung?«
»Ich dachte, meine Dienste könnten Euch hier drinnen besser von Nutzen sein.«
»Nun, dann zeigt mir einen Weg, wie ich an diesen lästigen Rittern vorbei zu den Kultisten gelangen kann, die sich irgendwo verschanzt haben.«
»Folgt mir«, sagte die Agentin und eilte voran, und Galet folgte ihr mit steinerner Miene.
Sie verließen die Küche und betraten einen großen Speisesaal, in dem sich eine Tafelrunde befand
Die Agentin wandte sich einer Ecke zu, suchte kurz die Wand ab und drückte irgendeinen verborgenen Schalter, denn es öffnete sich mit einemmal ein schmaler Durchgang in der Wand. Mit einem breiten Lächeln wandte sich Mistrel zu Spezialagent Galet um.
»Wirklich beeindruckend«, kommentierte dieser gelassen das Werk der jungen Agentin.
Ihr Lächeln verschwand. »Am Ende des Ganges ist eine ähnliche Tür, die in den rückwärtigen Bereich des Schlosses führt. Dort sollten sich die Kultisten aufhalten. Folgt mir.«
Galet trat an ihr vorbei und blickte in die Finsternis, die sich vor ihm auftat. »Ihr bleibt hier.«
»Warum?«
Sein Kopf ruckte zu ihr herum, und er blickte sie streng an. »Weil ich es so will! Und jetzt keine Widerrede mehr.«
»Wie Ihr wünscht«, gab sie nach einem kurzen Zögern mit gesenkter Stimme zurück.
Rasch nahm Galet eine Fackel aus ihrer Wandhalterung und betrat den Geheimgang. »Laßt Euch nicht ertappen«, mahnte er die junge Agentin, bevor diese die Tür hinter ihm schloß. Eile war nun geboten.
Der Spezialagent folgte dem Verlauf des Geheimgangs, bis er an dessen jenseitigem Ende auf eine Wand stieß. Nach kurzer Suche fand er an der Stelle, die die Agentin ihm genannt hatte, einen Knopf. Er drückte ihn – hielt den Atem an -, und es öffnete sich leise knirschend eine Tür.
Der Raum dahinter war leer. Rasch schlüpfte der Spezialagent durch den Durchgang und schloß ihn wieder. Zwei Türen zweigten von diesem Raum ab.
Vorsichtig und immerzu lauschend öffnete er eine der Türen und trat durch sie hindurch in den nächsten Raum. Auch dieser lag still und verlassen vor ihm. Der Spezialagent verharrte und spitzte die Ohren. Von irgendwoher – gedämpft und undeutlich – glaubte er die typischen Klänge eines Gefechts zu vernehmen. Durch ein Fenster drang Licht flackernd ein; das Feuer schien noch nicht unter Kontrolle zu sein. Galet setzte seinen Weg fort.
In der Mitte eines langgestreckten Flurs fand er eine breite und schmucklose Tür, und er wußte, was er dahinter finden würde: die Kapelle. Er betrat den geheiligten Ort.
Die Kapelle war beinahe schon eine Kirche - mit ihren beidseitigen Sitzreihen und dem wuchtigen Altar vorne vor dem Abbild des Gottes. In der Mitte des Dachs befand sich eine mehrere Schritte durchmessende Kuppel aus Glas.
Arim Galet hatte nie viel auf die Religion gehalten, und seit ein paar Jahren war ihm der Gott gleichgültig. Andere hingegen suchten sich neue Götter, denen es sich huldigen ließ – wie auch die Anhänger der Wall-Sekte. Und das sahen einige Fraktionen im Land gar nicht gerne. Der Ritterorden des Lichts gehörte zu den mächtigsten von ihnen – und auch zu den radikalsten.
Die Tür zur Kapelle wurde wieder geöffnet, und der Spezialagent verbarg sich rasch hinter dem Altar. Den Schritten nach zu urteilen betraten zwei Männer die Kapelle.
»Ah, sieh sie dir an«, sagte der eine von ihnen. Seine Stimme klang weich und leidenschaftlich. »Das Abbild des Gottes, des Einen. Menschen vermögen bisweilen so töricht zu sein, nicht wahr, Jünger?«
»Ja, Herr«, antwortete der zweite.
Galet spannte sich; offensichtlich schien einer der beiden Ankömmlinge Shimon Lyzet selbst zu sein. Welch glücklicher Umstand.
»Wie steht es unten?«
»Die Barrikade hält noch, Herr, doch nicht mehr lange. Diese Ritter sind stärker als wir.«
»Die Kraft des Fleisches ist mit ihnen, Jünger. Das mag ihnen heute noch zum Vorteil gereichen, doch schon bald werden sich die Dinge ändern.«
»Aber nicht heute. Sie werden uns überrennen.«
Für einen Augenblick herrschte Schweigen. Dann fuhr derjenige, der wohl Lyzot war, mit tadelnder Stimme fort. »Dir scheint der rechte Glaube zu fehlen, Jünger. Stehst du nicht auf meiner Seite?« Es schwang ein Unterton in diesen Worten mit, der selbst dem Spezialagenten eine Gänsehaut über die Arme jagte.
»Doch, Herr, natürlich«, sagte der andere mit stockender Stimme.
»Ich freue mich für dich, Jünger.« Wieder war es für einen Moment still, bevor die angenehme Stimme erneut erklang. »Heute nacht werden wir ein Zeichen setzen. Tötet die Geiseln. Danach werden wir das Schloß verlassen.«
»Wir sollen alle Geiseln töten, Herr?«
»Alle, die noch da sind. Der Fürst hat das Schloß bereits verlassen. Wenn die übrigen sterben, so tragen diese feinen Ritter die Schuld daran. Was müssen sie uns auch zu einer solchen Tat zwingen.«
»Ja, Herr.« Der Mann machte Anstalten, den Raum zu verlassen. Darauf hatte Galet gewartet. Mit einer geschmeidigen Bewegung tauchte er hinter dem Altar auf, richtete seine Handarmbrust auf den Jünger und drückte ab.
Der Bolzen bohrte sich dem Mann in den Hals, und röchelnd kippte er zur Seite weg. Damit hatte Galet seinen Auftrag nicht erfüllt. Informationen einholen, ohne sich einzumischen; das hätte er tun sollen.
Der andere Mann starrte den Spezialagenten an. Er hatte ein sehr schönes Antlitz.
»Wer seid Ihr?« begehrte er mit seiner einschmeichelnden Stimme zu wissen. »Ihr gehört nicht zu den törichten Rittern, die uns zu vernichten suchen.«
»Nein«, sagte Galet kalt und ließ seine Handarmbrust fallen. Er zog seinen Säbel. »Ihr seid festgenommen, Shimon Lyzot.«
»Oh, Ihr kennt meinen Namen«, sagte der Anführer der Sekte mit einem verschwörerischen Lächeln.
»Keine Bewegung.«
»Ich würde mich gerne noch mit Euch unterhalten, Fremder. Doch leider ...«
Galet näherte sich dem Anführer der Sekte mit raschen Schritten. »Bleibt stehen und rührt Euch nicht.«
»Minnet!« rief Shimon Lyzot, riß dabei seine Arme empor und warf seinen Kopf in den Nacken.
Und da zersprang das gläserne Kuppeldach, und Myriaden messerscharfer Splitter regneten auf den Spezialagenten herab, der mit einem gewaltigen Satz zur Seite sprang, um nicht zerschnitten zu werden. Ein schadenfrohes Lachen dröhnte in seinen Ohren wider. Und dann ertönte ein schrilles Fauchen, als sich etwas durch das zerstörte Kuppeldach in das Innere der Kapelle herabsenkte.
Galet blickte nach oben und glaubte seinen Augen nicht zu trauen.
»Vergnüge sich der Fremde noch mit meinem Schoßtier«, rief Shimon Lyzot. Daraufhin schlug die Kapellentür krachend ins Schloß.
»Eine geflügelte Schlange«, keuchte der Spezialagent, als müsse er sich durch seine eigenen Worte davon überzeugen, daß seine Augen tatsächlich ein solches Wesen erblickten. Und dabei hieß es immer, es wären nur Fabelwesen.
Galet sprang auf und wich einige Schritte zurück, während das Untier zu ihm herabkam. Der Körper des Wesens war mindestens zwölf bis fünfzehn Schritte lang und durchmaß in der Mitte wenigstens einen halben Schritt. Der Leib der Schlange war von Schuppen bedeckt, die in allen Farben des Regenbogens glitzerten. Sechs kurze Stummelbeine ragten aus dem Körper heraus, und ihm vorderen Drittel wuchsen dem Untier zwei kurze Flügel, die den Schwingen einer Fledermaus glichen. Mit solchen Flügeln konnte dieses Wesen doch nicht fliegen. Also mußte Magie im Spiel sein.
Am furchtbarsten war der Kopf der Schlange anzusehen. Er glich dem einer Echse, mit einem Federkamm auf der Stirn, zwei tückisch blitzenden Augen und einem gewaltigen Maul, in dem spitze Raubtierzähne darauf warteten, ihn zu zerreißen.
Kaum hatte das Untier den Boden erreicht, schnellte sein Kopf auf den Spezialagenten zu. Galet wich dem schnappenden Kiefer aus und hieb mit seinem Säbel nach dem Kopf. Er traf, doch die Klinge prallte glatt ab. Die Schuppen waren zu hart.
Galet wich zurück, und die Schlange setzte nach. Wieder griff sie ihn an, und wieder gelang es ihm, auszuweichen. Das Untier drängte ihn zurück, und als er mit dem Rücken an der Wand stand, bäumte sich die Schlange vor ihm auf und fauchte wild.
Der Spezialagent fühlte Glas in seinem Rücken; er war vor einem Fenster. Die Schlange schnellte wieder auf ihn zu, und Galet warf sich zur Seite weg. Glas klirrte, als der Kopf des Untiers durch das Fenster brach. Von ihrem eigenen Schwung beförderte sich die Schlange beinahe selbst nach draußen, bis ihre Flügel die Bewegung stoppten.
Nun schrie der Spezialagent triumphierend auf und hackte auf den einen Flügel der Schlange ein, bis eine tiefe Wunde darin war, und grünes Blut ungehindert floß. Er hörte die Bestie durch die Wand der Kapelle ihre Wut und ihren Schmerz hinausschreien.
Galet eilte zum Altar, nahm seine Handarmbrust auf und lud sie in aller Eile nach. Dann rannte er auf die Kapellentür zu, wobei er über den zuckenden Schwanz der Schlange hinwegspringen mußte. Gerade wollte er die Tür aufreißen, als er mit einem letzten Blick über die Schulter erkannte, daß sich die Schlange aus ihrer mißlichen Lage befreit hatte und mit ungebremster Kraft auf ihn zuglitt. Die hölzernen Sitzreihen wurden unter dem Druck ihres Körpers zerschmettert. Ihr Maul war weit aufgerissen, und grüner Schleim troff daraus hervor.
Galet hob die kleine Armbrust, zielte und drückte ab.
Und der Bolzen bohrte sich in ein Schlangenauge. Das Untier zuckte unter dem Schmerz zusammen und krümmte sich wild.
Die Chance nutzend verließ der Spezialagent rasch die Kapelle und bald darauf auch das Schloß.
Agentin Mistrel wollte wissen, warum er so finster dreinblickte, doch er schenkte ihr keine Beachtung. Diese Nacht sollte er nicht vergessen.




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Kann man so runterlesen. Gefällt mir gut.:respekt:

Drehen sich alle deine Bücher um Arim Galet? Und welche Bücher hast du schon veröffentlicht?
 
Original von Skar
Kann man so runterlesen. Gefällt mir gut.:respekt:

Drehen sich alle deine Bücher um Arim Galet? Und welche Bücher hast du schon veröffentlicht?
Danke für das Kompliment.
Arim Galet kommt nur in dieser Kurzgeschichte zum Zug. Die Einheit, der er angehört, ist allerdings ein fester Bestandteil meiner Welt. Bisher habe ich einen Roman veröffentlicht, den allerersten, den ich schrieb. Drei weitere Lyrm-Romane liegen auf Halde. Einen vierten habe ich vor kurzem fertig gestellt, der allerdings ein anderes Thema hat, und einen neuen habe ich vor kurzem begonnen, der sich abseits der Fantasy bewegt und historisch angehaucht ist.
 
Seit wann gibt es deinen Roman denn bereits im Handel?

Wie lange hast du daran geschrieben und wie lange brauchte der Entwurf bis zum fertigen Buch?
 
Der Roman ist seit Anfang März erhältlich.

Ich halbe ein halbes Jahr lang daran geschrieben. Dann dauerte es noch fünf Jahre, bis ich einen Verlag fand. Wobei ich sagen muss, dass ich erst im letzten halben Jahr dieser fünf Jahre wirklich ernsthaft nach einem Verlag gesucht habe. Bis dahin war ich immer zu faul... oder schrieb große und bekannte Verlage an, die mir natürlich absagten.
 
Ja, man muss wahrscheinlich klein anfangen. Werden deine anderen fertigen Romane auch veröffentlicht, oder wartet der Verlag erst die Nachfrage ab?

Was mich mal interessieren würde: Hat man als Autor einen Einfluss auf die Covergestaltung, oder lässt sich der Verlag das nicht nehemen?
 
Naja, ich werde mich bemühen, dass meine anderen Geschichten irgendwie auch veröffentlicht werden, sei es bei diesem Verlag oder einem anderen. Jetzt will ich erst mal schauen, dass sich mein Erstling einigermaßen verkauft. Dann hat man auch bessere Chancen für weitere Veröffentlichungen.
Meine zweite Geschichte steht ja auf meiner HP zum kostenlosen Download bereit. Das mache ich deshalb, weil ich damit Leser locken will :D
So nach dem Motto: Zwei Geschichten zum Preis von einer.

Bei der Covergestaltung habe ich schon mitreden können. Zumindest mein Verlag ist da also offen für Vorschläge oder sogar eigene Entwürfe.
 
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